uni-texte Stud ienbücher K. Brinkmann, Einführung in die elektrische Energiewirtschaft für Elektrotechniker, Maschinenbauer, Verfahrenstechniker, Wirtschaftsingenieure und Betriebswirtschaftier (im 2. Studienabschnitt) G. Frühauf, Praktikum Elektrische Meßtechnik für Elektrotechniker (3. und 4. Semester) H. Gräser, Biochemisches Praktikum für Biologen, Chemiker, Pharmazeuten und Mediziner (im 2. Studienabschnitt) E. Henze I H. H. Homuth, Einführung in die Informationstheorie für Mathematiker, Physiker und Elektrotechniker (3_ Semester) R. Jötten I H. Zürneck, Einführung in die Elektrotechnik I, 11 für Elektrotechniker, Maschinenbauer und Wirtschaftsingenieure (1. bis 3_ Semester) G. Kempter, Organisch-chemisches Praktikum für Chemiker, Biologen und Mediziner (3. Semester) L. D. Landau I E. M. Lifschitz, Mechanik für Mathematiker und Physiker (2. und 3. Semester) W. Leonhard, Wechsel ströme und Netzwerke für Elektrotechniker (3. Semester) W. Leonhard, Einführung in die Regelungstechnik, lineare Regelvo"gänge für Elektrotechniker, Physiker und Maschinenbauer (5. Semester) W. Leonhard, Einführung in die Regelungstechnik, Nichtlineare Regelvorgänge für Elektrotechniker, Physiker und Maschinenbauer (6. Semester) K. Mathiak I P. Stingl, Gruppentheorie für Chemiker, Physiko-Chemiker und Mineralogen (ab 5. Semester) K.-A. Reckling, Mechanik I, 11, 111 für Studenten der I ngenieurwissenschaften (1. und 2. Semester) K. Torkar I H. Krischner, Rechenseminar in Physikalischer Chemie für Chemiker, Verfahrenstechniker und Physiker (ab 3. Semester) M. Toussaint I K. Rudolph, Programmierte Aufgaben zur linearen Algebra und analytischen Geometrie für Mathematiker und Physiker (ab 1. Semester) Kar! Friedrich Knoche Technische Thermodynami k uni-text Karl Friedrich Knoche Technische Thermodynamik Studienbuch für Studenten des Maschinenbaus und der Elektrotechnik ab 1. Semester Mit 144 Bildern Friedr. Vieweg + Sohn . Braunschweig Verlagsredaktion: Bernhard Lewerich ISBN 978-3-663-05220-3 ISBN 978-3-663-05219-7 (eBook) DOI 10.1007/978-3-663-05219-7 1972 AIle Rechte vorbehalten Copyright © 1972 by Friedr. Vieweg + Sohn GmbH, Verlag, Braunschweig Die VervieIrliltigung und Obertragung einzelner Textabschnitte, Zeichnungen oder Bilder, auch flir Zwecke der Unterrichtsgestaltung, gestattet das Urheberrecht nur, wenn sie mit dem Verlag vorher vereinbart wurden. Im Einzelfall mu6 iiber die Zahlung einer Gebiihr flir die Nutzung fremden geistigen Eigentums entschieden werden. Das gilt flir die VervieIrliltigung durch alle Verfahren einschlie1\lich Speicherung und jede Obertragung auf Papier, Transparente, Filme, Bănder, Platten und andere Medien. Satz: Friedr. Vieweg + Sohn, Braunschweig Vorwort Die Fülle der im In- und Ausland zur Technischen Thermodynamik erschienenen Bücher könnte nur schwer ein weiteres Lehrbuch zu diesem Thema rechtfertigen. Dieses Studienbuch ist deshalb auch betont als Vorlesungsbegleiter konzipiert. Es soll dem Studenten das Mitschreiben ersparen, bietet also in knapper stichwortartiger Notierung die in der Vorlesung vermittelten Informationen. Dadurch wird der Leser auch nicht so leicht zum "Vorauslesen" verführt, hat aber jederzeit die Möglichkeit, das schon Verstandene nachzuschlagen und zu repetieren. Die Literaturhinweise am Ende eines jeden Abschnitts sollen zur weiteren Vertiefung des Stoffes anregen. Die Auswahl des Stoffes entspricht etwa dem Inhalt der an deutschen Hochschulen gehaltenen Einführungsvorlesungen in die Technische Thermodynamik. Im Vergleich zu bekannten Lehrbüchern wurden die quasistatisch polytropen Zustandsänderungen mit Rücksicht auf viele technische Problemstellungen etwas ausführlicher behandelt. Einer anschaulichen, insbesondere den Ingenieur ansprechenden Darstellung wurde - wo immer es ohne allzu schwerwiegende Einbußen an genauer Begriffsbestimmung möglich war - der Vorzug gegeben. Speziell bei der Einführung des zweiten Hauptsatzes wurde zunächst eine anschauliche Interpretation statistischer Gedankengänge versucht und darauf aufbauend die Aussagen des zweiten Hauptsatzes in Anlehnung an die Formulierungen von R. Haase (Thermodynamik der irreversiblen Prozesse) postuliert. Herrn Professor Bo§njakovi~ verdanke ich zahlreiche kritische Anmerkungen und Verbesserungsvorschläge. Ebenso danke ich Herrn Dr. J. Keller ftir die kritische Durchsicht eines Teils des Manuskripts. Herr Dipl.-Ing. H. Roertgen hat mich beim Gestalten des Manuskripts durch viele wertvolle Anregungen und außerdem beim Korrekturlesen und bei der Vorbereitung der Diagramme sehr unterstützt; ich möchte ihm hierfür ganz besonders danken. Aachen, im April 1972 K. F. Knoche Inhaltsverzeichnis 1 1 2 4 5 6 1. 1.1 1.2 1.3 1.4 1.5 Grundbegriffe Thermodynamisches System Zustand und Zustandsgrößen; Prozeß Natürliche Vorgänge und Gleichgewicht; Temperatur Nullter Hauptsatz TemperaturfIxpunkte und empirische Temperaturskala 2. 2.1 2.2 2.3 2.4 2.5 Der Erste Hauptsatz der Thermodynamik (Energieerhaltungsprinzip) Arbeit am geschlossenen System Innere Energie und Wärme Erster Hauptsatz flir ein geschlossenes System Erster Hauptsatz flir ein offenes System Stationärer Fließprozeß 8 8 10 12 14 15 3. 3.1 3.1.1 3.2 3.3 3.4 3.5 3.5.1 3.5.2 3.5.3 3.5.4 3.5.5 3.6 Zustandsgleichungen und Zustandsänderungen Zustandseigenschaften einfacher Körper Beziehung zwischen a, ß und 'Y Thermische Zustandsgleichung idealer Gase Kalorische Zustandsgleichung Nichtstatische und quasistatische Zustandsänderungen Quasistatische Zustandsänderungen in geschlossenen homogenen Systemen Quasistatische Zustandsänderung bei konstantem Volumen (Isochore) Quasistatische Zustandsänderung bei konstantem Druck (Isobare) Quasistatische Zustandsänderung bei pV = konst Quasistatische Zustandsänderung mit dq + dWR = 0 (Isentrope) Polytrope Zustandsänderung Quasistatische Zustandsänderungen bei stationären Fließprozessen 17 17 20 21 23 28 28 29 30 30 31 34 36 3.6.1 f v dp bei speziellen quasistatischen Zustandsänderungen 38 4. 4.1 4.1.1 40 40 4.1.2 4.1.3 4.2 Kreisprozesse Kreisprozesse in geschlossenen Systemen Rechtslaufender Carnotscher Kreisprozeß mit id. Gas konst. spez. Wärmekapazität Linkslaufender Carnotscher Kreisprozeß Umkehrung des Carnotschen Kreisprozesses Kreisprozesse als Folge von stationären Fließprozessen 5. 5.1 5.2 5.3 5.4 5.5 5.6 5.7 Zweiter Hauptsatz der Thermodynamik Umkehrbare und nichtumkehrbare Prozesse Statistische Deutung des adiabaten Druckausgleichs Statistische Energieverteilung Wahrscheinlichkeit und Entropie Temperatur Postulierung des zweiten Hauptsatzes Zusammenhang zwischen Wärmeaustausch und Entropieänderung 47 47 49 50 53 55 57 58 2 41 43 44 44 59 59 5.9 5.9.1 5.10 5.11 5.12 5.13 5.13.1 5.13.2 5.13.3 Entropie einfacher Stoffe Entropie idealer Gase Entropie beliebiger Stoffe, deren Zustand durch zwei unabhangige ZustandsgrOOen eindeutig bestimmt ist T,s-Diagramm flir einfache Stoffe Darstellung von Proze1\gro1.\en im T,s-Diagramm Mollier h,s-Diagramm flir einfache Stoffe Natiirliche Vorgănge und Gleichgewicht Umwelt und Energieumwandlung Exergie und Anergie Stationare Flie1\prozesse; Wănneaustausch nach au1\en nur mit der Umgebung Stationarer Flie1\proze1\ mit beliebigem Wănneaustausch Exergie geschlossener Systeme (maximale Arbeit) 6. 6.1 6.2 6.2.1 6.2.2 6.2.3 6.2.4 6.3 6.4 6.4.1 6.5 6.5.1 6.5.2 6.6 6.7 6.7.1 Zustandsgleichungen realer Gase Zustandsgleichungen nach Van der Waals (1873) Weitere Zustandsgleichungen Beattie-Bridgeman-Gleichung Benedict-Webb-Rubin-Gleichung Virialkoeffizienten Wasserdampfformeln Berechnung kalorischer Zustandsgro1.\en bei bekannter Zustandsgleichung Zweiphasengebiete Clapeyron-Clausius-Gleichung Verdampfung Der Verdampfungsvorgang Quasistatische Zustandsănderungen vom Na1\dampf Mollier h,s-Diagramm flir Wasserdampf Joule-Thomson-Effekt; Grundlagen der Gasverfliissigung Gasverfliissigungsverfahren nach Linde 78 78 81 81 82 82 83 83 84 87 89 89 91 92 93 94 7. 7.1 7.1.1 7.2 7.3 7.4 7.4.1 7.4.2 7.4.3 7.4.4 7.4.5 Gemische unei Mischungsprozesse Gemische Gemische idealer Gase Adiabate Mischung idealer Gase (geschlossenes System) Stationarer und adiabater Mischungsproze1\ Feuchte Luft Zustandsgro1.\en feuchter Luft Mollier h,x-Diagramm fUr feuchte Luft Stationare und adiabate Mischungsvorgănge mit feuchter Luft Stationare Mischung mit Warmezufuhr Stationare und adiabate Zumischung von reinem Wasser bzw. Wasserdampf 96 96 97 98 102 103 104 108 109 110 110 8. Stationăre 112 112 116 117 120 120 123 5.8 5.8.1 5.8.2 8.1 8.1.2 8.2 8.2.1 8.3 8.3.1 Verbrennungsprozesse Mengenbilanz Oxidationsverhăltnis ?. und Verbrennungsgasverhăltnis x Energiebilanz Adiabate Verbrennungstemperatur Entropiebilanz und lrreversibilităt der Verbrennung Exergieverlust bei adiabater Verbrennung 60 63 65 67 70 71 71 72 74 77 9. 9.1 Stromungs- und Arbeitsprozesse Beliebige Expansion bzw. Kompression mit q uasistatischer polytroper 124 Zustandsănderung 124 9.2 VerzOgerte und beschleunigte stationăre Stromungsvorgănge ohne Arbeitsleistung Stationăre Stromung konstanten Querschnitts mit Wărmeaustausch Adiabate Stromungsprozesse Stromungsq uerschnitte Der senkrechte Verdichtungssto~ Schwacher Sto~; Schallgeschwindigkeit Arbeitsprozesse mit adiabater Expansion oder Kompression Isotherme Kompression (bzw. Expansion) Mehrstufige Kompression 128 130 132 l34 137 140 141 143 145 9.3 9.4 9.4.1 9.4.2 9.4.3 9.5 9.6 9.7 10. 10.1 10.2 10.2.1 10.2.2 10.2.3 10.3 10.3.1 10.3.2 10.3.3 10.3.4 Energieumwandlung Wărme-Arbeit Thermodynamische Mitteltemperatur beim isobaren Wărmeaustausch (MittJere Wărmezufuhrtemperatur bzw. Wărmeabfuhrtemperatur) 148 Gasturbinenprozesse Geschlossener Gasturbinenproze~ Geschlossener Gasturbinenproze~ mit Wărmeaustausch Einfacher offener Gasturbinenproze~ Prinzip des Strahltriebwerkes 148 149 150 153 153 154 155 156 157 159 Literaturverzeichnis 161 Sachwortverzeichnis 162 Dampfkraftproze~ Einfache Dampfkraftanlage Zwischeniiberhitzung Speisewasservorwărmung 1. Grundbegriffe 1.1 Thermodynamisches System • Für jede thermodynamische Untersuchung muß zunächst festgelegt werden, was untersucht werden soll. • Abgrenzung eines thermodynamischen Systems durch eine Kontrollgrenze (Bilanzhülle). • Die Bilanzhülle dient zur Kontrolle z. B. der Energie- bzw. Massenströme,die das System mit anderen Systemen austauscht. Ein thermodynamisches System ist die zweckmäßige Abgrenzung einer bestimmten Stoffmenge oder eines bestimmten räumlichen Bereiches. ~ an~SQugte Luft -/ Thermodynamisches System Bilanzhülle des Gesamtsystems - - -, '------r---' I I I I I _J t I I a) Bi lanzhülle des im Zylinder eingeschlossenen Gases bl Druckluft elektr. l ei stung BUd 1.1 Mögliche Abgrenzung eines thermodynamischen Systems am Beispiel eines Kolbenkompressors a) System der Gesamtanlage b) System des im Zylinder eingeschlossenen Gases Die (gedachte) Grenze des Systems, die Kontrollgrenze oder Bilanzhülle ermöglicht die Registrierung aller in das System einbzw. aus dem System austretenden Massen- bzw. Energieströme. Kontrollgrenze Bilanzhülle Beispiele eines Systems: Dampfkraftwerke, aber auch der Wasser- bzw. Dampfkreislauf in einem Kraftwerk oder die Dampfturbine; der Zylinder eines Verbrennungsmotors; eine Luftzerlegungsanlage; die Gesamtheit der Elektronen in einer elektrischen Entladung; ein Volumelement in einer strömenden Flüssigkeit. 1 Knoche 1 Das System kann von seiner Umwelt völlig isoliert sein, so daß es mit anderen Systemen weder Masse noch Energie austauscht. Ein solches System nennt man abgeschlossenes oder isoliertes System. Wenn kein Massenaustausch zwischen dem System und anderen Systemen vorliegt, aber Energieaustausch möglich ist, spricht man von einem geschlossenen System. abgeschlossenes (isoliertes) System geschlossenes System Beispiel eines geschlossenen Systems: Das im Zylinder eingeschlossene Gas nach Bild 1.1 b. Bei einem offenen System sind sowohl Massenaustausch als auch Energieaustausch zwischen dem System und anderen Systemen möglich. offenes System Beispiel eines offenen Systems: Kompressoranlage (Bild 1.1a). Baehr [2] S. 8-10; Haase [11] S. 2; Grigull [9] S. 10 1.2 Zustand und Zustandsgrößen; Prozeß • Eindeutige Beschreibung des Zustandes eines Systems durch Zustandsgrößen. • Prozeß und Zustandsänderung. Der Zustand eines Systems wird durch eine Anzahl Parameter charakterisiert, so z. B. der Bewegungszustand (Mechanik) durch Angabe der Lage und der Geschwindigkeit, der Spannungszustand (Festigkeitslehre) durch Angabe des Spannungstensors. In der Thermodynamik wird nicht nur der äußere Zustand (Bewegungszustand), sondern auch der innere Zustand eines Systems möglichst genau beschrieben. äußerer Zustand innerer Zustand Dies wäre im Prinzip denkbar durch eine möglichst genaue Angabe des Bewegungszustandes aller einzelnen Moleküle (Mikrozustand): ungeheuer große Zahl von Gleichungen. Erfahrungsgemäß genügen aber einige wenige Parameter zur eindeutigen Kennzeichnung des Makrozustandes. Beispiel: Der innere Zustand eines Gases in einem Druckkessel kann i. a. eindeutig durch die Masse m, das Volumen V und den Druck p des Gases angegeben werden. Eindeutige Beschreibung des Zustandes eines Systems ist in der Regel durch einige wenige Parameter, sogenannte unabhängige Zustandsgrößen x, y, ... (z.B. Druck p, Volumen V, Masse m, ...) möglich. 2 Zustandsgröße Alle meßbaren Eigenschaften des Systems hängen im Rahmen der Meßgenauigkeit nur von diesen unabhängigen Zustandsgrößen ab, d. h. jede beliebige Eigenschaft <p des Systems kann als Funktion der unabhängigen Zustandsgrößen x, y, ... beschrieben werden: <p = <p(x, y, ... ). Die Wahl der Zustandsgrößen x, y, ... ist dabei beliebig, solange sie wirklich voneinander unabhängig sind, d. h. zwischen ihnen kein funktionaler Zusammenhang F(x, y, ... ) == 0 (1.2-1) gefunden werden kann 1). Intensive Zustandsgrößen eines Systems sind unabhängig von den im System enthaltenen Stoffmengen. Beispiele: Druck p, Temperatur t, Dichte intensive Zustandsgrößen p. Spezifische Zustandsgrößen sind auf die Menge (z. B. Masse oder Molzahl) bezogene Zustandsgrößen, wie z. B. das spezifische Volumen v [m 3/kg], die spezifische Energie e [J/kg]. spezifische Zustandsgrößen Aus einer spezifischen Zustandsgröße z erhält man eine extensive Zustandsgröße Z eines Systems, indem man z. B. über alle im System enthaltenen Massen integriert extensive Zustandsgrößen Z= S zdm (1.2-2) System speziell bei homogenen 2) Systemen: (1.2-2a) Z= mz Vorgänge (Prozesse) verursachen eine Änderung des Zustandes eines oder mehrerer Systeme. Prozeß und Zustandsänderung Z.B. Änderung des Bewegungszustandes eines Körpers. im Zustand 1 Cl~O ///~ In Zustand 2 C2 =O ~ 1) Zum Beispiel sind das Volumen V, die Masse m und die Dichte p nicht voneinander unabhängig, sondern über die Definitionsgleichung der Dichte p - rn/V == 0 miteinander verknüpft. 2) In einem homogenen System ist der Zustand in allen Teilen des Systems gleich. 3 Hinreichende Kennzeichnung der Zustandsänderung der Bewegung: Zustand 1 (mit Cl =1= 0) ~ Zustand 2 (mit c2 = 0). Die Kennzeichnung dieser Zustandsänderung ist nicht hinreichend für den Prozeß: Die gleiche Zustandsänderung kann erreicht werden durch z.B. a) Abbremsung des Körpers durch Reibung (Reibungsprozeß) b) Verzögerung des Körpers unter Hebung einer Last (Verzögerungsprozeß ). Zur genauen Kennzeichnung eines Prozesses muß also neben der Beschreibung der Zustandsänderungen noch angegeben werden, wie die Zustandsänderungen bewirkt werden. Die Prozeßbeschreibung ist somit umfassender als die Beschreibung der damit verbundenen Zustandsänderungen. Ändert ein System seinen Zustand derart, daß es von einem Anfangszustand CD über Zwischenzustände wieder mden Anfangszustand CD zurückkehrt, so hat es einen Kreisprozeß durchlaufen. Für jede Zustandsgröße r.p gilt dabei ~ dr.p = O. Kreisprozeß (1.2-3) Umgekehrt können wir r.p als Zustandsgröße ansehen, wenn ftir jeden beliebigen Kreisprozeß GI. (1.2-3) gilt. Grigull [9] S. 11f; Bosnjakovil: [4] S. 1; Baehr [2] S. lO-16, 25-27; 1.3 Natürliche Vorgänge und Gleichgewicht; Temperatur • In der Natur gibt es zahlreiche Prozesse, die von selbst ablaufen, sog. natürliche Prozesse. • In einem isolierten System kommen natürliche Prozesse nach einer gewissen Zeit zum Stillstand: es wird ein Gleichgewichtszustand erreicht. • Der Zustand thermischen Gleichgewichts bildet die Grundlage der Temperaturmessung. Natürliche Vorgänge (Natürliche Prozesse) laufen ohne äußeres Zutun "von selbst" ab. Beispiele: Abkühlung eines erhitzten Körpers, Auflösung eines festen, flüssigen oder gasförmigen Stoffes in einem "Lösungsmittel"; Verbrennung und andere chemische Reaktionen; Abbremsung von Bewegungsvorgängen durch Reibung. 4 Natürliche Prozesse Erfahrungssatz: In einem isolierten System ändert sich der Zustand durch natürliche Vorgänge höchstens bis zu einem Gleichgewichtszustand. Dieser zeichnet sich dadurch aus, daß das System ohne Eingriffe von außen (d. h. ohne Aufhebung der Isolierung) keiner weiteren meßbaren Veränderung seines Zustandes fähig ist. Gleichgewicht Dieser Erfahrungssatz gilt nicht unbegrenzt. Zum Beispiel wird fur das Universum in den uns zur Verfügung stehenden Zeiten keine Einstellung eines Gleichgewichtszustandes beobachtet, ebensowenig für Systeme sehr kleiner (molekularer) Abmessungen. Da die Gesetze der Thermodynamik auf diesem Erfahrungssatz aufbauen, sind sie nicht anwendbar auf solche Systeme, bei denen die Einstellung eines Gleichgewichtszustandes nicht vorausgesetzt werden kann. Zustandsäqderungen bis zur Einstellung eines Gleichgewichtszustandes können auch in solchen - nach außen isolierten Systemen beobachtet werden, bei denen zwischen den Teilen des Systems kein Druck- bzw. KonzentrationsausgIeich stattfmdet 1). Ein solcher Vorgang ist durch Energieaustauschprozesse zwischen den Teilsystemen bedingt, die man als thermische Wechselwirkung oder Wärmeaustausch bezeichnet. Der spezielle Gleichgewichtszustand, der sich nach thermischer Wechselwirkung zwischen zwei Teilsystemen A und B in einem nach außen isolierten System einstellt, wird auch als thermisches Gleichgewicht bezeichnet. Defmition der Temperatur: Systeme im thermischen Gleichgewicht haben dieselbe Temperatur. Temperatur Bo'injakovic [4] S. H., 5 1.4 Nullter Hauptsatz • Bei zwei voneinander getrennten Systemen kann man durch Vergleich mit einem" Thermometer" feststellen, ob sie die gleiche Temperatur haben oder nicht. 1) Z.B. dadurch, daß die Systemteile durch starre stoffundurchlässige Wände getrennt sind. 5 Nullter Hauptsatz (Erfahrungssatz): Ist ein System e mit einem System A und außerdem mit einem System B im thermischen Gleichgewicht, so befinden sich auch A und B im thermischen Gleichgewicht. Nullter Hauptsatz Grundlage der Temperaturmessung: Zwei entfernte Systeme A und B können mit Hilfe eines dritten e, eines "Thermometers", daraufhin untersucht werden, ob sie die gleiche Temperatur besitzen oder nicht. Temperaturabhängige Eigenschaften von Systemen werden zur Temperaturmessung herangezogen; Temperaturmessung Beispiel: Volumen fester, flüssiger und gasförmiger Körper; elektrischer Widerstand; Thermospannung. Bomjakovic [4] S. 2f. 1.5 Temperaturfixpunkte und empirische Temperaturskala • Reproduzierbare Gleichgewichtszustände dienen zur (willkürlichen) Festlegung von Temperaturfixpunkten. • Ober temperaturabhängige Eigenschaften (z. B. Quecksilbervolumen) wird eine empirische Temperaturskala festgelegt. • Die Temperaturskala des "Gasthermometers" ist weitgehend von der Art des verwendeten Gases unabhängig. TemperaturFlXpunkte (reproduzierbar): z. B. Temperatur des schmelzenden Eises festgelegt zu 0 oe; Siedepunkt des Wassers (bei Atmosphärendruck) festgelegt zu 100 oe. Temperaturfixpunkte Empirische Temperaturskala: Willkürliche Festlegung des funktionalen Zusammenhangs zwischen Thermometeranzeige (z. B. Volumenänderung) und Temperatur (z.B. lineare Zuordnung des Quecksilbervolumens zur Temperaturskala zwischen den Fixpunkten). empirische Temperaturskala Die empirische Temperaturskala ist abhängig von der verwendeten Thermometersubstanz und der Zuordnungsvorschrift. Bei Gasthermometern (Thermometersubstanz aus schwer kondensierbaren Gasen; z. B. Wasserstoff, Helium) ist die Unterteilung weitgehend unabhängig von der Art des verwendeten Gases. Prinzip des Gasthermometers: Volumen wird konstant gehalten. Druckmessung wird Temperatur zugeordnet (willkürlich): p {} = {}o' Po . 6 (1.5-1) Gasthermometer Gas Z. B . 5Chm~lzende5 5i~d~nd~5 W:1s5~r Bild 1.2. Prinzip eines Gasthennometers Festlegung eines TemperaturfIxpunktes ~o (nach Konvention Tripelpunkt des Wassers - Phasengleichgewicht zwischen festem, flüssigem und gasförmigem Wasser): ~o = 273,160 (1.5-2) • Im Gleichgewicht mit siedendem Wasser ist dann die Temperatur nach GI. (1.5-1) von der Art des Thermometergases weitgehend unabhängig, Bild 1.3. Für verschwindenden Druck erhält man die Temperatur des idealen Gasthermometers: T = To ' lim (1.) (1.5-3) Po~o Po mit To = 273,16 °K: TemperaturfIxpunkt (Tripelpunkt des Wassers). r 373,50 ~ ·K 373.40 373,30 373,20 373,16k:::::"=~~===== 373,10 Bild 1.3 Temperaturmessung mit dem Gasthermometer (nach Baehr [2)) 100· 273,16 o L-~~~~~~~~~~- 200 400 600 _ 800 p. 1000 mbar Bo~njakovic [4] S. 3-6; Baehr [2] S. 18-23 7 2. Der Erste Hauptsatz der Thermodynamik ( Energieerhaltungsprinzip) 2.1 Arbeit am geschlossenen System • Der Zustand eines Systems kann z. B. dadurch verändert werden, daß am System Arbeit geleistet wird. • Außere Arbeit bei Veränderung des äußeren Zustandes. • Volumenänderungsarbeit bei Anderung des Volumens. • Reibungsarbeit. Allgemein gilt für die an einem System geleistete Arbeit bei -+ G) einer Zustandsänderung <D Jr -+F • ds-+ Arbeit 2 W12 = (2.1-1) 1 F beliebige von außen auf das System-+ wirkende makroskopische Kraft (mechanisch, elektrisch, u.a.), ds zugehörige infInitesimale Verrückung des Angriffspunktes. <D Die Arbeit W12 hängt La. nicht nur vom Anfangszustand und vom Endzustand ab, sondern auch von den Zwischenzuständen, die bei der Zustandsänderung -+ G) durchlaufen werden. <V CD Arbeit positiv, wenn sie dem System zugeflihrt wird. Vereinbarung: Arbeit kann am System geleistet werden z. B. als a) Äußere Arbeit W3 zur Veränderung der kinetischen oder der potentiellen Energie eines Systems: Q) ~ C. 1- 1 I I C2 FI~ F2 1- - m - -:.j m /, ,1 /r;--"""'" 1 /ff/J7r d », I _m(2 W312 -"2 C2 2) - Cl m: Masse, c: Geschwindigkeit, F: Kraft, g: Erdbeschleunigung, z: Höhe. 8 äußere Arbeit Allgemein gilt defmitionsgemäß für die äußere Arbeit IW al2 = Ea2 - Eal I (2.1-2) mit der "äußeren" Energie (2.1-3) b) Volumenänderungsarbeit Wy : Volumenänderungsarbeit Vo lum.n V dA Infmitesimale Änderung des Volumens V dV= SdA · ds. A Voraussetzung: Druck p im Innern und nach außen über- all gleich groß. Darm ist die Volumenänderungsarbeit: dWy =- SPdAdS=- pdV (2.1-4) A Vorzeichen so, daß gemäß obiger Vereinbarung bei dV < 0 die Volumenänderungsarbeit positiv wird. Bei endlicher Änderung des Volumens wird 2 WYl2 = - SPdV (2.1-4a) 9 Reibungsarbeit Dissipationsarbeit c) Reibungsarbeit (Dissipationsarbeit) WR 1. mechanisch 2. elektrisch oder Ue : Spannung, I: Strom, r: Zeit Nach der Erfahrung ist immer: (2.1-5) d) Arbeit zur Elektrisierung oder Magnetisierung eines Systems. Im allgemeinen ist die am System geleistete Arbeit eine Kombination von äußerer Arbeit, Volumenänderungsarbeit, etc. Beispiel· Ein schwerer Kolben schließt einen Gasraum ab. W12 umfaßt sowohl die Volumenänderungsarbeit des eingeschlossenen Gases als auch die äußere Arbeit, die zur Verlagerung des Schwerpunktes von Gas und Kolben aufgebracht wird, sowie die Reibungsarbeit. ~~BilM~II' .'.. ( .. " ..: ' ,'.~ " . ~_. Baehr [2] S. 40-52; Baase [111 S. 5-11 2.2 Innere Energie und Wärme • Das adiabate (wärmedichte) System. • Die innere Energie eines Systems als Zustandsgröße. • Der Zustand eines Systems kann nicht nur durch Arbeitsleistung sondern auch durch Wärmeaustausch geändert werden. 10 Rührwerk I solierwolle 0) Büd 2.1. Mögliche Zustandsänderungen in einem geschlossenen System durch Reibungsarbeit (elektrische Widerstandsheizung) a) System mit gekühlten Wänden b) System mit isolierten Wänden r, Büd 2.2 Temperatur t als Funktion der Zeit T a) bei gekühlten Wänden b) bei isolierten Wänden c) im Grenzfall eines ideal isolierten Systems (adiabates System) TH =T2 - Tl: Heizzeit ~ Änderung des Zustandes Zugeführte elektrische Energie ~ Änderung der inneren Energie Energieerhaltungsprinzip fur das adiabate System (ohne Änderung der äußeren Energie): adiabates System (2.2-1) 1. Innere Energie U ist die Summe aller Energien der einzelnen Moleküle (kinetische Energie plus potentielle Energie). innere Energie 2. Nur die Änderung der inneren Energie ist meßbar, nicht ihr absoluter Betrag. 3. Die innere Energie ist eine Zustandsgröße, d. h. sie ist nur von der Art und der Menge des untersuchten Stoffes und seinem jeweiligen Zustand abhängig, nicht aber von der Art der vorausgegangenen Zustandsänderung (vgl. 1.2). 11