Thema aktuell FSME und Borreliose Vorsicht, Zeckenbiss! Noch lässt sich nicht abschätzen, ob uns eine Z ­ eckeninvasion bevorsteht. Fest steht: Durch den milden Winter sind die Blutsauger in diesem Jahr bereits seit Januar aktiv – was oft auf eine besonders zeckenreiche Saison hinweist. Für Mensch und Tier ist damit ein gewisses Risiko verbunden. Denn obwohl Zeckenbisse eigentlich harmlos sind, können durch infizierte Zecken ernste Krankheiten übertragen werden. Von Dr. Nicole Schaenzler W eltweit werden mehr als 50 Infektionskrankheiten mit Zecken als Überträger in Verbindung gebracht. In Deutschland spielen derzeit vor allem zwei »Zeckenkrankheiten« eine Rolle: die virusbedingte Frühsommer-Meningo-Enzephalitis, kurz FSME, und die durch Bakterien ausgelöste Lyme-Borreliose. Die Infektion erfolgt über den – in der Regel schmerzlosen und deshalb meist unbemerkten – Stich des Gemeinen Holzbocks, jene Zeckenart, die Menschen hierzulande am häufigsten sticht. Die Krankheitserreger befinden sich im Speichel der infizierten Zecken und werden während des mehrstündigen Saugvorgangs auf den Menschen übertragen. Allerdings gibt es Unterschiede: Während das FSME-Virus meist bereits zu Beginn des Saugakts in die Einstichstelle gelangt, erfolgt eine Infektion mit dem Borrelioseerreger in der Regel erst im Verlauf des Saugvorgangs. Und: Auch wenn die Zahl der FSMEinfizierten Zecken weiter ansteigt, tragen mehr als 50 Prozent der Zecken Borreliose-Erreger in Zecken fühlen sich bei hoher Luftfeuchtigkeit und bei Temperaturen zwischen 17 °C und 20 °C besonders wohl. sich. Dementsprechend sind hierzulande Borreliose-Erkrankungen nach wie vor sehr viel häufiger als FSME-Infektionen. FSME – Virusinfektion der Hirnhäute und des Gehirns FSME-Viren gelangen von der Einstichstelle über das Blut ins zentrale Nervensystem und lösen dort eine Hirn- und/oder Hirnhautentzündung aus; in seltenen Fällen ist auch das Rückenmark betroffen. Wenngleich ein tödlicher Verlauf eher selten ist, gibt es vor allem bei Erwachsenen häufig Komplikationen. Auch leidet rund die Hälfte der Betroffenen Wochen und sogar Monate nach der eigentlichen Genesungsphase noch unter Folge­ erscheinungen wie eine verminderte Belastbarkeit, Müdigkeitsattacken, Konzentrationsstörungen und Kopfschmerzen. Im Extremfall bleiben sogar Restlähmungen und eine allgemeine Schwäche der Muskulatur, in Einzelfällen sogar ein Anfallsleiden zurück. Die Erkrankung verläuft in Stadien. Bei ca. 70 Prozent der FSME-Infizierten treten zunächst grippeähnliche Symptome auf, die nach einigen Tagen folgenlos abklingen. In zehn Prozent der Fälle stellen sich nach einem beschwerdefreien Intervall die Krankheitszeichen einer Hirnhautentzündung ein (2. Stadium). Typische Symptome sind starke Kopfschmerzen, (hohes) • 800–1078 • 600– 800 • 400– 600 • 200– 400 • 71– 200 … kassenärztlich behandelte Fälle von Lyme-Borreliose je 100 000 Einwohner in 2007–2009 (jeweils nur Quelle: KBV 2011 3. Quartal). Topfit 2 / 2014 Fieber, Bauchschmerzen und Erbrechen, Lichtund Lärmempfindlichkeit sowie ein steifer Nacken beim Versuch, den Kopf nach vorn auf die Brust zu beugen (Meningismus). Zudem kann die Krankheit auf das Hirngewebe und Rückenmark übergreifen. Diese schwerste Verlaufsform ist jedoch selten. Eine Therapie, die die Krankheitserreger unschädlich macht und damit ursächlich wirkt, gibt es nicht. Deshalb wird symptomatisch mit schmerzlindernden bzw. antiepileptischen Medikamenten behandelt. Fast alle Patienten, die das zweite Stadium durchmachen, bedürfen der Einweisung in ein Krankenhaus; bei einer (drohenden) Lähmung der Atemmuskulatur oder wenn schwere Bewusstseinsstörungen vorliegen, ist eine intensivmedizinische Überwachung notwendig. Ob Tiere auch an FSME erkranken, ist umstritten – aber eher unwahrscheinlich. Berichte, wonach vor allem Hunde in den letzten Jahren verstärkt betroffen gewesen sein sollen, haben sich als falsch erwiesen. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, an FSME zu erkranken? In absoluten Zahlen ausgedrückt, ist die Gefahr, sich mit FSME zu infizieren, auf den ersten Blick eher gering: Seit 2002 werden in Deutschland jährlich zwischen 400 und 550 FSME-Krankheitsfälle registriert (nur 2012 lag die Fallzahl unter 200). Im Vergleich zu den 1990er Jahren hat sich die Zahl jedoch vervielfacht – und nach einer erneut relativ hohen Krankheitszahl im Jahr 2013 gehen die Experten von einem weiteren Anstieg aus. Um dieser Entwicklung entgegenzuwirken, weist die STIKO verstärkt auf die Möglichkeit der FSME-Schutzimpfung hin, weil dies die derzeit einzig sichere Prävention ist. Immerhin ist hierzulande die Gefahr, an FSME zu erkranken, bislang auf sogenannte Risikogebiete beschränkt. Das sind jene Regionen, in denen regelmäßig FSME-Erkrankungen auftreten. Besonders betroffen sind Baden-Württemberg und Bayern; allerdings breiten sich FSMEübertragende Zecken zunehmend nach Norden aus (Deutschlandkarte aller Risikogebiete auf www.rki.de). Derzeit wird die Impfung vor allem Personen empfohlen, die sich bevorzugt in diesen Regionen im Wald, in Parks oder Gärten aufhalten. So gesehen, sind z. B. Forstarbeiter, Jäger oder Landwirte tendenziell besonders gefährdet, wenn ihr Arbeitsgebiet etwa in Bayern oder Baden-Württemberg liegt. Gleiches gilt für dort ansässige Spaziergänger, Pilzsammler, Radfahrer, Jogger und Hobbygärtner, aber auch für Urlauber, die sich nur vorübergehend in den Risikogebieten aufhalten. Ilustration: Wolfgang Lehner; Foto: pixelio (Sylvia Voigt) 4 Thema aktuell Borreliose – vielfältige ­Beschwerden sind möglich Gegen die sehr viel häufigere zweite »Zeckenkrankheit« Borreliose, die durch Bakterien (Borrelia burgdorferi) übertragen wird, gibt es bislang keine Impfung. Es wird geschätzt, dass sich in Deutschland jährlich bis zu 100 000 Menschen infizieren. Wird die Erkrankung frühzeitig erkannt, heilt eine Antibiotika-Therapie zuverlässig. Es kommt jedoch immer wieder vor, dass eine Borreliose unentdeckt bleibt – und dann schwerwiegende Gesundheitsstörungen zur Folge hat. Ist z. B. das Nervensystem befallen, kann es zu zeitweiligen Hirnnervenausfällen kommen, die oft eine Gesichtslähmung und andere neurologische Störungen hervorrufen. Auch die Entstehung einer Hirnhaut- oder Rückenmarksentzündung ist möglich; ebenso kann das Herz betroffen sein. Unbehandelt geht Fragen Sie Ihren Tierarzt oder Apotheker nach einem Präparat, das Zecken bei Hunden und Katzen bekämpft – Sie schützen nicht nur Ihr Tier, sondern verhindern auch, dass eine abgefallene Zecke in Ihren vier Wänden auftaucht! die Erkrankung in das chronische dritte Stadium über: Monate bis Jahre später kommt es zu schmerzhaften Gelenkentzündungen (LymeArthritis) und Störungen des Zentralnervensystems bis hin zur Entwicklung einer chronischprogressiven Gehirnentzündung. Auch eine Verdünnung und Fältelung der Haut (»Pergamenthaut«) kommt vor. Eine Möglichkeit, sich vor einer Borreliose-Infektion zu schützen, gibt es dennoch: das richtige Verhalten in Zeckengebieten. Wer Zeckenbisse vermeidet und eventuell festgesaugte Zecken schnell entfernt, verringert deutlich das Erkrankungsrisiko. Denn die Borreliose-Erreger werden erst übertragen, wenn die Zecke den Stichkanal vollständig ausgebildet und schon ausreichend Blut getrunken hat. Das ist frühestens nach acht Stunden, durchschnittlich nach zwölf bis 24 Stunden der Fall. Auch Haustiere bedroht Während bei Katzen bislang Einzelfälle beobachtet wurden, haben Borrelioseinfektionen bei Hunden in den letzten Jahren drastisch zugenommen. Deshalb raten Tierärzte zu einer Impfung, die in Mitteleuropa für Hunde seit einiger Zeit zur Verfügung steht. Eine weitere gefürchtete Krankheit, die insbesondere Hunde befallen kann, ist die Babesiose (»Hundemalaria«), die durch die Auwaldzecke (Dermacentor reticulatus) übertragen wird. Da die Krankheit ohne Behandlung schnell tödlich endet, sollte bei Verdacht unverzüglich eine Therapie eingeleitet werden. Eventuelle Infektion ­abklären lassen Wer befürchtet, sich durch einen Zeckenbiss infiziert zu haben, sollte einen Arzt aufsuchen; gegebenenfalls kann die entfernte Zecke zusätzlich von einem spezialisierten Testlabor untersucht werden. Teströhrchen hierfür gibt es in der Apotheke, von dort kann die Zecke auch eingeschickt werden. Damit die Zecke noch getestet werden kann, sollte sie nach Möglichkeit leben oder so feucht und frisch wie möglich gehalten werden, z. B. in einem Döschen im Kühlschrank oder eingewickelt in Zellophan. Allerdings: Selbst wenn nachgewiesen wurde, dass die Zecke z. B. mit Borrelien-Erregern infiziert ist, lässt dies keine zuverlässigen Rückschlüsse zu, dass der Betroffene sich ebenfalls infiziert hat. Umgekehrt gibt ein negatives Ergebnis nur relative Sicherheit, da die Rate der »falsch negativen« Zecken nicht bekannt ist. Schon allein deshalb ersetzt die Laboruntersuchung der entfernten Zecke nicht den Arztbesuch. Auf jeden Fall ist ein Arztbesuch notwendig, wenn sich eine kreisförmige Rötung um die Zeckenbissstelle gebildet hat, die sich ringförmig nach außen ausbreitet und einige Tage großflächig mit deutlichem Randsaum bestehen bleibt. Dieses Erythema migrans, auch »Wanderröte« genannt, ist ein sicheres Zeichen für eine Borreliose und tritt bei Mit einer speziellen Zange aus der Apotheke lassen sich Zecken entfernen, ohne dass sie zerquetscht werden. Sie greift aber erst richtig, wenn das Tier schon etwas angeschwollen ist. ca. 50 Prozent der Erkrankten auf. Auch unklare Gelenk-, Muskel- oder Kopfschmerzen und/ oder Fieber sollten abgeklärt werden, wenn ein zeitlicher Zusammenhang zu einem Zeckenbiss herzustellen ist, oder Sie sich viel in der Natur aufhalten. Auch wenn sich Antikörper im Blut in der Regel erst nach ca. acht Wochen nachweisen lassen, kann der Arzt in den meisten Fällen bereits durch eine eingehende körperliche Untersuchung den Verdacht auf eine durch Zecken übertragene Infektion abklären. Lassen Sie sich also nicht mit der Diagnose »Sommergrippe« abspeisen, wenn Sie selbst ein ungutes Gefühl haben. Bitten Sie im Zweifelsarzt Ihren Arzt, die Antikörper-Tests nach ein paar Wochen noch 5 So vermeiden Sie Zeckenbisse ◾◾ An oberster Stelle steht eine zweckmäßige (helle) Bekleidung, die den Zecken möglichst keinen Hautkontakt erlaubt, also vor allem eine Kopfbedeckung, Oberteile mit langen Ärmeln und Hosen mit langen Beinen. ◾◾ Ziehen Sie sich Ihre Socken am besten über die Hosenbeine, oder tragen Sie Stiefel- bzw. anderes hohes Schuhwerk; auf diese Weise können die Zecken nicht entlang Ihres Beins von unten nach oben krabbeln. ◾◾ Nach Möglichkeit nicht durch hohes Gras oder Gebüsch gehen, dort lauern Zecken auf ihre Wirte. Entgegen der landläufigen Meinung lassen sie sich nicht von den Bäumen fallen. ◾◾ Nicht ins Gras oder auf Baumstümpfe etc. setzen – oder, wenn nötig, dann nur mit heller Unterlage, auf der krabbelnde Zecken zu erkennen sind. ◾◾ Während des Aufenthalts im Freien mehrmals mit Insektenschutzmitteln, die auch gegen Zecken wirksam sind, einsprühen. ◾◾ Nach dem Ausflug Kleidung und Unter­ wäsche ausziehen und ausschütteln. ◾◾ Den Körper gründlich absuchen – am besten gegenseitig. Vor allem weiche und warme Körperregionen wie Achseln, Leisten und Schambereich sowie den Haaransatz am Nacken und hinter den Ohren inspizieren – hier saugen Zecken besonders gern. einmal zu wiederholen. Weitere Informationen über das Vorgehen bei Borreliose oder FSME erhalten Sie beim nächstgelegenen Tropeninstitut. So werden Zecken entfernt Jede Zecke sollte so schnell wie möglich entfernt werden. Hat das Tier sich schon fest gesaugt, fassen Sie es mit einer gut schließenden Pinzette möglichst nah an der Haut und entfernen es unter deutlichem Zug und leichten Drehbewegungen. Zerquetschen Sie das Tier möglichst nicht. Entgegen früheren Ratschlägen wird heute nicht mehr empfohlen, die Zecke mit Öl oder Klebstoff zu betäuben, da durch den »Todeskampf« des Tiers mehr infektiöse Flüssigkeiten in die Stichwunde gelangen. Zeckenzangen oder Zeckenkarten funktionieren meist nur bei größeren Zecken. Desinfizieren Sie die Stichstelle mit PVP-Jod-Lösung, und beobachten Sie das Hautareal in den folgenden Tagen und Wochen. Achten Sie auf Entzündungszeichen oder Rötungen (Wanderröte!). Suchen Sie zur Sicherheit einen Arzt auf, vor allem wenn Sie Fieber haben. Topfit 2 / 2014