Prakt_H1_Giessen_und_Blechumformung

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GRUNDPRAKTIKUM H1
UR- UND UMFORMEN: GIESSEN UND BLECHUMFORMUNG
1 G IE SSE N
1.1
EINLEITUNG
1.1.1 DEFINITION
Gießen gehört zu den Urformverfahren, d.h. ein fester Körper wird aus formlosem Stoff durch
Schaffen eines Zusammenhalts gefertigt. Das Gießen selbst ist das Urformen aus dem flüssigen,
breiigen oder pastenförmigen Zustand. Der Vorteil des Gießens besteht darin, dass sich - von
Einzelteilen bis zu Großserien - Werkstücke nahezu jeden Gewichts und nahezu jeder Form relativ
kostengünstig herstellen lassen.
1.1.2 EINTEILUNG
MODELLE
GIEßVERFAHREN
NACH
verlorene Formen
verlorene Modelle
Dauermodelle
Handformen
Maschinenformen
Maskenformen
Vakuumformen
1.2
DER
Feingießen
Vollformgießen
ART
UND
FORMEN
DER
Dauerformen
ohne Modelle
Druckgießen
Kokillengießen
Schleudergießen
Stranggießen
BEGRIFFE ZUM GIESSEN
Modell
… ist eine Abbildung des Werkstückes mit Aufmaß. Verlorene Modelle werden nach
dem Einformen zerstört; Dauermodelle werden nach dem Einformen
herausgenommen.
Form
… bildet den Hohlraum zur Aufnahme der Schmelze. Verlorene Formen werden zum
Entformen des Gussstücks zerstört; Dauerformen bleiben für weitere Gießvorgänge
erhalten. Material: toniger Sand mit Zusätzen bzw. aus keramischen Stoffen (z.B.
Schamotte).
Formstoff
… muss folgenden Eigenschaften genügen:
- Festigkeit und Maßhaltigkeit
- Hohe Abbildungsgenauigkeit
- Feuerbeständigkeit
- Geringe Wärmeleitfähigkeit
- Keine Wechselwirkungen mit der Schmelze
- Problemlose Wiederverwendbarkeit.
Kerne
… sind das Abbild der Hohlräume des Gussstücks.
VERSUCH: GIESSEN
1.3
AUSGEWÄHLTE
Seite 2
GIESSVERFAHREN
1.3.1 SANDGUSS
Das klassische Sandgießverfahren ist eine Technik mit
verlorenen Formen und Dauermodellen. Für die
Gussformen wird entweder tongebundener Formsand oder
chemisch gebundener Quarzsand verwendet. Große
Einzelstücke (Abb. 1.1), die Stückgewichte bis zu 800 kg
und mehr haben können, und kleinere Serien lassen sich
nach dem Handformverfahren herstellen. Zunehmende
Bedeutung haben die maschinellen Sandformverfahren.
Hier erfolgen die Sandverdichtung und die Trennung des
Modells von der Sandform maschinell. Eine hohe
Sandverdichtung ermöglicht sehr genaue Formen mit
guter Oberflächenbeschaffenheit.
Abb. 1.1: Gestellwand aus Sandguss.
1.3.2 KOKILLENGUSS
Die Vorteile des Kokillengießverfahrens (Abb. 1.2) sind
die Wiederverwendbarkeit der Form und die gute
Oberflächenbeschaffenheit
bei
uneingeschränkter
Anwendbarkeit von Sandkernen. Während früher fast
ausschließlich Gusseisen als Kokillenwerkstoff verwendet
wurde, findet heute in zunehmendem Maße
Warmarbeitsstahl Anwendung. Ein weiterer Vorteil ist das
im Vergleich zum Sandguss feinere Gefüge und die damit
verbundene höhere Festigkeit und Dehnung. Diese
Eigenschaften
sind
eine
Folge
der
höheren
Erstarrungsgeschwindigkeit gegenüber Sandguss. Die
große Menge der Kokillengussstücke hat in der Regel ein
Gewicht von ca. 0,05 kg bis ca. 40 kg.
Abb. 1.2: Kokillenguss.
1.3.3 STRANGGUSS
Mithilfe der Stranggussverfahren (Abb. 1.3) werden
vielerlei Profile und unterschiedliche Wanddicken
hergestellt. Eine wichtige Entwicklungslinie ist die des
Gießens immer dünnerer Bleche. Das bedeutet, dass
aufwendige Walzverfahren durch das Gießen eingespart
werden können, wodurch nicht nur eine schnellere
Realisierung endabmessungsnaher Halbzeuge ermöglicht,
sondern auch die Produktivität erhöht wird. Strangguss ist
in wirtschaftlichen Längen, theoretisch unbegrenzt,
herstellbar und besonders für die Serien- und
Automatenfertigung geeignet.
Abb. 1.3: Schematische Darstellung des
Stranggießprozesses.
VERSUCH: GIESSEN
Seite 3
1.3.4 DRUCKGIESSEN (PRESSGIESSEN)
Der beträchtliche Kostendruck in der Kfz-Industrie fordert
auch die Forschung und Entwicklung heraus, neue
innovative Lösungen zu suchen, um insbesondere die
Produktionskosten der Systemkomponenten zu reduzieren.
Für die Produktion von Stahlschmiedebauteilen im
Fahrwerksbereich,
sowie
die
Herstellung
von
Stahlzahnrädern mittels mechanischer Bearbeitung, stellt
das Pressgießen (Squeeze Casting) von ADI(Austempered Ductile Iron) Werkstoffen mit gekoppelter
Wärmebehandlung (Abb. 1.4) eine Alternative dar. Die
daraus folgende gießtechnische Herstellung von "near-netshape" Bauteilen mit hoher Zugfestigkeit und Duktilität
Abb. 1.4: ZTU-Diagramm des
des preiswerten Gusseisenwerkstoffs gegenüber Stahl
Pressgieß-Verfahrens mit gekoppelter
Wärmebehandlung.
bietet darüber hinaus einige weitere werkstoffspezifische
Vorteile durch den eingelagerten Graphit wie: höhere
Dämpfung
(Geräuschemissionen),
geringeres
Bauteilgewicht (niedrigere Dichte) und bessere mechanische Bearbeitbarkeit.
1.3.5 THIXOGIESSEN
Derzeitige Forderungen der Industrie an die
Leichtbautechnik bedingen neben der Erforschung neuer
Werkstoffklassen auch die Entwicklung entsprechender,
innovativer Herstellungsverfahren. Das Thixogießen ist
ein
mit
dem
Druckgießen
verwandtes
Formgebungsverfahren, bei dem die Verarbeitung des
Metalls im teilflüssigen Zustand erfolgt (Abb. 1.5). Neben
den sehr guten mechanischen Kennwerten sind
thixogegossene Bauteile im Gegensatz zu herkömmlichen
Druckgussbauteilen
durch
die
Eigenschaften
Schweißbarkeit,
Druckdichtigkeit
und
Wärmebehandelbarkeit charakterisiert. Ein Ziel des
Verfahrens
ist
die
Substitution
hochwertiger
Schmiedebauteile
durch
Gussteile
aus
Aluminiumwerkstoffen.
Abb. 1.5: Teilschritte des Thixogießprozesses: VormaterialherstellungWiedererwärmung-Formgebung.
1.3.6 FEINGUSS
Siehe Praktikumsversuch „Feinguß“ (die Versuchsanleitung kann auf der Internetseite des Lehrstuhls
„Metallische Werkstoffe“ heruntergeladen werden).
VERSUCH: GIESSEN
1.4
Seite 4
THEORETISCHER HINTERGRUND
1.4.1 FEST-FLÜSSIG-PHASENÜBERGANG
Der fest-flüssig-Phasenübergang (Erstarrung) liegt
jedem Gießprozess zugrunde und lässt sich thermodynamisch beschreiben. Die Grenzen des
Existenzbereiches eines Aggregatzustandes (fest
oder flüssig) findet man, indem man die thermodynamischen Potentiale der verschiedenen Phasen
betrachtet. Wählt man Temperatur und Druck als
Zustandsvariablen, so stellt diejenige Phase mit der
niedrigsten freien Enthalpie G den Gleichgewichtszustand dar (Abb. 1.6). Bei der Gleichgewichtsschmelztemperatur Tm, die vom Druck p0 abhängt,
fällt die Kurve für die flüssige unter diejenige für
Abb. 1.6: Die freie Enthalpie G als Funktion
den festen Zustand. Am Schmelzpunkt koexistieren
der Temperatur für die flüssige (L) und die
beide Phasen im thermodynamischen Gleichgewicht.
feste (S) Phase bei konstantem Druck. Der
Schnittpunkt markiert die Schmelztemperatur
Tm(p0).
KEIMBILDUNG (HOMOGEN /HETEROGEN)
Zu Beginn des Erstarrungsphänomens steht die Keimbildung. Man unterscheidet die homogene und
die heterogene Keimbildung. Die homogene Keimbildung stellt eine spontane Bildung von Clustern
der stabilen Phase in der Ausgangsphase dar (Abb. 1.7). Bei der homogenen Keimbildung sind
ausschließlich Keim und Schmelze aber keine fremden Phasen beteiligt. Die Keimbildung dieser Art
wird jedoch in der Praxis kaum erreicht, da in der Regel Fremdphasen der festen Phase am
Keimbildungsprozess beteiligt sind. Durch Schmelze, Kokillenwände oder Oxide, mit denen sich eine
Schmelze in Kontakt befindet, wird die Bildung von Keimen katalysiert. Man spricht dann von heterogener Keimbildung. Abb. 1.8 zeigt ein Beispiel der heterogenen Keimbildung, in dem ein Cluster in
Form einer Kugelkalotte auf einer Fremdphase, welche auch die Behälterwand sein kann, wächst.
Abb. 1.7: Homogene Keimbildung der
festen Phase in einer Schmelze.
Abb. 1.8: Heterogene Keimbildung
auf einer Fremdphase.
1.4.2 KRISTALLWACHSTUM / ERSTARRUNGSMORPHOLOGIEN
Der einer Keimbildung folgende Prozess ist das Wachstum. Die Wachstumskinetik wird dabei in
erster Linie von zwei Parametern bestimmt: Erstarrungsgeschwindigkeit v und Temperaturgradient an
der Erstarrungsfront G. Für die Charakterisierung der Erstarrungsbedingungen wird häufig die
Abkühlgeschwindigkeit verwendet, welche sich als Produkt der Erstarrungsgeschwindigkeit und des
Temperaturgradienten darstellen lässt:
VERSUCH: GIESSEN
Seite 5
T
 G v
t
Abhängig von diesem Parameter ändert sich auch die
Erstarrungsmorphologie, d.h. die Erscheinungsform der
festen Phase. Sie kann in vier unterschiedlichen Formen
auftreten (Abb. 1.9): planare Front, Zellen, gerichtete
Dendriten, gleichachsige Dendriten (Globulas).
Durch die unterschiedlichen Erstarrungsbedingungen
bilden sich Bereiche unterschiedlicher Morphologien
(Strukturbereiche) in einem Barren aus (Abb. 1.10). An
der kalten Kokillenwand wird der Schmelze schnell
Wärme entzogen, so dass eine beträchtliche Unterkühlung
eintritt, welche die Bildung zahlreicher Keime bewirkt.
Daher entsteht an der Kokillenwand eine Schicht sehr
kleiner gleichachsiger globulitischer Kristalle. Bei ihrem
Wachstum verhalten sich die Kristalle bezüglich ihrer
Wachstumsrate anisotrop. Im weiteren Verlauf der
Erstarrung werden solche Kristalle bevorzugt, deren Gitter
zufällig so orientiert ist, dass sie mit der Richtung des
Abb. 1.9: Erstarrungsmorphologien und
Temperaturgradienten, d.h. der Richtung des größten
ihre Abhängigkeit vom TempeWärmegefälles,
zusammenfällt.
Diese
Kristalle
raturgradienten G und der Er- starrungsgeschwindigkeit v
überwachsen
die
nicht
so
günstig
zum
Temperaturgradienten orientierten Nachbarkristalle. So
ergibt sich der Vorgang der Kornselektion. Durch diesen
Vorgang wird der zweite Strukturbereich, der Bereich der Stengelkristalle, ausgebildet.
Abb. 1.10: Ausbildung der Strukturbereiche eines Barrens.
Weiter nach innen macht sich die einseitig gerichtete Wärmeabfuhr nicht mehr so stark bemerkbar. Es
entstehen regellos orientierte gleichachsige Kristalle aus Keimen, deren Bildung durch die vor den
VERSUCH: GIESSEN
Seite 6
Stengelkristallen her zur Mitte hin gedrängten Verunreinigungen gefördert wird. Daher bildet sich der
zentrale Strukturbereich der globulitischen Kristalle.
1.5
GIESSBARKEIT
Fließfähigkeit
… ist ein Maß, wie weit das Metall in einer Form fließen kann,
bis der Metallfluss durch die fortschreitende Erstarrung stockt.
Formfüllungsvermögen … ist die Fähigkeit des Gießmaterials, die Konturen der Form
wiederzugeben.
Die Fließfähigkeit und das Formfüllungsvermögen können mit einer Gießspirale ermittelt werden.
1.6
EINIGE TYPISCHE GUSSFEHLER
1.6.1 LUNKER
Die meisten Metalle weisen eine sprunghafte Volumenverringerung während des Erstarrens auf. Für
Aluminium beträgt diese Verringerung 6%, für Eisen und Kupfer 4%. Indem die Kristalle von der
Wand der Kokille nach innen wachsen und dabei ihr Volumen verringern, sinkt der Flüssigkeitsspiegel
der Restschmelze stetig ab. So entsteht im Kopf des Blocks ein Schwindungshohlraum, der
Blocklunker.
Die gleiche Ursache, Volumenverringerung, führt zu Mikrolunkern, wenn mehrere Kristalle so
zusammenstoßen, dass die zwischen ihnen eingeschlossene Flüssigkeit keine Verbindung zur
Restschmelze hat.
1.6.2 GASBLASEN
Bei der Erstarrung nimmt das Lösungsvermögen eines Metalls für Gase sprunghaft ab. Dies kann zur
Bildung von Gasbläschen an der fest-flüssigen Grenze führen. Ein Teil der Gasbläschen kann
zwischen den wachsenden Kristallen festgehalten werden.
1.6.3 SEIGERUNGEN
Bei schneller Abkühlung können die naturgemäß entstehenden Konzentrationsunterschiede in den
einzelnen Erstarrungsbereichen nicht mehr durch Diffusion ausgeglichen werden. Es entstehen damit
Zonen unterschiedlicher Zusammensetzung im Werkstoff. Solche Schwankungen werden auf
Kornmaßstab Mikro- und auf Werkstücksmaßstab Makroseigerungen (Blockseigerungen) genannt.
1.6.4 EINSCHLÜSSE
Beim Gießen kann Schlacke aus dem Ofen mitgerissen werden (Schlackeeinschlüsse). Unter
Einwirkung von Sauerstoff während des Gießprozesses kann es außerdem zur Bildung von
Oxidhäuten kommen, die dann im Werkstück eingegossen werden.
1.6.5 RISSE
Aufgrund konstruktiver Fehler können Spannungsrisse im Werkstück auftreten.
VERSUCH: GIESSEN
1.7
Seite 7
AUFGABENSTELLUNG
1.7.1 STRANGGUSS
1. Wiegen Sie ca. 500 g Zinn in den Schmelztiegel der Stanggießanlage ein.
2. Gießen Sie einen Strang mit folgenden Gießparametern:
Tiegeltemperatur: 350 °C
Kokillentemperatur:
50 °C
3. Diskutieren Sie das Makrogefüge anhand der Schliffe (vorgefertigt, geätzt mit Salzsäure).
4. Diskutieren Sie das Mikrogefüge anhand der vorgefertigten Schliffbilder.
Hinweise zum Protokoll:
-
Beschreiben Sie das angewandte Verfahren (Prinzip, Vor-/Nachteile, Einsatzgebiete…)!
-
Notieren Sie alle Versuchsparameter und begründen Sie deren Wahl!
-
Welche Möglichkeiten hat man, das Gefüge zu beeinflussen?
1.7.2
FORMGUSS
1.
Erschmelzen Sie ca. 250 g Zinn in einem Tiegel im Umluftofen bei 500°C.
2.
Gießen Sie einen Formkörper in eine Kokille (Gießspirale) von Raumtemperatur.
3.
Erschmelzen Sie ca. 125 g Zinn mit ca. 125 g Zn in einem Tiegel im Umluftofen bei 500°C.
4.
Gießen Sie einen Formkörper in eine Kokille (Gießspirale) von Raumtemperatur.
5.
Erschmelzen Sie ca. 227,5 g Zinn mit ca. 22,5 g Zn in einem Tiegel im Umluftofen bei 500°C.
6.
Gießen Sie einen Formkörper in eine Kokille (Gießspirale) von Raumtemperatur.
7.
Vergleichen Sie jeweils Ihre Ergebnisse im Hinblick auf Fließfähigkeit (Fließlänge) und
Formfüllvermögen. Diskutieren Sie den Einfluss von Gießtemperatur und Kokillentemperatur
auf das Formfüllungsvermögen von Zinn und verschiedenen Zinnlegierungen.
8.
Diskutieren Sie das Mikrogefüge verschiedener Legierungen anhand der vorgefertigten
Schliffe und der geätzten Falschfarbenschliffbilder.
Hinweise zum Protokoll:
-
Notieren Sie alle Versuchsparameter!
-
Gleichen Sie die erschmolzenen Legierungen mit dem Sn-Zn-Phasendiagramm ab.
-
Beschreiben Sie das Gießverhalten (Oberflächenbeschaffenheit, Fließfähigkeit, Formfüllungsvermögen, Gießfehler etc.) von Zinn und verschiedenen Zinnlegierungen und bestimmen Sie
qualitativ den Einfluss von Gießtemperatur und Kokillentemperatur!
-
Worin unterscheiden sich die verschiedenen Erstarrungsgefüge? Wie lassen sie sich beeinflussen?
-
Worauf ist bei der Gestaltung einer Gießform zu achten?
VERSUCH: GIESSEN
1.8
Seite 8
FRAGEN ZUR VORBEREITUNG
Welche Legierungstemperaturen bzw. –Zusammensetzungen lassen entsprechend dem Sn-ZnPhasendiagramm besonderes Verhalten erwarten? Zeichnen Sie das Sn-Zn-Phasendiagramm nach.
Welche Möglichkeiten eröffnen Urformverfahren gegenüber anderen Fertigungsverfahren?
Welche Gießverfahren kennen Sie? Wann werden diese jeweils eingesetzt?
Welche Vorteile/Nachteile besitzt der Kokillenguss gegenüber dem Sandguss?
Welche technologischen Eigenschaften sollte eine Legierung besitzen, damit sie als Gusswerkstoff
geeignet ist?
Nennen Sie Werkstoffeigenschaften, die eine positive Wirkung auf die Gießbarkeit haben!
Welche Gussfehler kennen Sie und wie können diese vermieden werden?
Was kann mit einer Gießspirale ermittelt werden und wie?
Welche Einflussgrößen spielen bei der Erstarrung eine große Rolle?
Welche Erstarrungsmorphologien kennen Sie? Beschreiben Sie deren Entstehung!
Wie kann ein feinkörniges Gefüge eingestellt werden?
Was versteht man unter dem Zinnschrei bzw. unter der Zinnpest?
1.9
LITERATUR
[1]
W. König, F. Klocke: “Fertigungsverfahren”, Band 4 (Massivumformung), VDI Verlag 1996
[2]
P.R. Sahm, I. Egry: "Schmelze, Erstarrung, Grenzflächen", Braunschweig; Wiesbaden:
Vieweg, 1999
[3]
W. Kurz, D.J. Fisher: "Fundamentals of Solidification", Trans Tech Publications Ltd, 1998
GRUNDPRAKTIKUM H1
UR- UND UMFORMEN: GIESSEN UND BLECHUMFORMUNG
2 B L E CH UM FOR M U NG
2.1
GRUNDLAGEN DER UMFORMTECHNIK
2.1.1 PRODUKTIONSTECHNISCHE GRUNDLAGEN
Die Fertigungstechnik unterscheidet generell zwischen Urformen und Umformen. Die zentrale
Definition der Umformtechnik lautet:
"Überführen eines Körpers in eine andere Form unter Beibehaltung von Masse und
Stoffzusammenhang"
Eine Verfahrensunterteilung erfolgt nach DIN 8582-Fertigungsverfahren Umformen, gemäß den
„Wirksamen Spannungen in der Umformzone":
Umformen
Druck umformen
Zug-Druckumformen
Zugumformen
Walzen
Durchziehen
Längen
Freiformen
Tiefziehen
Weiten
Gesenkformen
Kragenziehen
Tiefen
Eindrücken
Drücken
Durchdrücken
Knickbauchen
Biegeumformen
Schubumformen
Biegen mit
geradlinieger
Werkzeugbewegung
Biegen mit
drehender
Werkzeugbewegung
Verschieben
Verdrehen
(DIN 8582)
Abb. 2.1 : Einteilung der Umformverfahren
Die Untergruppen der Norm werden jeweils noch weiter unterteilt z.B. nach der Werkzeuggeometrie.
Weitere Unterscheidungskriterien für Umformverfahren sind:
- die Art der Krafteinleitung:
Bei unmittelbarer oder direkter Krafteinleitung entspricht die Krafteinleitungszone der Umformzone.
(z.B. Stauchen) im Gegensatz zu mittelbarer oder indirekter Krafteinleitung (z.B. Durchziehen –
Abbildung 2.1)
- die geometrische Beschaffenheit der Halbzeuge:
Drahtumformung 1-dimensional
Blechumformung 2-dimensional, flächig
Massivumformung 3-dimensional
- der Einfluss auf die Festigkeitseigenschaften der Bauteile, nach:
Keiner Festigkeitsänderung
Vorübergehende Festigkeitsänderung
Bleibende Festigkeitsänderung
- die Temperatur während der Verformung:
Kaltformgebung: Das Werkstück wird vor der Umformung nicht erwärmt ( T = RT )
Warmformgebung: Das Werkstück wird vor der Umformung erwärmt ( T > RT )
Weitere Unterteilung: Umformung oberhalb oder unterhalb der Rekristallisationstemperatur.
VERSUCH: BLECHUMFORMUNG
Seite 10
Abb. 2.2: allgemeines System zur Betrachtung von Umformvorgängen
In Abbildung 2.2 sind beispielhaft die grundlegende Begriffe bei Umformvorgängen dargestellt. Soll
solch ein Umformvorgang industriell realisiert werden muss neben den metallkundliche und
produktionstechnische Fragen auch die Plastizitätstheorie mit einbezogen werden.
2.2
UMFORM VERFAHREN : TIEFZIEHEN
Tiefziehen zählt zu den Verfahren der Zug-Druckumformung, da im Gegensatz zum reinen Tiefen
oder Streckziehen am Werkstück auch örtlich Zug- und Druckspannungen vorliegen (z.B. Flansch am
Näpfchen). In der Praxis bestehen viele Prozesse, insbesondere bei der Herstellung von komplexen
Geometrien wie Karosserieteilen aus einer Verfahrenskombination. Generell wird jedoch jeweils aus
einem Blechzuschnitt ein Hohlkörper geformt. Zu beachten ist, dass in der Praxis aufgrund der
vorherrschenden Geometrievielfalt keine generelle Vorhersage über die Tiefzieheignung mit Hilfe
eines einzigen Prüfverfahrens möglich ist. Daher werden im Versuch die prinzipiellen Vorgänge am
Beispiel des Näpfchenziehens aus ebenen Blechronden demonstriert.
2.2.1 VERFAHRENSPRINZIP
Ein Tiefziehwerkzeug besteht immer aus einer Matrize (hier dem Ziehring) und einem Stempel, in der
Regel findet zusätzlich ein Niederhalter Verwendung (Abb.2.3). Durch die Stempelbewegung wird die
Ronde durch die Öffnung des Ziehrings gezogen, wodurch sich die Geometrie der Werkzeughälften
auf das Ziehteil abbildet. Je nach Verfahrensart löst sich das fertige Ziehteil durch die elastische
Auffederung vom Stempel oder benötigt einen separaten Auswerfer. Letzterer Fall tritt dann ein, wenn
z.B. kein vollständiger Durchzug durch das Werkzeug erfolgt.
Die eigentliche Hauptumformarbeit findet im Flansch, d.h. am Eingang des Ziehrings statt. Der
Werkstoff durchläuft hier eine zweifache Biegung. Dabei treten in diesem Bereich radiale
Zugspannungen und tangentiale Druckspannungen auf. Überschreiten letztere die Knicksteifigkeit des
Blechs, kommt es zur Faltenbildung am Flansch. Die vom Niederhalter ausgeübte axiale
Druckspannung wirkt dem entgegen. Sie darf aufgrund des mit dem Einsatz des Niederhalters
erhöhten Reibverlustes einen Maximalwert nicht überschreiten, um ein Reißen des Blechs zu
verhindern.
VERSUCH: BLECHUMFORMUNG
Seite 11
Abb. 2.4: Umformung beim Ziehen;
Werkstoff durchläuft zweifache Biegung
Abb. 2.3: Prinzipschema des Tiefziehens
In der Napfwand herrschen Zugspannungen in axialer Richtung vor (siehe Abb. 2.4). Die
Formänderung der Zugwand verläuft entsprechend den Spannungsrichtungen. Aufgrund der
Volumenkonstanz bedeutet dies eine Verringerung der Wandstärke des Näpfchens. Der Boden
hingegen behält, da hier keine Umformung stattfindet, seine ursprüngliche Wandstärke bei.
Die eigentliche Kraftübertragung erfolgt am Übergang Boden zu Wand (Zarge). Hier treten
dementsprechend nur radiale Zugspannungen auf. Damit begrenzt sich die maximale Ziehkraft auf die
Zugfestigkeit des Materials.
Tiefziehverhältnis und Grenzziehverhältnis
Das Tiefziehverhältnis errechnet sich für Näpfchen aus dem Quotienten Rondendurchmesser d0 und
dem Stempeldurchmesser dS.

d0
dS
Da mit größer werdendem Ziehverhältnis die maximale Ziehkraft steigt, ergibt sich für einen einzelnen
Zug ein Grenzziehverhältnis, oberhalb dem Versagen durch Bodenreißer eintritt. Diese Grenze liegt
für die meisten Metalle bei 2,0 im Erstzug, bei 1,6 im Weiterzug. Größere Umformtiefen können
daher nur über mehrere Züge mit eventuell zwischengeschalteten Entfestigungsglühungen erreicht
werden. Das Gesamtziehverhältnis ergibt sich durch Multiplikation der Einzelschritte:
 ges  1   2  ... n 
d 0 d1
d
  ... n1
d1 d 2
dn
womit
 ges 
d0
 6,5
dn
Dieser Wert hat sich in der Praxis als oberes Limit herausgestellt.
Eine Abschätzung, ob ein Umformvorgang bereits im kritischen Bereich der Formänderung liegt, ist
anhand des Grenzformänderungsschaubildes möglich.
VERSUCH: BLECHUMFORMUNG
Seite 12
Abb. 2.5: Grenzformänderungsschaubild in Abhängigkeit von den Umformgraden
Die im Schaubild angegebenen Umformgrade ergeben sich aus der Deformation eines Ringrasters
(nach Erichsen), dass vor dem Ziehen auf ein Probeblech aufgebracht wurde. Die Deformation der
Ringe variiert dabei lokal auf der Probe.
Grundlegende Aspekte der Werkzeugauslegung
Die vorhergehenden Abschnitte beschrieben den Werkstofffluss und die dabei auftretenden
Spannungszustände. Unter Einbeziehung der Verfahrensgrenzen, die der Werkstoff durch die
Materialeigenschaften setzt, ergeben sich einige grundlegende Randbedingungen für die Gestaltung
von Umformwerkzeugen (vgl. Abb.2.3).
Aufgrund der Spannungsverhältnisse im Ziehspalt liegt nahe dem Boden die dünnste Wandstärke vor.
Diese nimmt zum Flansch hin auf einen Wert zu, der die ursprüngliche Blechdicke überschreiten kann.
Daher muß der Ziehspalt breiter als die Blechdicke sein.
Der Stempel bildet aufgrund des Formschlusses zum Werkstück exakt seine Oberfläche ab. Daneben
stellt er das kraftübertragende Element dar. Daraus resultiert zum einen hinsichtlich der Tribologie und
der Vermeidung von Abbildungsfehlern eine sehr gute Maßtoleranz und Oberflächengüte. Zum
zweiten muß die Stempelkante einen Radius aufweisen, um das mögliche Grenzziehverhältnis nicht
durch die Schneidwirkung einer scharfen Kante zu reduzieren.
Beim Ziehen komplexer, nicht-rotationssymmetrischer Geometrien (z.B. Vierecke) führt ein
gleichmäßiger Werkstofffluß in die Matrize zu Ziehfehlern, da in die Ecken mehr Material einfließen
muß als in gerade Teile. In der Praxis wird der Werkstofffluß hier durch den Einbau von
Bremswülsten zwischen Unterstempel und Niederhalter realisiert.
Die Notwendigkeit des Einsatzes eines Niederhalters zur Vermeidung von Falten am Flansch ist
abhängig vom Verhältnis Ausgangsdurchmesser d0 der Ronde zu Ausgangsblechstärke s0. Ein
Niederhalter ist erforderlich, wenn
d0
 25  40
s0
Wählt man die Niederhaltekraft so hoch, dass kein Nachfließen des Werkstoffs möglich ist, so spricht
man vom Streckziehen.
Tribologie
Anders als beim Walzen stellen sich ortsabhängig verschiedene Anforderungen an die Reibung im
Gesenk. Gutes Gleiten im Bereich des Flansches, der Ziehringrundung und an den Wänden vermeidet
Ziehfehler durch z. B. Kaltverschweißung und setzt den Ziehkraftbedarf herab. Im Bereich der
VERSUCH: BLECHUMFORMUNG
Seite 13
Kraftübertragung am Stempel dagegen fördert erhöhte Reibung die Kraftübertragung und setzt die am
Radius auftretenden Zugspannungen herab.
Das in der Praxis eingesetzte Spektrum von Schmierstoffen reicht von flüssigen Medien
(Suspensionen, Öle) über Festschmierstoffe (Graphit) bis zu metallischen Überzügen oder
Reaktionsschichten (Phosphatierung) und Polymerfolien (Teflon).
2.2.2 TIEFUNGSVERSUCH NACH ERICHSEN
Der Erichsen-Tiefungsversuch dient der Beurteilung der Umformbarkeit von Blechen und Bändern ist
nach DIN 50 101 genormt [4].
Abb. 2.6: Aufbau Erichsenveruch nach DIN 50 101
Der Umformvorgang bei diesem Versuch erfasst im Wesentlichen die Dehnungsfähigkeit des
Blechwerkstoffs, direkt vergleichbar mit einem Streckzieh- und Ausbeulvorgang, bei dem die
Randzonen festgehalten werden und somit nicht oder nur wenig an der Umformung teilnehmen
können. Im Versuch ermittelt man die Eindringtiefe eines Stempels in mm sowie die Kraft im
Augenblick des Einreißens. Damit sind diese Tiefungswerte ein Maß für die Umformbarkeit eines
Bleches durch Streckziehen und geben Hinweise auf den Verfestigungsexponenten n (zwischen 0,1
und 0,5). Die während des Umformens auftretende Verfestigung entspricht dem Logarithmus der
Gleichmaßdehnung.
2.3
AUFGABENSTELLUNG
Beurteilung der Tiefzieheigenschaften von Blechwerkstoffen
 Führen Sie den „Tiefungsversuch nach Erichsen (DIN
Blechwerkstoffen durch:
- Aluminium
- E-Kupfer
- Messing
- Tiefziehstahl

50101)“
an
verschiedenen
Führen Sie einen Tiefziehversuch an einem Stück Aluminiumblech durch. Hierbei soll nur bis zu
einer Tiefe von ca. 4 mm gezogen werden.
VERSUCH: BLECHUMFORMUNG





2.4
Seite 14
Legen Sie das Blech anschließend zum Entfestigungsglühen für ca. 1 h in einen 500°C heißen
Ofen (Umluftofen).
Führen Sie am tiefgezogenen, entfestigungsgeglühten und abgekühlten Aluminiumblech einen
Weiterzug durch.
Bestimmen Sie dabei jeweils den entsprechenden Tiefungsweg sowie die erforderliche
Maximalkraft.
Nehmen Sie manuell ein Kraft-Tiefungsweg-Diagramm für jeden Tiefungsversuch und
Blechwerkstoff auf. Diskutieren Sie ausführlich die Unterschiede der aufgenommenen Kurven.
Beschreiben Sie die auftretenden Veränderungen der Probenoberfläche und die Ausbildung des
Risses. Diskutieren Sie anhand dieser Beobachtungen die Tiefzieheignung der betreffenden
Blechwerkstoffe (Radialer Riß – faseriger Gefüge, schlecht geeignet; Ringförmiger Riß – gut
geeignet; Glatte Oberfläche feines Korn, gut geeignet; Rauhe Oberfläche, Orangenhaut – grobes
Korn – schlecht geeignet).
FRAGEN ZUR UMFORMUNG
Wie grenzen sich per Definition Umformtechnik und spanende Formgebungsverfahren voneinander
ab?
Erläutern Sie die Funktionsweise des Niederhalters beim Tiefziehen.
Woraus resultiert die Notwendigkeit des schrittweisen Umformens bei großen Ziehverhältnissen?
Was geschieht mit dem Werkstoff beim Entfestigungsglühen?
Grenzen Sie das Tiefziehen vom Streckziehen ab.
2.5
LITERATUR ZUR VORBEREITUNG
[1] E. Macherauch: Praktikum in Werkstoffkunde; Vieweg, Braunschweig, 1992
[2] K. Lange: Umformtechnik Bd. 1 Grundlagen; Springer; Berlin; 1984
[3] K. Lange: Umformtechnik Bd. 3 Massivumformung; Springer; Berlin; 1988
[4] K. Lange: Umformtechnik Bd. 3 Blechbearbeitung; Springer; Berlin; 1990
[5] Umformende Fertigungsverfahren, Fachhochschule Heilbronn Dr. A. Birkert
http://www.mbstud.fh-heilbronn.de/download.php?id=877202,70,2
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