ASCO-Spezial: Neue Leitlinien 2007

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ASCO-Spezial: Neue Leitlinien 2007
PUBLIKATION VON
LYMAN GH ET AL.
1.Jeder hospitalisierte Krebspatient sollte eine
medikamentöse VTE-Prophylaxe mit UFH oder
NMH erhalten); Voraussetzung: keine Blutungen oder Kontraindikationen, die gegen eine
Antikoagulation sprechen.
Die berichteten VTE-Raten
bei Malignompatienten
werden jedoch noch als zu
niedrig angesehen.
2.Für ambulant behandelte Krebspatienten
wird eine routinemäßige VTE-Prophylaxe
nicht empfohlen. Ausnahme: Patienten, die
mit Thalidomid oder Lenalidomid behandelt
­werden.
3.Alle Patienten sollten bei einer bevorstehenden größeren Tumoroperation eine medikamentöse Thromboseprophylaxe erhalten.
4.Niedermolekulare Heparine sind die bevorzugten Antikoagulanzien sowohl zur initialen
Therapie als auch zur Langzeitrezidivprophylaxe bei Krebspatienten mit VTE.
5.Der Einfluss von NMH auf die Überlebensrate
von Krebspatienten lässt sich derzeit noch
nicht abschließend beurteilen und muss in
weiteren Studien untersucht werden.
Venöse Thromboembolien (VTE) bei Krebspa­
tienten sind mit einer Rate von 4 bis 20 % eine
der Hauptkomplikationen bei Krebs. Damit
ist VTE zu einer der führenden Todesursachen
bei Malignomerkrankungen geworden. Dabei
­scheinen hospitalisierte Krebspatienten und
­solche mit aktiver Therapie das höchste VTERisiko aufzuweisen. Umgekehrt haben 20 %
aller VTE-­Patienten Krebs und 13 % der VTEPatienten erhalten eine Chemotherapie.
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Die berichteten VTE-Raten bei Malignompatienten werden jedoch noch als zu niedrig an­ge­­
sehen. Autopsiedaten deuten auf wesentlich
höhere VTE-Raten (bis zu 50 %) hin. Zudem
scheint der VTE-Anteil bei Krebspatienten aus
bisher unbekannten Gründen zu steigen. Eine
amerikanische Studie mit 66.000 Malignompa­
tienten zeigte einen Anstieg um 36 % (auf
5,4 %) im Zeitraum 1995 bis 2002. Eine andere
Analyse ergab nahezu eine Verdopplung der
VTE-Rate in den Jahren 1980 bis 1999. Besonders hohe VTE-Raten sind durch die neuen Therapiestrategien mit Bevacizumab, Thalidomid
oder Lenalidomid zu beobachten.
Bedeutung einer VTE
Die Diagnose einer VTE hat wesentlichen Einfluss auf die Prognose der Malignompatienten.
In einer prospektiven Beobachtungsstudie mit
chemotherapeutisch ambulant behandelten Patienten waren arterielle und venöse Thromboembolien für 9 % der zu verzeichnenden Todesfälle
verantwortlich.
Wird der Krebs zur gleichen Zeit oder innerhalb des gleichen Jahres wie VTE diagnostiziert,
ist dies mit einer dreifach höheren Sterblichkeit
innerhalb des ersten Jahres nach Diagnosestellung verbunden. Hospitalisierte Patienten mit
und ohne Metastasen haben ein höheres Risiko,
im Krankenhaus zu versterben, als solche ohne
VTE. Das Risiko fataler Lungenembolien ist bei
Krebspatienten, die operiert werden müssen,
dreimal so hoch wie bei Patienten ohne Tumor­
erkrankung bei vergleichbaren Operationen.
Zudem treten VTE bei Krebspatienten dreimal
häufiger auf als bei Patienten ohne Krebs­er­
krankung und machen eine Langzeit-­Antiko­
a­gulation erforderlich, die wiederum mit
einem zweimal höheren Risiko von Blutungs­
komplikationen assoziiert ist als eine Antiko­
agulation bei Patienten ohne Tumorerkrankung.
Letztlich verursachen VTE bei Krebspatienten
erhebliche ­Kosten. Die VTE-Rate bei Krebspatienten zu ­senken, würde daher signifikant
die ­Morbidität, das Outcome, den Bedarf an
Behandlungen und die Mortalität dieser Patienten beeinflussen.
Risikofaktoren
krebsassoziierter VTE
Das VTE-Risiko hängt von der Art der Tumorerkrankung ab und ist grundsätzlich direkt nach
der Tumordiagnose am höchsten.
Das VTE-Risiko hängt
von der Art der Tumor­
er­krankung ab und ist
Weitere VTE-Risikofaktoren sind in der Tabelle
dargestellt (Tab. ).
grundsätz­lich direkt nach
der Tumor­diagnose am
höchsten.
Empfehlung 1: Jeder hospitalisierte Krebspatient sollte eine medikamentöse VTE-Prophylaxe
mit UFH oder NMH erhalten; Voraussetzung:
keine Blutungen oder Kontraindikationen, die
gegen eine Antikoagulation sprechen.
Um die Frage zu klären, ob hospitalisierte Malignompatienten eine medikamentöse Thromboseprophylaxe erhalten sollen, wurden die Daten der
drei Studien MEDENOX, PREVENT und ARTEMIS
ausgewertet. Frühere Publikationen gaben eine
VTE-Ereignisrate zwischen 0,6 und 7,8 % an.
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Das relative Thromboserisiko in den Studien
betrug 0,37 (MEDENOX, durchgeführt mit
Enoxaparin), 0,55 (PREVENT, durchgeführt mit
­Dalteparin) bzw. 0,47 (ARTEMIS, durchgeführt
mit Fondaparinux).
Als VTE-Ereignisraten jeweils versus
Plazebo ergaben sich:
5,5 vs. 14,9 % (MEDENOX),
2,77 vs. 4,96 % (PREVENT) und
5,6 vs. 10,5 % (ARTEMIS).
Empfehlung 2: Für ambulant behandelte Krebspatienten wird eine routinemäßige VTE-Prophylaxe nicht empfohlen. Ausnahme: Patienten, die
Thalidomid oder Lenalidomid erhalten.
Der Empfehlung wurden die Studien von
Levine (1994) bei metastasiertem Mamma­
karzinom sowie TOPIC 1 ebenfalls bei metastasiertem Mammakarzinom und TOPIC 2 bei
Lungen­karzinom Stadium III/IV zugrundegelegt.
Tabelle : Risikofaktoren für eine VTE bei Malignompatienten
Patientenseitige
Risikofaktoren
- höheres Alter
- Rasse (afroamerikanisch)
- Komorbiditäten wie ­Adipositas, Infektionen, Nieren- oder
­Lungen­erkrankungen, arterielle Thrombo­embolien
- Z.n. VTE
- erhöhte Thrombozytenzahlen vor der Chemotherapie
- hereditäre prothrombotische ­Mutationen
Malignom­abhängige
­Risikofaktoren
-p
rimäre Lokalisation gastrointestinal, zerebral, ­pulmonal,
­gynäkologisch, renal, hämatologisch
- Initialphase 3 bis 6 Monate nach Tumordiagnose
- aktuell metastasierte Erkrankung
Behandlungs­abhängige
­Risikofaktoren
-
ürzlich stattgefundene ­größere OP
k
Hospitalisation
aktive Chemotherapie
aktive Hormontherapie
antiangiogenetische Therapie mit Thalidomid, Lenalidomid oder
­Bevacizumab*
- Erythropoese-stimulierende Medikamente (aktuell)
- liegende zentralvenöse Katheter
*Bei Bevacizumab konnte ein Zusammenhang mit arteriellen Thromboembolien bewiesen werden.
Eine Assoziation mit VTE ist dagegen noch nicht belegt.
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Es war festzustellen, dass Patienten, die Thalidomid oder Lenalidomid zusammen mit Chemotherapie oder Dexamethason erhielten, ein
hohes VTE-Risiko hatten. Daher wird empfohlen, Myelompatienten, die Thalidomid plus Chemotherapie oder Dexamethason bekommen,
zur VTE-Prophylaxe mit NMH oder Warfarin zu
behandeln. Diese Empfehlung basiert auf einer
Extrapolation der Daten aus Studien zur postoperativen VTE-Prophylaxe nach orthopädischer
Chirurgie und aus einer Untersuchung mit Warfarin bei Patientinnen mit Brustkrebs. Zur weiteren Klärung sind hier randomisierte klinische
Untersuchungen erforderlich. Außerdem müssen zuverlässige Marker entwickelt werden,
mit denen die ambulanten Krebspatienten mit
hohem VTE-Risiko identifiziert werden können.
Empfehlung 3: Alle Patienten sollten bei einer
bevorstehenden größeren Tumoroperation eine
medikamentöse Thromboseprophylaxe erhalten.
Für die Empfehlungen zur perioperativen VTEProphylaxe wurden die Studien von Bergqvist
(2002) und Rasmussen (2006) herangezogen.
Neben der Notwendigkeit einer ­perioperativen
Thromboseprophylaxe für Malignompatienten
wird entsprechend der aus den Studien erhalte­
nen Ergebnisse auch eine Prophylaxe mit niedrig dosiertem UFH oder NMH bei Laparotomie, Laparoskopie oder Thorakotomie mit einer
Dauer von jeweils mehr als 30 Minuten angeraten, sofern die Antikoagulation nicht aufgrund
eines erhöhten Blutungsrisikos oder aktiver
­Blutungen kontraindiziert ist.
Der Beginn der Thromboseprophylaxe sollte
dabei möglichst schon präoperativ erfolgen,
zumindest aber so früh wie möglich nach der
Operation.
Außerdem müssen zuverlässige Marker entwickelt
werden, mit denen die
ambulanten Krebspatienten
Mechanische Thromboseprophylaxemaßnahmen
können die medikamentöse Prophylaxe unterstützen. Diese sollten aber – außer bei Kontraindikationen gegen eine medikamentöse Prophylaxe – nur zusammen mit dieser erfolgen, nicht
als Monotherapie. Insbesondere bei Hochrisikopatienten kann die Wirksamkeit der VTE-Prophylaxe so erhöht werden.
mit hohem VTE-Risiko identifiziert werden können.
Der Beginn der Thromboseprophylaxe sollte dabei
möglichst schon präoperativ
erfolgen, zumindest aber so
Die Thromboseprophylaxe ist mindestens ­
sieben bis zehn Tage postoperativ weiterzuführen. Nach großen Tumoroperationen im Bauchoder Beckenbereich mit Hochrisikofaktoren wie
Resttumor nach OP, Adipositas oder VTE in der
Anam­nese ist eine prolongierte Thromboseprophylaxe über vier Wochen zu erwägen.
früh wie möglich nach der
Operation.
Die Thromboseprophylaxe
ist mindestens ­sieben bis
zehn Tage postoperativ
­weiterzuführen.
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Empfehlung 4: Niedermolekulare Heparine
sind die bevorzugten Antikoagulanzien sowohl
zur initialen Therapie als auch zur Langzeit-Rezidivprophylaxe bei Malignompatienten mit VTE.
Studiendaten zeigen, dass NMH wirksam zur Initialtherapie bei VTE für fünf bis zehn Tage eingesetzt werden können. Zur Rezidivprophylaxe
über einen Zeitraum von sechs Monaten werden ebenfalls NMH empfohlen. Diese haben sich
in Studien (CLOT) als mindestens ebenso wirksam wie Cumarinderivate erwiesen. VitaminK-Antagonisten werden in dieser Indikation als
ebenso akzeptabel angesehen, sollte NMH nicht
verfügbar sein (Ziel-INR 2 bis 3). 2007 wurde
Dalteparin von der FDA zur Therapie und Rezidivprophylaxe bei symptomatischer VTE bei Malignompatienten zugelassen.
Bei einzelnen Patienten
mit aktivem Tumor, metas­
tasierender Erkrankung
Bei einzelnen Patienten mit aktivem Tumor,
metastasierender Erkrankung oder Chemotherapie ist eine zeitlich unbegrenzte Antikoagulation
über diese sechs Monate hinaus zu erwägen.
oder Chemotherapie ist
eine zeitlich unbegrenzte
Antikoagula­tion über diese
sechs Monate hinaus zu
erwägen.
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Ein Vena-cava-Filter wird nur für die Patienten
empfohlen, bei denen Antikoagulanzien kontraindiziert sind oder bei denen es trotz adäquater
Langzeittherapie mit NMH wiederholt zu venösen thromboembolischen Ereignissen kommt.
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Bei Patienten mit Malignomen des ZNS und bei
älteren Patienten wird eine VTE-Prophylaxe wie
bei anderen Krebspatienten empfohlen. Die
Gerinnungsparameter sollten bei diesen Patienten jedoch überwacht werden, bei den älteren
ist eine Dosisanpassung erforderlich. Kontraindiziert ist eine Antikoagulation bei Patienten mit
Malignom des ZNS bei
- aktiver intrakranieller Blutung
- kürzlich durchgeführter Operation
- vorbestehenden Blutungsdiathesen wie
­Thrombozytopenie < 50.000/µl
- Koagulopathie
Empfehlung 5: Der Einfluss von NMH auf die
Überlebensrate von Krebspatienten lässt sich
derzeit noch nicht abschließend beurteilen und
muss in weiteren Studien untersucht werden.
Eine Empfehlung kann daher hier noch nicht
abgegeben werden.
Fazit
Zusammenfassend werden folgende
­pharmakologische Strategien bei VTE von
Malignompatienten in den Leitlinien der
ASCO empfohlen:
VTE-Prophylaxe bei hospitali­sierten
Malignom­­patienten mit:
-
Dalteparin (5.000 I.E. tgl.)
Enoxaparin (40 mg tgl.)
Fondaparinux (2,5 mg tgl.)
UFH (5.000 I.E. alle 8 Std.)
VTE-Therapie initial nach
­erfolgtem ­VTE-Ereignis mit:
VTE-Rezidivprophylaxe
­(Lang­zeit­antikoagulation) mit:
alteparin (100 I.E./kg KG alle
D
12 Std. oder 200 I.E./kg KG tgl.)
- Enoxaparin (1 mg/kg KG alle
12 Std. oder 1,5 mg/kg KG tgl.)
- Tinzaparin (175 mg/kg KG tgl.)
- UFH (80 I.E./kg KG i.v. als Bolus,
dann 18 I.E./kg KG und Std. aPTTadjustiert
-D
alteparin (200 I.E./kg KG
tgl. für 1 Monat, danach
150 I.E./kg KG tgl.)
- Warfarin (5–10 mg p.o. tgl.,
INR 2–3)
-
Literatur
Lyman GH et al.: American Society of Clinical Oncology Guideline:
­Recommendations for venous thromboembolism prophylaxis and
treatment in patients with cancer. J Clin Oncl 25 (Nr. 34) (2007)
1–13
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