DV 16 - Apothekerkammer Berlin

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Kommentar zur Berufsordnung
Der Verabschiedung der neuen Berufsordnung durch die Delegiertenversammlung am
16.06.2009 ging ein langer und eingehender Beratungsprozess in den Gremien der
Apothekerkammer Berlin voraus. Ziel war es, einen breiten berufspolitischen Konsens zu
schaffen. Dieser wurde erreicht. Die Delegiertenversammlung beschloss die Berufsordnung
mit nur einer Gegenstimme.
Warum jetzt eine neue Berufsordnung?
Die Berufsordnungen der Freien Berufe beinhalten Verhaltensnormen zur ordnungsgemäßen
Berufsausübung. Die Kammern erlassen die Berufsordnungen als Satzungen im Rahmen
der berufsständischen Selbstverwaltung. Sie sind das Disziplinarrecht der Freien Berufe. Im
Vordergrund stehen dabei traditionell die Berufspflichten gewissenhafte Berufsausübung,
Rechtstreue, kollegialer Umgang, Verschwiegenheit, Teilnahme am Notdienst und allgemein
die Verpflichtung zu einem angemessenen Verhalten, das dem Vertrauen und Ansehen des
Berufs gerecht wird. Die Berufsordnungen erfüllen damit drei Funktionen: Regelung des
Verhaltens
der
Berufsangehörigen
untereinander,
Wahrung
des
Ansehens
des
Berufsstandes in der Öffentlichkeit und Sicherstellung fachlich einwandfreier Leistungen für
die Patienten und Mandanten, Stichwort Qualität der Berufsausübung.
In den letzten Jahren ist verstärkt der Aspekt der Qualität der Berufsausübung in den
Vordergrund getreten. Diese Entwicklung wurde von außen durch eine zunehmend kritische
Öffentlichkeit und Tests von Verbraucherorganisationen und Medien befördert. Die
Bundesapothekerkammer und die Apothekerkammern der Länder reagierten darauf mit einer
Qualitätsoffensive, die die Etablierung eines apothekenspezifischen QMS in den Apotheken,
Teilnahme an Maßnahmen zur externen Qualitätssicherung und die Dokumentation der
Fortbildung („Punktefortbildung“) zum Ziel hat. Die Apothekerinnen und Apotheker haben
erkannt, dass die Qualität der Berufsausübung existenzsichernd für ihren Berufsstand ist.
Die Sicherstellung der Qualität der Berufsausübung kam in der alten Berufsordnung vom
26.08.1998 und den nachfolgenden Änderungen noch nicht hinreichend deutlich zum
Ausdruck. Mit der neuen Berufsordnung werden erstmalig konkrete Anforderungen an eine
qualitätsgerechte Berufsausübung normiert. Qualität und Verbraucherschutz sind die
Schwerpunkte der neuen Berufsordnung.
Ziele der Berufsordnung sind,

das Vertrauen zwischen Apotheker und Patienten zu erhalten und zu fördern,
Seite 2
Erläuterungen zur Berufsordnung vom 16.06.2009

die Qualität der apothekerlichen Tätigkeit im Interesse der Gesundheit der Bevölkerung
und des Verbraucherschutzes zu gewährleisten und zu verbessern,

die Freiheit und das Ansehen des Apothekerberufs in allen Tätigkeitsfeldern zu fördern
und zu wahren sowie berufsunwürdiges Verhalten zu ahnden.
Präambel
In der Präambel wird der Beruf des Apothekers als Freier Beruf beschrieben. Dies erfolgt in
enger Anlehnung an die vom Bundesverband der Freien Berufe 1995 verabschiedete
allgemeine Definition des Freien Berufs: „Angehörige Freier Berufe erbringen aufgrund
besonderer beruflicher Qualifikation persönlich, eigenverantwortlich und fachlich unabhängig
geistig-ideelle Leistungen im gemeinsamen Interesse ihrer Auftraggeber und der
Allgemeinheit. Ihre Berufsausübung unterliegt in der Regel spezifischen berufsrechtlichen
Bindungen nach Maßgabe der staatlichen Gesetzgebung oder des von der jeweiligen
Berufsvertretung autonom gesetzten Rechts, welches die Professionalität, Qualität und das
zum Auftraggeber bestehende Vertrauensverhältnis gewährleistet und fortentwickelt“.
Übertragen auf den Apothekerberuf heißt es in der Präambel der Berufsordnung:
„Apothekerinnen und Apotheker üben ihren Beruf als Freien Beruf aus. Sie erbringen
aufgrund besonderer beruflicher Qualifikation persönlich, eigenverantwortlich und fachlich
unabhängig pharmazeutische Leistungen im Interesse der Patientinnen und Patienten und
der Allgemeinheit. Apothekerinnen und Apotheker unterliegen berufsrechtlichen Bindungen
nach Maßgabe der staatlichen Gesetzgebung und des von der Apothekerkammer Berlin
gesetzten Rechts. Diese sollen die Professionalität, Qualität und das Vertrauensverhältnis
der Patientinnen und Patienten sichern und fördern.“
Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Entscheidung zum deutschen Fremdbesitzverbot
(Urteil vom 19.05.2009, C-171/07) die Zulässigkeit der Beschränkung insbesondere damit
begründet, dass die Arzneimittelversorgung durch freiberufliche Apotheker einen präventiven
Gesundheitsschutz der Bevölkerung gewährleistet. Dem Arzneimittel komme ein besonderer
Charakter zu. Auch liege es unter Kostenaspekten im berechtigten Interesse der
Mitgliedstaaten einen übermäßigen Arzneimittelkonsum oder eine fehlerhafte Anwendung
von Arzneimitteln zu verhindern. Dem werde ein System gerecht, das besonderen Wert auf
die berufliche Unabhängigkeit
des Apothekers lege.
Sein privates
Interesse an
Gewinnerzielung werde durch seine Ausbildung, seine berufliche Erfahrung und die ihm
obliegende Verantwortung gezügelt, da ein etwaiger Verstoß gegen Rechtsvorschriften oder
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Erläuterungen zur Berufsordnung vom 16.06.2009
berufsrechtliche Regeln nicht nur den Wert seiner Investition, sondern auch seine eigene
berufliche Existenz erschüttert. Nichtapotheker böten diese Garantien nicht.
Der Europäische Gerichtshof hat mit dieser Entscheidung die Freiberuflichkeit der
Apothekerinnen und Apotheker und zugleich alle Freien Berufe gestärkt. Die Berufsordnung
konkretisiert die Anforderung an die ordnungsgemäße Berufsausübung und das Verhalten
der Apothekerinnen und Apotheker im Beruf und in der Öffentlichkeit. Damit erfüllt die
Berufsordnung eine Status erhaltende Funktion.
I. Allgemeine Grundsätze der Berufsausübung
§ 1 Aufgaben des Apothekers und der Apothekerin
Im ersten Absatz wird zunächst der in § 1 Bundesapothekerordnung normierte Auftrag des
Apothekerberufs
wiedergegeben,
die
ordnungsgemäße
Arzneimittelversorgung
der
Bevölkerung sicherzustellen. Dies erfolgt insbesondere durch die Beratung über Wirkungen
und
Risiken
von
Arzneimitteln
und
deren
sachgerechte
Anwendung
sowie
die
qualitätsgerechte Entwicklung, Herstellung und Prüfung von Arzneimitteln. Darüber hinaus
hat der Apotheker eine Beobachtungspflicht, wie sich Arzneimittel im Einsatz verhalten und
Arzneimittelrisiken zu erfassen. Präventiv hat er die Aufgabe der Information und Beratung
im Sinne des Patienten- und Verbraucherschutzes.
In Absatz 2 wird das Berufsbild des Apothekers anhand von Tätigkeitsfeldern beschrieben.
Die Broschüre „Berufsbild des Apothekers“ steht unter www.abda.de als PDF zur Verfügung.
§ 2 Gewissenhafte Berufsausübung
Die Generalklausel spielt als Tatbestand bei der Beurteilung des berufsgerechten Verhaltens
eine zentrale Rolle. Zur gewissenhaften Berufsausübung gehört insbesondere die
fachgerechte Erbringung pharmazeutischer Leistungen.
§ 3 Rechtstreue
§ 3 ist das Scharnier zwischen der allgemeinen Rechtsordnung und der Berufsordnung. Der
Apotheker hat bei der Ausübung seines Berufs die gesamte Rechtsordnung - Gesetze,
Verordnungen, Satzungsrecht der Kammer - zu beachten. Ein Verstoß gegen Rechtsnormen
stellt zugleich einen Verstoß gegen die Berufsordnung dar, der über § 3 entsprechend
sanktioniert werden kann. Relevant sind hierbei in der Regel Verstöße gegen den
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Erläuterungen zur Berufsordnung vom 16.06.2009
Kernbereich apothekerlicher Pflichten, also gegen Vorschriften, die die Berufsausübung
unmittelbar betreffen. Beispiele: Abgabe ohne Rezept, Zuweisung von Rezepten, nicht
durchgeführter Notdienst, nicht fachgerechte pharmazeutische Leistung, insbesondere bei
Beratung und Rezeptur. In bestimmten Fallkonstellationen können auch allgemeine
Rechtsverstöße berufsrechtlich relevant werden. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn
die Zuverlässigkeit des Berufsangehörigen tangiert ist, z.B. bei Steuerstraftaten oder
Delikten in Zusammenhang mit Rauschmitteln.
§ 4 Fortbildung
Die Pflicht zur Fortbildung ist ein Wesensmerkmal aller Freien Berufe. Ein aktueller
Wissensstand und die Fähigkeit, das Fachwissen gegenüber dem Patienten so zu vermitteln,
so dass er es versteht und für sich umsetzen kann, ist eine der Hauptaufgaben der
Apothekerinnen und Apotheker bei der Beratung. Das Berliner Kammergesetz ermächtigt die
Kammern in § 4a Abs. 1 Nr. 1, in der Berufsordnung Regelungen zur beruflichen Fortbildung
zu treffen. Dies ist in § 4 Berufsordnung erfolgt. Maßstab für die Fortbildungspflicht ist die für
die Berufsausübung erforderliche Fachkenntnis. Welche Fachkenntnis erforderlich ist leitet
sich von der konkreten beruflichen Tätigkeit ab. Für Apothekerinnen und Apotheker in
öffentlichen Apotheken sind dies andere als für in der Industrie beschäftigte. Für alle gilt
jedoch: Fortbildung ist Pflicht!
Die Apothekerkammer kann von den Mitgliedern den Nachweis ihrer Fortbildung verlangen.
Gemäß § 4 Abs. 2 Berufsordnung müssen die Mitglieder ihre Fortbildung gegenüber der
Kammer nachweisen können. Eine Möglichkeit, die Fortbildung nachzuweisen, ist die
Teilnahme an der „Punktefortbildung“. Einzelheiten unter www.cpk.akberlin.de.
§ 5 Qualitätssicherung
Neu in die Berufsordnung aufgenommen wurde die Verpflichtung zur Sicherung der Qualität
pharmazeutischer Leistungen. Hierzu haben Apothekerinnen und Apotheker geeignete
Maßnahmen zu ergreifen. Mit der Aufnahme der Verpflichtung zur Qualitätssicherung in die
Berufsordnung wurde zugleich ein deutliches berufspolitisches Signal gesetzt. Denn die
Apotheken stehen unter der kritischen Beobachtung der Öffentlichkeit, die zu Recht eine
einwandfreie Qualität pharmazeutischer Leistungen erwarten darf. Welche Auswirkungen
negative Testergebnisse auf das Vertrauen in den Berufsstand haben, ist hinlänglich
bekannt. Jede Apothekerin und jeder Apotheker ist aufgefordert, an der Gewährleistung
pharmazeutischer Qualität mitzuwirken.
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Erläuterungen zur Berufsordnung vom 16.06.2009
Was heute unter dem Begriff Qualitätssicherung behandelt wird, war einst Anlass für die
Errichtung von Berufskammern und ist seither eine ihrer Kernaufgaben. Die Gründung der
Kammern geht nicht zuletzt auf vom Staat erkannte Missstände in der Berufsausübung
zurück und die damit einhergehenden Gefahren für das den Berufsangehörigen anvertraute
Rechtsgut der Gesundheit der Bevölkerung.
Im Medizinaledikt: des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm I von 1685 heißt es: „Zur
Remedierung angezogener Mängel und Ungelegenheiten und zur fleißigen Aufsicht und
sorgfältigen Beobachtung des Arzneiwesens und aller dazugehörigen Leute, die Apotheker,
Barbiere, Wundärzte, Hebammen, Okkultisten, Bruch- und Steinschneider, Bader und
dergleichen wird für die Mark Brandenburg ein Collegium Medicum gebildet, das aus den
angesehensten Ärzten zusammengesetzt ist und zur Durchführung seiner Aufgabe
Zwangsrechte erhält.“
Damit wurde die Lösung des erkannten Problems in die Verantwortung derjenigen
übertragen, die sachnah mit damit befasst sind. Das System funktioniert noch heute. In § 4
Berliner Kammergesetz sind die Aufgaben der Heilberufekammern geregelt. Dazu gehört die
Überwachung der Einhaltung der Berufspflichten. Damit die Kammermitglieder ihren Beruf
fachgerecht ausüben können stellen die Kammern ihren Mitgliedern mit der Fortbildung, der
Weiterbildung, mit Fachinformationen und QMS Instrumente zur Verfügung, die sie für eine
fachgerechte Berufsausübung benötigen. Wenn erforderlich sorgen die Kammern mit den
Mitteln des Berufsrechts für die Erfüllung der Berufspflichten.
Die
Apothekerkammer
empfiehlt
die
Einführung
eines
apothekenspezifischen
Qualitätsmanagementsystems nach dem Standard der Bundesapothekerkammer. Die
Kammer hat hierzu die QMS-Satzung erlassen (www.akberlin.de > Mitgliederservice (berlin,
kammer2002) > Publikationen > Kammerrecht) und führt die Zertifizierung von Apotheken
durch. Die Nachfrage nach dem Kammer-QMS hat deutlich zugenommen.
Erstmals
in
der
Berufsordnung
findet
sich
eine
Ermächtigungsgrundlage,
die
Kammermitglieder zu verpflichten, an von der Delegiertenversammlung für verbindlich
erklärten Maßnahmen zur Sicherung der Qualität der Berufsausübung teilzunehmen, an der
Durchführung mitzuwirken und der Apothekerkammer die erforderlichen Auskünfte zu
erteilen (§ 5 Abs. 2 Berufsordnung).
§ 6 Pharmakovigilanz und Arzneimitteltherapiesicherheit
Für die Zukunftssicherung des Berufsstandes wichtige Aufgabe ist es, an der Vorbeugung
von unerwünschten Arzneimittelwirkungen und anderen Problemen in Zusammenhang mit
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Erläuterungen zur Berufsordnung vom 16.06.2009
Arzneimitteln mitzuwirken. Apothekerinnen und Apotheker tragen mit der Meldung ihrer
Beobachtungen an die Arzneimittelkommission Deutscher Apotheker (AMK) wesentlich zur
Verbesserung der Arzneimittelsicherheit bei. Sie sind aufgrund des unmittelbaren Kontakts
mit den Patienten und ihrer Ausbildung dazu prädestiniert, Arzneimittelprobleme zu erkennen
und systematisch zu melden und damit aktiv zur Arzneimitteltherapiesicherheit beizutragen.
Weitere Berufspflicht ist, schädlichem Medikamentengebrauch, insbesondere Missbrauch
und Fehlgebrauch, sowie Medikamentenabhängigkeit in geeigneter Weise entgegenzutreten.
II. Pflichten gegenüber Patientinnen und Patienten
§ 7 Beratung
Dreiviertel aller aktiv berufstätigen Kammermitglieder ist in öffentlichen Apotheken tätig. Von
ihren pharmazeutischen Tätigkeiten entfällt der weit überwiegende Teil auf die Beratung. Der
Apothekerberuf ist ein sprechender Beruf. Bei der Beratung wird mit den Patienten die
richtige Anwendung des Arzneimittels besprochen und die notwendigen Informationen
gegeben, die erst eine sichere und erfolgreiche Anwendung ermöglicht (vgl. § 20
Apothekenbetriebsordnung). Dafür, dass die Beratung stattfindet, ist der Apotheker
verantwortlich. Die Beratung gehört untrennbar zur Abgabe. Ein Satz geht immer! Daher
wurde in der Berufsordnung auch erstmalig die Pflicht zur Beratung als aktive Beratung
ausgestaltet.
§ 8 Belieferung von Verschreibungen, Herstellung von Rezepturen
Ärztliche Verschreibungen, das sind Verschreibungen von Personen, die zur Ausübung der
Heilkunde,
Zahnheilkunde
oder
Tierheilkunde
berechtigt
sind
(§
17
Abs.
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Apothekenbetriebsordnung), sind in angemessener Zeit auszuführen. In § 8 Abs. 2
Berufsordnung wird klargestellt, dass dazu auch die Anfertigung von Rezepturen gehört.
Diese deutlichen Ausrufezeichen erscheinen erforderlich, da es Anzeichen dafür gibt, dass
Rezepturen
nicht
oder
zögerlich
angefertigt
werden
und
gelegentlich
nicht
der
vorausgesetzten Qualität entsprechen sollen. Auch hier setzt die Berufsordnung noch einmal
ein Ausrufezeichen: Apothekerinnen und Apotheker tragen für die Qualität der von ihnen
abgegebenen Arzneimittel, auch von importierten Arzneimitteln Verantwortung (§ 5 Abs. 3).
§ 9 Notdienst
Zur Sicherstellung der ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung gehört die Verfügbarkeit
von Arzneimitteln rund um die Uhr in erreichbarer Entfernung. Hierzu organisiert die Kammer
den Notdienst. Notdienst ist eine Grundpflicht einer jeden öffentlichen Apotheke. Der
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Erläuterungen zur Berufsordnung vom 16.06.2009
Notdienst ist zugleich auch eine Visitenkarte und ein essenzielles Leistungsmerkmal. Er trägt
wesentlich zur Anerkennung und zum Vertrauen der Bevölkerung in die Apotheken bei. Nur
die Präsenzapotheke kann die flächendeckende Versorgung rund um die Uhr sicherstellen.
Sie ist damit jeder anderen Vertriebsform von Arzneimitteln überlegen. Diese Leistung gilt es
gegenüber den Patientinnen und Patienten herauszustellen. Bei der Inanspruchnahme des
Notdienstes soll bei der Beschaffung Hilfestellung geleistet werden, wenn ein erforderliches
Arzneimittel nicht vorhanden ist und auch nicht im Wege des erweiterten aut idem nach § 17
Absatz 5a Apothekenbetriebsordnung ausgetauscht werden kann. Die telefonische
Nachfrage bei benachbarten Notdienst-Apotheken, ob das Arzneimittel dort vorrätig ist, sollte
ein selbstverständlicher Service für den Patienten sein.
§ 10 Verschwiegenheit und Datenschutz
Apothekerinnen und Apotheker stehen zu ihren Patientinnen und Patienten in einem
besonderen Vertrauensverhältnis. Dieses ist durch die Rechtsordnung besonders geschützt,
indem Apotheker einerseits ein Zeugnisverweigerungsrecht nach § 53 Abs. 1 Nr. 3
Strafprozessordnung haben und andererseits die Verletzung eines ihnen anvertrauten
Privatgeheimnisses gemäß § 203 Strafgesetzbuch mit Strafe bedroht ist.
Bei der modernen Datenverarbeitung und der Nutzung von Kommunikationstechniken gerät
es leicht aus dem Blickfeld, dass es sich bei Patientendaten um höchst persönliche Daten
über den äußerst sensiblen Bereich Gesundheit handelt. Dem gilt es, im Umgang mit den
Daten entsprechend Rechnung zu tragen. Patientenbezogene Daten dürfen nur zu solchen
Zwecken verwendet werden, die gesetzlich zulässig sind oder zu denen der Patient seine
schriftliche Einwilligung gegeben hat.
III. Zusammenarbeit mit Kolleginnen und Kollegen, Angehörigen anderer Heilberufe
und mit Dritten
§ 11 Kollegiale Zusammenarbeit
Apothekerinnen und Apotheker sind verpflichtet, mit den Angehörigen des eigenen
Heilberufs und anderer Heilberufe kollegial zusammenzuarbeiten. Deklaratorisch in die
Berufsordnung aufgenommen wurde das Verbot der Heilkunde gemäß § 1 Abs. 2
Heilpraktikergesetz.
Rechtlich und auch im Verhältnis zu den Ärzten geklärt ist, dass das Feststellen von
Messwerten keine Ausübung der Heilkunde ist. So sind z. B. die von der Apotheke
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Erläuterungen zur Berufsordnung vom 16.06.2009
durchgeführte Blutdruckmessung, Bestimmung von Blutwerten etc. keine Ausübung der
Heilkunde, sondern das Feststellen von Messwerten. Sind Referenzwerte überschritten,
werden diese nicht interpretiert, sondern es werden Handlungsempfehlungen gegeben, z. B.
den Wert von einem Arzt abklären zu lassen.
§ 12 Verbot der Zuweisung von Verschreibungen und Patientinnen und Patienten
§ 11 Apothekengesetz verbietet es, Absprachen zu treffen oder schlüssige Handlungen
vorzunehmen, die eine Zuweisung von Verschreibungen oder die Zuführung von
Patientinnen und Patienten zum Gegenstand haben. Die Vorschrift dient der Gewährleistung
der Integrität der Berufe Arzt und Apotheker. Es ist mit dem Heilberuf nicht vereinbar, aus
wirtschaftlichen Gründen Patienten und/oder Rezepte zu lenken. Die Bestimmung stellt die
Freiheit des Patienten bei der Wahl von Apotheke und Arzt sicher.
Dem stehen Verträge von Krankenkassen nicht entgegen, in die sich der Patient freiwillig
einschreiben kann und sich damit auf bestimmte Leistungserbringer, mit denen seine Kasse
Verträge geschlossen hat festlegt. Die Wahlfreiheit des Patienten ist dadurch nicht tangiert,
denn er hat seine Wahl getroffen, Leistungen von bestimmten Vertragspartnern seiner
Krankenkasse
in
Anspruch
nehmen
zu
wollen.
Inwieweit
Ausschreibungen
von
Krankenkassen über Leistungen, die dann nur noch von bestimmten Leistungserbringern
erbracht werden dürfen, zulässig ist, ist zur Zeit Gegenstand von Gerichtsverfahren.
§ 13 Interessenkonflikte
Verboten ist die Annahme von Geschenken und anderer Vorteile sowie des Forderns und
Versprechens solcher Vorteile, wenn hierdurch die fachliche Unabhängigkeit beeinflusst wird
oder ein solcher Eindruck entstehen kann. Es soll bereits der böse Schein vermieden
werden, dass Apothekerinnen und Apotheker nicht fachlich und sachlich entscheiden,
sondern sich von anderen Dingen motivieren lassen. Die Integrität des Berufsstandes ist ein
hohes Gut. Wenn auch nur der Eindruck entstehen würde, es könnte dem Apotheker um
seinen wirtschaftlichen Vorteil und nicht um das Wohl des Patienten gehen, wäre dies für
das Ansehen des ganzen Berufsstandes schädlich. Es ist daher an die Annahme von
Geschenken und Vorteilen ein strenger Maßstab anzulegen.
Transparenz ist auch erforderlich bei Publikationen, Vorträgen und Meinungsäußerungen in
Fachmedien, damit für den Leser und Teilnehmer erkennbar ist, ob der Apotheker in
Beziehung zu seinem Auftraggeber steht und welche Umstände einen Interessenskonflikt
begründen könnte.
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IV. Wettbewerb und Werbung
§ 14 Wettbewerb
Die Werbevorschriften sind bei allen Freien Berufen in den vergangenen Jahren zunehmend
liberalisiert
worden.
Im
Bereich
der
Apotheken
hat
die
Entscheidung
des
Bundesverfassungsgerichts vom 22.05.1996 (BVerfGE 94, 372) eine Zäsur gebracht. Diese
war
seinerzeit
Anlass
für
die
Berufsordnung
von
1998,
mit
der
die
Wettbewerbsbestimmungen liberalisiert wurden Das Bundesverfassungsgericht hat die
Zulässigkeit von Werbebeschränkungen durch Berufsordnungen prinzipiell bestätigt,
zugleich aber auch partiell restriktive Wettbewerbsbeschränkungen als verfassungswidrige
Eingriffe in die Berufsfreiheit festgestellt. Wettbewerbsbeschränkungen bzw. Werbeverbote
sind danach nur dann gerechtfertigt, wenn sie dazu dienen, einem Arzneimittelfehlgebrauch
oder Arzneimittelmehrverbrauch entgegenzuwirken, die ordnungsgemäße Berufsausübung
des Apothekers zu stärken und das Vertrauen der Bevölkerung in die berufliche Integrität der
Apothekerinnen und Apotheker zu sichern und zu fördern.
Besondere Werbebeschränkungen enthält das Heilmittelwerbegesetz, das die Werbung für
Arzneimittel außerhalb der Fachkreise einschränkt. Im Übrigen gilt für die Apotheken das
allgemeine Wettbewerbsrecht des Gesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG).
Aufgehoben wurden die Zugabeverordnung und das Rabattgesetz, die in der Vergangenheit
häufig eine Rolle gespielt haben.
Was die Erscheinungsform der Werbung von Apotheken anbetrifft, so orientiert sich diese an
dem, was bei der Werbung des seriösen Einzelhandels üblich ist. Welche Medien hierbei
gewählt werden und wie weit deren Reichweite ist, steht dem Apotheker frei. Eine zulässige
Werbung für Arzneimittel ist lege artis. Dagegen kann nicht eingewandt werden, Werbung
trage zu einem Arzneimittelfehlgebrauch und Arzneimittelgebrauch bei. Dem ist durch
sachgemäße Beratung entgegen zu wirken.
In § 14 Abs. 2 sind exemplarisch fünf Tatbestände verbotener Werbung aufgeführt:
Zu Nr. 1. Das Verbot der Überlassung von Flächen für Dienstleistungs-, Verkaufs- und
Werbezwecken gegen Entgelt oder sonstige Leistungen dient dazu, die berufliche
Verantwortlichkeit und Entscheidungsfreiheit des Apothekers zu wahren. Er soll sich bei der
Produktauswahl und beim Verkauf am Nutzen für den Patienten orientieren nicht an
Regalmeterpreisen. Außerdem kann durch die Inanspruchnahme von Flächen für Aktionen
etc. die ordnungsgemäße Arzneimittelversorgung beeinträchtigt werden.
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Erläuterungen zur Berufsordnung vom 16.06.2009
Zu Nr. 2. Verboten ist das Abgehen von der Arzneimittelpreisverordnung. Dazu gehört auch
das Gewähren von Boni und sonstigen Vorteilen auf rezeptpflichtige Arzneimittel. Beim
Bundesgerichtshof ist ein Musterverfahren von der Wettbewerbszentrale betriebenes
Musterverfahren anhängig, in dem über die Zulässigkeit von Boni für Rezepte entschieden
wird. Derzeit gibt es divergierende Rechtsprechung von Obergerichten. Das Kammergericht
Berlin hat entschieden, dass Boni auf Rezepte unzulässig sind (Entscheidung vom
11.04.2008, Az. 5 U 189/06). Dies ist in Berlin geltende Rechtslage. Die Rechtsprechung des
BGH bleibt abzuwarten.
Zu Nr. 3. Verboten ist der Verzicht auf die gesetzlichen Zuzahlungen. Hierbei handelt es sich
um einen Unterfall des Abgehens von den Preisbildungsvorschriften für Arzneimittel.
Zu Nr. 4. Verboten ist das unberechtigte Verwenden von Zertifikaten und Zeichen. Zertifikate
werden häufig in der Werbung als Nachweis für Qualität und Kompetenz eingesetzt, um
Kundenvertrauen zu gewinnen. Die verwendeten Zertifikate und Zeichen müssen zutreffend
sein, sonst wird der Verbraucher in die Irre geführt und es handelt sich um unlautere
Werbung. Zunehmend wichtiger wird auch das Führen von QMS-Logos. Diese müssen den
Aussteller zutreffend wiedergeben und dürfen nur solange geführt werden, wie sie gültig
sind. Wird ein Zertifikat nicht verlängert oder erneut erteilt, sind mit dem Ablauf des
Zertifikats alle Hinweise darauf zu entfernen, z. B. auf der Homepage. Geschäftsbögen mit
solchen Hinweisen dürfen nicht mehr verwendet werden.
Zu Nr. 5. Neu eingeführt wurde das Verbot des Erbringens von Dienstleistungen, die nicht
mit
der
Ausübung
des
Apothekerberufs
und
den
apothekenüblichen
Waren
in
Zusammenhang stehen. Die Vorschrift dient dem Schutz des Versorgungsauftrags der
Apotheke. Waren und Dienstleistungen, die nichts mit der Arzneimittelversorgung und damit
in unmittelbarem Zusammenhang stehenden Gesundheitsdienstleistungen zu tun haben
oder nicht an apothekenübliche Waren des § 25 Apothekenbetriebsordnung angebunden
sind, sind geeignet, den Versorgungsauftrag der Apotheke zu beeinträchtigen. Dem wird mit
dem Verbot entgegengewirkt.
V. Schlussbestimmungen
§ 15 Berufsgerichtsbarkeit
Verstöße gegen die Berufsordnung unterliegen der Berufsgerichtsbarkeit.
§ 16 Außerkrafttreten und Inkrafttreten
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Die neue Berufsordnung ist am Tag nach der Veröffentlichung im Amtsblatt für Berlin vom
30.12.2009 (ABl. S. 2852) in Kraft getreten. Gleichzeitig ist die „alte Berufsordnung“ vom
26.08.1998 außer Kraft getreten.
RA Rainer Auerbach
Geschäftsführer
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