Herausforderungen an das Material von BGA´s, MBA´s und Abfallanlagen - Stahlbehältersysteme - Tagung: „Vermeidungsstrategien gegen Materialversagen auf BGA`s / MBA`s / Defizite im Bau & Betrieb“ 31. Mai 2017 Tim Neviadomski Abfallzweckverband Südniedersachsen Stand: 28.03.2017 Tim Neviadomski, Abfallzweckverband Südniedersachsen Herausforderungen an Stahlbehältersysteme Seite 2 / 14 Inhalt 1 Einleitung ................................................................................................................. 3 2 Anforderungen an Stahlbehälter .............................................................................. 5 3 Verschweißte Stahlbehälter ..................................................................................... 6 4 Emaillierte Stahlbehälter – geschraubt .................................................................. 12 Tim Neviadomski, Abfallzweckverband Südniedersachsen Herausforderungen an Stahlbehältersysteme 1 Seite 3 / 14 Einleitung Der Abfallzweckverband Südniedersachsen betreibt seit 2005 eine mechanisch biologische Abfallbehandlungsanlage. Ausgehend von der ursprünglichen Bestückung der Anlage mit Behältern aus emaillierten verschraubten Stahlblechen (insgesamt 9 unterschiedlicher Größe), konnten schon während der Inbetriebnahme der biologischen Anlage umfangreiche Erfahrungen mit dem Versagen von Material und Behälter gesammelt werden. Einer der drei eingesetzten Fermenter mit einer Höhe von ca. 20 m und einem Durchmesser von 17 m ist in den frühen Morgenstunden des 20.01.2006 geborsten. Die gewaltige Flutwelle aus Substrat und Trümmerteilen verwüstete nahezu die gesamte Aufbereitungstechnik. Der entstandene Schaden wurde später auf rund 10 Millionen Euro beziffert. Bild 1 Nassoxidationsbehälter im Vordergrund, im Bild 2 Fermenter Hintergrund die Fermenter Tim Neviadomski, Abfallzweckverband Südniedersachsen Herausforderungen an Stahlbehältersysteme Bild 3 Behälterfeld nach der Havarie Seite 4 / 14 Bild 4 Luftaufnahme nach der Havarie Aufgrund der enormen Verwüstungen gestaltete sich die Ermittlung der Schadensursache äußerst schwierig. Im Rahmen des rund 1,5 Jahre andauernden Beweissicherungsverfahrens konnten allerdings einige Schadensursachen ausgeschlossen werden: - Explosion verfahrenstechnische Fehler Veränderungen der Fundamente Somit blieben nicht mehr allzu viele mögliche Ursachen übrig, insbesondere wenn man betrachtet wie sich das Schicksal der anderen baugleichen Tanks des Herstellers entwickelte. Auf unserer MBA haben lediglich zwei (kleine) der insgesamt neun Behälter die Havarie verhältnismäßig unbeschadet überstanden und wurden im Rahmen des Wiederaufbaus saniert. Somit sind sie dem Abfallzweckverband noch heute erhalten und werden im Prozess vollumfänglich genutzt. Der Wiederaufbau erfolgte nach einem neuen verfahrenstechnischen Konzept, welches die Gesamtanzahl der Behälter reduzierte und auf andere Behälterkonzepte setzte. Der Hydrolysebehälter und die zwei Fermenter wurden als geschweißte Stahlbehälter ausgeführt und die Aerobisierung als Betonbehälter. Im Folgenden werde ich mich entsprechend auf die zwei auf der MBA eingesetzten Varianten der Stahlbehälter konzentrieren. Tim Neviadomski, Abfallzweckverband Südniedersachsen Herausforderungen an Stahlbehältersysteme 2 Seite 5 / 14 Anforderungen an Stahlbehälter In Biogasanlagen, insbesondere wenn der Input sich aus Abfällen zusammensetzt, sind die Anforderungen an die Behältertechnik sehr hoch. Neben den immer vorhandenen feinen Sanden und Steinen die durch pumpen und rühren zu einem permanenten abrasiven Materialabtrag führen wirken außerdem eine Vielzahl von chemischen Prozessen denen ungeschützter Baustahl typischerweise nicht allzu viel entgegenzusetzen hat. Die Prozessbedingungen der biologischen Aufbereitung lauten wie folgt: Fermenter, Hydrolysebehälter – stahl, geschweißt - pH Wert – 7,3 Leitfähigkeit – 25 – 28 mS/cm Organische Säuren – bis zu 3000 mg/l Sulfat – 1500 mg/l Chlorid – 3500 – 4000 mg/l Schwefelwasserstoff – 3000 – 5000 ppm Prozesswasserspeicher, Reservebehälter – emailliert, verschraubt - pH Wert – 8,1 Leitfähigkeit – 25 – 28 mS/cm Sulfat – 1500 mg/l Chlorid – 3500 – 4000 mg/l Die Beschichtungssysteme müssen somit sowohl hervorragende mechanische Eigenschaften als auch chemische Widerstandskraft bieten. Tim Neviadomski, Abfallzweckverband Südniedersachsen Herausforderungen an Stahlbehältersysteme 3 Seite 6 / 14 Verschweißte Stahlbehälter Wie bereits erwähnt wurden die Fermenter und der Hydrolysebehälter als geschweißte Stahlbehälter ausgeführt. Die Behälter sind äußerlich gleich, die Abmessungen betragen 18,50 m Höhe und 18,50 m Durchmesser, lediglich Einbauten, Rührwerk und Umfang der Beschichtung unterscheiden sich. Der Behälter für die Hydrolyse wurde als einziger vollständig beschichtet, da hier aufgrund wechselnder Füllstände und dem Vorhandensein von Sauerstoff seitens des Herstellers mit Korrosion gerechnet wurde. Die Fermenter wurden lediglich im Gasraum beschichtet, da Korrosion, unterhalb der Wasseroberfläche, bei anaeroben Prozessen als untergeordnetes Problem eingestuft wurde. Bild 5 Blau markiert die Beschichtung in den Fermentern, der Hydrolysebehälter ist vollständig beschichtet Bild 6 Beschädigte Beschichtung im Hydrolyse Behälter 2010 Bei der eingesetzten Beschichtung in allen drei Behältern handelte es sich um SIKA POXITAR F. Dieses wurde zum Zeitpunkt des Einbaus vom Hersteller als geeignet empfohlen. Das Aufbringen der Farbe erfolgte in 3 Schritten bei denen jeweils 150 µm Tim Neviadomski, Abfallzweckverband Südniedersachsen Herausforderungen an Stahlbehältersysteme Seite 7 / 14 kalt appliziert wurden. Die Beschichtung hatte unseren Erfahrungen nach im Bereich der chemischen Beständigkeit wenige Schwierigkeiten mit den anfallenden Belastungen. Anders verhält es sich in Bezug auf mechanische Belastungen. Durch den sich permanent ändernden Füllstand in der Hydrolyse entstand eine gewisse Bewegung in der Außenhaut, die dazu führte, dass sich auf Höhe der oberen beiden Ringe, zwischen 15 und 18 m Höhe, die Beschichtung großflächig ablöste (Bild 6). Hinzu kam die mechanische Belastung durch das „Schmürgeln“ des Substrates, welche dazu führte, dass die Beschichtung der Strömungsbrecher sowie eines großen Teils der substratberührenden Schweißnähte im Behälter abgetragen wurde. Die Inbetriebnahme der biologischen Aufbereitung erfolgte Mitte 2008, bereits Mitte 2010 wurde der Behälter aufgrund der gut sichtbaren Schwimmschichtproblematik (Bild 6) geöffnet und die Beschädigungen der Beschichtung konnten festgestellt werden. Eine messbare Reduzierung der Wandstärke des Behälters konnte in diesem Zeitraum nicht nachgewiesen werden. Eine Sanierung der Fehlstellen erfolgte nach Entleerung des Behälters durch eine Fachfirma, die als Vorbereitung Sandstrahlte (SA 2,5) und anschließend wieder SIKA POXITAR F aufbrachte. Aufgrund der Empfehlung des Beschichtungsherstellers wurde zusätzlich eine Probefläche mit SIKA Permacor 3326 EG-H angelegt um die Eignung dieses Materials für künftige Einsätze zu testen. Im Frühjahr 2011 wurde Fermenter 1 geöffnet um die angefallen Schwimmschicht zu entfernen und die Wandungen einer Inspektion zu unterziehen. Die Sika Poxitar F Beschichtung im Gasraum hatte im Wesentlichen keine Beschädigungen, der Rest vom ungeschützten Behälter Stahl (im unteren Bereich S355, 12 mm stark, nach oben abnehmend in Güte und Dicke bis zu S235, 7 mm stark) zeigte ausgeprägte Merkmale eine pockennarbigen Korrosion. Tim Neviadomski, Abfallzweckverband Südniedersachsen Herausforderungen an Stahlbehältersysteme Seite 8 / 14 Bild 7 Fermenter 1 auf 3,25 m Höhe Bild 8 Fermenter 1 auf 12,30 m Höhe Bild 9 Fermenter 1 auf 14 m Höhe Bild 10 Fermenter 1 auf 15,80 m Höhe In der Fläche war dieser Abtrag noch nicht statisch relevant, was exemplarisch durch Ultraschallschichtdicken Messungen bestätigt wurde, punktuell war der Lochfraß von bis zu einem Millimeter Tiefe nach etwas über 2 Jahren Betriebszeit jedoch bedenklich. Noch im selben Jahr wurde auch Fermenter 2 geöffnet, der zwischenzeitlich bereits Undichtigkeiten im Bodenbereich aufwies. Hier zeigte sich ein deutlich weiter fortgeschrittener Korrosionsverlauf mit deutlich tieferen und größeren Löchern. Tim Neviadomski, Abfallzweckverband Südniedersachsen Herausforderungen an Stahlbehältersysteme Bild 11 Fermenter 2 Boden Seite 9 / 14 Bild 12 Fermenter 2 Boden Bei beiden Behältern wurde eine deutlich verstärkte Ausprägung der Korrosion auf dem Boden und im unteren Bereich des Mantels bis ca. 3m Höhe identifiziert. Dies sind die Bereiche in denen während des Betriebes dauerhaft Sand lagert und in dem deshalb kaum Bewegung herrscht. Bild 13 Fermenter 2 unterer Mantelschuss Bild 14 Fermenter 2 unterer Mantelschuss Die Ursache für diese Fehlstellen ist im Bereich der Biokorrosion schwefelreduzierender und sulfatreduzierender Bakterien zu suchen. Diese können innerhalb des Biofilms einen pH Wert unter 1 erzeugen und damit das sichtbare Schadensbild verursachen. Die Vermutung liegt nahe, dass die Biofilme sich in den geschützten Bereichen der Sandablagerungen besonders gut ausbilden und dementsprechend stärker als im restlichen Behälter wirken. Tim Neviadomski, Abfallzweckverband Südniedersachsen Herausforderungen an Stahlbehältersysteme Seite 10 / 14 Im Rahmen der Sanierung wurden die notwendigen Blecharbeiten durchgeführt und in Zusammenarbeit mit einem Sachverständigenbüro für Korrosionsschutz ein Konzept zur Vorbehandlung und Beschichtung der Metalloberflächen entwickelt. Die typische Vorbehandlung Sandstrahlen (SA 2,5) war aufgrund der hohen Salzgehalte in den Substraten die sich auf den Behälteroberflächen abgelagert hatten zum Teil nicht ausreichend. Neben Höchstdruckwasserstrahlen wurden ggf. zusätzlich Bereiche mit deionisierten Wasser gespült um die typischerweise für Beschichtungen notwendige Konzentration von kleiner 50 mg/m² Salzgehalt zu erreichen – (Bild 15). Im Rahmen einer Ausschreibung basierend auf dem vorher entwickelten Konzept konnten Gewährleistungszeiträume von 5 Jahren und eine erwartete Lebensdauer von mehr als 10 Jahren realisiert werden. Die Mantelfläche wurde mit einer hochchemikalienbeständigen und mechanisch belastbaren lösemittelfreien, 2-komponentigen Epoxidharzbeschichtung Sika PermaCor 2807 HS-A beschichtet. Die Trockenschichtdicke betrug im Schnitt 1000 µm. Besonders tiefe „Mulden“ z.B. Bild 14 wurden vorher mit Sika Permacor 138 A/P grundiert. Bild 15 Ergebnisse von Bresle Tests nach verschiedenen Vorbehandlungsschritten Im Verlauf der Sanierungsarbeiten stellte sich immer wieder heraus wie wichtig eine engmaschige Bauüberwachung durch Beschichtungsspezialisten ist. Bereits die einzelnen Schritte der Vorbehandlung sollte man detailliert abnehmen (oder machen lassen falls das notwendige Know-how nicht im Betrieb vorhanden ist). Auch bei der Applikati- Tim Neviadomski, Abfallzweckverband Südniedersachsen Herausforderungen an Stahlbehältersysteme Seite 11 / 14 on der Beschichtungen, insbesondere bei zwei komponentigen, gibt es eine Menge möglicher Fehlerquellen (Mischungsverhältnis, Verarbeitungstemperatur, Bewetterung im Behälter, Schichtdicken), die die Haltbarkeit derselben stark einschränken. Ein weiteres Problemfeld ist die Anarbeitung von neuen Beschichtungsbereichen an ggf. vorhandene Altbestände welches bei uns in allen Behältern immer wieder Thema war, da auf der Bestandsbeschichtung Poxitar F kaum andere Beschichtungen haften. In Summe haben sich die geschweißten Behälter nach der Beschichtung mit der richtigen Farbe als äußerst zuverlässige Wegbegleiter herausgestellt. Tim Neviadomski, Abfallzweckverband Südniedersachsen Herausforderungen an Stahlbehältersysteme 4 Seite 12 / 14 Emaillierte Stahlbehälter – geschraubt Neben den bereits ausführlich beschriebenen Großbehältern verfügt der Abfallzweckverband noch über zwei emaillierte Behälter für Prozesswasser mit einem Volumen von je rund 1600m³. Diese wurden nach der Havarie einer umfangreichen Untersuchung inklusive Materialprüfungen der eingesetzten Schrauben und Bleche unterzogen, saniert und befristet geduldet. Bild 16 – Prinzipskizze der emaillierten Behälter Grundsätzlich scheint die Emaille geeignet den bestehenden chemischen Anforderungen zu genügen, es hat sich jedoch gezeigt, dass selbst kleine mechanische Beschädigungen dieser Schicht innerhalb kurzer Zeit zu massiver Korrosion und damit verbundenen Leckagen führen können. Aufgrund der hohen Salzgehalte im Prozesswasser und verschiedener eingesetzter Metalle innerhalb des Behälters kommt es zu galvanischer Korrosion bei der das jeweils beschädigte Stück Wandplatte als Opferanode dient. Die Folgen dieser Korrosion sind in Bild 17 und in Bild 19 dargestellt. Die Sanierung erfolgte bei durchgängigen Löchern üblicherweise mithilfe verschraubter Edelstahlplatten – Bild 18 welche zum Abschluss der Arbeiten vollständig mit SIKA FLEX TS fast abgedeckt werden. Neben der Korrosionsproblematik können Undichtigkeiten auch durch mangelhafte Abdichtung der unzähligen Schraubenreihen oder der Kehlnaht auftreten - Bild 20. Tim Neviadomski, Abfallzweckverband Südniedersachsen Herausforderungen an Stahlbehältersysteme Seite 13 / 14 Zusammenfassend lässt sich sagen, dass diese Behälter zumindest im Rahmen der hier beschriebenen Nutzung mit sehr salzigem Prozesswasser einer recht umfangreichen Wartung bedürfen. Dazu zählt unter anderem auch eine jährliche Überprüfung beider Behälter im entleerten Zustand um Schäden frühzeitig zu erkennen. Nur so kann eine einigermaßen hohe Verfügbarkeit gewährleistet werden. Bild 17 Punktueller Lochfraß am Prozesswasserspeicher Bild 18 Sanierung der Fehlstellen Tim Neviadomski, Abfallzweckverband Südniedersachsen Herausforderungen an Stahlbehältersysteme Seite 14 / 14 Bild 19 Längliche Korrosionsstelle im Reservebehälter Bild 20 in SIKA FLEX TS fast Naht eingelegte Schraube die aufgrund von Undichtigkeiten korrodiert Tim Neviadomski, Abfallzweckverband Südniedersachsen