Gesunde Geburt Dr. Christiane Schwarz, Hebamme Gesunde Geburt? • • • • • • • • • Normale Geburt Physiologische Geburt Interventionsarme Geburt Hebammengeleitete Geburt Salutophysiologische Geburt Alleingeburt Außerklinische Geburt Wassergeburt … Gesund? • nicht nur frei von körperlichen Krankheiten, sondern… • …mit einem Höchstmaß an sozialer, emotionaler und körperlichem Wohlbefinden für Mutter und Kind … • …(und vielleicht auch für die Hebamme…?) Kontext des Gebärens… • • • • Kultur/Gesellschaft: Risiko oder Chance? Finanzierung/Politik: Krankheit oder Gesundheit? Qualitätsbegriff: pH Wert oder gelungene Bindung? Fachliche Rahmenbedingungen: Evidenz oder Eminenz? • Bruch der Moderne, gesellschaftlicher Wandel: • Produktion von Reichtum Produktion von Risiken (Beck 1986) Kommt mein Baby gesund zur Welt? … … Strep B Trisomie Herzfehler … Totgeburt Fruchtwasser zu klein zu groß © www.bauchgefuehl-niedersachsen.de Frühgeburt … Toxoplasmose Schwangerschafts vergiftung Gestationsdiabetes Plazentainsuffizienz Screening? • • • • • Wie gut ist der Test? (Sensitivität, Spezifität?) Wie häufig ist die Erkrankung? (Prävalenz) Wie schwerwiegend ist die Erkrankung? Wie oft suche ich danach, und bei wem? Wie ist sicher der Nutzen der Therapie, wie hoch der (mögliche) Schaden? • Was passiert, wenn ich nicht screene/behandle? • Wie vertrauenswürdig sind die Informationen? • … Gefahr, Angst oder Risiko? • „Risiko“ ist eine soziale/kulturelle Konstruktion – Verwechslung von Risiko mit Ungewissheit – Heterogene Risikowahrnehmung (Gigerenzer, 2013: Risiko) Ultraschall im ersten Trimenon • Indikationen – Bestätigung der Schwangerschaft – Lokalisation – Vitalität – Ausschluss Mehrlinge – Biometrie (ET) – Konsequenzen? Schäden durch US < 10. SSW • Am Embryo: nicht nachgewiesen (GBA, 2013) – Menschenversuche nicht vertretbar – Tierversuch: Erwärmung von Gewebe bis zu 4°C (RCOG, 2015) • An Frau/Familie: vorhanden – Falsch positive Ergebnisse (Überdiagnostik, Übertherapie, Angst; SAbbruch) – Falsch negative Ergebnisse (falsches Sicherheitsgefühl) – Richtig positive Ergebnisse ohne therapeutische Konsequenzen (Belastung) Umweltbundesamt, 2008 • BfR, 2008 • DEGUM, 2012 Kein US ohne diagnostische Notwendigkeit – „ALARAPrinzip“ http://www.art4science.de/illustrationen/medizin.html („as low as reasonably achievable“, „so wenig wie vernünftigerweise machbar ist“ http://www.degum.de/aktuelles/presse-medien/pressemitteilungen/im-detail/news/baby-ultraschall-in-der-schwangerschaft.html RCOG zu US im 1. Trimenon • US = mechanischer und thermischer Stress (MI und TI Index) • Pulsierender und Farbdoppler erzeugen höhere Temperaturen als B-Mode • Embryonalzeit besonders vulnerabel: – Embryo ist sehr klein (Konzentration) – Zellteilung ist sehr schnell – Zirkulation gering, keine feto-plazentare Verbindung, keine Wärmeableitung möglich – US > 1W/cm² hat Schadenspotenzial für den Fetus RCOG 2015: Ultrasound from Conception to 10+0 Weeks of Gestation. Scientific Impact Paper No. 49. Risiko Behinderung? • Fallbericht Marie, August 2016: • „Vielleicht wird sie niemals laufen können?“ • „Dann wird sie der ruhende Pol in unserer Familie“ Geld wwwgeldstube.net • PRIKRAF • KAKuG Evidenz oder Eminenz? • Nur wenige Routinemaßnahmen an Schwangeren und Gebärenden haben mehr nachgewiesenen Nutzen als potenziellen Schaden • Die Spielregeln werden überwiegend von Männern gemacht Leitlinien Lehrbücher Hermann Fehling Friedrich Schatz Wilhelm Alexander Freund Otto Küstner Alfred Hegar Bernhard Sigmund Schultze Rudolf Kaltenbach August Breisky Franz von Winckel Carl Siegmund Franz Credé Theodor Wyder Ernst Bumm Robert Michaelis von Olshausen Richard Frommel 50 Jahre Maßnahmen ohne Evidenz… • • • • • • • • Durchtrittsnarkose, Forceps Dammschnitt (Rasur, Einlauf) für alle Ersatznahrung Programmierte Geburten Frühe geplante Sectiones Wiederholte vaginale Untersuchungen CTG Häufig: Wehentropf , Sectio ACOG Leitlinie (März 2014) Aktuelle Evidenz • • • • • • • • Aktive EP beginnt < 6cm Mm Geburtsdauer individuell (0,5cm/Stunde physiologisch) AP 3-5 Stunden akzeptabel VBAC probieren Äußere Wendung bei BEL Zwillis < 32 SSW spontan (1 SL) Manuelle Reposition … Evidenzbasierte Geburtshilfe „primum nil nocere“ Qualität Qualitätsindikatoren D • • • • • • Lungenreife Antibiotika bei vorz. BS und Sectio EE-Zeit Arterieller Nabelschnur pH/ Azidose DR III-IV Müttersterblichkeit Institut für klinische Epidemiologie der Tirol Kliniken GmbH (2015) Geburtenregister Österreich. Bericht 2014. www.iet.at Qualitätsindikatoren A • Teilnahme freiwillig; Datensammlung IET (Tilak) • 9 Qualitätsindikatoren: – – – – – – – – – EE-Zeit < 20 Min Episiotomie < 40% Dokumentierte Na pH (>90%) und BE (75%) Werte Azidose (pH<7,0/5´Apgar<5) <0,2% Regionalanästhesie bei Sectio > 70% Bei Frühgeburten Lungenreife und Geburt mit Pädiater min 90% NEU: Migrationshintergrund NEU: Assistierte Fortpflanzung NEU: Gestationsdiabetes Euro • Geburten: 80.607 (81.965 Kinder) • Perinatale Mortalität: 5,4/1.000 – (zum Vergleich: D: 5,8; NL: 5,0; FI: 3,9) • Sectiorate: 30,6% – (15,3% primär, 15,2% sekundär); vag-op. 6,8% • • • • Episiotomie (ohne Sectio): 15,9% Einleitung (ohne prim. Sectio): 21,6% Kreißbett (ohne Sectio): 88,2% Stillen? Euro • • • • • Wie war die Geburt? In Entscheidungen einbezogen? Gelungenes Bonding? Stillen? Negative Erfahrungen? – – – – – – – – Kristellerhilfe? Andere körperliche oder psychische Verletzung? Gegen den Wunsch/Willen der Frau gehandelt? Therapie nicht erläutert? Einverständnis nicht eingeholt? Trennung von Mutterbaby? Allein gelassen? … http://www.geburtsallianz.at/downloads/imbcigerman.pdf Was tun? • Abbau von Risikodenken (und –fühlen) durch – Gesunden Menschenverstand (immer gut) – Fokus auf halbvolle (mindestens!) Gläser – Aus- und Weiterbildung (Statistik) – Forschung (mit den richtigen Fragen) – Einmischen (besonders in der VorSORGE) – Politik (Gesundheitswirtschaft)