Mission possible – Beherzt handeln JK CH-FR 2012 Frutigen Schriftlesungen: Jesaja 53, 1-12; Johannes 12, 35-46 Predigttext: Apostelgeschichte 8,26-40 Liebe Festgemeinde, Die Jährliche Konferenz 2012 steht unter dem Gesamtthema „Beherzt handeln“. Das hat besonders den gestrigen Tag zum zehnjährigen Jubiläum von Connexio geprägt. Der heutige Sonntag führt es weiter unter dem Thema „Mission possible“. Die Mission „mehr Menschen in die Nachfolge Jesu Christi zu führen, auf dass die Welt verändert wird“, ist möglich. Etwas Unmögliches zu verlangen, wäre ein Unsinn. Dass der Sendungsauftrag „mehr Menschen in die Nachfolge Jesu Christi zu führen“ möglich ist, heisst nicht, dass er einfach ist. An der Tagung der Jährlichen Konferenz haben wir beschlossen, mit einigen Praxisfeldern gezielt in ein Gespräch zu kommen, wie es gelingen kann, nicht-kirchlichen Menschen das Evangelium weiterzugeben. Es verlangt Gottvertrauen und beherztes Handeln. Beides kommt zusammen in der biblischen Geschichte, auf die wir heute Morgen hören wollen: Apostelgeschichte 8, 26-40 lesen. 1) Philippus lässt sich auf einen fremden Weg schicken Die Begegnung zwischen Philippus und dem namenlosen Staatsbeamten aus Äthiopien kommt auf wundersame Weise zustande. Da erhält Philippus einen Auftrag von einem Engel und später im Lauf der Geschichte Weisungen vom Heiligen Geist. Vermutlich haben nur wenige unter uns je so ausdrückliche und ausserordentliche Anweisungen erhalten wie Philippus. Doch der Heilige Geist kann auch über jene leise, innere Stimme zu uns reden, die uns sagt, diesem oder jenem Menschen zu telefonieren oder einen Besuch zu machen oder für jemanden Zeit zu haben. Bei uns nüchternen Westeuropäern – jedenfalls bei mir – ist es oft eine innere Stimme, dieses oder jenes tun zu müssen, ohne mit Sicherheit sagen zu können, der Heilige Geist habe es eingegeben. Erst im Nachhinein erkenne ich dann das Wirken des Geistes Gottes. Doch am Beginn steht die Bereitschaft, sich auf einen ungewohnten Weg bzw. einen Umweg einzulassen, ohne zu wissen, wohin es führt. Es braucht beherztes Handeln. Kehren wir zur Geschichte von Philippus zurück: Der äthiopische Hofbeamte lief Philippus nicht einfach über den Weg. Es war umgekehrt: Philippus musste von seinem gewohnten Weg abweichen, um den Weg des Äthiopiers zu kreuzen. Er musste sogar gegen den gesunden Menschenverstand handeln. Denn kein normaler Mensch würde sich während der Mittagshitze auf den wüstenartigen Weg von Jerusalem nach Gaza begeben. Vielleicht benötigte Philippus auch deshalb einen Engel. Dazu kam, dass er nicht an einen Ort geschickt wurde, wo viele Menschen zu erwarten wären, sondern auf eine einsame Strasse. Es wurde ihm nicht angekündigt, er werde eine hochrangige Persönlichkeit treffen. Ihm wurde auch nicht gesagt, er treffe eine reiche Person in wichtiger politischer Stellung, die zugleich offen sei in Glaubensfragen. Philippus erhielt keine motivierende Begründung, wie wir das heute selbstverständlich erwarten, wenn uns jemand einen ungewohnten Auftrag gibt! Dennoch war er bereit, einen aussergewöhnlichen Umweg einzuschlagen. Das braucht beherztes Handeln! 1 Wenn wir „mehr Menschen in die Nachfolge Jesu Christi führen möchten“, ist es eine „Mission possible“. Doch dies ist der erste Schritt: Gott wird uns nicht so sehr Menschen über unseren Weg senden, als vielmehr uns auf Umwege senden, damit wir anderen Menschen auf deren Weg begegnen. Ob wir als Einzelne und als Gemeinden dazu bereit sind? Einen Umweg zu gehen, kann auch heissen, mir für einen Menschen Zeit zu nehmen und meine Terminplanung umzustellen. Und der Mensch, dem wir begegnen, mag in vielem in einer ganz anderen Situation leben als wir, ohne natürliche Anknüpfungspunkte. Ob wir dafür offen sind? Gott wird uns nicht im Voraus schon sagen, was diesen anderen Menschen beschäftigt, was wir ihm sagen müssen und wozu das Zusammentreffen gut sei. Diese Ungewissheit ist heutzutage wohl das Schwierigste, um uns auf solche Wagnisse einzulassen, vor allem wenn diese innere Stimme, die uns ruft, oft nur leise und unscheinbar ist. Es braucht beherztes Handeln: das Hören auf die innere Stimme des Herzens; die Beweglichkeit für Ungewohntes; und die Bereitschaft, entsprechend zu handeln. Das ist praktiziertes Gottvertrauen. 2) Philippus fällt nicht mit der Tür ins Haus Gehen wir einen Schritt weiter in der biblischen Geschichte: Nachdem sich Philippus zunächst auf das Ungewohnte eingelassen hatte, ohne bereits zu wissen, wozu das gut sein sollte, kam ein zweiter wichtiger Schritt. Die Geschichte erzählt, wie Philippus vom Heiligen Geist die Weisung erhielt, sich an den vorbeifahrenden Wagen zu halten – offenbar war da jemand aus einer sehr gehobenen Schicht unterwegs, der nicht zu Fuss gehen musste. Philippus hörte, wie der unbekannte Insasse des Wagens aus dem Prophetenbuch Jesaja las (die Stelle, die wir in der Schriftlesung gehört haben). Nun könnte Philippus denken: „Was für eine ausgezeichnete Gelegenheit vom Evangelium zu reden. Ich muss dem Fremden unbedingt sagen, dass hier von Jesus die Rede ist.“ Doch weit gefehlt! Philippus fiel nicht mit der Tür ins Haus. Er war ganz behutsam. Er hörte zu. Ist Ihnen aufgefallen, dass er nicht einmal seine Hilfe und Kenntnis anbot. Er wies nicht darauf hin, dass er die Heiligen Schriften kenne! Philippus fragte nur: „Verstehst du, was du liest?“ Das ist eine einfühlsame Frage, die der anderen Person erlaubt zu sagen, wo sie steht und wie es ihr geht. Es ist eine Frage, die zunächst der anderen Person zugewendet bleibt und nicht schon davon ausgeht, „ICH weiss, was er oder sie braucht“. Die Frage anerkennt auch, dass nicht alles in der Bibel so einfach und klar ist. Man kann und darf da getrost eingestehen, dass man nicht alles in der Heiligen Schrift versteht. Das einfühlsame Nachfragen von Philippus ermöglichte damit ein echtes Gespräch, das die andere Person ernst nahm und sie nicht nur als „Bekehrungsobjekt“ sah. Das Beispiel des Philippus kann uns helfen in unserem Ziel, „mehr Menschen in die Nachfolge Jesu Christi zu führen“. Es ist eine „Mission possible“. In diesem zweiten Schritt zeigt uns das Beispiel von Philippus, wie beherztes Handeln auch mit unserem Reden zusammenhängt. Allerdings müssen wir in unserem Reden nicht gleich die eigene Glaubenserfahrung weitergeben. Wir sollen zunächst einfühlsam auf die andere Person hören: Wie siehst Du es? Was ist Deine Erfahrung mit Gott? Welche Fragen bewegen Dich? Dann kann ein Gespräch in Gang kommen, bei dem ich meinerseits meine Erfahrung bezeugen kann. Sind wir als Gemeinden und als Einzelne bereit dazu? In dem Projekt, das wir mit einigen Gemeinden als Praxisfelder beginnen wollen, geht es um solche Erfahrungen, wie wir von der Guten Botschaft heute 2 reden und sie im Leben umsetzen können. Jemand sagte zu Recht während der Diskussion an der Tagung der Konferenz, dass es nicht nur darum geht, was wir bezeugen, sondern ob und wie wir anderen Menschen zuhören, damit ein echtes Gespräch zustande kommen kann. Philippus ist ein gutes Vorbild dafür. 3) Die freie Entscheidung des Gegenübers Kehren wir noch einmal zurück zu Philippus für ein drittes Merkmal dieser Geschichte: Philippus bezeugte das Evangelium von Jesus. Es geht im Neuen Testament immer zentral um die Person Jesu Christi, wenn vom Bezeugen des Evangeliums die Rede ist. Denn dies ist das entscheidende Kennzeichen des christlichen Glaubens. Philippus bezeugt das Evangelium von Jesus, aber er forderte den äthiopischen Hofbeamten weder sogleich zur Bekehrung noch zur Taufe auf. Er überliess dies der freien Entscheidung des Gegenübers. Darin glich sein Vorgehen dem des Petrus an Pfingsten. Auch Petrus hatte damals auf das Entsetzen der Leute, ob die Jünger betrunken seien, mit einer Rede geantwortet, in der er erläuterte, was mit Jesus geschehen war. Es war zunächst nur eine persönliche, recht sachliche Erklärung über das Geschehen mit Jesus. Erst als diese Erklärung bei den Zuhörenden die Frage auslöste, was sie denn tun müssten, um gerettet zu werden, setzte Petrus noch einmal zum Reden an und forderte sie auf, sich zu bekehren und an den Herrn Jesus zu glauben. Ganz ähnlich war es bei Philippus. Philippus erzählte, was er vom Weg Jesu verstanden hatte. Er setzte keinen Druck auf, was sein Gegenüber jetzt zu tun habe. Das Erzählen vom Weg Jesu kann und darf beim Gegenüber Verlangen wecken, diesem Jesus ebenfalls nachzufolgen, doch die Entscheidung dazu muss jeder Mensch selber aus freien Stücken fällen. „Mehr Menschen in die Nachfolge Jesu Christi zu führen“, ist eine „Mission possible“. Es bedarf des beherzten Handelns. Und dazu gehört als drittes auch die Art und Weise, wie wir vom Glauben reden: respektvoll gegenüber der anderen Person; einladend, aber ohne Druck; eigenes Kennen Jesu Christi und eigene Erfahrung mit Gott bezeugend, aber dem Gegenüber seine freie Entscheidung gewährend. Solche Wege heute mit anderen Menschen mitzugehen, benötigt vermutlich mehr Zeit als bei jenem Äthiopier, bis jemand erkennt, wer Jesus Christus ist und bis jemand die persönlichen Konsequenzen aus dem zieht, was er / sie erkannt hat. Obwohl heute vieles schneller geht (und dafür auch kurzlebig ist), entwickeln sich Glaubenswege meist langsamer (und sind dafür hoffentlich dauerhaft). „Mehr Menschen in die Nachfolge Jesu Christi zu führen, auf dass die Welt verändert wird“, ist kein leichtes Unterfangen. Es braucht Gottvertrauen und beherztes Handeln. Der Auftrag richtet sich sowohl an jene, die zu pastoralen Diensten beauftragt werden, als auch an jedes einzelne Gemeindeglied. Am Beispiel des Philippus werden wir als Christen und Christinnen aufgerufen, (1) beweglich zu bleiben für Umwege, auf die Gott uns ruft, um anderen Menschen zu begegnen; (2) einfühlsam auf das zu hören, was andere Menschen beschäftigt und wo sie sich in ihrem Fragen nach Gott bewegen; und dann (3) im Gespräch unsere Erfahrung in der Nachfolge Jesu Christi mit anderen zu teilen, wobei wir dem Gegenüber die volle Freiheit lassen, wie er oder sie sich dazu stellt. Es ist eine „Mission possible“, wenn wir beherzt handeln, mit anderen Menschen ins Gespräch kommen und den Einen bezeugen, der unser Leben ergriffen hat, Jesus Christus. Gottes Geist wird Sie darin leiten. 3 Amen. 4