Trauerrede - Evangelisch-Freikirchliche Gemeinde Berlin

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Neuer St. Michael-Friedhof, Berlin-Tempelhof, 20.3.2012
Ansprache Pastor Norbert Giebel
Trauerfeier für Gerhard S.
“Das ist meines Herzens Freude und Wonne,
wenn ich dich mit fröhlichem Munde loben kann!“ (Psalm 63, 6)
Liebe Trauergemeinde,
Gerhard S. war ein großer Sänger. Viele von uns verbinden mit ihrem Gedenken an ihn vielleicht zuerst seine besondere, ausdrucksstarke Stimme und seine Freude am Singen. Wobei er
nicht alles gesungen hat. Zu moderne, zu rhythmische Lieder mochte er nicht. Gerhard S. liebte
die Klassik und Choräle. Noch wichtiger aber waren ihm die Texte, der Sinn und Zweck eines
Liedes.
Gerhard wollte nicht irgendetwas singen, er wollte Gott loben, er wollte seinen Herrn bekennen,
seine Freude an Jesus Christus und sein Vertrauen zu ihm ausdrücken. Singen war ihm eine
Leidenschaft und eine Aufgabe, ein Auftrag. Gott hatte ihn dazu begabt, es hat ihm Freude gemacht, mit seinem Gesang konnte er Gott ehren und dienen, er durfte Menschen damit erfreuen
und ihnen seinen Glauben bekennen.
In Psalm 63 lesen wir einen Satz, den auch Gerhard S. von Herzen gesprochen hätte: “Das ist
meines Herzens Freude und Wonne, wenn ich dich mit fröhlichem Munde loben kann!“ (Ps 63,6)
Ich möchte diesen Vers in seinem Zusammenhang lesen:
Psalm 63
Ein Psalm Davids.
Gott, du bist mein Gott, den ich suche.
Es dürstet meine Seele nach dir,
mein ganzer Mensch verlangt nach dir,
aus trockenem, dürrem Land, wo kein Wasser ist.
So schaue ich aus nach dir in deinem Heiligtum,
wollte gerne sehen deine Macht und Herrlichkeit.
Denn deine Güte ist besser als das Leben;
meine Lippen preisen dich.
So will ich dich loben mein Leben lang
und meine Hände in deinem Namen aufheben.
Das ist meines Herzens Freude und Wonne,
wenn ich dich mit fröhlichem Munde loben kann.
Wenn ich mich zu Bette lege, so denke ich an dich,
wenn ich wach liege, so sinne ich über dich nach.
Denn du bist mein Helfer,
und unter dem Schatten deiner Flügel frohlocke ich.
Meine Seele hängt an dir,
deine rechte Hand hält mich.
Psalmen sind Gebete und Lieder. Sie laden uns ein, sie zu beten, zu singen und unsere freies
Gebet durch sie anregen zu lassen. „Sehnsucht nach Gott!“ hat Martin Luther diesen Psalm
überschrieben. „Durst nach Leben“ könnte auch eine Überschrift sein. Menschen haben Durst
nach Leben. Menschen wollen nicht „irgendwie“ leben. Wir wollen erfüllt leben, sinnvoll. Wir wollen glücklich sein.
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Das unterscheidet Menschen von Pflanzen und Tieren. Pflanzen können nicht glücklich sein.
Tiere haben Triebe und Bedürfnisse. Aber was wir unter Glück verstehen, unter einem erfüllten
Leben, das wissen Hunde, Katzen und Affen nicht. Darum kennen auch nur Menschen den
Durst, von dem Psalm 63 spricht. Hier geht es nicht nur um Wasser. Hier hat jemand Durst
nach dem wahren Leben, Durst nach Erfüllung, nach Liebe, Treue und Wahrheit.
Menschen können es weit bringen und dennoch durstig bleiben. Menschen können reich sein,
und Gerhard S. hat viele Jahre in einem gewissen Wohlstand gelebt, Menschen könne erfolgreich sein, und Gerhard S. war erfolgreich und beliebt in seinem Beruf, und dennoch können sie
innerlich trocken sein wie durstiges Land, das nach Wasser schreit. Menschen können leiden,
einsam sein, krank werden, schwere Verluste im Leben erleiden, und den ganzen Durst ihrer
Seele spüren. Und diesen Durst kann man mit nichts sättigen, was diese Welt zu bieten hat. Es
ist der Durst nach Ewigkeit, nach Transzendenz.
Der Psalmbeter, viele Millionen von Menschen nach ihm haben und auch Gerhard S. hat diese
Erfahrung gemacht: Meinen Lebensdurst kann nur Gott stillen. Meine tiefste Freude und meinen größten Trost, erfahre ich nur bei Gott.
„Es dürstet meine Seele nach dir, mein ganzer Mensch verlangt nach dir.“
lesen wir Psalm 63.
Wir können Gott nicht zwingen, aber wir können ihn suchen, wir können in sein Heiligtum gehen, ins Gebet, in den Gottesdienst, in die Stille, in die Anbetung, und Gott lässt sich gerne
finden! Gott liebt unsere Nähe! Wir sind nicht jeden Tag satt; wir haben nicht jeden Tag Mut,
aber wir dürfen jeden Tag zu Gott kommen und ihn suchen, ihn bitten und ihn finden. In Psalm
63 lesen wir:
„So schaue ich aus nach dir in deinem Heiligtum,
wollte gerne sehen deine Macht und Herrlichkeit!“
Gerhard S. hat immer wieder den Herrn gesucht und gefunden, ein Stück seiner Macht und
Herrlichkeit gesehen in seiner Gemeinde und vielleicht besonders in den Chören in denen er
gesungen hat. Gerhard hat sich 12 Jahre alt am 28.12.1941 taufen lassen. Das war im Dezember 70 Jahre her. Er wollte mit Jesus als seinem Herrn und seinem Halt leben und er hat mit ihm
gelebt.
Er war treu in seiner Gemeinde. Bis 1962 in der Gubener Straße im Ostteil unserer Stadt. Dann
in der Evangelisch-Freikirchlichen Gemeinde am Tempelhofer Damm. Er hat als junger Mann
und bis ins hohe Alter in Chören gesungen. Im gemischten Chor die längste Zeit, aber auch im
Männerchor, im Schalom-Chor oder im Rundfunkchor.
Im Jahr 2000 sind Edeltraud und Gerhard S. von Berlin nach Elstal gezogen. Viele ältere Menschen leben dort in den Seniorenwohnungen aber noch mehr Studenten leben dort auf dem
Campus. Und auch dort im Studentenchor hat Gerhards mitgesungen – wenn die Lieder nicht
zu modern waren und auf Deutsch gesungen wurden. Da war er konservativ. Fast drei Generationen älter als die jungen Studenten!
Den tiefen Lebensdurst unserer Seele bekommt man nicht gestillt, wenn man ein Mal im Jahr
Weihnachten im Gottesdienst in die Krippe Jesu sieht und ein Mal im Jahr zu Ostern in sein
leeres Grab. Nicht jeder Mensch merkt es, aber unsere Seele schreit nach Gott. Nur von ihm zu
wissen, das macht nicht satt. Nur über ihn nachdenken, das lässt die Seele verdursten. Unsere
Seele will mit Gott eins sein, sie will ihn lieben, sie will ihn anschauen, etwas von seiner Herrlichkeit sehen, seine Liebe erfahren. Das braucht Kontinuität, Zeit, regelmäßige Gemeinschaft
mit Gott selbst und mit anderen Christen.
Gerhard und auch seine Frau Edeltraud haben so gelebt. Das persönliche Gebet und die Gemeinschaft der Glaubenden waren Wurzeln in ihrem Leben, aus denen sie ihre Kraft gezogen
haben.
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Gerhard S. war ein Sänger, er war ein Gemeindemensch und er war auch ein Beter. Wenn jemand zu Besuch war, hat er oft nach am Ende gebetet und die gesegnet, die sein Haus verlassen haben. Seine Tochter Manuela hat es noch einmal erzählt: „Wenn wir als Familie zu Besuch
bei Opa waren in Gatow oder in Elstal hat er am Ende immer noch für uns gebetet, bevor wir
uns verabschiedeten.“
Gerhard S. wusste: Das Wichtigste im Leben bekommt an immer geschenkt, von Gott geschenkt: Bewahrung, Gesundheit, äußeren und inneren Frieden, Führung und Weisheit bei
wichtigen Entscheidungen.
Hat von Ihnen einmal jemand Gerhard S. gehetzt erlebt? Ohne Ruhe, ohne Friede? Sauer, die
Kontrolle über sich selber verloren? – Vielleicht könnte jemand aufstehen und sagen „Ja, ein
Mal war da etwas!“ Ich will Gerhard nicht zu einem Engel machen, das war er nicht. Aber ich will
sagen, woran er reich war und sich glaube ich viele gefreut haben: Gerhard war ruhig, freundlich, in sich ruhend, in Gott ruhend. In aller Regel war zufrieden, in Frieden mit sich und mit anderen, geduldig, verständnisvoll. Gerhard war auch ein freundlicher Ermutiger. Auch auf dem
Bau war der stattliche Architekt gerne gesehen und hatte viele gute Kontakte zu Handwerkern.
2007 vielleicht gab es erste Anzeichen beginnender Demenz. In den letzten Jahren brauchte er
Edeltraud ständig um sich. Bei vielen alltäglichen Abläufen musste sie ihm helfen.
Nach dem Sommer 2011 kam Edeltraud ins Krankenhaus. Gerhard kam in eine Tagesklinik. Er
war dort nicht glücklich. Er hat viel nach seiner Frau gefragt. Er hatte Verfolgungsängste. „Die
bringen hier Menschen um!“ hat er mir damals gesagt. Er hat auch viel geweint, wenn Besuch
kam. Er hat nicht mehr verstanden, was gerade passiert.
Anfang September zieht Gerhard um in ein Altenheim in der Nähe der Tochter Manuela nach
Lensahn bei Neustadt. Edeltraud wollte ihm dorthin noch folgen. Am 23.9.2011 aber starb
Gerhards Frau seines Lebens.
Gott hat das Ende von Edeltraud und Gerhard liebevoll geführt. Er hätte ohne sie nicht in Elstal
bleiben können. Und in Lensahn ging es ihm sehr gut. Er hat sich schnell eingefunden und hatte
auch diese Ängste nicht mehr. Gerhard war beliebt bei den Pflegenden. „Na, meine Kleene!“ hat
er die Schwestern angesprochen. Und er durfte umräumen, hin und her räumen, Gegenstände
mit in sein Zimmer nehmen, Sessel rücken im Flur,.
Weihnachten 2011 kam es zu einem Einbruch in seinem Gesundheitszustand. Er hat sich wieder recht gut erholt, konnte aber nicht mehr aufstehen und gehen. Er wurde wieder gut mobilisiert, konnte aber nicht mehr alleine essen. Jeden Abend war Manuela in den letzten Monaten
bei ihm, hat ihn gefüttert, mit ihm gesprochen. Am Donnerstag 8.3. ist Gerhard S. ganz ruhig
und friedlich eingeschlafen.
Gerhard war Sänger, Gemeindemensch, Beter, Ermutiger. Er war auch Maler. „Opa hinterlässt
uns etwas!“ hat Manuela gesagt: Die vielen Bilder von ihm und auch eine CD, auf der er singt.
Und Gerhard war Gentleman. Er hatte immer, einmal sogar, als er einen Zaun gestrichen hat,
ein weißes Oberhemd an, Krawatte und Sakko.
In Psalm 63 lesen wir auch diesen merk-würdigen Satz:
„Deine Güte, Gott, ist besser als Leben!“ (Vers 4)
Diese Güte, die besser ist als alles, was unser diesseitige Leben bringen kann, sie darf Gerhard
jetzt sehen und loben. Michaela hat an seinem Sterbetag zu ihm gesagt: „Bestimmt singen die
da oben im Himmel schon und bald bis du auch dabei, dann kannst du wieder singen!“
“Denn das ist seines Herzens Freude und Wonne,
wenn er ihn mit fröhlichem Munde loben kann!“
Amen.
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