Durch die Bibel Psalm 39-41 Ein Bittruf angesichts

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Durch die Bibel
Psalm 39-41
Ein Bittruf angesichts der menschlichen Vergänglichkeit
Psalm 39 ist ein Bittruf angesichts der menschlichen Vergänglichkeit. Ein Psalm, den man beten
kann, wenn jemand bald sterben wird oder wenn jemand bereits gestorben ist. Aber nicht nur dann.
Dieser Psalm führt uns die Schwachheit, die Gebrechlichkeit und die Niedrigkeit des Menschen vor
Augen. Und er konfrontiert uns mit der Eitelkeit der menschlichen Existenz. Manche Abschnitte aus
diesem Psalm werden gern bei Trauerfeiern zitiert. Und tatsächlich ist der Psalm dafür gut geeignet.
Es gibt Bibelausleger, die ihn sogar als das ergreifendste aller Klagelieder im Psalter bezeichnen. Der
anglikanische Bischof und Bibelausleger John James Stewart Perowne hat über David, den Verfasser
des Psalms, gesagt:
„Er hat sich mit seinen Gefühlen offenbar lange zurückgehalten. Und obwohl er von schweren
Gedanken geplagt wurde, wollte er ihnen keinen Ausdruck verleihen. David schreckte davor zurück,
sein Innerstes den rauen Blicken einer teilnahmslosen Welt zu offenbaren. Er fürchtete, dass, wenn
er über seine noch ungeordneten Gedanken sprechen würde, sie von gottlosen Menschen
missbraucht werden könnten. Und zwar indem sie diese Worte als Vorwand nehmen, um Böses über
Gott zu sagen. Doch als David schließlich – unfähig seine starken Gefühle zu unterdrücken – mit Gott
(und nicht mit Menschen) spricht, tut er es als einer, der spürt, mit wie viel Hoffnungslosigkeit die
menschliche Existenz verbunden ist. Außer wenn sie im Licht Gottes gesehen wird.“
Soweit die Erläuterungen von John James Stewart Perowne. Er redet also von der Gebrechlichkeit
des Menschen und seiner Sündhaftigkeit. Und davon, dass das menschliche Leben scheinbar nicht
viel wert ist. Auch mir kommt es manchmal so vor, als sei der Mensch eine ziemlich überflüssige
Fehlkonstruktion, die niemals so funktioniert, wie Gott es sich eigentlich vorgestellt hat. Wie der
Prediger Salomo möchte ich behaupten: „Es ist alles ganz eitel“ (Pred 1,2). „Ich sah an alles Tun, das
unter der Sonne geschieht, und siehe, es war alles eitel und Haschen nach Wind“ (Pred 1,14). Doch
dann kommt mir in den Sinn: Gott sind wir einen Christus wert! So sehr hat Gott die Menschen
geliebt, „dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren
werden, sondern das ewige Leben haben“ (Joh 3,16). So steht es im dritten Kapitel des
Johannesevangeliums. Anders ausgedrückt: Das Leben eines Menschen bekommt erst durch Gott
einen Sinn, und zwar weil der Mensch von ihm so wertgeschätzt wird.
Psalm 39, ich habe es schon erwähnt, ist ein Psalm Davids und er ist, so kann man es ganz am Anfang
nachlesen, dem Chorleiter Jedutun gewidmet. Möglicherweise hat er die Melodie geschrieben,
während der Text aus der Feder Davids stammt. Auf jeden Fall war Jedutun einer der drei Chorleiter
bei den Gottesdiensten Israels. Asaf und Heman waren die beiden anderen Männer. David, der
talentierte Lieddichter, hatte sich sozusagen mit diesen drei Männern im Dienst der Musik
verbündet. Und hier nun die beiden ersten Verse aus Psalm 39:
„Ein Psalm Davids, vorzusingen, für Jedutun. Ich habe mir vorgenommen: Ich will mich hüten, dass
ich nicht sündige mit meiner Zunge; ich will meinem Mund einen Zaum anlegen, solange ich den
Gottlosen vor mir sehen muss“ (Ps 39,1-2).
David befürchtet also, dass das eigentliche Thema dieses Psalms von gottlosen Menschen dazu
missbraucht werden könnte, gegen Gott zu argumentieren. Das möchte David auf jeden Fall
verhindern, weil er sich sonst selbst als Auslöser dieses sündhaften Verhaltens empfinden würde.
„Deshalb“, so David, „verschließe ich lieber meinen Mund wie mit einem Reißverschluss.“ – Weiter
ab Vers 3:
„Ich bin verstummt und still und schweige fern der Freude und muss mein Leid in mich fressen. Mein
Herz ist entbrannt in meinem Leibe; wenn ich daran denke, brennt es wie Feuer. So rede ich denn
mit meiner Zunge: ‚HERR, lehre mich doch, dass es ein Ende mit mir haben muss und mein Leben ein
Ziel hat und ich davonmuss‘“ (Ps 39,3-5).
David erkennt die Hinfälligkeit des Menschen und fragt: „Was ist der Sinn des Lebens? Was gibt dem
Dasein seine Bedeutung?“ Diese Frage hat nichts an Aktualität verloren. Manche Menschen treibt sie
um, so wie sie David in diesem Moment nicht zur Ruhe kommen ließ. Andere jedoch wollen diese
Frage nicht an sich heranlassen sondern sehen den Sinn des Lebens darin, es sich möglichst gut
gehen zu lassen. Ich selbst gehöre zu einer Generation, die stolz darauf war, ein unauffälliges
bürgerliches und zugleich christlich geprägtes Leben zu führen. Es folgte eine Generation, die fast
schon ein wenig aufrührerisch war. Selbst junge Christen stellten manches in Frage, was sie in ihren
christlichen Elternhäusern und in den Gemeinden vorgesetzt bekamen. „Ist es das, worum es im
Leben geht?“ fragten sie. Inzwischen schlägt das Pendel wieder zur anderen Seite hin aus und wir
erleben erstaunlich viele junge Menschen, die Karriere machen wollen, sich ein Häuschen im Grünen
und eine Familie wünschen. Dagegen ist nichts einzuwenden, solange dadurch die Suche nach dem
Sinn des Lebens nicht in den Hintergrund gedrängt wird. David betete: „HERR, lehre mich doch, dass
es ein Ende mit mir haben muss und mein Leben ein Ziel hat.“ Und nun Vers 6:
„Siehe, meine Tage sind eine Handbreit bei dir, und mein Leben ist wie nichts vor dir. Wie gar nichts
sind alle Menschen, die doch so sicher leben! Sela" (Ps 39,6).
Dieser Vers hört mit dem Wort „Sela“ auf, einem musikalischen Pausezeichen, dass aber wohl auch
signalisiert: „Halt, stopp, halte einen Moment lang inne! Überlege dir, was das bedeutet.“ Die Kürze
des menschlichen Lebens auf dieser Erde sollte uns etwas lehren. Wenn dieses Leben alles ist, was
das menschliche Dasein ausmacht, dann sind unsere Aussichten wirklich düster und manches ergibt
absolut keinen Sinn. – Vers 7:
„Sie [die Menschen] gehen daher wie ein Schatten und machen sich viel vergebliche Unruhe; sie
sammeln und wissen nicht, wer es einbringen wird“ (Ps 39,7).
Wenn ich das lese, denke ich an so manche Christen, die hier auf der Erde Reichtum anhäufen und
ihn irgendwann ihren gottlosen Nachkommen überlassen werden. Oder sie unterstützen
Wohltätigkeitsorganisationen, die bei näherem Hinsehen gar nicht so wohltätig sind. Ich stelle mir
vor, was David dazu sagen würde. Würde er vielleicht auch unverblümt fragen: „Was hat das denn
alles für einen Sinn?“ Denn solange jemand versucht, Gott aus dem eigenen Leben möglichst
herauszuhalten, wer nur eigene Ziele verfolgt und lediglich eine christliche Fassade aufrechterhält,
der wird letztendlich scheitern. – In Vers 8 seines Psalms stellt David eine Frage, auf die er auch
gleich selbst eine Antwort gibt:
„Nun, Herr, wessen soll ich mich trösten? Ich hoffe auf dich“ (Ps 39,8).
David wendet sich an Gott. Gerade in Lebenssituationen, die aus menschlicher Sicht keinen Sinn
ergeben. Zu wissen, dass Gott da ist, dass er einen in einer solchen Situation nicht alleine lässt, das
ist schon ein Trost für sich. Denn damit verbunden ist die Hoffnung, dass auch das scheinbar Sinnlose
in Gottes Augen einen Sinn ergibt. – David betet weiter:
„Errette mich aus aller meiner Sünde und lass mich nicht den Narren zum Spott werden. Ich will
schweigen und meinen Mund nicht auftun; denn du hast es getan. Wende deine Plage von mir; ich
vergehe, weil deine Hand nach mir greift. Wenn du den Menschen züchtigst um der Sünde willen, so
verzehrst du seine Schönheit wie Motten ein Kleid. Wie gar nichts sind doch alle Menschen. Sela“ (Ps
39,9-12).
David spürt, dass Gott ihn offenbar disziplinieren will. Das heißt, er geht davon aus, dass die leidvolle
Situation, in der er steckt, zu irgendetwas nütze ist. Dennoch will sich David mit seinen Worten
zurückhalten, weil er fürchtet, dass andere Leute sich über ihn und vor allem über Gott lustig
machen könnten. – Vers 13:
„Höre mein Gebet, HERR, und vernimm mein Schreien, schweige nicht zu meinen Tränen; denn ich
bin ein Gast bei dir, ein Fremdling wie alle meine Väter“ (Ps 39,13).
Ja, wir sind hier auf der Erde nur Wanderer und Gäste. Aber meistens wollen wir das nicht
wahrhaben. Wir richten es uns möglich gemütlich ein in unserer ganz persönlichen Kuschelecke und
hüllen uns ein in einer flauschigen Decke, die aus lauter vermeintlichen Sicherheiten besteht. Dabei
besteht doch nichts Irdisches auf Dauer. In der christlichen Tradition wurde der Weg eines Christen
hier auf Erden häufig mit einer Pilgerschaft verglichen. So heißt es etwa in einem Kirchenlied: „Nun
gib uns Pilgern aus der Quelle / der Gottesstadt den frischen Trank.“ Dieses Zitat macht deutlich: Das
diesseitige Leben, die Pilgerschaft, ist häufig mit Strapazen verbunden. Man wird durstig dabei. Aber
ein Pilger weiß, warum er unterwegs ist. Er möchte sein Ziel unbedingt erreichen. Oder lassen Sie es
mich mit dem Schreiber des Hebräerbriefes so ausdrücken: Wir sind auf einer Reise und suchen eine
Stadt, „die einen festen Grund hat, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist“ (Hebr 11,10). David hat
in Vers 8 zu Gott gesagt: „Ich hoffe auf dich.“ Nun, im letzten Vers von Psalm 39, bittet David:
„Lass ab von mir, dass ich mich erquicke, ehe ich dahinfahre und nicht mehr bin“ (Ps 39,14).
Bei aller Vorfreude auf das Ziel, das ein Pilger erreichen möchte, hat er doch immer auch einen Blick
für das Gegenwärtige. Und wenn ihn der Durst quält, dann freut er sich selbstverständlich über
einen Becher mit frischem Wasser. Im alltäglichen Leben verhält es sich ganz ähnlich. Obwohl David
weiß, dass das irdische Leben vergänglich und nicht immer ein Zuckerschlecken ist, wünscht er sich
dennoch von Gott, dass er ihn erquicken, also seine gegenwärtige Situation erträglicher machen
möge.
Bevor wir Psalm 39 hinter uns lassen, möchte ich noch kurz darauf eingehen, was mich an Davids
Haltung besonders beeindruckt. Es ist seine Zurückhaltung. Dass er eigentlich noch viel mehr über
die Vergänglichkeit des menschlichen Lebens jammern und über seine Zweifel und seine Wünsche
reden würde. Aber er tut es nicht, weil er sich von Menschen beobachtet fühlt, die dann sagen
könnten: „Was ist dein Glaube schon wert? Merkst du denn nicht, dass du Gott gleichgültig bist?“
Genau diese Reaktion will David vermeiden, weil er weiß, dass kein Mensch Gott gleichgültig ist. Und
das führt mich zu der Frage: Wie ist das, wenn ich von anderen Leuten beobachtet werde? Führe ich
ein Leben, das sie von Gott abhält oder das sie zu ihm zieht?
DANK, HINGABE UND BITTE
Die beiden folgenden Psalmen zähle ich zu den sogenannten messianischen Psalmen, weil sie meines
Erachtens auf den Messias hinweisen, der vom Volk Israel sehnlich erwartet wird. Christen sehen in
Jesus diesen Messias, weil er sich selbst als Erlöser offenbart hat. Einzelne Verse aus den Psalmen 40
und 41 werden im Neuen Testament zitiert und stellen somit eine Verbindung her zwischen dem
Messias im alttestamentlichen Sinn und dem Mensch gewordenen Erlöser Jesus Christus. Trotzdem
sollten wir immer einen nüchternen Blick dafür behalten, was David als Verfasser in diesen beiden
Psalmen tatsächlich beschreibt und ausdrückt. Schon öfter habe ich darauf hingewiesen, dass er
möglicherweise gar nicht wusste, wie viele seiner Gedanken später wie eine Prophetie in Erfüllung
gehen sollten. Hier nun die beiden ersten Verse von Psalm 40:
„Ein Psalm Davids, vorzusingen. Ich harrte des HERRN, und er neigte sich zu mir und hörte mein
Schreien“ (Ps 40,1-2).
Das hört sich fast so an, als ob das eine Fortsetzung des vorausgegangenen Psalms wäre. Ich halte
das durchaus für möglich. Es kann aber auch sein, dass die beiden Psalmen nachträglich so
angeordnet wurden, weil sie eben thematisch gut zusammenpassen. Es gibt Leute, die meinen,
Psalm 40 drückt die Erfahrungen Davids auf seiner Flucht vor Absalom aus. Gut möglich. Auf jeden
Fall aber wird dieser Psalm im neutestamentlichen Hebräerbrief auf eine höchst bemerkenswerte
Weise verwendet, so dass man den Eindruck bekommen kann: In diesem Psalm ist derjenige, von
dem die Rede ist, Jesus Christus selbst. Aber bitte lassen Sie uns nicht außer Acht lassen, dass David
eine Situation beschreibt, die offensichtlich zunächst mal auf ihn zugetroffen hat. David bekennt in
Vers 3:
„Er [gemeint ist Gott] zog mich aus der grausigen Grube, aus lauter Schmutz und Schlamm, und
stellte meine Füße auf einen Fels, dass ich sicher treten kann“ (Ps 40,3).
Ohne Frage lässt sich dieser Vers auch auf den Todeskampf und den Tod Jesu beziehen. Wie
schrecklich sein Tod wirklich war, kann sich wahrscheinlich kaum jemand ausmalen. Denn er starb
am Kreuz stellvertretend für die Sünden der Menschen. – Vers 4; David schreibt weiter:
„Er [wieder ist Gott gemeint] hat mir ein neues Lied in meinen Mund gegeben, zu loben unsern Gott.
Das werden viele sehen und sich fürchten und auf den HERRN hoffen“ (Ps 40,4).
Dieser Vers erwähnt ein „neues Lied“. Ich verweise auf Psalm 33, in dem auch schon davon die Rede
war. In meiner Erläuterung dazu hatte ich auf das Buch der Offenbarung hingewiesen, denn dort ist
das „neue Lied“ sozusagen das „Lied der Erlösung“. David schreibt in der zweiten Hälfte von Vers 4:
„Das werden viele sehen und sich fürchten und auf den HERRN hoffen“. Was werden sie sehen? Sie
werden den Tod und die Auferstehung des Herrn Jesus Christus sehen, wodurch die Erlösung
geschieht. – Weiter ab Vers 5:
„Wohl dem, der seine Hoffnung setzt auf den HERRN und sich nicht wendet zu den Hoffärtigen und
denen, die mit Lügen umgehen! HERR, mein Gott, groß sind deine Wunder und deine Gedanken, die
du an uns beweisest; dir ist nichts gleich! Ich will sie verkündigen und davon sagen, wiewohl sie nicht
zu zählen sind“ (Ps 40,5-6).
Gott hat uns offenbart, was er von uns denkt, indem er seinen Sohn gesandt hat, damit er am Kreuz
für uns stirbt. In seinen Augen sind wir einerseits Sünder. Aber weil er uns liebt, werden wir
trotzdem auf eine unglaubliche Weise von ihm wertgeschätzt. – Ich lese nun die Verse 7 bis 10 und
das Wesentliche daraus wird auch im Hebräerbrief, Kapitel 10, wiedergegeben und dabei direkt auf
Jesus Christus bezogen (vgl. Hebr 10,4-10):
„Schlachtopfer und Speisopfer gefallen dir nicht, aber die Ohren hast du mir aufgetan. Du willst
weder Brandopfer noch Sündopfer. Da sprach ich: Siehe, ich komme; im Buch ist von mir
geschrieben: Deinen Willen, mein Gott, tue ich gern, und dein Gesetz hab ich in meinem Herzen. Ich
verkündige Gerechtigkeit in der großen Gemeinde. Siehe, ich will mir meinen Mund nicht stopfen
lassen; HERR, das weißt du“ (Ps 40,7-10).
Soweit aus Psalm 40 die Verse 7 bis 10. Die erste Aussage aus Vers 7 möchte ich nun mit der
entsprechenden Stelle des Hebräerbriefes vergleichen. „Schlachtopfer und Speisopfer gefallen dir
nicht, aber die Ohren hast du mir aufgetan“, so haben wir es eben gehört. Und nun dazu der
Wortlaut aus Hebräer 10, Vers 5. Dort heißt es: „Darum spricht er [Jesus], wenn er in die Welt
kommt: ‚Opfer und Gaben hast du nicht gewollt; einen Leib aber hast du mir geschaffen.‘“ Sie
merken schon: Die Worte aus Psalm 40 werden im Hebräerbrief zwar aufgegriffen, aber nicht
wörtlich zitiert. Sondern sogar bewusst verändert. Für mich ist das jedoch kein Problem, denn ich bin
davon überzeugt, dass der Heilige Geist der wahre Verfasser des Alten und des Neuen Testaments
ist. Er hat sowohl David als auch den Schreiber des Hebräerbriefes „inspiriert“, damit ihre Texte als
Wort Gottes Gültigkeit haben. Und wenn der Heilige Geist ganz bewusst einen Vers aus dem Alten
Testament fürs Neue Testament abändert, dann gibt es dafür gewiss einen guten Grund. Warum
also heißt es in Psalm 40: „die Ohren hast du mir aufgetan“ und im Hebräerbrief: „einen Leib hast du
mir geschaffen? Auf den ersten Blick hat das eine nichts mit dem anderen zu tun.
Doch lassen Sie uns den Hintergrund dazu betrachten. Im zweiten Buch Mose, Kapitel 21, gibt es ein
Gesetz über Knechte und Herren. Wenn jemand ein Sklave eines anderen wurde, so war er am Ende
einer gewissen Zeit wieder frei. Nehmen wir an, dass er vor seiner Freilassung eine Sklavin
kennenlernte, sich in sie verliebte, sie heiratete und Kinder von ihr bekam. Wenn für den Mann die
Zeit der Freilassung gekommen war, konnte er gehen, aber seine Frau und seine Kinder hätte er
zurücklassen müssen, weil die Frau weiterhin eine Sklavin ihres Herrn war. Was konnte dieser Mann,
dieser Sklave, nun tun? Er konnte sich dafür entscheiden, bei seinem Herrn zu bleiben, um mit seiner
Frau und seinen Kindern zusammenleben zu können. Zitat aus dem zweiten Buch Mose: „So bringe
ihn sein Herr vor Gott und stelle ihn an die Tür oder den Pfosten und durchbohre mit einem
Pfriemen sein Ohr und er sei sein Sklave für immer“ (2 Mose 21,6).
Meine persönliche Vermutung ist, dass David in Psalm 40 auf diesen Brauch anspielt, wenn er sagt:
„Die Ohren hast du mir aufgetan.“ Sprich: „Du hast sie mit einem Pfriem durchbohrt.“ Als nun der
Herr Jesus auf die Erde kam, wurde ihm da sein Ohr mit einem Pfriem durchbohrt? Nein, ihm wurde
ein Leib gegeben. Er nahm unser menschliches Wesen an. Er identifizierte sich mit uns und wurde
ein Knecht. Vergleichbar dem Sklaven, der bei seiner Familie sein wollte. Aber Jesus wurde auch ein
Opfer. Denn Gott hatte an allen Tieropfern im Alten Testament keine Freude, aber im Grunde
wiesen sie bereits hin auf das Opfer des Herrn Jesus Christus. Deshalb die Aussage: „Schlachtopfer
und Speisopfer gefallen dir nicht.“
Liebe Hörer, wenn ich als Christ Psalm 40 lese, dann kann ich gar nicht anders als die Worte aus dem
Hebräerbrief, Kapitel 10, dabei im Hinterkopf zu haben. Und so werde ich beim Lesen des Psalms
unwillkürlich daran erinnert, was es Jesus gekostet hat, Sie und mich zu erlösen.
VOM TOD GEZEICHNET, VON FREUNDEN VERLASSEN
Auch Psalm 41 ist in meinen Augen ein messianischer Psalm. Er wurde von David geschrieben,
wahrscheinlich zu der Zeit, als er von Ahitofel (seinem Berater, auf den er sein Vertrauen gesetzt
hatte) verraten wurde. Ahitofel schlug sich auf die Seite von Davids Sohn Absalom, als dieser einen
Aufstand gegen seinen Vater anführte. Schließlich beging Ahitofel Selbstmord, indem er sich
erhängte (vgl. 2 Sam 17,23). Wegen seines verräterischen Verhaltens gegenüber David, aber auch
wegen seines Selbstmords wird Ahitofel mit dem Verräter Judas Iskariot in Verbindung gebracht. Ja,
Jesus selbst hat diese Verbindung hergestellt, indem er in einer ganz bestimmten Situation auf Psalm
41 hingewiesen hat. Dieser Psalm beginnt mit einem Segenswunsch:
„Ein Psalm Davids, vorzusingen. Wohl dem, der sich des Schwachen annimmt! Den wird der HERR
erretten zur bösen Zeit“ (Ps 41,1-2).
Wie schon in Psalm 1, so kann man auch hier die Formulierung „Wohl dem“ durch den Begriff
„glücklich“ übersetzen. Also: „Glücklich ist, der sich des Schwachen annimmt!“ Ich möchte nun aber
gleich zu dem Abschnitt springen, der Psalm 41 für mich zu einem messianischen Psalm macht.
Allerdings ist hier zunächst einmal ganz einfach nur von Davids verräterischen Freund die Rede. In
Vers 10 heißt es:
„Auch mein Freund, dem ich vertraute, der mein Brot aß, tritt mich mit Füßen“ (Ps 41,10).
Jesus hat diesen Vers rund tausend Jahre später zitiert, und zwar unter Bezug auf Judas Iskariot. Im
Johannesevangelium, Kapitel 13, sagt Jesus zu seinen Jüngern: „Das sage ich nicht von euch allen; ich
weiß, welche ich erwählt habe. Aber es muss die Schrift erfüllt werden: ‚Der mein Brot isst, tritt mich
mit Füßen‘“ (Joh 13,18). Die Schrift muss erfüllt werden – Jesus sagt also nicht: „So etwas Ähnliches
wie ich hat vor mir auch schon David erlebt.“ Sondern für Jesus ist die betreffende Stelle aus Psalm
41 ein prophetisches Wort. Und in seiner Situation ging es in Erfüllung, als er von seinem Jünger
Judas Iskariot verraten wurde. Auch Petrus sah einen eindeutigen Zusammenhang zwischen Davids
Worten und dem, was Judas getan hat. In der Apostelgeschichte, Kapitel 1, wird Petrus mit den
Worten zitiert: „Ihr Männer und Brüder, es musste das Wort der Schrift erfüllt werden, das der
Heilige Geist durch den Mund Davids vorausgesagt hat über Judas, der denen den Weg zeigte, die
Jesus gefangen nahmen“ (Apg 1,16).
Im Neuen Testament gibt es eine ganze Anzahl an Bibelversen, die Bezug nehmen auf die Psalmen
im Alten Testament. Mehrfach geht es dabei um den Tod und die Auferstehung Christi. Beides ist
gleichermaßen wichtig. Denn sein Tod allein hätte niemanden errettet. Was uns errettet, ist sein Tod
und seine Auferstehung. Paulus definiert das Evangelium, die gute Nachricht von Jesus Christus, im
ersten Korintherbrief folgendermaßen: „Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der
Schrift; und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der
Schrift“ (1 Kor 15,3-4). Ohne die Auferstehung des Herrn gibt es kein Evangelium! Wie oft habe ich
mich schon über das Buch des früheren US-Präsidenten Thomas Jefferson geärgert, in dem die
Lebensgeschichte Jesu nachgezeichnet wird. Jefferson beendet sein Buch gewissermaßen mit einem
Stein, der das Grab Jesu verschlossen hat. Dabei wurde dieser Stein doch weggerollt und der Herr
verließ das Grab. Dass er den Tod besiegt hat und auferstanden ist, das ist doch das Evangelium, die
gute Nachricht! Und wer das Evangelium für sich annimmt, der kann so wie David am Schluss von
Psalm 41 jubeln:
„Gelobt sei der HERR, der Gott Israels, von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen! Amen!“ (Ps 41,14).
Dieser Psalm endet mit einem doppelten Amen. Wenn ich als Christ mir diesen Psalm zu eigen
mache, dann bedeutet „Amen! Amen!“, dass Gott unserer Errettung sozusagen den letzten Schliff
gegeben hat, als Christus von den Toten auferstand, zum Himmel auffuhr und sich zur Rechten des
Thrones Gottes setzte. Christus hat das Erlösungswerk für uns zu Ende gebracht. Und wir, wir
brauchen nichts mehr hinzuzufügen.
Ins Deutsche übertragen von Kai-Uwe Woytschak
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