Zivilverfahrensrechtliche Aspekte des Haager Kindesentführungsabkommens aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland Verfasserin: Rechtsanwältin Nicole Paola Conrad, LL.M. Fachanwältin für Familienrecht Friedrich-Ebert-Strasse 39 D - 34117 Kassel Inhaltsverzeichnis Abkürzungsverzeichnis Literaturverzeichnis V VII 1. Abschnitt I. II. III. IV. V. Ziel des Übereinkommens Verwirklichung der Ziele Kein einheitliches Kindesentführungsrecht Verhältnis des HKEntfÜ zu anderen Abkommen und zu nationalem Recht 1. Ausführungsrecht 2. BGB, ZPO, FGG 3. Grundgesetz und Grundrechte Anwendungsbereich des Übereinkommens 1. Persönlicher Anwendungsbereich 2. Sachlicher Anwendungsbereich 3. Zeitlicher Anwendungsbereich 4. Räumlicher Anwendungsbereich 1 2 3 8 8 9 9 9 2. Abschnitt I. II. III. Kindesentführungen in die Bundesrepublik Deutschland 1. Zuständigkeitsregelungen a. Bedeutung der Zentralen Behörde b. Bedeutung der Familiengerichte c. Internationale Zuständigkeit 2. Verbot einer Sachentscheidung über das Sorgerecht 3. Vorliegen einer Sorgerechtsentscheidung im ersuchten Staat 4. Beschleunigungsgrundsatz 5. Rückgabeanordnung a. Antrag binnen eines Jahres b. Antrag nach Ablauf der Jahresfrist c. Beweislast in Bezug auf die soziale Eingliederung d. Aufenthalt des Kindes in einem anderem Vertragsstaat 6. Entscheidungsfreiraum des Gerichts bei den Ablehnungsgründen 9 9 9 11 12 14 16 17 20 20 21 23 24 24 a. Berücksichtigung eines sozialen Berichts b. Wegfall der Verpflichtung zur Rückgabe 7. Widerrechtlichkeitsnachweis 8. Sorgerechtsausübung 9. Rückgabeort 10. Verfahrenskosten 33 11. Formvorschriften für Schriftstücke Rechtsmittel Vollstreckung 24 25 26 31 32 34 35 36 IV. Rechtliche Würdigung 1. Rechtliches Instrumentarium und räumlich beschränkter Anwendungsbereich 2. Kindeswohl 3. Zuständigkeitskonzentration seit dem 1. Juli 1999 38 42 43 3. Abschnitt I. II. Kindesentführungen aus der Bundesrepublik Deutschland 1. Allgemeines 2. Übersetzungen 3. Widerrechtlichkeitsbescheinigung Entführungen in - oder aus Nichtvertragsstaaten 1. Entführungen in die Türkei 2. Entführungen in einen der übrigen Nichtvertragsstaaten 44 44 45 46 48 48 48 4. Abschnitt I. II. Anhang Ersuchen um Umgangsregelung innerhalb der Bundesrepublik Ersuchen um Umgangsregelung außerhalb der Bundesrepublik - 49 51 53 1. Abschnitt I. Ziel des Übereinkommens Das Haager Kindesentführungsübereinkommen (HKEntfÜ) ist für die Bundesrepublik Deutschland seit dem 1. Dezember 1990 in Kraft. Zum aktuellen Zeitpunkt gilt es im Verhältnis zu 52 Staaten.1 Innerstaatlich hat es den Rang eines Bundesgesetzes, Art. 59 Abs. 2 S. 1 GG. Nach einer Scheidung oder während der Trennung gehen Elternteile häufig dazu über, das gemeinsame Kind ins Ausland mitzunehmen. Der entführende Elternteil erhofft sich im Ausland, der meistens sein Heimatstaat ist, eine Sorgerechtsentscheidung zu seinen Gunsten. Dem zurückbleibenden Elternteil ist somit eine Teilhabe am Sorgerechtsverfahren der eigentlich zuständigen Behörden oder Gerichte zunächst verwehrt. Um derartigen Handlungen ihre praktische und rechtliche Wirkung zu nehmen, sieht das HKEntfÜ primär die Wiederherstellung des status quo ante vor2 und das Verhindern widerrechtlicher Selbsthilfe durch Entführung oder Zurückhalten eines Kindes3. Nicht Gegenstand des HKEntfÜ ist das später zu regelnde Sorgerecht und die erst dann zu fällende Entscheidung über die optimalen Obhutsverhältnisse4. Widerrechtlich von einem Vertragsstaat ( Heimatstaat) in einen anderen Vertragsstaat ( Zufluchtstaat) verbrachte oder dort zurückgehaltene Kinder unter 16 Jahren sind daher sofort in den Staat ihres gewöhnlichen Aufenthaltes zurückzuführen, Präambel, Art. 1 HKEntfÜ. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Altersgrenze ist derjenige des endgültigen gerichtlichen Erkenntnisverfahrens5. Die Ansicht von Hüßtege6 – der Zeitpunkt der Entführung sei maßgeblich – findet im Normtext keine Stütze und würde letztendlich dazu führen, daß zum Zeitpunkt des Erkenntnisses das HKEntfÜ unter Umständen auf über 16 – jährrige Kinder anzuwenden wäre7. Das HKEntfÜ geht davon aus, daß dem Kindeswohl am ehesten durch eine Sorgerechtsentscheidung der international zuständigen Gerichte desjenigen 1 BGBl. 1990 II, 206; Vertragsstaaten HKEntfÜ im Anhang. 2 BACH, Das Haager Kindesentführungsabkommen in der Praxis, FamRZ 1997, S.1051; PÉREZVERA, Erläuternder Bericht, BT-Drucks. 11/5314, S.40 ff. 3 MÜNCHKOMM.-SIEHR, Ergänzung zu Art. 19 EGBGB, Anh.II, Rz.2; BRUCH, Neue Ansätze im internationalen Privatrecht: Das interlokale und internationale elterliche Sorgerecht, S. 405, 418ff. 4 MÜNCH-KOMM-SIEHR (Fn.3), Rz.2. 5 JORZIK, Das neue zivilrechtliche Kindesentführungsrecht, S.27 ff.; BACH (Fn.2), S.1051; ANTON, The Hague Convention of international Child Abduction, International and Comparative Law Quaterly 30 (1981), S.537. 6 HÜßTEGE. Kindesentführungen ohne Ende, IPRax 1992, S.369, 371. 7 Vgl. BACH (Fn.2), S. 1051. Staates entsprochen wird, in dem das Kind bis zur Entführung gelebt hat. Demzufolge steht die Kindesrückführung im Mittelpunkt des Vertragswerkes. Die Rückführung hat durch die beteiligten Behörden und Gerichte mit der sachlich zwingend gebotenen Eile zu erfolgen, Art. 11 Abs. 1 HKEntfÜ. Nur auf diese Weise kann dem Eindruck der stillschweigenden Billigung widerrechtlichen Verhaltens durch amtliche Stellen des Zufluchtstaates entgegengetreten werden8 . Zudem ist nur die zeitlich unmittelbare Beendigung des rechtswidrigen Zustandes durch die Gerichte geeignet, auch dem präventiven Ziel des HKEntfÜ – Verhinderung von Entführungsanreizen – gerecht zu werden9. Wie nachstehend noch gezeigt werden wird, entspricht die bisherige Rechtsprechung deutscher Gerichte zum Teil noch nicht den Prinzipien des HKEntfÜ. II. Verwirklichung der Ziele § 1 HKEntfÜ verpflichtet die Vertragsstaaten zu Maßnahmen, die dazu führen, daß die Ziele des HKEntfÜ erreicht werden. Die Auslegung dieser Generalklausel erfolgt unterschiedlich: Zum einen wird die Auffassung vertreten, die Generalklausel könne nicht dahin verstanden werden, daß die Vertragsstaaten sich auch außerhalb des HKEntfÜ an seine Grundsätzen zu orientieren hätten10. Zum anderen hierunter lediglich die Verantwortung verstanden wird, wirksame innerstaatliche Durchführungsvorschriften anzuwenden11. Ein neues nationales Dringlichkeitsverfahren braucht jedoch nicht eingeführt zu werden, hierüber besteht Einigkeit12. Fehlen besondere gesetzliche Anordnungen hierüber, so ist im Zweifel anzunehmen, daß die Gerichte das schnellste geeignete nationale Verfahren mit entsprechenden Anpassungen auch dann anzuwenden haben, wenn es an einzelnen Voraussetzungen fehlt, die jedoch nicht grundsätzliche Bedeutung haben dürfen13. In Deutschland entspricht das SorgeRÜkAG diesen Anforderungen. Ob mit dem SorgeRÜkAG auch in anderer Hinsicht genüge getan wurde, soll nachstehend erörtert werden. 8 BACH ( Fn.2), S. 1051. 9 JORZIK ( Fn.5), S. 29. 10 PÉREZ-VERA (Fn.2), Nr.18, S. 62. 11 STAUDINGER/PIRRUNG (1994) Vorbem. zu Art. 19 EGBGB, Rz. 637. 12 MÜNCHKOMM.-SIEHR ( Fn. 3), Rz. 21. 13 STAUDINGER/PIRRUNG ( Fn.11), Rz. 638. III. Kein einheitliches Kindesentführungsrecht Durch das Inkrafttreten des HKEntfÜ und des Europäischen Sorgerechtsübereinkommens ( ESorgeRÜ) wurde eine neue Rechtslage für das Problem internationaler Kindesentführungen aus zivilrechtlicher Sicht geschaffen. Beide Übereinkommen sind keine loi uniforme, sondern beruhen auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit14 Das HKEntfÜ beschränkt seinen Anwendungsbereich auf Kinder unter 16 Jahren ( Art. 4 S. 2 HKEntfÜ ), die unmittelbar vor der Entführung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat hatten und in einen anderen Vertragsstaat verbracht – bzw. zurückgehalten worden sind ( Art. 4 S.1 HKEntfÜ ). Ebenso regelt das ESorgeRÜ nur die Anerkennung und Vollstreckung solcher Entscheidungen, die in einem Vertragsstaat ergangen sind und in einem anderem vollstreckt werden sollen15. Auch die im ESorgeRÜ vorgesehen Wiederherstellung des Sorgerechtsverhältnisses setzt die Verletzung einer in einem Vertragsstaat ergangenen und in einem anderem zu vollstreckende Sorgerechtsentscheidung voraus ( Artt. 8 ff. i.V.m. 7 und 1d) EsorgeRÜ ). Zudem muß das noch nicht 16 Jahre alte Kind aus dem anderem Vertragsstaat verbracht bzw. dort zurückgehalten worden sein. Der deutsche Gesetzgeber hat lediglich ein Ausführungsgesetz zu beiden Übereinkommen erlassen: Das Sorgerechtsübereinkommensausführungsgesetz (SorgRÜkAG)16. Für ein in der Bundesrepublik Deutschland geltendes einheitliches Gesetz zur Regelung der Entführungsfälle sah er noch keine Veranlassung17. Dies wurde hauptsächlich mit dem Hinweis darauf begründet, daß beide Übereinkommen auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit basieren und auf Zusammenarbeit zentraler Behörden angelegt seien.18 Diese Argumentation führt nicht zwangsläufig zu einer Entbehrlichkeit des Erlasses eines einheitlichen Gesetzes zur Regelung der Entführungsfälle in der 14 JORZIK (Fn.5), S. 20 15 PÉREZ-VERA (Fn.2), Nr. 18, S.63. 16 Gesetz zur Ausführung von Sorgerechtsübereinkommen und zur Änderung des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie anderer Gesetze vom 5. April 1990 (BGBl. 1990 I S. 701), zuletzt geändert durch das Gesetz zur Änderung von Zuständigkeiten nach dem Sorgerechtsübereinkommensausführungsgesetz vom 13. April 1999 ( BGBl. 1999 I 702 ). 17 Amtliche Begründung zum Sorgerechtsübereinkommensausführungsgesetz, BT Drucks. 11/5315, S.8. 18 Amtliche Begründung zum Sorgerechtsübereinkommensausführungsgesetz, BT Drucks. 11/5315, S.8. Bundesrepublik Deutschland. Ebensowenig wie der Gesichtspunkt, daß Deutschland die Zwangsmaßnahmen nach § 33 FGG verschärfte, weil mehrere Staaten in die Kinder besonders häufig entführt werden ( Staaten des Nahen Ostens, Mittel – und Südamerikas ) dem Übereinkommen nicht beigetreten sind. Nicht in erforderlichem Maße berücksichtigt wurde seitens Deutschland, daß das Eingreifen verschiedener Regelungsmaterien die Gefahr des Erlasses einander widersprechender Entscheidungen in sich birgt. Da das HKEntfÜ die Zuständigkeiten der Herkunftsbehörden unberührt läßt, können diese unabhängig vom HKEntfÜ Herausgabe – und Sorgerechtsentscheidungen treffen. Dabei kann es zu einander widersprechenden Entscheidungen der Herkunftslandes und des Zufluchtslandes kommen, worauf an anderer Stelle noch vertiefend eingegangen werden wird. Zuvor genannte mögliche Konflikte treten im Bereich des ESorgeRÜ nicht in demselben Umfang auf, da das ESorgeRÜ für die Rückgabe eine Sorgerechtsentscheidung voraussetzt. Ähnliche Probleme entstehen aber, wenn der entführende Elternteil selbst ein Verfahren auf Erteilung des Sorgerechts oder auf Abänderung des anzuerkennenden und zu vollstreckenden Sorgerechtsentscheidung im Zufluchtsland betreibt und damit dem Rückgabeverfahren die Grundlage zu entziehen versucht. Dieser Gefahr ist mit Artt. 9 Abs.1c), 10 Abs. 1d) ESorgeRÜ entgegengewirkt worden. IV. Verhältnis des HKEntfÜ zu anderen Abkommen und zu nationalem Recht Das HKEntfÜ behandelt die zivilrechtlichen Aspekte der Kindesentführung in der Weise, daß es Verfahrensstrukturen internationaler Geltung geschaffen hat und gewisse Hauptgrundsätze entwickelt hat, um der Unsitte der Kindesentführung insbesondere zwischen Elternteilen vorzubeugen. Die Verfahrensstrukturen sind insbesondere der Ausbau der Rechtshilfe durch das in der internationalen Rechtshilfe nicht unbekannte Instrument der Einschaltung von “Zentralen Behörden“, sodann die sozusagen materiellrechtliche Betonung der an erster Stelle stehenden Wiederherstellung des vorherigen Zustandes durch das Instrument der Rückführung. Ein Parallelabkommen stellt in gewisser Weise dann das ESorgeRÜ dar. Auch dieses etwa zeitgleich entstandene Abkommen mit seinem auf die Europastaaten begrenzten Geltungsbereich verwirklicht zum einen das Prinzip der Rechtshilfe mit zentralen Stellen und dient darüber hinaus der verfahrensrechtlichen Durchsetzung von Gerichts – und Behördenentscheidungen des einen Landes im anderen Lande. Der Rechtshilfecharakter kommt darin zum Ausdruck, daß das Instrumentarium der alsbaldigen Wiederherstellung des durch die Entführung beeinträchtigten Sorgerechtsverhältnisses verstärkt zur Verfügung gestellt wird. Damit zeigt sich schon in Umrissen das nicht ganz einfache Verhältnis dieser beiden Abkommen zum alteingeführten MSA. Die beiden Entführungsabkommen beanspruchen Vorrang vor den Intentionen des MSA, die Behörde des Aufenthaltsorts des Kindes über Schutzmaßnahmen wie Sorgerechtsentscheidungen entscheiden zu lassen. Erst soll – so das Prinzip - der frühere Zustand wiederhergestellt sein, dann kann ggf. die Sachentscheidung über die Verteilung der elterlichen Sorge ins Werk gesetzt werden. Demgemäß läßt sich das Verhältnis der beiden Entführungsabkommen zum MSA grundsätzlich so kennzeichnen, daß die Abkommen in ihrem Anwendungsbereich Vorrang beanspruchen. Sie lassen das MSA indes insoweit unberührt, als sie ihrerseits Regelungen über die Verteilung der elterlichen Sorge erst gar nicht enthalten, sondern sich in dieser Beziehung auf Durchsetzung, Respektierung, und Anerkennung bestehender Rechtslagen und Rechtspositionen beschränken19 Sind die drei eben besprochenen Abkommen die bei Entführungsfällen im Mittelpunkt stehenden Abkommen, so könne je nach Fallgestaltung andere Abkommen im peripheren Bereich noch hinzukommen. Für Verfahrensfragen wie die Zustellung von Schriftstücken oder Entscheidungen sind die internationales Zustellungsrecht enthaltenen Abkommen, das heißt das Haager Zivilprozeßübereinkommen (HZPrÜ) und sein neuerer Nachfolger, das Haager Zustellungsübereinkommen (HZÜ)20, mit zu berücksichtigen. Geht es im Laufe des Entführungsfalles um Unterhaltsregelungen und um die Durchsetzung von schon vorhandenen Unterhaltsentscheidungen, sind das Haager Übereinkommen über das auf Unterhaltspflichten anzuwendende Recht von 197321 und das aus demselben Jahr stammende Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen zu berücksichtigen22. Für Unterhaltsfragen kann in punkto Zuständigkeit auch noch europäisches Abkommensrecht, nämlich EuGVÜ und LGVÜ mit seinen für die Unterhaltszuständigkeit geltenden Gerichtsstandsregeln (Art. 5 Nr.2 EuGVÜ/LGVÜ) in Betracht zu ziehen sein.23. Man sieht die Zahl der abkommensmäßig begründeten Normen, die in diese Fälle hereinspielen, ist beträchtlich. 19 SIEHR, StAZ 1990, 330 ff., Dörner IPRax 1993, 83ff. 20 HAAGER ÜBEREINKOMMEN ÜBER DEN ZIVILPROZEß v. 1.3.1954, BGBl. 1958 II 577 und BGBl. 1977 II 1453. 21 HAAGER ÜBEREINKOMMEN ÜBER DAS AUF UNTERHALTSPFLICHTEN ANZUWENDENDE RECHT v. 2.10.1973, BGBl. 1986 II 837. 22 HAAGER ÜBEREINKOMMEN ÜBER DIE ANWENDUNG UND UNTERHALTSENTSCHEIDUNGEN v. 2.10.1973, BGBl. 1986 II 826. 23 BRÜSSELER EWG–ÜBEREINKOMMEN ÜBER DIE GERICHTLICHE ZUSTÄNDIGKEIT UND VOLLSTRECKUNG GERICHTLICHER ENTSCHEIDUNGEN IN ZIVIL – UND HANDELSSACHEN v. 27.9.1968, BGBl. 1994 II 2660. VOLLSTRECKUNG VON Eben wegen der Vielzahl der Abkommensregeln, die in Deutsch-beteiligten Fällen Platz greifen, ist nationales, autonom geschaffenes deutsches Recht im Inland in diesen Fällen an den Rand gedrängt. Ebenso sieht es natürlich aus mit den autonomen Regelungen der Nachbarrechte , die – Sinn von Abkommensschöpfung – dann ebenfalls ihre Bedeutung verloren haben. Zwei Bereiche sind gleichwohl bedeutsam : 1. Ausführungsrecht Beträchtliche Bedeutung hat nationales Recht dort behalten, wo es um die Ausführung der Abkommen geht. Deutschland führt im Inland das HKEntfÜ und das ESorgeRÜ auf der Basis eines einheitlichen Ausführungsgesetzes aus, das bereits erwähnte SorgeRÜkAG24. Dessen Bedeutung für die Tagespraxis in der Behandlung der Entführungsfälle ist nicht gering zu schätzen, enthält es doch die deutsche Regelung für die Zentralbehörde und damit die Rechtshilfepraxis, beginnend mit der gerichtlichen Zuständigkeit und schließlich für die Kostenseite. Ähnlich ist es im Ausland geregelt. Auch dort sind die Ausführungsregeln in nationalen Gesetzesregeln enthalten, mit der Konsequenz, daß der deutsche Praktiker nicht von der deutschen Verfahrenspraxis auf eine gleichgelagerte Praxis in anderen Abkommensstaaten schließen kann25 2. BGB, ZPO, FGG Wo Abkommensrecht gilt, ist nationales Recht verdrängt. Dies ist bereits gesagt worden und gilt dengemäß auch für das Verhältnis des Abkommensrechts zum nationalen recht der Eltern-Kind-Beziehungen und dessen verfahrensrechtlicher Gestaltung. BGB, ZPO und FGG haben demgemäß im Inland unmittelbare Bedeutung und zum einen nur dort, wo das Ausführungsrecht des SorgeRÜkAG die Regelungen der Gesetze anspricht, zum anderen dann dort, wo ergänzend und insbesondere zur weiteren Beruhigung des mit Hilfe des Abkommensrechts bereits abgewickelten Entführungsfalles materiellrechtlich verankerte Entscheidungen über elternrechtliche Positionen herbeigeführt, neu getroffen oder verändert werden müssen. 3. Grundgesetz und Grundrechte 24 Vgl. Fn.16. 25 Hinweise auf die nationalen Ausführungsregeln gibt hinsichtlich des wesentlichen Punktes (Zentralstellen) die Synopse in MÜNCH-KOMM.-SIEHR (Fn.3), Rz.36, mit Adressen und Faxnummern etc. Wichtig ist dann, wie das Verfahren um die Kinder „T“ vor dem BVerfG26 gezeigt hat, das Verhältnis des Abkommensrecht zum Verfassungsrecht. Es kann hier nicht das gesamte Verhältnis in Einzelheiten dargesetllt werden, zu sagen ist indes, daß die Abkommen mit ihren Regelungen die Grundrechte der Verfassung nicht ausgehebelt haben und deshalb auch nicht verfassungsrechtlich bedenklich sind27. Elternrecht, Kindeswohl und Familienschutz in ihrer grundrechtlichen Grundsubstanz sind demgemäß gegenüber dem Abkommen eigenständig nach wie vor vorhanden und können, wie das Verfahren Caroline und Matthias T. wiederum gezeigt hat, die Handhabung des Abkommensrechts zumindest beeinflussen. Zu vermerken ist an dieser Stelle dann aber auch, daß die Sichtweise des BVerfG deutlich macht, daß das Gericht dem Abkommen und ihrem Restitutionszweck durchaus den notwendigen Spielraum läßt. An dieser Stelle ist es dann angebracht, kurz auf die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) einzugehen. Weder für Deutschland noch für einen anderen Konventionsstaat ist es ausgeschlossen, Entführungsfälle der nationalen Gerichte in Straßburg wieder aufzurollen, Art. 8 und 14 EMRK bieten im Grundsatz Handhaben hierfür28. Handicap ist dabei, daß die dortige Verfahrensdauer einen effektiven Verfahrensschutz, wie er im Entführungsfall zwingend ist, nicht gewährleistet. V. Anwendungsbereich des Übereinkommens 1. Persönlicher Anwendungsbereich Nur Kinder unter 16 Jahres werden von dem Übereinkommen geschützt (Art. 4 S. 2 HKEntfÜ). Vollendet ein entführtes oder zurückgehaltenes Kind während des Rückgabeverfahrens das 16. Lebensjahr, so ist das HKEntfÜ nicht mehr anwendbar29 Ferner ist der Schutz auf solche Kinder beschränkt, die unmittelbar vor der Entführung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat hatten und in 26 BVerfG, Beschl. des 2. Senats v. 29.10.1998 – 2 BvR 1206/98 - = FamRZ 1999, 85 = NJW 1999, 642, 643; weitere Beschlüsse des Gerichts in dieser Sache vom 11.3.1999 = FamRZ 1999, 642 und 643; die früher ergangenen Beschlüsse des AmtsG Sulingen vom 13.5.1998 – 1 C 32/98 und des OLG Celle v. 9.7.1998 .- 21 UF 88/98 -, sind im Rahmen der Darstellung des Gesamtverfahrens abgedruckt in dem DeuFamR 1999, 61ff. 27 Vgl. zu diesem Fragenkreis BVerfG RabelsZ 1996, 483 = FamRZ 1996, 405 = NJW 1996, 1403 und 3145. 28 PALANDT-DIEDERICHSEN, BGB, § 1621, Rz.7. 29 PÉREZ-VERA (Fn.2), Nr. 77, S.50; Anton (Fn.5), 537, 544ff.; MANSEL, NJW 1990, 2176, vgl. hierzu auch Ausführungen zu Fn.6 mit der anderen Auffassung von HÜßTEGE. eine anderen verbracht bzw. dort zurückgehalten worden sind ( Art. 4 S.1 HKEntfÜ). Das Übereinkommen enthält keine ausdrückliche Bestimmung über die Person des Entführers. Nachdem zunächst vorgeschlagen worden war, nur das Verhalten der Eltern zu erfassen, hatte sich die Sonderkommission angesichts der verschiedenen kulturellen Grundvorstellungen zu einer weiten Auslegung entschlossen, so daß auch Handlungen von Groß – und Adoptiveltern erfaßt werden sollten.30 Letztendlich hat man von einer Einschränkung der Person des Entführers ganz Abstand genommen und lediglich auf die Widerrechtlichkeit i.S. d. Art. 3 a) HKEntfÜ abgestellt. Dieses Tatbestandsmerkmal kann also von jedermann erfüllt werden31 Klarzustellen ist weiterhin, daß nicht nur eheliche, sondern auch nichteheliche Kinder von einem Verbringen oder Zurückhalten geschützt werden. 2. Sachlicher Anwendungsbereich Die Tatbestandsmekmale des sachlichen Anwendungsbereiches sind mit den Tatbestandsmerkmalen des im 2. Abschnitt unter Ziffer 7. behandelten Widerrechtlichkeitsnachweises identisch. Um Wiederholungen zu vermeiden, wird hierauf verwiesen. 3. Zeitlicher Anwendungsbereich Das HKEntfÜ findet gemäß Art. 35 HKEntfÜ nur Anwendung auf Fälle des Verbringens oder Zurückhaltens, die nach dem Inkrafttreten erfolgt sind. Beim Zurückhalten ist auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem das Kind dem Sorgeberechtigtem hätte zurückgegeben werden müssen oder dieser eine Verlängerung verweigert hat, denn das Zurückhalten ist kein Dauerzustand32 30 PÉREZ-VERA (Fn.2), Nr. 81, S.51. 31 GÜLICHER, Internationale Kindesentführungen, S. 136 32 OLG KARLSRUHE, IPRax 1992, 385ff = FamRZ 1992, 847ff.; zustimmend HÜßTEGE IPRax 1992, S.367, 370; GÜLICHER (Fn. 24), S. 136. 4. Räumlicher Anwendungsbereich Ein Verzeichnis der Mitgliedstaaten ist im Anhang dokumentiert. 2. Abschnitt I. Kindesentführungen in die Bundesrepublik Deutschland 1. Zuständigkeitsregelungen a. Bedeutung der Zentralen Behörden Gemäß Art. 16 HKEntfÜ besteht für jeden Vertragsstaat die Verpflichtung, eine Zentrale Behörde zu bestimmen33, die für die Ausführung des Übereinkommens national wie international einzustehen hat34. Die Schaffung von Zentralstellen zur praktischen Umsetzung von völkerrechtlichen Verträgen hat sich bewährt. In den meisten Vertragsstaaten funktioniert das Übereinkommen gut35, wenngleich immer wieder darauf hingewiesen wird, daß die meisten Gerichte und zentralen Behörden ein differenziertes Verständnis der Zwecke des Übereinkommens und Kreativität in der Handhabung des Rechtsbehelfes beweisen36 Für die Bundesrepublik Deutschland nimmt der Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof die Aufgabe der Zentralen Behörde wahr, § 1 S.1 SorgeRÜkAG . Verschiedene Staaten, so Australien, Mexiko, Canada und das Vereinigte Königreich ( Großbritannien) haben gem. Art. 6 Abs. 2 HKEntfÜ für ihr Staatsgebiet mehrere Behörden bestimmt. Der Zentralen Behörde obliegt nach dem Willen der Vertragsstaaten die Verpflichtung Kindesentführungen mit den jeweils rechtlich und tatsächlich zur Verfügung stehenden Mitteln rückgängig zu machen, Art. 7 HKEntfÜ. Zur effektiven Wahrnehmung dieser Aufgabe ist der deutschen Zentralen Behörde die Befugnis zum unmittelbaren Rechtsverkehr mit inländischen wie ausländischen Dienststellen eingeräumt worden, Artt. 7, 9 HKEntfÜ; § 1 S.2 SorgeRÜkAG. Sie ist kraft Gesetzes 33 Im verbindlichen englischen und französischen Vertragstext als “Central Authority“ bzw. als “Autorité Centrale“ bezeichnet. 34 BACH/GILDENAST, Internationale Kindesentführung, Rz.5; STAUDINGER/PIRRUNG (Fn.11), Rz. 651. 35 BRUCH, Internationale Kindesentführung, FamRZ 1993, S. 745. 36 MÜLLER-FREIENFELS, Deutscher Partikularismus im internationalen KindesentführungsrechtDezentralisation der Zentralen Behörde, JZ 1988, S.121. bevollmächtigt gerichtliche oder außergerichtliche Rückführungsmaßnahmen in die Wege zu leiten, § 3 Abs. 3 S.1 SorgeRÜkAG. Bei Kindesentführungen in das Ausland tritt die Zentrale Behörde auf Antrag daher direkt an die dortigen Dienststellen heran. Auf diese Weise lassen sich zeitliche Verzögerungen, wie auch Sprachprobleme weitgehend vermeiden. Der reibungslose Ablauf und die Funktionsfähigkeit der Zentralen Behörde ist wesentlich für den Erfolg des HKEntfÜ, denn die Erfahrungen haben gezeigt, daß es andernfalls häufig zum Verlust des Anspruchs des Antragstellers kommt37. Bei Kindesentführungen in das Inland hat die deutsche Zentrale Behörde unverzüglich den Aufenthalt des Kindes zu ermitteln, auf die freiwillige Rückgabe des Kindes hinzuwirken oder Gerichtsverfahren einzuleiten und bei Bedarf den ausländischen Elternteil vor Gericht zu vertreten ( Artt. 7, 10 HKEntfÜ, § 5 SorgeRÜkAG)38. Aus dem Kreis der Vertragsstaaten ist vorgeschlagen worden, den jeweiligen Zentralen Behörden zur Ermittlung des Kindesaufenthaltes weitestgehende Informationsrechte unter Wegfall eventuell bestehender Auskunftsperren einzuräumen. Darüberhinaus wurde angeregt, Europol mit der Erstellung eines Registers entführter und vermißter Kinder zu betrauen. Die multilaterale Koordinierung zwischen den Vertragsstaaten erfolgt über das ständige Büro der Haager Konferenz für Internationales Privatrecht als zwischenstaatliche Organisation in Den Haag. Das ständige Büro sammelt die in Anwendung des HKEntfÜ ergangenen Gerichtsentscheidungen. Um die Wirksamkeit des Übereinkommens zu überwachen finden regelmäßig Sitzungen der Spezialkommission statt. b. Bedeutung der Familiengerichte Bezüglich der materiellen Entscheidung über die Rückführung ist die sachliche Zuständigkeit des Familiengerichts begründet, § 6 SorgeRÜkAG, § 23 b Abs.1 S. 2 Nr. 11 GVG. Es handelt sich um ein FGG – Verfahren, § 6 Abs. 1 S.1 1.Halbs. SorgeRÜkAG. In erster Linie bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach dem Aufenthaltsort des Kindes, § 5 Abs. 2 Nr. 1 SorgeRÜkAG. Durch das Gesetz zur Änderung von Zuständigkeiten nach dem SorgeRÜkAG (BGBl. 1999 I 702) - in Kraft seit dem 1. Juli 1999 – ist eine Zuständigkeitskonzentration vorgenommen worden, die vielfach als überfällig bezeichnet wurde39. Danach ist nunmehr nur noch ein Familiengericht für den Bezirk eines Oberlandesgerichts 37 JORZIK (Fn.5 ), S.51; Böhmer (Fn. 21 ), 643, 647; MÜLLER-FREIENFELS (Fn. 29), S.120, 123. 38 MÜLLER-FREIENFELS ( Fn. 36 ), S. 120; MÜNCHKOMM.-SIEHR ( Fn.3 ), Rz.26. 39 BACH /GILDENAST ( Fn.34), Fußnote 24, m.w.N. zuständig. Die Landesregierungen sind ermächtigt die Zuständigkeit durch Rechtsverordnung abweichend zu regeln, wenn in einem Bundesland mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind. Bei bereits anhängigen Scheidungsverfahren der Kindeseltern war bisher aus Gründen des Sachzusammenhanges das Gericht der Hauptsache zuständig, jedoch in einem gesondertem Verfahren gem. § 5 2.Halbs. SorgeRÜkAG. Als Konsequenz der mit Gesetz vom 13. April 1999 erfolgten Zuständigkeitskonzentration entfällt der bisherige Kompetenzvorrang. Wird der Rückgabeantrag gem. Art. 29 HKEntfÜ nicht über die Zentrale Behörde gestellt, so ist die örtliche Zuständigkeit desjenigen Familiengerichts begründet, in dessen Bezirk das Bedürfnis der Fürsorge besteht, § 5 Abs. 2 Nr. 2 SorgeRÜkAG. Der im Ausland ansässige, antragstellende Elternteil ist nicht verpflichtet die Hilfe der Zentralen Behörde in Anspruch zu nehmen. Gem. Art. 29 HKEntfÜ ist der Weg über die Zentrale Behörde nicht obligatorisch, das Familiengericht kann unmittelbar angerufen werden, denn das HKEntfÜ begründet kein ausschließliches System zwischen den Vertragsstaaten um die Rückgabe der Kinder zu erwirken40. Schließlich soll das Verfahren für Antragsteller effektiviert – und nicht durch eine obligatorische Zwangseinschaltung von Dienststellen beeinträchtigt werden41. Eine abweichende Literaturmeinung hält die vorherige Einschaltung der Zentralen Behörde für zwingend42 mit der Begründung der Antrag könne nicht bei dem zuständigem inländischem Gericht gestellt werden. Dies ergebe sich auch nicht aus Artt. 29, 30 HKEntfÜ 43. Eine weitergehende Begründung wird nicht gegeben. Diese Auffassung hat sich nicht durchgesetzt, steht sie doch in klarem Widerspruch zu dem Abkommenswortlaut und ist daher mehrfach obergerichtlich verworfen worden44. Gleichwohl wird die Effektivität des HKEntfÜ bisweilen durch diejenigen Familiengerichte beeinträchtigt, die zunächst unter Hinweis auf diese fehlgehende Meinung und entgegen Art. 29 HKEntfÜ von einer Antragsbearbeitung absehen45. Die deutsche Zentrale Behörde hat in diesen Fällen Schwierigkeiten den ausländischen Dienststellen die Gründe für die Verzögerung zu erklären46. Dem 40 PÉREZ-VERA (Fn. 2), S. 59; Bach (Fn. 2), S. 1053 . 41 BACH (Fn.2), S. 1053; STAUDINGER/PIRRUNG (Fn. 11), Rz. 716. 42 MANSEl, Neues Internationales Sorgerecht, NJW 1990, S. 2176. 43 MANSEL (Fn. 35); S. 2177. 44 OLG CELLE, Beschluß vom 13. November 1991 –18 UF 185/91-; BGH, Beschluß vom 6.Mai 1993 –XII ZB 76/93 - 45 So das AmtsG OSNABRÜCK in einem deutsch – ecuardorianischen Verfahren ( 10 F 217/95). 46 BACH (Fn.2), S. 1053. Eilcharakter des HKEntfÜ entsprechend ist die Zentrale Behörde kraft Gesetzes bevollmächtigt, gerichtliche oder außergerichtliche Rückführungsmaßnahmen unmittelbar in die Wege zu leiten ( § 3 Abs. 3 S.1 SorgeRÜkAG). c. Internationale Zuständigkeit Eine ausdrückliche Bestimmung über die internationale Zuständigkeit ist im HKEntfÜ nicht enthalten. Aus Art. 1 i.V.m. Artt. 12 ff. geht hervor, daß die Gerichte bzw. Verwaltungsbehörden des ersuchten Staates für die Rückgabeentscheidung und sonstige Maßnahmen nach diesem Übereinkommen international zuständig sind47. Diese Regelungen können zu einer Abweichung von der nach dem MSA vorgesehenen internationalen Zuständigkeit führen. Die ersuchten Behörden sind z.B. auch dann zuständig, wenn nach Art. 1 MSA eine internationale Zuständigkeit zu verneinen ist, da sich der gewöhnliche Aufenthaltsort des Kindes noch im ersuchten Staat befindet und die Voraussetzungen von Art. 4 MSA nicht erfüllt sind48. Die Wirkungen der Entscheidungen nach diesem Übereinkommen gehen zudem über die aufgrund der Eilzuständigkeit nach Art. 9 MSA getroffene Entscheidung hinaus49. Letztere wirken nach Art. 9 Abs. 2 MSA nur so lange , bis die nach Artt. 1 oder 4 MSA international zuständige Behörde tätig wird. Demgegenüber sind die Entscheidungen nach dem HKEntfÜ im Hinblick auf ihre Wirksamkeit endgültiger Natur50. Eine Kollision mit den Regeln über die internationale Zuständigkeit nach dem MSA ist wegen Art. 34 S.1 HKEntfÜ ausgeschlossen . Das Übereinkommen genießt Vorrang und verdrängt somit das MSA. Das HKEntfÜ regelt jedoch nur die Rückgabe widerrechtlich in eine anderen Vertragsstaat verbrachter oder dort zurückgehaltener Kinder, Artt. 1a) und 8ff. HKEntfÜ. Die Entscheidung über das Sorgerecht selbst wird ausdrücklich nicht erfaßt, Art. 19 HKEntfÜ, so daß insoweit keine Verdrängung des MSA nach Art. 34 S.1 HKEntfÜ stattfindet. Demzufolge richten sich das Verfahren und die Voraussetzungen der Rückgabe im Zufluchtsstaat nach dem HKEntfÜ. Hingegen bleibt es bezüglich des Verfahrens der Sorgerechtsentscheidung und der maßgeblichen materiellen Kriterien der Zuteilung auch für die Vertragsstaaten bei der bisherigen Rechtslage; d.h. einschlägig sind die Bestimmungen des MSA bzw. bei Nichtvertragsstaaten des MSA die Vorschriften des autonomen Rechts des jeweiligen Staates. 47 SIEHR, Kindesentführung und Minderjährigenschutz, Abgrenzung der Entführungsübereinkommen vom Haager Minderjährigenschutzabkommen, in StAZ 1990, 330ff. 48 JORZIK (Fn.5), S. 56. 49 JORZIK (Fn.5), S. 56. 50 JORZIK (Fn.5), S. 56. Eine Einschränkung erfahren allerdings die Zuständigkeitsregelungen des MSA bzw. des autonomen Rechts des Zufluchtsstaates durch Art. 16 HKEntfÜ. Nach dieser Vorschrift darf im Zufluchtsland eine Sorgerechtsentscheidung erst nach Ablehnung des Rückgabeantrages oder – wenn dieser noch nicht gestellt, die Entführung aber bereits angezeigt ist – nach Ablauf einer angemessenen Frist getroffen werden. Das HKEntfÜ schränkt demgegenüber in keiner Weise die Zuständigkeit der Herkunftsbehörden zum Erlaß von Herausgabe – und 51 Sorgerechtsentscheidungen ein . 2. Verbot einer Sachentscheidung über das Sorgerecht Das Ziel des HKEntfÜ, die sofortige Rückgabe widerrechtlich verbrachter oder zurückgehaltener Kinder sicherzustellen, läßt sich nur erreichen, wenn im Zufluchtsland während des Rückgabeverfahrens Angelegenheiten des Sorgerechts unberührt bleiben. Die Sachentscheidung über das Sorgerecht soll nach dem Willen des Abkommens den Behörden des Heimatstaates vorbehalten bleiben52. Art. 16 HKEntfÜ sieht daher vor, daß die Behörden des Zufluchtstaates nach amtlicher Kenntnis von einer Kindesentführung eine Sorgerechtsentscheidung erst treffen dürfen, wenn rechtskräftig die Rückgabe versagt oder innerhalb angemessener Frist kein Rückgabeantrag gestellt wird. Kenntnis von der Kindesentführung erlangen die bundesdeutschen Gerichte entweder durch den Rückgabeantrag selbst oder durch eine gesonderte Mitteilung der Zentralen Behörden53. Diese erfolgt vorab in Fällen, in denen ein förmlicher Antrag z.B. wegen fehlender Unterlagen aus dem Heimatstaat des Kindes noch nicht gestellt werden kann54. Nach Mitteilung von einer Kindesentführung sind sämtliche Behörden des Zufluchtstaates an einer Sorgerechtsentscheidung gehindert55. Anhängige 51 SIEHR (FN.47), StAZ 1990, 330, 33. 52 BACH/GILDENAST (Fn. 34), Rz. 23. 53 Es handelt sich dabei um ein Formschreiben, welches auf Art. 16 HKEntfÜ verweist. 54 BACH/GILDENAST (Fn.34), Rz. 24. 55 STAUDINGER/PIRRUNG (Fn. 11), Rz. 692. Sorgerechtsverfahren sind zumindest auszusetzen, Neuanträge unzulässig 56. Das Sachentscheidungsverbot des Art. 16 HKEntfÜ besteht bis zum rechtskräftigen Abschluß des Rückführungsverfahrens. Diese strengen Anforderungen des Art. 16 HKEntfÜ werden von den Gerichten nicht immer erfüllt. So etwa von dem AmtsG Göttingen in einem deutsch – französischem Rückführungsverfahren57. Auf diesen Fall wird nachstehend näher eingegangen, da er beispielhaft für eine Vielzahl von in Deutschland ausgeurteilten Fällen steht: Das AmtsG Göttingen weist den Rückgabeantrag des Vaters zurück und überträgt der Kindesmutter zugleich das Aufenthaltsbestimmungsrecht für das Kind58. Nach Ansicht des Beschwerdegerichtes59 besteht ein dahingehendes Regelungsbedürfnis aufgrund des Übereinkommens über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen vom 5. Oktober 1961 ( MSA )60. Eine Rechtsgrundlage für diese materiell-rechtliche Sorgerechtsentscheidung bestand aus folgenden Gründen nicht: Sie erfolgte entgegen Art. 16 HKEntfÜ. Aus Sinn und Zweck dieser Vorschrift ergibt sich, daß bis zur rechtskräftigen Entscheidung nach dem HKEntfÜ mit jedweder Sorgerechtsentscheidung zuzuwarten ist. Andernfalls könnte einem Rückgabeantrag durch abkommensfremde Maßnahmen der Boden entzogen werden61. Die Entscheidung des OLG Celle in diesem Verfahren steht gleichfalls nicht im Einklang mit dem HKEntfÜ, weil gem. Art. 34 S.1 HKEntfÜ, dessen Bestimmungen denjenigen des MSA vorgehen, sofern die beteiligten Staaten – wie vorliegend Deutschland und Frankreich – Vertragsparteien beider Abkommen sind. Das MSA darf in derartigen Fällen nicht angewendet werden. Diese Prioritätsregel des Art. 34 S.1 HKEntfÜ wird auch in einer Entscheidung des OLG München in einem weiteren deutsch – französischem Verfahren übersehen62. Macht die Zentrale Behörde dem Gericht Mitteilung von einer Kindesentführung, so entfällt die Sperrwirkung des Art. 16 HKEntfÜ, wenn innerhalb angemessener Frist nach der Mitteilung kein Rückgabeantrag gestellt 56 STAUDINGER/PIRRUNG (Fn. 11), Rz. 692; AmtsG FRANKFURT AM MAIN, Beschluß vom 2. Mai 1995 – 35 F 8003/95-. 57 AmtsG GÖTTINGEN, Beschluß vom 16.8.1991 – 45 F 293/91. 58 AmtsG GÖTTINGEN, Beschluß vom 16.8.1991 – 45 F 292/91. 59 OLG CELLE, Beschluß vom 13.11.1991 – 18 UF 185/91 -. 60 BGBl. 1971 II 1150. 61 STAUDINGER/PIRRUNG (Fn.11), Rz. 692, 694; BACH/GILDENAST (Fn.34), Rz. 28. 62 OLG MÜNCHEN, Beschluß vom 28. November 1996 – 4 WF 154/96 -. wird. Man wird davon auszugehen haben, daß nach Ablauf von 6 Monaten ab der Mitteilung eine Sorgerechtsentscheidung zulässig sein dürfte63. Das deutsche Sozialhilferecht konnte bisher leider noch nicht die Überlegungen und Hintergründe des Art. 16 HKEntfÜ in die Gesetzgebung übernehmen. So verlangen die Sozialämter weiterhin für die Leistungsgewährung das Bestehen einer zumindest vorläufige Sorgerechtsregelung. Es kann jedoch nicht Aufgabe des Gerichts sein, die Gewährung von Sozialhilfe durch Nichtbeachtung des Art. 16 HKEntfÜ zu ermöglichen. Sachgerecht und demonstrativ wie mit vorliegendem Problem umgegangen werden kann, erscheint die Entscheidung des AmtsG Frankfurt am Main, in einem deutsch – amerikanischem Verfahren. Das Gericht hatte zunächst der aus den USA mit dem einjährigen Kind in die Bundesrepublik Deutschland geflohene Mutter für die Dauer der Trennung das Sorgerecht übertragen64. Nach amtlicher Kenntnis vom Rückführungsantrag des in Texas lebenden Kindesvaters erfolgte unter Hinweis auf Art. 16 HKEntfÜ die Aufhebung des Sorgerechtsbeschlusses von Amts wegen65. 3. Vorliegen einer Sorgerechtsentscheidung im ersuchten Staat Allein unter Berufung auf eine im ersuchten Staat vor oder nach der Entführung ergangene oder dort anzuerkennende Sorgerechtsentscheidung zugunsten des Entführers kann gem. Art. 17 HKEntfÜ die Rückgabe nicht versagt werden. Mit dieser Vorschrift wird der im ersuchenden Staat bestehenden Sorgerechtssituation und damit dem Rückgabebegehren vorrangiger Schutz eingeräumt. Der Entführer soll nicht dadurch, daß er in einem anderem als dem bisherigen Aufenthaltsstaat des Kindes, insbesondere nicht im Zufluchtstaat, eine ihm günstige Sorgerechtsentscheidung erstreitet, die Rückgabe verhindern können. Die Entscheidungsgründe einer von im Zufluchtsstaat erwirkten Sorgerechtsentscheidung können dagegen auch im Herausgabeverfahren berücksichtigt werden. Dabei ist jedoch zu beachten, daß die in der Sorgerechtsentscheidung angestellten Überlegungen nur insoweit Eingang in das Herausgabeverfahren finden dürfen, als sie sich auf Umstände beziehen, die für eine Verletzung nach Artt. 12 Abs. 2, 13 Abs. 1 und 2 HKEntfÜ sowie Art. 20 HKEntfÜ von Relevanz sind und mit den Zielen des HKEntfÜ im Einklang stehen66. Die Vorschrift des Art. 17 HKEntfÜ ist im Kontext mit Art. 16 HKEntfÜ zu sehen. Art. 16 HKEntfÜ versucht die Entstehung der in Art. 17 63 STAUDINGER/PIRRUNG (Fn. 11), Rz. 693; BACH/GILDENAST (Fn.34), Rz. 29. 64 AmtsG FRANKFURT AM MAIN, Beschluß v. 21.4.1995 – 35 F 8003/95 -. 65 AmtsG FRANKFURT AM MAIN, Beschluß v. 2.5.1995 – 35 F 8003/95 -. 66 PÉREZ-VERA (Fn. 2), S. 57 HKEntfÜ geregelten Konfliktsituation zu vermeiden, um die Durchsetzung des Rückgabebegehrens zu erleichtern67. Solange die Rückgabe nach Art. 12 Abs. 1 HKEntfÜ nicht abgelehnt oder innerhalb einer angemessenen Frist kein Antrag auf Rückgabe gestellt worden ist, nachdem die Entführung bereits angezeigt war, darf keine Entscheidung über die Sorgerechtsfrage im Zufluchtsland erlassen werden ( vgl. 2. Abschnitt I, 2.) Nach dem Ablauf der Sperrfrist kann jedoch ein Konfliktverhältnis zwischen dem Sorgerecht eines Elternteils und dem Anspruch auf Rückgabe des anderen Elternteils auftreten, wenn nach der Entführung des Kindes – z.B. nach Deutschland – der zurückgebliebene Elternteil einen Rückgabeantrag erst nach Ablauf von sechs Monaten stellt . Gleichwohl Art. 12 HKEntfÜ vorsieht, daß die Rückgabe anzuordnen ist, wenn seit der Entführung und der Antragstellung bei Gericht noch keine Frist von mehr als einem Jahr verstrichen ist. Ergänzend bestimmt Art. 17 HKEntfÜ daher, daß eine im Zufluchtsland ergangene Sorgerechtsentscheidung grundsätzlich die Rückgabe eines Kindes in dessen Heimatstaat nicht ausschließt. Das Rückgabeverfahren hat somit gegenüber dem zuvorigen Sorgerechtsverfahren ein rechtliches Übergewicht. Dementsprechend sieht etwa das irische Ausführungsgesetz zum HKEntfÜ eine Sonderbefugnis des mit der Rückgabe befaßten Gerichts zur Aufhebung entgegenstehender Sorgerechtsentscheidungen vor, während im Vereinigten Königreich (Großbritannien) mit Erlaß einer Rückgabeanordnung Sorgerechtsentscheidungen von Gesetzes wegen wirkungslos werden68. Ein weiterer über Art. 17 HKEntfÜ zu lösender Konfliktfall ist gegeben, wenn im ersuchten Staat einer anderen Person das Sorgerecht zugesprochen ist als im ersuchenden Staat, z.B.: Ein Vater entführt sein Kind aus dem Vertragsstaat USA in dessen Heimatstaat Italien, läßt sich dort das Sorgerecht übertragen und hält sich nun mit dem Kind in Deutschland auf, wo die Mutter die Rückgabe des Kindes beantragt. Wird die italienische Sorgerechtsentscheidung nach Art. 7 S. 1 MSA in Deutschland anerkannt, so widerspricht dieses Sorgerecht des Vaters der im ersuchenden Staat USA bestehenden Rechtssituation69. Um das HKEntfÜ nicht zu entwerten, muß für dessen Zwecke der Art. 3 HKEntfÜ, also die im ersuchenden Staat geltende Rechtssituation den Vorrang genießen. Der ersuchte Staat darf also nicht allein der im Inland wirksamen entgegengesetzten Entscheidung die Rückgabe ablehnen70. Die Instanzen des ersuchten Staates 67 PÉREZ-VERA (Fn.2), S.56. 68 PÉREZ-VERA (Fn.2), S.57, mit Hinweis auf CHILD ABDUCTION AND CUSTODY ACT 1985, Section 25, sub-section 81. 69 Beispiel aus MÜNCHKOMM.-SIEHR (Fn. 3), Rz. 75. 70 OLG DÜSSELDORF, FamRZ 1994, S.185. können jedoch bei ihrer Entscheidung über die Gründe, das Kind nicht zurückzugeben ( Artt. 12 Abs.2, 13 Abs.1 und 2 HKEntfÜ ), die Entscheidungsgründe berücksichtigen. 4. Beschleunigungsgrundsatz Verfahren nach dem HKEntfÜ sind gem. Art. 11 HKEntfÜ eilbedürftig, damit das Kind möglichst bald wieder im bisherigen Obhutsverhältnis leben kann und der rechtswidrige Zustand nach Antragstellung nicht noch länger fordauert. Zwischen Antragstellung bei Gericht und erstinztanzlicher Entscheidung soll eine Frist von nicht mehr als 6 Wochen liegen, Art. 11 Abs. 2 HKEntfÜ. Nach Ablauf dieser Frist sind die Gerichte gehalten die Gründe für die Verzögerung anzugeben, Art. 11 Abs. 2 S.1 HKEntfÜ. Gem. Art. 2 S.2 HKEntfÜ haben die Vertragsstaaten zur Verwirklichung dieses Zieles ihre schnellstmöglichen Verfahren anzuwenden. Das bundesdeutsche Ausführungsgesetz zum HKEntfÜ trägt dem Eilgebot dadurch Rechnung, daß die Rückgabeentscheidung sofort für vollziehbar erklärt werden kann (§ 8 Abs.1 S.2 SorgeRÜkAG) und als Rechtsbehelf grundsätzlich nur die sofortige Beschwerde vorgesehen ist (§ 8 Abs.2 S.1 1.Halbs. SorgeRÜkAG) 71. Die Zentrale Behörde ist kraft Gesetzes bevollmächtigt, gerichtliche oder außergerichtliche Rückführungsmaßnahmen unmittelbar in die Wege zu leiten, § 3 Abs. 3 S.1 SorgeRÜkAG. Bei normzweckadäquater Handhabung des HKEntfÜ als Eilverfahren – summarische Tatsachenprüfung, keine Sachentscheidung über das Sorgerecht, grundsätzlich kein Sachverständigengutachten, keine Ermittlung ausländischen Rechts – ist die Einhaltung der Entscheidungsfrist ohne weiteres möglich. Dies zeigt auch die Rechtspraxis anderer Vertragsstaaten72. Die Auswertung der bei den Zentralen Behörden vorliegenden Entscheidungen seit dem Inkrafttreten des HKEntfÜ läßt leider erkennen, daß dem Dringlichkeitsprinzip nur in seltenen Fällen entsprochen worden ist73. Die ganz überwiegende Zahl der geführten Verfahren stand nicht im Einklang mit Art. 11 HKEntfÜ. So hat etwa das AmtsG Schwäbisch-Hall in einem deutschamerikanischem Rückführungsverfahren über den am 26.6.1993 gestellten Antrag erst am 18.1.1994 entschieden74. Vier Monate ab Antragseingang waren 71 STAUDINGER/PIRRUNG (11), Rz. 694; zu den Rechtsbehelfen siehe MÜNCHKOMM.–SIEHR, (Fn.3), Rz. 40. 72 BACH/GILDENAST (Fn.34), Rz. 37. 73 BACH/GILDENAST (Rz.34), Rz. 37. 74 AmtsG SCHWÄBISCH-HALL, Beschluß v. 18.1.1994 – 2 F 380/93-. erforderlich den Vorgang gerichtsintern der zuständigen Abteilung zuzuleiten. Dieser Fall ist exemplarisch für eine Vielzahl von Fällen. Den erstinztanzlichen Verfahren folgen oft noch Beschwerdeverfahren von mehrmonatiger Dauer75. Das SorgeRÜkAG hat sich insoweit als ergänzungsbedürftig erwiesen, als die Fristvorgabe des Art. 11 HKEntfÜ im Abkommen selbst nicht verbindlich ausgestaltet ist76. Die bisher erkennbare Rechtsprechungspraxis läuft jedoch einem Hauptgrundsatz des Abkommens – Sicherstellung der sofortigen Rückgabe – zuwider, so daß die Frist des Art. 11 HKEntfÜ im SorgeRÜkAG für die Gerichte verbindlich festzuschreiben wäre77. Vorbild hierfür könnte das israelische Ausführungsgesetz zum HKEntfÜ sein, wonach eine Anhörung binnen 15 Tagen nach Antragstellung , eine erstinztanzliche Sachentscheidung binnen sechs Wochen sowie eine Beschwerdeentscheidung innerhalb von weiteren dreißig Tagen ab Einlegung der Beschwerde zwingend vorgeschrieben sind78. In Schottland sehen die Verfahrensvorschriften vor, daß der entführende Elternteil nach Eingang eines Rückgabeantrages bei dem dortigen Gericht innerhalb von vier Tagen eine Stellungnahme abzugeben hat und innerhalb von weiteren sieben Tagen ein Termin zur Entscheidung anzuberaumen ist. Vergleichbar ist die Rechtslage in England und Wales. Hier sorgt der für die Terminierung zuständige Clerk of the Rules dafür, daß Entführungsverfahren kurzfristig zur Verhandlung angesetzt werden, bisweilen innerhalb von zwei Tagen79. Die Vertagungsfrist beträgt höchstens einundzwanzig Tage, wodurch dem Bestreben des entführenden Elternteils nach Verfahrensverschleppung wirksam begegnet wird. In der Bundesrepublik Deutschland hat sich zudem die Regelung der örtlichen Zuständigkeit in der bisherigen Form als unsachgemäß herausgestellt, § 5 SorgeRÜkAG, a.F. Danach konnte jedes Familiengericht zur Entscheidung über einen Rückgabeantrag berufen sein. Häufig handelte es sich hierbei um das erste derartige Verfahren. Die wünschenswerte erhöhte Fachkompetenz der Spruchkörper ließ sich auf diese Weise nicht erreichen80. Zu beachten ist ferner, daß die Bundesrepublik Deutschland völkerrechtlich im Außenverhältnis zu den übrigen Vertragsstaaten zur adäquaten Umsetzung des Abkommens verpflichtet ist. Dies erfordert eine innerstaatliche 75 BACH (Fn.2), FamRZ 1997, S. 1054. 76 BACH/GILDENAST (Fn.34), Rz. 38. 77 BACH/GILDENAST (Fn.34), Rz. 39. 78 CIVIL PROCEDURE REGULATIONS (Amendment) 1995, Chapter 22 (1). 79 Rules of the Court of Session 1994, Chapter 70.6 (Schottland). 80 Bach/Gildenast (Fn.34), Rz. 40. Gerichtsorganisation, durch die eine möglichst einheitliche Rechtsprechung in Anwendung des HKEntfÜ sichergestellt ist81. Dementsprechend hat das Vereinte Königreich (Großbritannien) für England und Wales mit dem High Court in London sowie für Schottland mit dem Court of Session in Edinburgh alleinzuständige Gerichte für HKEntfÜ-Verfahren bestimmt. Auch Irland und Finnland verfügen über derartige Spezialgerichte. Für die Bundesrepublik Deutschland ist das bisher bestehende Anwendungsdefizit durch Streitigkeitszuweisung an ein Familiengericht pro OLG-Bezirk mit entsprechender Beschwerdemöglichkeit zum jeweiligen Oberlandesgericht durch das SorgeRÜkAG n.F. mittlerweile behoben. Eine dahingehende Forderung hatte der 11. Deutsche Familiengerichtstag im September 1997 erhoben82. 5. Rückgabeanordnung a. Antrag binnen eines Jahres Ist seit der Verbringung oder Zurückhaltung bis zum Eingang des Antrags bei Gericht oder der Verwaltungsbehörde des ersuchten Staates noch kein Jahr vergangen, so ist von diesem die sofortige Rückgabe des Kindes anzuordnen, Art. 12 Abs.1 HKEntfÜ. Diese Regelung trägt dem Umstand Rechnung, daß einerseits der in seinem Sorgerecht verletzte Elternteil einen gewissen Zeitraum zum Auffinden des Kindes benötigen kann, während andererseits innerhalb dieser Frist noch keine Verfestigung der sozialen Lebensumstände des Kindes anzunehmen ist83. Bei einer längeren Frist könne dies nicht eindeutig gesagt werden 84. Als formalem Rückführungserfordernis kommt der Frist des Art. 12 Abs. 1 HKEntfÜ in der Praxis erhebliche Bedeutung zu. Problematisch kann die Bestimmung des Zeitpunktes sein, in dem die Frist zu laufen beginnt: Nach einer Auffassung ist für den Fristbeginn maßgeblich das Überschreiten der Staatsgrenze von einem Vertragsstaat in einen anderen Vertragsstaat85. 81 Bach/Gildenast (Fn.34), Rz. 40. 82 Brühler, Schriften zum Familienrecht, Bd.9, S.93; Bd.10, S.117. 83 BACH/GILDENAST (Fn.34), Rz. 85. 84 PÉREZ-VERA (Fn. 85 2), Nr.107, S.54. So GÜLICHER, Internationale Kindesentführungen, Göttingen 1993, 895 ff.; OLG DRESDEN, Beschluß v. 12. Februar 1993 – 1 W 31/93-; HAGUE CONFERENCE ON PRIVATE INTERNATIONAL LAW, Report oft the third Special Commission meeting to review the operation of the Hague Convention on the Civil Aspects of International Child Abduction ( 17-21 March 1997), Den Haag 1997, unter Hinweis auf eine Entscheidung des HOUSE OF LORDS. Nach einer anderen Auffassung ist für den Fristbeginn die erst nach außen hervortretende Verletzung des Sorgerechts, die noch nicht alsbald mit dem Überschreiten der Staatsgrenze verbunden sein müsse, maßgeblich86. Nach Meinung der Verfasserin ist ersterer Auffassung zuzustimmen, weil die Vorschriften des Abkommens seinem internationalen Charakter entsprechend , grenzüberschreitende Lebenssachverhalte voraussetzen. Entführungshandlungen innerhalb eines Vertragsstaates, selbst wenn sie mehrere Monate angedauert haben, sind für die Fristberechnung des Art. 12 Abs. 1 HKEntfÜ ohne Bedeutung87. Beim widerrechtlichen Zurückhalten des Kindes kommt es dagegen nicht auf das Überschreiten der Staatsgrenze - welches einvernehmlich erfolgt sein muß, da sonst eine Entführung vorliegt - an, sondern auf den Zeitpunkt, zu dem das Kind dem sorgeberechtigten Elternteil hätte zurückgegeben werden müssen88. Für die Berechnung der Jahresfrist sind die Vorschriften der §§ 187 ff. BGB maßgeblich. Danach ist der Tag der Grenzüberschreitung als fristauslösendes Moment nicht mitzurechnen, § 187 Abs.1 BGB. Das Fristende ist derjenige Tag, welcher durch seine Benennung dem Tag entspricht, in den das Ereignis fällt, §188 Abs. 2 BGB. Die Jahresfrist des Art. 12 HKEntfÜ ist jedoch nur gewahrt, wenn der Rückgabeantrag zeitgerecht bei dem nach § 5 SorgeRÜkAG örtlich zuständigem Gericht eingeht89. Die Antragstellung bei der Zentralen Behörde ist nicht ausreichend90, ebensowenig eine Mitteilung der Zentralen Behörde an das zuständige Gericht vom internen Antragseingang91. V. b. Antrag nach Ablauf der Jahresfrist Geht ein Rückführungsantrag erst nach Ablauf eines Jahres ein, so erfolgt die Anordnung der Rückgabe des Kindes gem. Art. 12 Abs. 2 HKEntfÜ nur dann, wenn nicht erwiesen ist, daß das Kind sich in seine neue Umgebung eingelebt hat. Dies bedeutet, daß der Entführer jetzt im Gegensatz zu Art. 12 Abs. 1 HKEntfÜ mit dem Einwand der sozialen Eingliederung gehört werden kann, da mit zunehmendem Zeitablauf zwischen Entführung und Gerichtsentscheidung sich die Wahrscheinlichkeit der sozialen und kulturellen Integration des Kindes vergrößert. Entsprechend dem Hauptziel des HKEntfÜ – die Rückgabe 86 STAUDINGER/PIRRUNG (Fn. 11), Rz.676. 87 BACH/GILDENAST (Fn.34), Rz. 87. 88 JORZIK (Fn. 5), S.38 m.w.N. 89 OLG DÜSSELDORF, Beschluß v. 16. Juli 1996 -6 UF 13/96-; MÜNCHKOMM.-SIEHR (Fn.3), Rz.53. 90 OLG BAMBERG, FamRZ 1995, S.305,306. 91 OLG BAMBERG, FamRZ 1995, S.305,306; MÜNCHKOMM.-SIEHR (Fn.3), Rz.53. entführter Kinder sicherzustellen - ist die Ausnahmebestimmung jedoch eng auszulegen92. Mit Recht kritisieren daher Hüßtege93 und Gülicher94 den Beschluß des AmtsG Besigheim95 , das sich mit einer Rückgabeanordnung nach Art. 12 HKEntfÜ mit der Frage auseinandersetzt ob sich das Kind infolge seines viermonatigen Aufenthaltes in der Bundesrepublik Deutschland hier eingelebt hat und ob dies einer Rückführung entgegenstehen könnte. Von einem Einleben ist nur dann auszugehen, wenn das Kind in seinem neuen Umkreis fest verwurzelt ist und nicht selbst eine Rückkehr verlangt96. Diesbezüglich ist erwähnenswert, daß bereits die Einjahresregelung des Art. 12 HKEntfÜ das Ergebnis eines Kompromisses ist. Zum Teil waren auch längere Fristen Gegenstand der Verhandlungen97. Entsprechend den Verfahrensgrundsätzen des FGG kommt es auf den Grad des Eingelebtseins im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung und nicht der Antragstellung an. Dies ergibt sich nur aus dem englischen Wortlaut (...the child is now settled in his new environment )98. Die Tatsache des Einlebens an sich führt keineswegs zwingend zur Versagung der Rückgabe99. Das Vorliegen des Nachweises eröffnet lediglich für die zur Entscheidung berufenen Stellen Ermessen, die Rückgabe zu versagen100. Anderenfalls wandelt sich durch die vorschnelle gerichtliche Billigung der Entführung das “illegal kidnapping“ zu einem “judical or legal kidnapping“101. Es ist dabei auch zu bedenken, daß bei fortwährender extensiver Auslegung von Ausnahmetatbeständen durch deutsche Gerichte die Neigung ausländischer Gerichte, die Rückgabe entführter deutscher Kinder anzuordnen, eher abnehmen wird102. Fraglich kann die Anwendung von Art. 12 Abs. 2 HKEntfÜ sein, wenn der Fristablauf von dem entführenden Elternteil zu vertreten ist. Dies kann der Fall bei häufigen Wohnsitzwechseln – oder versteckt gehaltenen Kindern sein. Dieser Umstand darf bei der Auslegung von Art. 12 Abs. 2 HKEntfÜ nicht 92 BVerfG FamRZ 1996, 405; MÜNCHKOMM.-SIEHR (Fn. 3), Rz.44. 93 HÜßTEGE (Fn.6), IPRax 1992, 369ff. 94 GÜLICHER, Internationale Kindesentführungen, S. 105. 95 HÜßTEGE (Fn.6), IPRax 1992, 386ff. 96 STAUDINGER/PIRRUNG (Fn. 11), Rz.678 m.w.N. 97 vgl. ACTES DES DOCUMENTES de la Quatorzième session 6 au 25 octobre 1980, CONFERENCE DE LA HAYE de droit international Privé, Bd.III, Enlèvement d`enfants, S.274, Den Haag 1982. 98 MÜNCHKOMM.-SIEHR (Fn.3), Rz.55. 99 So aber OLG KOBLENZ, FamRZ 1994, 183. 100 JORZIK (Fn.5), S.41. 101 MÜNCHKOMM.-SIEHR (Fn.3), Rz. 44. 102 BACH/GILDENAST (Fn.34), Rz.95. unberücksichtigt bleiben, weil nicht ausschließlich und isoliert auf das Kindeswohl sondern auch auf die rechtlich geschützten Elterninteressen Bedacht zu nehmen ist103. Nach anderer nicht zustimmungswürdiger Auffassung soll es auf die Gründe für Verzögerungen bei der Antragstellung nicht ankommen104. Es ist nach Meinung der Verfasserin jedoch nicht vertretbar, den bewußt rechtsfeindlichen Elternteil durch die Anwendung der Ausnahmebestimmung zu privilegieren105. Schließlich ist auch der generalpräventive Effekt des Abkommens zu berücksichtigen. c. Beweislast in Bezug auf die soziale Eingliederung Ob der Formulierung in Art. 12 Abs.2 HKEntfÜ “sofern nicht erwiesen ist, daß das Kind sich in seine neue Umgebung eingelebt hat“ eindeutig zu entnehmen ist, daß die näheren Umstände der Kindesintegration vom entführenden Elternteil zu beweisen sind106 oder ob die Beweisführung unter dem Amtsermittlungsgrundsatz zu erfolgen hat, ist umstritten. Nach Auffassung der Verfasserin trägt der Entführer die Feststellungslast hinsichtlich der Integrationsumstände. Zwar gilt gem. § 6 Abs. 1 S.2 SorgeRÜkAG; § 621 a Abs. ZPO i.V.m. § 12 FGG prinzipiell bei Anwendung des HKEntfÜ der Amtsermittlungsgrundsatz. Das SorgeRÜkAG hat aber nur ergänzenden Charakter107, d.h. es ist nur heranzuziehen, soweit das Übereinkommen selbst keine eindeutige Regelung enthält. Ausdrücklich ausgeschlossen ist der Amtsermittlungsgrundsatz hinsichtlich der in Art. 13 Abs.1a) und 1b) HKEntfÜ aufgezählten Umstände. Der Vergleich der Formulierung in Art. 13 Abs.1 “wenn die Person ... nachweist“ mit Art. 12 Abs. 2 HKEntfÜ “Rückgabe, sofern nicht erwiesen ist...“ zeigt zwar eine Abschwächung, aber das Ziel und die Systematik des Gesetzes sprechen dafür, dem Entführer die Beweisführungslast aufzuerlegen108. Die Beweislastregel in Art. 13 HKEntfÜ wird damit begründet, daß insofern lediglich der allgemeine Rechtsgrundsatz konkretisiert worden sei, wonach derjenige, der sich auf eine Tatsache (oder Recht) berufe, diese(s) nachweisen müsse. Ferner wollte das Übereinkommen die Lage der Person, der das Kind entzogen wurde, im 103 104 105 106 BACH/GILDENAST (Fn.34), S.41. STAUDINGER/PIRRUNG (Fn. 11), Rz.676; in diesem Sinne auch das AmtsG PFORZHEIM, Beschluß vom 12.5.1997 –5 F 103/97-. BACH/GILDENAST (Fn.34), Rz.99. JORZIK (Fn.5), S.39; HÜßTEGE IPRax (Fn.6), 1992, 369, 372; MÜNCHKOMM.-SIEHR (Fn.3), Rz.44; PÉREZ-VERA (Fn.2), S.55. 107 BT Drucks. 11/6329, S.2 (amtliche Begründung zum SorgeRÜkAG). 108 JORZIK (Fn.5), S. 40; PÉREZ-VERA (Fn. 2),Nr.114, S.55. Verhältnis zum Entführer in ein Gleichgewicht bringen, weil der Entführer im Prinzip den für ihn günstigsten Gerichtsstand wählen konnte109. Aus diesen Gründen folgt, daß das Übereinkommen eher von einer Beweislastverteilung ähnlich der ZPO ausgegangen ist und dem Antragsteller prozessuale Vorteile aus Ausgleich für den ihm aufgezwungenen Gerichtsstand verschaffen wollte110. Für die Geltung des Amtsermittlungsgrundsatzes könnte zwar sprechen, daß eine soziale Eingliederung des Kindes nach Ablauf der Einjahresfrist wahrscheinlich ist und bei erfolgter Eingliederung die Rückgabe gegen das Kindeswohl verstieße, so daß dieses von Amts wegen zu berücksichtigen sei111. Dabei darf aber nicht außer acht gelassen werden, daß das Gesetz auch nach Ablauf der Einjahresfrist vom Grundsatz der Rückgabe ausgeht. Darüberhinaus ist es für den Entführer ein Leichtes, nach einer gewissen Verweildauer die soziale Eingliederung des Kindes zu beweisen. Nach einem langen Zeitablauf wird sie sogar offensichtlich und damit in der Regel nicht mehr beweisbedürftig sein. Daher sollte sich die Anwendung des Amtsermittlungsgrundsatzes auf die Voraussetzungen der Rückgabe und den ordre public (Art. 20 HKEntfÜ), nicht aber auf die vom Antragsgegner vorzubringenden Einwendungen beziehen. d. Aufenthalt des Kindes in einem anderem Vertragsstaat Ergeben die Feststellungen des Gerichts, daß das Kind sich nach dem Verbringen nie im ersuchten Staat befunden hat, so ist der Antrag abzulehnen. Der Zentralstelle bleibt es dann unbenommen nach Art. 9 HKEntfÜ zu verfahren112. Ist das Kind erst nachträglich in einen weiteren Vertragsstaat verbracht worden oder besteht wenigstens Grund zu einer entsprechenden Annahme, so kann das Gericht dem Antrag ebenfalls nicht entsprechen, hat aber neben der Möglichkeit der Ablehnung auch die einer Aussetzung des Verfahrens113. Die Aussetzung bietet sich an, wenn Zweifel an den Anhaltspunkten für ein weiteres Verbringen nicht ausgeschlossen werden können und damit die Möglichkeit eines erneuten Einsetzens in das Verfahren offengehalten werden sollte.114. 6. Entscheidungsfreiraum des Gerichts bei den Ablehnungsgründen 109 PÉREZ-VERA (Fn.2), Nr.114, S.55. 110 JORZIK (Fn.5), S.50. 111 JORZIK (Fn.5), S.40. 112 STAUDINGER/PIRRUNG (Fn. 11), Rz. 679. 113 STAUDINGER/PIRRUNG (Fn. 11), Rz. 679. 114 STAUDINGER/PIRRUNG (Fn.11), Rz. 679. a. Berücksichtigung eines sozialen Berichts Bei der Beweiswürdigung hinsichtlich der Ausnahmetatbestände des Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 HKEntfÜ sind die Auskünfte über die soziale Lage des Kindes zu berücksichtigen, die von der Zentralen Behörde oder einer anderen zuständigen Behörde des Aufenthaltsstaates des Kindes erteilt werden. Diese Vorschrift soll ein verfahrensrechtliches Gegengewicht zur Beweisführung durch den Entführer bewirken. Der Entführer wird versuchen, die bisherige Lage des Kindes, insbesondere die Person des beraubten Elternteiles herabzusetzen115. Zum Ausgleich dazu soll die Auskunft der Aufenthaltsbehörden herangezogen werden, um ein verfälschtes Bild zu vermeiden und der entscheidenden Stelle eine möglichst umfassende und objektive Grundlage für ihre Entscheidung zu verschaffen116. Den Auskünften ist ein möglichst hoher Stellenwert im Vergleich zu den anderen zulässigen Beweismitteln beizumessen117. Eine Verpflichtung der Gerichte und der Verwaltungsbehörden zur Einholung dieser Auskünfte besteht hingegen nicht. Demgegenüber sind die Zentralen Behörden (Art. 7 Abs. 2d) HKEntfÜ) aber verpflichtet, soweit zweckdienlich, Auskünfte einzuholen. Die Zweckdienlichkeit wird zumindest in jenen Fällen bejaht werden können, in denen die entscheidende Stelle tendenziell zur Versagung der Rückgabebegehrens unter Berufung auf die soziale Lage des Kindes neigt. b. Wegfall der Verpflichtung zur Rückgabe Das Gericht ist bei Vorliegen der Gründe des Art. 13 HKEntfÜ zu einer Rückgabeanordnung “nicht verpflichtet“, Abs. 1, “kann ablehnen“ in Abs. 2, ebenso Art. 10 ESorgeRÜ: Das bedeutet zusammen mit Art. 18 HKEntfÜ, daß alle hiernach möglichen Ablehnungsgründe dem Gericht einen Entscheidungsspielraum lassen sollen, ob es sie letztendlich gegenüber der grundsätzlichen Rückgabeentscheidung durchschlagen lassen will118. Soweit diejenige Partei beweispflichtig ist, die sich der Rückgabe widersetzt, muß sie schnell, konkret und überzeugend ihren Nachweis erbringen und kann sich nicht auf ein Recht für langwierige Ermittlungen berufen119. Dies verdeutlicht erneut, daß das HKEntfÜ die alsbaldige formelle Wiederherstellung des früheren rechtmäßigen Zustandes ohne neue Sorgerechtsentscheidung (Art. 19 HKEntfÜ) als vorrangig im Interesse des Kindeswohls gebotene Lösung ansieht120. 115 JORZIK (Fn.5), S.46. 116 PÉREZ-VERA (Fn.2), Nr. 117, S.56 117 JORZIK (Fn.5), S.46. 118 STAUDINGER/PIRRUNG (Fn.11), Rz.68. 119 MÜNCHKOMM.-SIEHR (Fn.3), Rz.66a. 120 STAUDINGER/PIRRUNG (Fn.11), Rz.687. Dennoch wird jedenfalls aus deutscher Sicht nicht von Ermessen, sondern von einem Beurteilungsspielraum in Grenzfällen auszugehen sein121. Deshalb sind an den Nachweis von Versagungsgründen strenge Anforderungen zu stellen und generelle Aussagen über die Situation im Zufluchtstaat nützen wenig 122. Bei nachgewiesenen Ablehnungsgründen ist diesen jedoch zu entsprechen. In diesem Fall ist eine Entführungssituation an sich meist widerlegt123. In Zweifelsfällen ist eine Rückführung jedoch stets anzuordnen. Dies insbesondere auch unter dem Gesichtspunkt, daß verständlicherweise Behauptungen des Entführers und seiner Angehörigen mit Skepsis begegnet werden sollte und nach dem Sinn des HKEntfÜ ausschließlich der Fluchtstaat endgültig eine Sachentscheidung über das Kindeswohl zu fällen hat124. 7. Widerrechtlichkeitsnachweis Das Verbringen oder Zurückhalten eines Kindes gilt als widerrechtlich, wenn dadurch das Sorgerecht verletzt wird, das einer Person, Behörde oder sonstigen Stelle allein oder gemeinsam nach dem Recht des Staates zusteht, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte (Heimatstaat) und das Sorgerecht im Zeitpunkt des Verbringens oder Zurückhaltens allein oder gemeinsam tatsächlich ausgeübt wurde oder ausgeübt worden wäre, falls das Verbringen oder Zurückhalten nicht stattgefunden hätte, Art.3 Abs.1 HKEntfÜ. Das Sorgerecht kann insbesondere kraft Gesetzes, aufgrund einer behördlichen oder gerichtlichen Entscheidung oder aufgrund einer nach dem Recht des betreffenden Staates wirksamen Vereinbarung bestehen, Art. 3 Abs. 2 HKEntfÜ. Ein Anerkennungsverfahren ist nicht durchzuführen125. Artt. 3 und 12 HKEntfÜ sind Zentralvorschriften des Abkommens, weil sie die Rückgabevoraussetzungen umfassend beschreiben. In der Praxis werden jedoch zahlreiche Rechtsfragen diesbezüglich aufgeworfen. Zunächst muß ein Sorgerecht betroffen sein. Zwar ist im Verlauf der Verhandlungen auch erwogen worden, die Vereitelung eines Umgangsrechts in 121 STAUDINGER/PIRRUNG /Fn.11), Rz.687; Pérez-Vera (Fn.2), S.30. 122 MÜNCHKOMM.-SIEHR (Fn.3), Rz.66a. 123 STAUDINGER/PIRRUNG (Fn.11), Rz.687. 124 MÜNCHKOMM.-SIEHR (Fn.3), Rz.66a. 125 HÜßTEGE (Fn.6), IPRax 1992, 369, 371; THOMAS PUTZO, Zivilprozeßordnung, 21. Aufl, § 328 Rz.1. den Schutzbereich einzubeziehen. Für dahingehende Vorschläge hat sich aber keine Mehrheit finden lassen126. Gem. Art. 5a) HKEntfÜ ist der Wirkungsbereich nur eröffnet bei Verletzung der Personensorge, zu deren Konkretisierung § 1631 Abs.1 BGB herangezogen werden kann, insbesondere bei Verletzung eines Aufenthaltsbestimmungsrechts127. Die Verletzung eines Umgangsrechts stellt somit keine Entführung nach dem HKEntfÜ dar. Es ist vielmehr die Sonderregel des Art. 21 HKEntfÜ einschlägig. Der Begriff des Sorgerechts ist völkerrechtlichen Auslegungsregeln folgend abkommensspezifisch auszulegen128. Danach setzt die Annahme des Bestehens eines Sorgerechts begrifflich nicht voraus, daß ein Aufenthaltsbestimmungsrecht einbezogen ist, wie sich aus der beispielhaften Benennung – “insbesondere das Recht, den Aufenthalt des Kindes zu bestimmen“ – ergibt, Art. 5 a) HKEntfÜ129. Zu weitgehend erscheint demgegenüber eine Entscheidung des für England und Wales zuständigen Court of Appeal, in der davon ausgegangen wurde, daß das Sorgerecht auch “die noch in der Entstehung betreffenden Rechte“ eines Vaters umfasse, dem zwar kraft Gesetzes im Heimatstaat des Kindes keine Rechte zustünden, der aber in praxi die gleichen elterlichen Aufgaben wahrnehme wie die sorgeberechtigte Mutter130. Die Sorgerechtsverletzung kann nur vom Inhaber des Rechts geltend gemacht werden. Daraus folgt, daß nicht das Kind selbst, etwa durch die Bestellung einer Ergänzungspflegschaft, einen Antrag im Rahmen des HKEntfÜ stellen kann. Denklogisch kann die Sorgerechtsinhaberschaft nicht dem Subjekt der elterlichen Sorge selbst zustehen. Auch besteht keine Befugnis diese für den im Ausland verbleibenden Elternteil im eigenen Namen geltend zu machen. Auf der Haager Konferenz im März 1997 ist diese Frage im Rahmen von Art. 8 Abs. 1 HKEntfÜ von der Delegation des Vereinigten Königreiches (Großbritannien) aufgeworfen worden. Es bestand Einigkeit dahingehend, daß ein eigenes Antragsrecht des Kindes auf Rückführung nicht besteht. Als Sorgerechtsinhaber kommen gem. Art. 3 Abs.1a) HKEntfÜ neben natürlichen Personen auch Behörden oder sonstige Stellen in Betracht. So können in England Minderjährige als wards of court Mündel des High Court in London sein, so daß im Entführungsfall dieser Sorgerechtsinhaber wäre. Für das bundesdeutsche Recht ergibt sich eine Parallele aus § 1791 b Abs. 1 S.1 BGB, wonach das Jugendamt als Behörde Vormund sein kann131. 126 PÉREZ-VERA (Fn.2), S.48. 127 BACH/GILDENAST (Fn.34), S.21. 128 BACH/GILDENAST (Fn.34), S.21. 129 STAUDINGER/PIRRUNG (Fn.11), Rz.649. 130 MÜNCHKOMM.-SIEHR (Fn.3), Rz.23. 131 BACH/GILDENAST (Fn.34), S.22. Es ist auf die Sorgerechtslage im Zeitpunkt der Entführung abzustellen. Maßgeblich ist dabei die Situation im Heimatstaat des Kindes als Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes im Zeitpunkt vor der Entführung, so daß letztlich sie über den Erfolg der Herausgabe bestimmt 132, unabhängig davon, ob sie kraft Gesetzes oder Vereinbarung besteht oder auf einer Entscheidung beruht133. Dies wird auch durch Art. 1 HKEntfÜ bestätigt, der das im Herkunftsland bestehende Sorgerecht unter Schutz stellt. Deshalb kann die Beachtung von Sorgerechtsentscheidungen des Herkunftslandes nicht in das Ermessen der Gerichte und Behörden des Zufluchtslandes gestellt werden; diese sind verbindlich134. Problematisch sind diejenigen Fälle, in denen die gemeinsame elterliche Sorge betroffen ist, Art. 3 Abs.1a) 2. Alt. HKEntfÜ, wie es z.B. in dem nachstehend geschilderten Fall gegeben war, den das AmtsG Celle zu entscheiden hatte: Die Kindesmutter entführt das Kind aus Dänemark in die Bundesrepublik Deutschland. Das Familiengericht weist den Rückgabeantrag des mitsorgeberechtigten Kindesvaters zurück. Er vertritt dabei die Auffassung, die Entführung ohne Zustimmung des ebenfalls sorgeberechtigten anderen Elternteils könne begrifflich nicht widerrechtlich sein, weil jeder Elternteil gleichwertig den Kindesaufenthalt bestimmen könne und ein Übergewicht zugunsten des in Dänemark wohnhaften Antragstellers nicht bestehe135. Diese Argumentation ist rechtlich nicht vertretbar. Dies folgt schon aus der Überlegung heraus, daß andernfalls das HKEntfÜ leerlaufen würde, soweit der Regelfall – gemeinsame elterliche Sorge im Heimatstaat des Kindes - vorläge. Der Zweck des Übereinkommens wäre konterkariert136. Das OLG Celle hat dementsprechend den Beschluß des AmtsG Celle abgeändert137. Die Ausübung des gemeinsamen Sorgerechts durch einen Elternteil steht unter der immanenten Einschränkung zumindest mutmaßlicher Einwilligung des anderen Elternteils mit Blick auf Kernbereiche der elterlichen Sorge138. Die Aufenthaltsbestimmung des Kindes außerhalb seines Heimatstaates gehört ohne Zweifel dazu. Für das innerstaatliche bundesdeutsche Recht ergibt sich die Verpflichtung gemeinsam Sorgeberechtigter zu vorheriger Absprache aus dem Regelungsinhalt von § 1628 132 JORZIK (Fn.5), S.57. 133 MÜNCHKOMM.-SIEHR (Fn.3), Rz.58. 134 MÜNCHKOMM.-SIEHR (Fn.3), Rz.58; PÉREZ-VERA (Fn.2), Nr. 119, S.56. 135 So das AmtsG CELLE, Beschluß v. 30.3.1992 –23F 73/92- in zwei deutsch-britischen Verfahren. 136 BACH/GILDENAST (Fn.34), S.25. 137 OLG CELLE, Beschluß v. 18.5.1992 –17 UF 92/92-. 138 BACH/GILDENAST (Fn.34), S.25. BGB139. Die gebotene abkommensautonome Auslegungsweite gelangt zur Verletzung von Art. 3 Abs.1 a) HKEntfÜ in allen Fällen, in denen ein Elternteil dem anderen die Ausübung eines Mitsorgerechts durch tatsächliche Maßnahmen unmöglich macht. Die Ausgestaltung des gemeinsamen Sorgerechts ist in vielfacher Form denkbar und daher rechtlich geschützt. So kommt die wechselseitige, zeitlich befristete alleinige Ausübung ebenso in Betracht wie die dauerhafte Aufteilung in Teilbereiche140. Maßgeblich ist das Sorgerecht nach dem Recht des Staates (Heimatstaates), in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, Art. 3 Abs.1a) HKEntfÜ. Der gewöhnliche Aufenthalt bestimmt sich nach dem tatsächlichen Mittelpunkt der Lebensführung, mithin nach dem Ort, an dem der Schwerpunkt der sozialen und familiären Bindungen liegt141. In der Praxis bereitet die Ermittlung des bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltes selten Probleme. Aufgrund des rein faktischen Charakters dieses Anknüpfungstatbestandes sind aber einerseits mehrere Daseinsmittelpunkte gleichzeitig denkbar, während andererseits infolge fehlender Eingliederung in die soziale Umwelt, ein gewöhnlicher Aufenthalt ganz entfallen kann. Die tatsächliche Eingliederung in die neuen Lebensverhältnisse setzt einen gewissen Zeitablauf voraus. Grundsätzlich kann von einer Sechsmonatsfrist ausgegangen werden142. In Abweichung von dem Erfordernis des zeitlichen Elements kann in den Fällen schon mit Beginn der tatsächlichen Niederlassung ein gewöhnlicher Aufenthalt als begründet angenommen werden, in denen dieser Aufenthalt von Anfang an auf längere Dauer ausgerichtet ist143. Zu beachten ist, daß die Sorgerechtsverhältnisse zur Zeit der Entführung anhand der Gesamtrechtsordnung desjenigen Staates zu beurteilen sind, in dem das Kind unmittelbar vor der Entführung seinen tatsächlichen Aufenthalt hatte, wobei es gerichtlichen oder behördlichen Sorgerechtsentscheidungen im Rahmen von Art. 3 Abs. 1a) und Abs. 3 HKEntfÜ nicht auf den Staat des Erlasses, sondern vielmehr auf den Geltungsbereich ankommt 144, denn es reicht aus, daß die ausländische Sorgerechtsentscheidung im gewöhnlichen Aufenthaltsstaat des Kindes rechtliche Gültigkeit hat145. Gemäß §§ 328 ZPO, 16a FGG sind 139 BACH/GILDENAST (Fn.34), S.25. 140 STAUDINGER/PIRRUNG (Fn.11), Rz.642. 141 BGH NJW 1975, 1068; LUTHER, Das Haager Abkommen über den Schutz Minderjähriger: InhaltProbleme-Rechtsprechung, FamRZ 1973, 406ff. 142 OLG HAMM, NJW 1974, 1053; OLG DÜSSELDORF. FamRZ 1984, 1994. 143 BGH NJW 1981, 520; OLG Hamm, FamRZ 1988, 1198. 144 BACH/GILDENAST (Fn.34), S.28. 145 PÉREZ-VERA (Fn.2), S.49. ausländische Entscheidungen grundsätzlich ohne förmliche Anerkennung auch im Inland wirksam.146 Soweit sich das Sorgerecht aus einer Vereinbarung gem. Art. 3 Abs.3 HKEntfÜ ergibt, kommt jede zwischen den Sorgeberechtigten getroffene Absprache in Betracht wie sie nach der Rechtsordnung im gewöhnlichen Aufenthaltsstaat des Kindes wirksam ist. Hierbei ist eine weite Auslegung vorzunehmen 147. Artt. 14, 15 HKEntfÜ sehen rechtliche Möglichkeiten vor, um dem Gericht des ersuchten Staates die Bewertung des Verhaltens des entführenden Elternteils nach fremden Recht zu erleichtern, welches allein als Bewertungsgrundlage heranzuziehen ist. Art. 14 HKEntfÜ als lex specialis gegenüber anderen abweichenden gesetzlichen Regelungen gewährt den zur Rückgabe berufenen Gerichten, daß sie das im gewöhnlichen Aufenthaltsstaat des Kindes (Heimatstaat) wirksame Recht ohne die ansonsten ggf. erforderlichen förmlichen zuvorigen Anerkennungen unmittelbar berücksichtigen. So könnte eine ausländische Entscheidung, durch die eine Ehe für nichtig erklärt worden ist, abweichend von Art. 7 § 1 FamRÄndG auch ohne Feststellung der Anerkennungsfähigkeit durch die jeweilige Landesjustizverwaltung 148 direkt zur Beurteilung der Sorgerechtsverhältnisse im Entführungszeitpunkt herangezogen werden149. In Ergänzung zu Art. 14 HKEntfÜ sieht Art. 15 HKEntfÜ für die Gerichte die Möglichkeit vor, vom antragstellenden Elternteil die Vorlage einer ausländischen behördlichen Bescheinigung über die Widerrechtlichkeit der Entführung zu verlangen. Es steht den Gerichten daneben frei, das maßgebliche Recht selbst zu ermitteln. Soweit dies anhand der allgemein zugänglichen Gesetzessammlungen oder sonst vorliegenden Dokumente möglich ist, soll auf die Vorlage der Widerrechtlichkeitsbescheinigung im Beschleunigungsinteresse verzichtet werden. Art. 15 HKEntfÜ hat keinen zwingenden Charakter, wie sich aus dem Abkommenswortlaut – “können verlangen“ - ergibt. Sofern die Vorlage unentbehrlich erscheint, sind die zentralen Behörden gehalten, den antragstellenden Elternteil dabei zu unterstützen, Artt. 15 S.2, 7 Abs.2f) HKEntfÜ. Ihrem Inhalt nach muß sich die Bescheinigung auf die Sorgerechtsverhältnisse des Einzelfalles beziehen, weil sie dem ausländischem Gericht die Rechtsfindung in einem konkreten Verfahren erleichtern soll. Die 146 THOMAS/PUTZO, Zivilprozeßordnung, 21. Aufl., § 328 Rz.1. 147 PÉREZ-VERA (Fn.2), S.49. 148 BAUMBACH/HARTMANN, ZPO, 57.Aufl., § 328 Rz.51. 149 STAUDINGER/PIRRUNG (Fn.11), Rz.640; SIEHR, Kindesentführung und Minderjährigenschutz – Abgrenzung der Entführungsüberinkommen vom Haager Minderjährigenschutzabkommen, StAZ 1990, 300. lediglich allgemeine Beschreibung der Rechtslage ist daher nicht ausreichend 150. Eine rechtliche Bindung an den Inhalt der Bescheinigung besteht nicht. Dies soll zwar die Gerichte des ersuchten Staates in die Lage versetzen, ohne umfangreiche Prüfung des ausländischen Sorgerechts eine Rückgabeanordnung beschleunigt zu treffen. Begründete Zweifel an der Richtigkeit der beschriebenen Sorgerechtslage können jedoch Anlaß zu einer weitergehenden rechtlichen Prüfung sein151. Das HKEntfÜ gewährt auch Schutz bei widerrechtlichem Zurückhalten eines Kindes, Art. 1a) 2.Alt. HKEntfÜ. Ein widerrechtliches Zurückhalten im Sinne des Abkommens liegt etwa dann vor, wenn das Kind mit Billigung des sorgeberechtigten Elternteils zunächst von einem Vertragsstaat in einen anderen verbracht und nach Ablauf einer festgelegten Besuchsfrist nicht an den sorgeberechtigten Elternteil herausgegeben wird152. Im Ergebnis unbefriedigend sind jene Fälle, in denen sich das Kind mit Billigung des jeweils anderen Elternteils abwechselnd für längere Zeit bei dem einem und dem anderem aufhält (sog. Shuttle custody), wo nur ein Rückgabeverfahren außerhalb des Abkommens in Betracht kommt. Dies folgt daraus, daß infolge der einverständlichen Aufenthaltsbestimmung nur ein widerrechtliches Zurückhalten in Betracht kommt. Dies führt jedoch in den Fällen nicht zu einer Rückgabeentscheidung , wo die jeweilige Aufenthaltsdauer länger als sechs Monate beträgt, mithin ein neuer gewöhnlicher Aufenthalt begründet wird. Damit liegen die allgemeinen tatbestandlichen Rückgabevoraussetzungen des HKEntfÜ nicht vor. 8. Sorgerechtsausübung Der Anspruch auf die Durchführung des HKEntfÜ Verfahrens ist ferner davon abhängig, daß der antragstellende Elternteil sein Sorgerecht zum Zeitpunkt der Entführung tatsächlich ausgeübt hat, Art. 3b) HKEntfÜ. Dieses Erfordernis ist rein faktischer Natur153 und zielt auf die Wiederherstellung des vormaligen elterlichen Lebensgleichgewichts ab154. Geschützt wird das Recht des Kindes auf Beachtung seines Lebensgleichgewichtes155 150 PÉREZ-VERA (Fn.2), S.57, STAUDINGER/PIRRUNG (Fn.11), Rz.691. 151 STAUDINGER/PIRRUNG (Fn.11), Rz.691; BACH (Fn.2), FamRZ 1997, 1051, 1054. 152 OLG KARLSRUHE, FamRZ 1997, 847. 153 MÜNCHKOMM.-SIEHR (Fn.3), Rz. 22. 154 PÉREZ-VERA (Fn.2), S.49. 155 PÉREZ-VERA (Fn.2), Nr. 72, S.49. Die tatsächliche Ausübung wird vermutet; das Gegenteil ist vom Entführer zu beweisen (Art. 13 Abs.1 HKEntfÜ). Für die Bejahung des Anwendungsbereiches ist lediglich diese Vermutung ausschlaggebend; der Beweis des Gegenteils führt nicht zur Verneinung der Anwendbarkeit des Übereinkommens, sondern zur Versagung der Rückgabe156 Zweifelhaft ist weiterhin die Ansicht des OLG Düsseldorf, wonach die tatsächliche Sorgerechtsausübung vom Bestehen eines gemeinsamen Lebensmittelpunktes der Eltern abhängig sein soll. Da nach innerdeutschen Recht auf Grundlage des Kindschaftsreformgesetz die Regelung der elterlichen Sorge nicht mehr im Zwangsverbund mit der Scheidung erfolgt, sondern nur noch auf Antrag eines Elternteil die gemeinsame elterliche Sorge nach der Scheidung in eine alleinige elterliche Sorge umgewandelt wird, damit die gemeinsame elterliche Sorge über die Scheidung hinaus die Regel ist, folgt daraus notwendig deren tatsächliche Ausübungsmöglichkeit an getrennten Lebensmittelpunkten. Nichts anderes kann im Fall der Trennung gelten. Die vom OLG Düsseldorf zugrundegelegte begriffliche Beschränkung ist daher nicht zwingend157. 9. Rückgabeort In der gerichtlichen Praxis treten bisweilen Zweifel an der Anwendung des HKEntfÜ auf, wenn der antragstellende Elternteil nach der Entführung verzogen ist. Dies schadet jedoch nicht, was zunächst daraus folgt, daß nach der Präambel des Abkommens die sofortige Kindesrückgabe in den Staat des gewöhnlichen Aufenthaltes sichergestellt werden soll. Eine Rückführung an den bisherigen Aufenthaltsort ist ausdrücklich nicht vorgesehen, so daß ein Umzug des antragstellenden Elternteils innerhalb desselben Staates einer Rückgabeanordnung nicht entgegensteht158. Das Abkommen will auch das Kindesrecht auf den Erhalt der bisherigen familiären Umgebung schützen, welche vom Aufenthaltsort unabhängig ist159. 156 Richtig OLG Düsseldorf, FamRZ 1994, 181; unzutreffend OLG Düsseldorf FamRZ 1994, 181; die vom Gericht angestellten Erwägungen zur tatsächlichen Ausübung hätten im Rahmen von Art. 13 Abs. 1 a) HKEntfÜ erörtert werden müssen. 157 STAUDINGER/PIRRUNG (Fn.11), Rz. 644; BRUCH (Rz.28), S.748. 158 BACH/GILDENAST (Fn.34), S.42. 159 PÉREZ-VERA (Fn.2), S.55. II. Verfahrenskosten Gemäß Art. 22 HKEntfÜ darf im Rahmen des HKEntfÜ keine Sicherheitsleistung oder Hinterlegung für Verfahrenskosten verlangt werden. Art. 25 HKEntfÜ schreibt den Inländergleichbehandlungsgrundsatz hinsichtlich der Gewährung von Prozeßkosten – und Beratungshilfe vor; d.h. Ausländern ist unter denselben Bedingungen wie Inländern diese Hilfe zu gewähren. Art. 26 Abs.1 HKEntfÜ enthält den Grundsatz, daß jede Zentrale Behörde ihre eigenen Kosten zu tragen hat, also nicht für ihre Bemühungen von einer anderen Zentralen Behörde oder sonstigen Behörde Kostenerstattung verlangen kann. Art. 26 Abs.2 HKEntfÜ sieht die Freistellung des Antragstellers von sämtlichen Kosten vor, einschließlich derjenigen, die nicht von der Prozeßkosten – und Beratungshilfe erfaßt werden. Da diese umfassende Kostenbefreiung äußerst umstritten war, wurde mit Art. 26 Abs. 3 eine Vorbehaltsklausel geschaffen; von dieser Vorbehaltsklausel hat die Bundesrepublik Deutschland Gebrauch gemacht160, so daß dem Antragsteller nur die Prozeßkosten – und Beratungshilfe zusteht. Gem. Art. 26 Abs. 3 S.2 HKEntfÜ kann die Zentrale Behörde stets die Erstattung der Auslagen, die durch die Rückführung entstanden sind, vom Antragsteller verlangen. Insofern bestand Einigkeit unter den Delegationen161. Die Gerichte oder Behörden des ersuchten Staates werden in Art. 26 Abs. 4 ermächtigt, dem Entführer die Erstattung gewisser Kosten aufzuerlegen, z.B. Reisekosten, Kosten für das Auffinden Kindes usw. Einen Kostenvorbehalt gem. Artt. 26 Abs. 3, 42 HKEntfÜ haben auch erklärt: Belize, Dänemark, Finnland, Frankreich, Griechenland, Honduras, Israel, Kanada, Luxemburg, Mauritius, Monaco, Neuseeland, Niederlande, Norwegen, Panama, Polen, St.Kitts und Nevis, Schweden, Simbabwe, Venezuela, vereinigtes Königreich (Großbritannien) und die USA. In den USA ergeben sich bisweilen Schwierigkeiten für die wirtschaftlich nicht leistungsfähige Partei, weil ein flächendeckendes System der Prozeßkostenhilfe noch nicht besteht. Die dortige Zentrale Behörde ist bemüht, in Einzelfällen zur unentgeltlichen Vertretung bereite Rechtsanwälte zu gewinnen. Seit Dezember 1995 ist das International Child Abduction Attorney Network tätig. Gegenwärtig sind in diesem Zusammenschluß mehrere hundert Rechtsanwälte in über 40 Bundesstaaten organisiert. Jeder von ihnen hat sich zur kostenfreien Übernahme einer bestimmten Zahl von HKEntfÜ-Verfahren bereit erklärt162. 160 BGBl. 1991 II, 329. 161 PÉREZ-VERA (Fn.2), Nr.135, S.59. 162 WORKING DOCUMENT NO 6 der US-amerikanischen Delegation, vorgelegt auf der Sitzung der HKEntfÜ Spezialkommission vom 17.März 1997 bis 21. März 1997 in Den Haag. In Kalifornien werden demgegenüber in Entführungsfällen zu Gunsten des antragstellenden Elternteils zumindest die örtlichen Staatsanwaltschaften unentgeltlich tätig163. Ähnlich ist die Rechtslage in Italien, Spanien, Portugal, Frankreich oder Australien. In Übereinstimmung mit Art. 26 Abs. 2 S.3 HKEntfÜ macht die australische Zentrale Behörde vereinzelt ihr Tätigwerden von der Zahlung eines Kostenvorschusses für das Kind abhängig164. Die unentgeltliche Interessenwahrnehmung entfällt, wenn der antragstellende Elternteil die ausländischen Gerichte ohne Einschaltung der Zentralen Behörden gem. Art. 29 HKEntfÜ direkt anruft. Keinen Kostenbeschränkungsvorbehalt haben gem. Artt. 26 Abs.3, 42 HKEntfÜ bisher erklärt: Bosnien-Herzegowina, Burkina Faso, Chile, Ecuador, Irland, Italien, Bundesrepublik Jugoslawien, Kolumbien, Kroatien, Mazedonien, Mexico, Österreich, Portugal, Rumänien, Schweiz165, Slowenien, Ungarn und Zypern. III. Formvorschriften für Schriftstücke Im Schriftverkehr zwischen den Vertragsstaaten darf gem. Art. 23 HKEntfÜ keine Legalisation oder die Beachtung sonstiger Förmlichkeiten verlangt werden. Nicht verboten ist es dagegen, eine Bestätigung der Echtheit von Schriftstücken zu fordern166. Gem. Art. 24 Abs.1 HKEntfÜ sind die Schriftstücke an die Zentrale Behörde in der Originalsprache mit einer Übersetzung in die Amtssprache des ersuchten Staates oder – wenn eine solche nur schwer zu erlangen ist – in die englische oder französische Sprache zu übersenden. Art. 24 Abs.2 HKEntfÜ eröffnet den Vertragsstaaten jedoch die Möglichkeit, die Verwendung entweder der französischen oder der englischen Sprache für Übersetzungen auszuschließen. Die Bundesrepublik Deutschland hat diesen Vorbehalt nicht ausgesprochen. 163 WORKING DOCUMENT NO 6 (Fn.155). 164 WORKING DOCUMENT NO 4 der australischen Delegation, vorgelegt auf der Sitzung der HKEntfÜ Spezialkommission vom 17. März 1997 bis 21. März 1997 in Den Haag. 165 Obwohl die Schweiz Kostenfreiheit gem. Art. 26 Abs.3 HKEntfÜ zugesagt hat, gewährt sie diese im Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland unter Hinweis auf Artt. 19 ff. der Wiener Konvention über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969 (BGBl. 1985 II 926) nicht. Der von der Bundesrepublik Deutschland ihrerseits allgemein erklärte Kostenvorbehalt modifiziere das deutschschweizerische Rechtsverhältnis als Folge fehlender Gegenseitigkeit. 166 PÉREZ-VERA (Fn.2), Nr.131, S.59. Werden bei der Zentralen Behörde der Bundesrepublik Deutschland Schriftstücke in englischer oder französischer Sprache eingereicht, so veranlaßt sie auf ihre Kosten deren Übersetzung ins Deutsche167. IV. Rechtsmittel Eine Entscheidung, die zur Rückführung des Kindes in einen anderen Vertragsstaat verpflichtet, wird erst mit Eintritt der Rechtskraft wirksam, § 8 Abs.1 S.1 SorgeRÜkAG. Obgleich die Rückgabe beschleunigt durchzuführen ist, hielt es der Gesetzgeber wegen des erheblichen Eingriffs in die Interessen des entführenden Elternteils für angezeigt, die Wirksamkeit der Entscheidung von deren Rechtskraft abhängig zu machen168. Gemäß § 8 Abs.2 S.1 SorgeRÜkAG findet gegen eine im ersten Rechtszug ergangene Entscheidung nur das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde zum Oberlandesgericht statt. Die erstinztanzliche Rückgabeentscheidung wird somit nach Ablauf der Zwei-Wochen-Frist des § 22 Abs.1 FGG rechtskräftig. Eine weitere Beschwerde zum BGH ist ausgeschlossen, § 8 Abs. 2 S.3 SorgeRÜkAG. Bei greifbarer Gesetzeswidrigkeit des angefochtenen Beschlusses soll nach der Ansicht des BGH in Einzelfällen eine außerordentliche Beschwerde eröffnet sein169. Dagegen hält eine Literaturmeinung170 die Entscheidung des BGH, weil ohne Rechtsgrundlage, für “greifbar gesetzeswidrig“, worauf jedoch vorliegend nicht näher eingegangen werden soll. Nur in denjenigen Fällen, in denen das zur Entscheidung berufene Oberlandesgericht von der Rechtsauffassung eines anderen Oberlandesgerichts abweichen möchte, hat es die Rechtsfrage gem. § 8 Abs.2 2.Halbs. SorgeRÜkAG, § 28 Abs. 2 und Abs. 3 FGG dem BGH vorzulegen. Es handelt sich hierbei sodann um eine sogenannte weitere Beschwerde in Form der Divergenzvorlage. Beschwerdebefugt sind in Rückgabeverfahren der verpflichtete Antragsgegner, das mindestens 14 Jahre alte Kind sowie das beteiligte Jugendamt, § 8 Abs. 2 S.2 SorgeRÜkAG. Gemäß § 8 Abs. 1 S.2 SorgeRÜkAG kann das Gericht die sofortige Vollziehung der Rückgabeentscheidung vor Eintritt der Rechtskraft anordnen. Es ist hier an Fälle zu denken, in denen die Rechtskraft wegen 167 Vgl. § 2 Abs.3 SorgeRÜkAG. 168 BT-Drucks. 11/5315, S.13. 169 BGH NJW 1993, 153. 170 CHLOSTA, Zulässigkeit der außerordentlichen Beschwerde, NJW 1993, 2160. absehbarer Zustellungsschwierigkeiten erst erheblich später als üblich eintreten würde171. In der Praxis wird von der Möglichkeit sofortiger Vollziehung hinaus Gebrauch gemacht, wenn das Kindeswohl die sofortige Rückführung in einen anderen Vertragsstaat gebietet172. Ist das Kind im Zeitpunkt der Entscheidung durch die Rechtsmittelinstanz bereits in das Ausland verbracht worden, kann Hauptsachenerledigung mit entsprechender Kostenfolge festgestellt werden173. Betrifft die erstinztanzliche Entscheidung ein Umgangsrecht, so ist deren Wirksamkeit nicht an den Eintritt der Rechtskraft geknüpft. § 8 Abs. 1 SorgeRÜkAG findet keine Anwendung. Die Entscheidung wird vielmehr nach Verkündung und Zustellung wirksam, §§ 6 Abs. 1, 8 Abs. 2 SorgeRÜkAG, §§ 621a Abs. 1 S.1, 2, 329 Abs. 1 und Abs. 3 ZPO, §§ 16 Abs. 1, 22 Abs. 1 FGG. V. Vollstreckung Rückgabeentscheidungen sind gem. § 33 FGG zu vollstrecken. Das gilt grundsätzlich auch für Umgangsrechtsentscheidungen. Jedoch wird hier die zwangsweise Durchsetzung gegen den Willen des Kindes, anders als bei Weigerung des verpflichteten Elternteils nicht in Betracht kommen174. Nach ganz herrschender Meinung ist der Vollstreckungsauftrag vom Gericht auf Verlangen des herausgabeberechtigten Elternteils zu erteilen175. Die abweichende Ansicht des AmtsG Wangen176, bei Antragsverfahren sei nur der Begünstigte zur Auftragserteilung befugt, hat sich bisher nicht durchgesetzt. Im Beschlußtenor sollte die HKEntfÜ-spezifische Vollstreckbarkeitsbestimmtheit berücksichtigt werden. Gemäß Art. 12 Abs. 1 HKEntfÜ ist die sofortige Rückgabe des Kindes anzuordnen. Bei dieser Rückgabeanordnung handelt es sich materiell um eine 171 BT-Drucks. 11/5315, S.13f. 172 AmtsG AUGSBURG, Beschluß v. 17. März 1994 –1 F 227/93-; AmtsG OLDENBURG, Beschluß v. 21. März 1997 –51F 26/97-. 173 OLG München, Beschluß v. 26. März 1997 – 4 UF 1/97-; a.A.. KG, Beschluß vom 9. Dezember 1992 – 3VR 6402/92; STAUDINGER/PIRRUNG / (Fn11), Rz.861 m.w.N. 174 BACH/GILDENAST (Fn.34), S.75. 175 KEIDEL/KÜNTZEL/WINKLER, FG, Teil A, 13. Aufl., § 33 FGG Rz.48, m.w.N. 176 AmtsG WANGEN, FamRZ 1989, 527. Herausgabeentscheidung177. Es sind daher die näheren Umstände dieser Herausgabe abkommensadäquat zu spezifizieren. Vollstreckungsrechtlich zweifelhaft erscheint unter diesem Gesichtspunkt ein Beschluß des AmtsG Viechtach in einem deutsch-amerikanischen Verfahren. Es hatte angeordnet: „Maria M. hat das Kind Stephan M.,.... sofort in den Staat Utah, USA, zurückzubringen“178. Eine zwangsweise durchsetzbare Verpflichtung der Kindesmutter zur eigenhändigen Rückführung des Kindes in seinen Heimatstaat läßt sich aus dem HKEntfÜ nicht herleiten. Zudem war der aus dem Beschluß berechtigte Vater zwischenzeitlich nach Nebraska verzogen. Auch unter diesem Gesichtspunkt erwies der Beschluß als nicht vollstreckbar. Zur Vermeidung von Unklarheiten bei der Vollstreckung sollte daher wie folgt tenoriert werden:179 1. Es wird die Herausgabe des Kindes..., geboren am..., an den Antragsteller oder eine von ihm/Ihr bestimmte Person zum Zwecke der sofortigen Rückführung des Kindes nach/in die .... angeordnet. 2. D.. Antragsgegner.... oder jede andere Person, bei der sich das Kind.....aufhält, ist verpflichtet, das vorgenannte Kind an d...Antragsteller oder einer von ihm/ihr bestimmte Person herauszugeben. Der zwischenzeitliche Umzug des berechtigten Vaters hindert die Rückgabe nicht. In dem Tenorierungsvorschlag zu Ziff. 2 wird Umzügen von herausgabeberechtigten Elternteilen vorgebeugt. Bei der Rückgabevollstreckung ist neben Androhung und Festsetzung eines Zwangsgeldes oder von Zwangshaft die Anordnung unmittelbaren Zwangs gem. § 33 Abs.2 FGG ausdrücklich vorgesehen180. Untunlich ist die Zwangsgeldfestsetzung, wenn sie von vornherein nicht geeignet ist , den Willen des herausgabepflichtigen Elternteils zu beugen, etwa bei dessen Vermögenslosigkeit. 177 STAUDINGER/PIRRUNG (Fn.11), Rz.677. 178 AmtsG VIECHTACH, Beschluß v. 10.1.1996 –F165/95-. 179 Tenorierungsvorschlag von BACH/GILDENAST (Fn.34), S.76. 180 Die Gesetzesänderung erfolgte in Ausführung des HKEntfÜ, vgl. Art.2 Gesetz zur Ausführung von Sorgerechtsübereinkommen und zur Änderung des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit sowie anderer Gesetze vom 5.April 1990 (BGBl. I 1990 701). Zweckmäßig ist die Verbindung von Rückgabeanordnung und besonderer Verfügung zur Anwendung unmittelbaren Zwangs in einem Beschluß mit folgendem Tenor: 1. Rückgabeanordnung181 2. Der Vollstreckungsbeamte ist befugt, zur Herausgabe des Kindes notfalls unmittelbaren Zwang anzuwenden und um Unterstützung der polizeilichen Vollzugsorgane nachzusuchen. 3. Die Zwangsvollstreckung aus diesem Beschluß findet ohne Erteilung einer Vollstreckungsklausel statt182. Werden Rückgabebeschlüsse gemäß § 8 Abs.1 S.2 SorgeRÜkAG sofort vollziehbar erklärt oder handelt es sich um eine nicht anfechtbare und damit rechtskräftige Entscheidung des Beschwerdegerichts, sollte deklaratorisch festgestellt werden, daß die Zwangsvollstreckung ohne Erteilung einer Vollstreckungsklausel stattfindet183. Oftmals kommt es durch das Fehlen dieser Klarstellung zu Unsicherheiten und Verzögerungen bei der Vollstreckung. 181 S. 34. 182 Inhaltlich so KG, Beschluß vom 30.Oktober 1996 –3UF 6792/96-. 183 So OLG KARLSRUHE, Beschluß vom 9. Januar 1997 – 5 UF 186/96-. VI. Rechtliche Würdigung 1. Rechtliches Instrumentarium und räumlich beschränkter Anwendungsbereich Das HKEntfÜ sieht die Lösung des Kindesentführungsproblems in der sofortigen Wiederherstellung des vor der Entführung tatsächlich bestandenen Obhutsverhältnisses ( Präambel Artt. 1a) und 12 HKEntfÜ ). Das Sorgerechtsverhältnis ist nicht Regelungsmaterie des Übereinkommens (Art.19 HKEntfÜ). Rechtsfragen werden weitestgehend ausgespart184. Da maßgeblich auf das bestandene Obhutsverhältnis abgestellt wird kann erstmalig sowohl einem mitsorgeberechtigtem Elternteil gleichermaßen Schutz gewährt werden wie einem alleinsorgeberechtigten Elternteil (Art. 3 Abs.1 HKEntfÜ). Dem beraubten mitsorgeberchtigtem Elternteil wird damit der zeitraubende Prozeß der alleinigen Sorgerechtszuteilung erspart und daher effektiver Rechtsschutz gewährt. Dieser Lösungsansatz ermöglichte es, das Übereinkommen einfach in seiner Struktur und damit auch in seiner Anwendung zu halten185. Die zu prüfenden Tatbestandsvoraussetzungen der Rückgabe reduzieren sich auf das Merkmal der Widerrechtlichkeit des Verbringens bzw. Zurückhaltens (Art. 3 HKEntfÜ). Die Entscheidungsfindung wird dadurch erheblich beschleunigt, so daß das Rückgabeverfahren zu Recht als “entformalisiertes Schnellverfahren“186 bezeichnet worden ist. Das diesbezügliche Verständnis von dem Verfahren hat den im Kindeswohl liegenden Vorteil, daß lange Gerichtsverfahren vermieden werden, die häufig zur Folge hatten, daß ein mühsam erfolgter Integrationsprozeß nicht mehr ohne Schaden für das Kind rückgängig gemacht werden konnte187. Durch die Überwindung der traditionellen Anerkennungs – und Vollstreckungsvoraussetzungen konnten zudem die Versagungsgründe sehr restriktiv gehalten werden, so daß der Entführer keinen Vorteil aus seinem Rechtsbruch ziehen kann188. 184 BÖHMER, Die 14. Haager Konferenz über internationales Kindesentführungsrecht in RabelsZ 46, 643, 650; JORZIK (Fn.5), S.60. 185 JORZIK (Fn.5), S.60. 186 BÖHMER RabelsZ (Fn.184), 643, 646; JORZIK (Fn.5), S.60. 187 188 BAER, Legal Kidnapping, Zwei internationale Abkommen werden demnächst von der Bundesrepublik ratifiziert, in ZRP 1990, 209ff. MÜNCHKOMM.-SIEHR (Fn.3), Rz.57. Der Sorgerechtsstreit ist vor dem zuständigen Gericht des bisherigen Aufenthaltsortes zu führen189. Das bringt unter anderem den wesentlichen Vorteil mit sich, daß dort die meisten Informationen über die soziale Lage des Kindes zu erhalten sind. Damit ist weitestgehend dafür Sorge getragen, daß eine richtige Sorgerechtsentscheidung getroffen wird190. Dies alles hat zur Folge, daß dem Entführer, der mit dem Aufenthaltswechsel angestrebte Vorteil genommen wird, ein ihm als günstig erscheinendes Gericht über das Sorgerecht entscheiden zu lassen191. Die Ausklammerung der Frage des Sorgerechts hat aber auch Kritik erfahren192. Der Konvention wurde u.a. entgegengehalten die Gefahr, daß das Kind immer wieder aus seiner vertrauten Umgebung gerissen werde, verkannt zu haben193. Wird dem Rückgabeantrag nach dem HKEntfÜ stattgegeben und dann erst über das Sorgerecht entschieden, so könne dies bedeuten, daß dem Entführer in dem nachfolgenden Verfahren das Sorgerecht zugesprochen wird und dieser das Kind erneut an den Entführungsort bringt194. Nicht zu bestreiten ist, daß die beschriebene Situation im Einzelfall tatsächlich vorkommen und mit nicht zu verkennenden Belastungen für das Kind verbunden sein kann. Diese Tatsache vermag nach Erachten der Verfasserin jedoch nicht das rechtliche Instrumentarium in Frage zu stellen. Erstens bleibt bei der Forderung zunächst die Sorgerechtsfrage zu klären und erst anschließend über das Rückgabeverfahren zu entscheiden gänzlich unberücksichtigt, daß damit zu Lasten des Kindes erhebliche Zeit verstreicht195. Im übrigen darf der präventive Charakter der Konvention nicht außer Acht gelassen werden: Sie zielt letztlich darauf ab, willkürliche Aufenthaltswechsel von vornherein zu verhindern, indem sie dem Entführer die durch die Entführung erhofften Vorteile entzieht 196. Dazu gehört vornehmlich, daß durch die schnelle Rückführung dem Entführer die Chance genommen wird, die Entscheidung der Sorgerechtsfrage allein mit Hinweis auf den Zeitablauf zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Ein entscheidender Nachteil des Übereinkommens liegt darin, daß es auf dem Prinzip der Gegenseitigkeit beruht. Dem Zweck, Kindesentführungen zu verhindern, wäre es förderlicher gewesen, wenn sich die Vertragsstaaten 189 PÉREZ-VERA (Fn.2), Nr.19, S.41; Nr. 66, S.48; ANTON (Fn. 5), 537, 556. 190 JORZIK (Fn.5), S.61. 191 BRUCH, Elterliches Sorgerecht, S.405, 418 ff. 192 HÜßTEGE, UCCJA, S.218; JORZIK (Fn.5), S.61. 193 HÜßTEGE, UCCJA, S.219. 194 HÜßTEGE, UCCJA, S.219. 195 JORZIK (Fn.5), S.62. 196 JORZIK (Fn.5), S.62. verpflichtet hätten, alle entführten Kinder herauszugeben, unabhängig davon, ob sie aus einem Vertragsstaat oder einem Nichtvertragsstaat des HKEntfÜ entführt wurden197. Dieser Auffassung schließt sich die Verfasserin an. Das Übereinkommen hat sich in Art. 4 HKEntfÜ eine zu starke Selbstbeschränkung auferlegt, wenn es fordert, daß das Kind unmittelbar vor der Entführung seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem Vertragsstaat gehabt haben muß. Wird das Kind in einen Nichtvertragsstaat verbracht und bleibt es dort so lange, bis es seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Vertragsstaat verloren hat, dann kann der Entführer mit seinem Kind beruhigt in einen Vertragsstaat seiner Wahl einreisen, ohne daß die Mechanismen der Konvention eingreifen. Ein – wenn auch einseitiges - Bekenntnis, Kindesentführungen nicht mehr legalisieren zu wollen, hätte die eindeutige Botschaft gesandt, das Kindeswohl kompromißlos zu beachten. Damit wäre auch der Effekt verbunden gewesen, daß Nichtvertragsstaaten sich schneller zu einem Beitritt bereit erklären, als durch Nichtrückgabe ihrer minderjährigen Kinder. Dieser Argumentation kann auch nicht entgegengehalten werden, daß – wenn die Vertragsstaaten auch hinsichtlich Nichtvertragsstaaten das HKEntfÜ einhalten - die Nichtvertragsstaaten bereits in den Genuß sämtlicher Vorteile kommen, ohne sich selbst zu verpflichten und somit für sie kein Anreiz mehr besteht, der Konvention beizutreten. Der Anreiz liegt noch immer in der Einschaltung der Zentralen Behörden und in der internationalen Zusammenarbeit. Bei dem Prinzip der Gegenseitigkeit wird der Erfolg des HKEntfÜ jedoch davon abhängen, daß viele Staaten dem Übereinkommen beitreten. Die bisher erfolgte Vielzahl von Beitritten ( 52 nur im Verhältnis zu Deutschland ) geben Anlaß zur Hoffnung. Eine wichtige Rolle spielen sicherlich die Organe der Rechtspflege, also die Rechtsanwender. Die Konvention ist bei Rechtsanwälten und Jugendämtern vermehrt bekanntzumachen, damit das Übereinkommen größtmöglich zur Anwendung gelangt. Außerdem wird ein Bewußtseinswandel bei den entscheidenden Stellen notwendig sein, sich von der bisherigen Praxis des legal kidnapping abzuwenden und die Ziele des Übereinkommens nicht zu vereiteln198. Wie an anderer Stelle bereits dargelegt, scheint die stringente Anwendung der Konvention den deutschen Gerichten noch einige Schwierigkeiten zu bereiten.199Diesbezüglich ist jedoch durch das neue Gesetz zur Änderung von 197 STURM, FS FÜR NAGEL, S. 457, 472. 198 JORZIK (Fn.5), S.66. 199 Eine Zusammenstellung von deutschen, französischen, englischen, österreichischen, italienischen und schweizerischen Gerichtsentscheidungen zum HKEntfÜ findet sich in der Veröffentlichung eines Vortrages von Prof. Dr. Hohloch anläßlich der Jahresarbeitstagung Familienrecht 1999, in der Schriftenreihe des Deutschen Anwaltsinstitutes: Brennpunkte des Familienrechts 1999. Zuständigkeiten nach dem SorgeRÜkAG , in Kraft seit dem 1. Juli 1999 zu erwarten, daß durch die Zuständigkeitskonzentration an einem Familiengericht eines OLG-Bezirkes die Richter durch eine Vielzahl von sodann zu bearbeitenden Fällen das HKEntfÜ abkommensadäquat anwenden werden . 2. Kindeswohl In der Konvention selbst taucht der Begriff des Kindeswohls an keiner Stelle auf. Dennoch wurde das Übereinkommen in der Überzeugung ausgearbeitet, dem Wunsch zu entsprechen, das Kind vor den Nachteilen eines widerrechtlichen Verbringens oder Zurückhaltens zu schützen. Die Nichtverwendung des Kindeswohlbegriffes hat seine Ursache unter anderem darin, daß dieser Begriff bislang häufig dazu mißbraucht wurde, das Verbleiben des Kindes im Zufluchtstaat zu rechtfertigen200. Das Kind wird vom Übereinkommen nicht lediglich als Spielball seiner Eltern behandelt, sondern es steht im Mittelpunkt des Schutzes und zwar vorrangig der Schutz des Kindes vor einem Herausreißen aus seiner vertrauten Umgebung201. Rückgabevoraussetzung ist nämlich nicht nur das bestehende Sorgerecht beim beraubten Elternteil, sondern zusätzlich auch die tatsächliche Ausübung des Sorgerechts, Artt. 3 Abs. 1b), 13 Abs. 1a) HKEntfÜ. Zum Ausdruck kommt damit, daß nicht lediglich der Schutz des einem Elternteil zugesprochenen Sorgerechts bezweckt wird. Eine inländische Behörde sollte nur dann von einer Rückführung absehen, wenn die Rückführung selbst und die nach der Rückführung entstehende Situation das Wohl des Kindes voraussichtlich ernsthaft gefährden oder wenn eine zwangsweise Rückführung das Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG) fast volljähriger Kinder verletzen würde202. Eine Devise, der die entscheidenden Stellen gelegentlich nachgehen und die da heißt “home sweet home“ 203 ist nicht zu befürworten. Auch die Schaffung eines selbständigen Versagungsgrundes in Art. 13 Abs. 2 HKEntfÜ bestätigt, daß es nicht um die Durchsetzung possesiver Rechte geht. Ab einem bestimmten Alter und einer entsprechenden Reife wird dem Kind zugetraut, selbst bestimmen zu können, was in seinem Interesse liegt. Für die ernsthafte Beachtung des Kindeswohls spricht außerdem die Einschaltung der Behörden des bisherigen gewöhnlichen Aufenthaltsstaates bei 200 PÉREZ-VERA (Fn.2), Nr.22, S.41. 201 PÉREZ-VERA (Fn.2), Nr.22, S.41. 202 MÜNCHKOMM.-SIEHR, Ergänzung zu Art. 19 EGBGB, Anhang I, Rz. 150. 203 MÜNCHKOMM-SIEHR (Fn.202), Rz.150. der Frage des Vorliegens eines Versagungsgrundes (Art. 13 Abs. 3 HKEntfÜ). Diese Behörden können zumeist ein objektives Bild über die soziale Lage des Kindes vermitteln, wohingegen die Behörden des Zufluchtsstaates allein wegen des erst kurzen Aufenthaltes darüber kaum verläßliche Auskünfte zu geben vermögen. Auch die Einbeziehung des Schutzes von Besuchsrechten (Art. 21 HKEntfÜ) dient dem Kindeswohl. Es soll erreicht werden, persönliche Beziehungen des Kindes zu beiden Elternteilen zu erhalten, um eine ausgeglichene Entwicklung seiner Persönlichkeit zu erreichen204 Darüberhinausgehend bezweckt der Schutz der Besuchsrechte, präventiv Kindesentführungen zu vermeiden205, zu denen sich ein Elternteil gegebenenfalls veranlaßt sieht, wenn er anders den Kontakt zum Kind nicht zu verwirklichen können meint. 3. Zuständigkeitskonzentration seit dem 1. Juli 1999 Durch das Gesetz zur Änderung von Zuständigkeiten nach dem SorgeRÜkAG (BGBl. 1999 I, 702) – in Kraft seit dem 1 Juli 1999 ist die lange fällige Zuständigkeitskonzentration vorgenommen worden. Danach ist nunmehr nur noch ein Familiengericht für den Bezirk eines Oberlandesgerichts örtlich zuständig. Die Landesregierungen sind ermächtigt, die Zuständigkeit durch Rechtsverordnung abweichend zu regeln, wenn in einem Bundesland mehrere Oberlandesgerichte errichtet sind. Hierdurch wird eine notwendige Vereinheitlichung der Rechtsprechung herbeigeführt werden können sowie der internationalen Bedeutung des HKEntfÜ gerecht werden. In der Vergangenheit hatte die fehlerhafte gerichtliche Anwendung des HKEntfÜ durch eine Vielzahl von Familiengerichten unter Umständen ein völkerrechtliches Delikt dargestellt, weil die von der Bundesrepublik Deutschland eingegangenen Verpflichtungen nicht erfüllt wurden206. Hierbei wird das Problem zwischen zunehmender internationaler Verpflichtung und deren angemessener Umsetzungsmöglichkeit im Innenverhältnis deutlich, demgegenüber nach Ansicht der Verfasserin das neue Gesetz zur Änderung von Zuständigkeiten einen Fortschritt bedeutet. 204 MÜLLER-FREIENFELS (Fn.36), 120, 122. 205 JORZIK (Fn.5), S.64, m.w.N. 206 BACH, FamRZ 1997, 1059. 3. Abschnitt I. Kindesentführungen aus der Bundesrepublik Deutschland Bei Entführungsfällen in das Ausland war der betroffene Elternteil bis zum Inkrafttreten des HKEntfÜ gehalten, zunächst eine inländische Sorgerechtsentscheidung zu seinen Gunsten zu erwirken, um diese nachfolgend im Zufluchtsstaat anerkennen und vollstrecken zu lassen207. Eine allgemeine Rechtspflicht zur Rückgabe entführter Kinder bestand nicht208. Die rechtliche wie tatsächliche Lage hat sich durch das HKEntfÜ wesentlich verbessert. 1. Allgemeines Im Jahr 1998 sind über die deutsche Zentrale Behörde 84 in das Ausland gehende Ersuchen gestellt worden. Die meisten Ersuchen betrafen die USA 209, gefolgt von Italien210 und Spanien211. Die Zusammenarbeit der Zentralen Behörden ist einheitlich von dem Willen geprägt, die Bestimmungen des HKEntfÜ wirksam umzusetzen. Unterschiede in der Stellung dieser Behörden im jeweiligen staatlichen Organisationsgefüge verbunden mit jeweils differenzierten Auffassungen über den auslegungsfähigen Aufgabenbereich des Art. 7 HKEntfÜ können sich jedoch in der Praxis auswirken212 Der Gerichtsaufbau in den Vertragsstaaten ist gleichfalls unterschiedlich. So haben z.B. Finnland, Irland, England, Schottland sowie Australien Zentralgerichte für das HKEntfÜ – Verfahren errichtet, während in den USA, Frankreich, Polen und Israel die Zuständigkeit auf zahlreiche Gerichte verteilt ist. In den USA können zudem wahlweise die Gerichte auf bundesstaatlicher Ebene oder einzelstaatlicher Ebene angerufen werden. Über die Effektivität der ausländischen Gerichte läßt sich eine allgemeine Aussage nicht treffen. Jedoch hat sich die Schaffung von Zentralgereichten bei 207 Vgl. zur früheren Rechtslage JORZIK (Fn.5), S.3 m.w.N. 208 JORZIK (Fn.5), S.3 m.w.N. 209 19 Verfahren. 210 11 Verfahren. 211 8 Verfahren. 212 BACH/GILDENAST (Fn.34), S.79. der Anwendung des HKEntfÜ bewährt.213. Die ausländischen Gerichte wenden als Folge des internationalen Charakters des HKEntfÜ bei ihren Entscheidungen dieselben HKEntfÜ – Vorschriften an wie die deutschen Gerichte. Auf die obigen Ausführungen bezüglich Rückführungs – wie Umgangsrechtsersuchen kann somit verwiesen werden. 2. Übersetzungen Die dienstliche Korrespondenz zwischen den meisten Zentralen Behörden wird auf der Arbeitsebene in englischer Sprache abgewickelt. Formelle Anträge sowie für die Gerichte bestimmte Schriftstücke werden der zentralen Behörde des ausländischen ersuchten Staates in der Originalsprache zugesandt, Art. 24 1. Halbs. HKEntfÜ. Sie müssen jedoch von einer Übersetzung in die Amtssprache des ersuchten Staates begleitet sein, Art. 24 Abs.2 2.Halbs. HKEntfÜ. Werden in einem Vertragsstaat mehrere Amtssprachen gesprochen, wie z.B. in der Schweiz oder Kanada, sind die Schriftstücke in die im betreffenden Landesteil gesprochene Sprache zu übersetzen, Art. 24 2. Halbs., 2.Alt. HKEntfÜ. Aus der Bundesrepublik Deutschland ausgehende Ersuchen sind daher die maßgeblichen Schriftstücke (Gerichtsentscheidungen, Urkunden etc.) in deutscher Sprache sowie der Amtssprache des jeweiligen ersuchten Staates beizufügen. Der Umfang der zu übersetzenden Dokumente hängt vom Einzelfall ab. Inhaltlich müssen sich jedoch die Voraussetzungen der Artt. 3, 12 HKEntfÜ ergeben. Die deutsche Zentrale Behörde verfügt für Anträge nach Art. 8 HKEntfÜ über fremdsprachige Vordrucke, so daß nur noch die fallbezogenen Angaben und beizufügenden Urkunden der Übersetzung bedürfen214. Die Übersetzung von amtlichen Dokumenten sollte in beglaubigter Form gefertigt werden215. Erforderliche Übersetzungen fertigt die deutsche Zentrale Behörde auf Kosten des antragstellenden Elternteils, § 11 Abs. 2 S.1 SorgeRÜkAG. Liegen die persönlichen und wirtschaftlichen Voraussetzungen für Prozeßkostenhilfe ohne Ratenzahlung vor, kann das Amtsgericht, in dessen 213 BACH/GILDENAST (Fn.34), S.79. 214 Für Rückgabeanträge liegen derzeit Vordrucke in Englisch, Französisch, Spanisch, Portugiesisch, Italienisch, Schwedisch, Ungarisch, Serbo-Kroatisch und Polnisch vor. Für Umgangsrechtsanträge liegen Vordrucke in Englisch, Französisch, Spanisch und Portugiesisch vor. 215 A.A. STAUDINGER/PIRRUNG (Fn.11), Rz. 706 unter Hinweis auf Art. 3 III Haager Zivilprozeßübereinkommen vom 1. März 1954, wo anders als im HKEntfÜ, weitergehende Förmlichkeiten zu beachten sind. Bezirk der antragstellende Elternteil seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, von der Erstattungspflicht einstweilen befreien, § 11 Abs.2 S.2 SorgeRÜkAG. Ist eine Übersetzung in die Amtssprache des ersuchten Staates schwer erhältlich, so sind die Originaldokumente zumindest in die englische oder französische Sprache zu übersetzen, Art. 24 2.Halbs. 3.Alt. HKEntfÜ. Dieser Bestimmung kommt für aus der Bundesrepublik Deutschland ausgehende Ersuchen keine Bedeutung zu, weil im Inland Übersetzungen in die Amtssprachen der übrigen HKEntfÜ-Vertragsstaaten ohne weiteres möglich sind. Die Vertragsklausel richtet sich vielmehr an Staaten, denen aufgrund ihrer geringen Bevölkerungszahl und kulturellen Ferne zum ersuchten Staat eine Übersetzung praktisch nicht möglich ist216 . So dürften im Karibikstaat St. Kitts und Nevis finnische Übersetzungen schwer erhältlich sein. Gemäß Art. 24 2.Halbs. 3.Alt. HKEntfÜ dürfte dieser Staat ein Ersuchen an Finnland ausschließlich in englischer Sprache richten. Gegen die Verwendung des Französischen als Hilfssprache hat Finnland einen Vorbehalt gem. Artt. 24 Abs.2, 42 HKEntfÜ angebracht. Ebenso: Belize, Dänemark, Griechenland, Neuseeland, Norwegen, USA, Island. Einen Vorbehalt gegen die Verwendung des Englischen als Hilfssprache haben Frankreich und Quebec erklärt. Die Bundesrepublik Deutschland hat keinen Vorbehalt gegen die Verwendung einer der beiden Hilfssprachen angebracht. Sie hat jedoch anläßlich der Ratifikation auf das grundsätzliche Erfordernis einer deutschen Übersetzung hingewiesen217. Das Übersetzungserfordernis stellt eine wesentliche Förmlichkeit des HKEntfÜVerfahrens dar, bei dessen Nichterfüllung die betroffene Zentrale Behörde die Antragsbearbeitung ablehnen kann, Art. 27 HKEntfÜ. Dieser Fall ist bisher noch nicht eingetreten. In der Vergangenheit ist Art. 24 HKEntfÜ noch nicht in allen Fällen genügend beachtet worden218. 3. Widerrechtlichkeitsbescheinigung Das ausländische zur Entscheidung berufene Gericht kann vor Anordnung der Rückgabe vom antragstellenden Elternteil die Vorlage einer behördlichen Erklärung verlangen, aus der sich ergibt, daß die Entführung widerrechtlich nach dem Heimatrecht des Kindes war, Art. 15 HKEntfÜ. 216 BACH/GILDENAST (Fn.34), S.81. 217 BGBl. 1991 II 329; STAUDINGER/PIRRUNG (Fn.11), Rz.708. 218 BACH/GILDENAST (Fn.34) Fn. 219. In der Bundesrepublik Deutschland ist diese sog. Widerrechtlichkeitsbescheinigung gem. § 10 SorgeRÜkAG von den Familiengerichten durch einen begründeten Beschluß zu erteilen, §§ 6 Abs.1, 10 SorgeRÜkAG. Der Beschluß muß inhaltlich die Voraussetzungen von Art. 3 HKEntfÜ darlegen. Zweckmäßig könnte folgende Fassung sein219: Das Verbringen220 des Kindes durch den/die .....am..... aus der Bundesrepublik Deutschland nach..... ist widerrechtlich gemäß Art.3 HKEntfÜ221. Der/die am..... geborene.....ist das gemeinsame Kind d... Antragsteller..... und d... Antragsgegner..... . Das Kind lebte zusammen mit seinen Eltern bis zum..... in..... . Nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland steht den verheirateten Eltern das Sorgerecht gemeinsam zu ( § 1626 BGB )222. Am..... verließ der/die Antragsgegner/in..... mit dem Kind dessen gewöhnlichen Aufenthaltsort223 in..... und brachte es ohne Wissen/gegen den Willen d.....Antragsteller/in.....nach.....224. Das Sorgerecht wurde bis zum Zeitpunkt des Verbringens am....von den Eltern tatsächlich gemeinsam ausgeübt225. Die Widerrechtlichkeitsbescheinigung ist keine im ersten Rechtsweg ergangene Endentscheidung in Familiensachen des § 621 Abs. 1 Nr.1 bis 3,6, 7, 9 ZPO. Es handelt sich vielmehr um eine Zwischenentscheidung im Rahmen des HKEntfÜ-Rückführungsverfahrens. Sie kann daher mit der einfachen Beschwerde vom entführenden Elternteil angefochten werden226. II. Entführungen in oder aus Nichtvertragsstaaten 219 Der Formulierungsvorschlag nach BACH/GILDENAST betrifft den Fall einer Entführung durch den anderen Elternteil. Modifizierungen sind je nach Sachverhalt erforderlich. 220 Bzw. das Zürückhalten, Art. 3 Abs. 1 2. Alt. HKEntfÜ. 221 Diese Feststellung sollte ausdrücklich vorab getroffen werden. 222 Art. 3 I a) HKEntfÜ. 223 Art. 3 I a) HKEntfÜ. 224 Bzw. bei widerrechtlichen Zurückhalten: “und führte es abredewidrig nach Beendigung eines bis zum.....befristeten Besuchs nicht in die Bundesrepublik Deutschland zurück“. 225 Art. 3 I b) HKEntfÜ. 226 OLG FRANKFURT AM MAIN, Beschluß vom 25. Februar 1997 –6 UF 284/96-. 1. Entführungen in die Türkei Die Türkei ist der einzige Vertragsstaat des MSA, der weder dem HKEntfÜ noch dem ESorgeRÜ beigetreten ist. Das hat zur Folge, daß sowohl auf die Sorgerechtsentscheidung als auch auf die Entscheidung über die Rückführung des Kindes die Vorschriften des MSA bzw. die autonomen Regelungen anwendbar bleiben. Eine Verdrängung findet insofern weder nach Art. 34 S.1 HKEntfÜ noch gem. Art. 20 Abs.1 ESorgeRÜ statt. Für die Sorgerechts – und Herausgabeentscheidungen bleiben die deutschen Gerichte gemäß Art. 1 MSA entsprechend der bisher gehandhabten Faustregel für die soziale Eingliederung bis zum Ablauf von sechs Monaten international zuständig; sie könne diese gemäß Art. 2 MSA nach deutschem Sachrecht treffen227. Nach Eintritt der sozialen Eingliederung wenden die türkischen Behörden gemäß Art. 1 MSA ihr Sachrecht an. 2. Entführungen in einen der übrigen Nichtvertragsstaaten Bis zum Ablauf von sechs Monaten verbleibt den deutschen Gerichten die internationale Zuständigkeit gemäß Art. 1 MSA; insoweit ist die Sachentscheidung entsprechend Art. 2 MSA nach deutschem Recht zu treffen. Danach ist das MSA nicht mehr anwendbar (vgl. Art. 13 MSA), und die allgemeinen Regeln über die internationale Zuständigkeit greifen ein. Verlieren die deutschen Gerichte ihre internationale Zuständigkeit, so kann allein im Zufluchtsstaat eine Entscheidung erwirkt werden. Die internationale Zuständigkeit des Nichtvertragsstaates richtet sich nach seinen autonomen Regelungen. Das anzuwendene Recht wird durch sein Kollisionsrecht bestimmt. 4. I. Abschnitt Ersuchen um Umgangsregelung innerhalb der Bundesrepublik Deutschland Mit Art. 21 HKEntfÜ wird dem nichtsorgeberechtigten Elternteil eine Hilfestellung bei der Durchsetzung des Rechts zum persönlichen Umgang mit seinem Kind angeboten. Das Übereinkommen erhebt keineswegs den Anspruch, das Umgangsrecht erschöpfend zu regeln228. Mit dem gewährleisteten Schutz 227 JORZIK (Fn.5), S. 24. 228 PÉREZ-VERA (Fn.2), Nr. 119, S.56. auch des Besuchsrechts soll eine mögliche Ursache der Kindesentführung beseitigt werden. Dadurch, daß dem nichtsorgeberechtigtem Elternteil geholfen wird, den Kontakt zum Kind aufrechtzuerhalten, wird er vielleicht davon abgehalten, mittels einer Entführung den persönlichen Umgang mit dem Kind zu erzwingen. In Art. 21 Abs. 1 HKEntfÜ ist vorgesehen, daß ein Antrag auf Durchführung oder wirksame Ausübung des Rechts zum persönlichen Umgang in derselben Weise an die Zentrale Behörde eines Vertragsstaates gerichtet werden kann wie ein Rückgabeantrag. Art. 21 Abs.1 HKEntfÜ umfaßt seinem Regelungsinhalt nach die Durchsetzung eines bereits bestehenden Umgangsrechts wie auch dessen erstmalige Begründung229, obwohl der Wortlaut dies nicht hinreichend zum Ausdruck bringt230. Offengeblieben ist die Antwort auf die Frage, an welche Rechtsordnung für den Bestand eines Umgangsrechts anzuknüpfen ist. Anders als Art. 3 Abs.1 a) HKEntfÜ, welcher auf den gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes abstellt, sieht Art. 21 HKEntfÜ kein Anknüpfungsmoment vor. Entsprechend dem internationalem Anwendungsbereich des Abkommens könnte neben dem Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes auch das Recht des Staates des antragstellenden Elternteils in Betracht kommen. Es wird die Auffassung vertreten, daß für den Bestand und das ggf. zu beachtende Verfahren das Recht am gewöhnlichen Aufenthaltsort maßgebend sei231, weil die Rechtsordnung im Heimatstaat des Kindes infolge ihrer Sachnähe die interessenadäquateste Regelung verspricht232. Dieser Auffassung ist nicht zuzustimmen. Die in Art. 21 Abs.1 HKEntfÜ ausgesprochenen Verweisung auf die Regelungen über den Rückgabeantrag auf Art. 8 Abs.1 HKEntfÜ bedeutet, daß Adressat des Antrages bezüglich des Umgangsrechts jede Zentrale Behörde eines Vertragsstaates sein kann 233. In Betracht kommen folglich die Zentrale Behörde am gewöhnlichen Aufenthaltsortes des Kindes, wie auch des Antragstellers234. Gegenstand dieses Antrags ist die “Durchführung oder wirksame Ausübung“ des Rechts . Unter dem Begriff “Durchführung“ ist auch die Begründung eines Besuchsrechts zu verstehen235. 229 STAUDINGER/PIRRUNG (Fn.11), Rz.699; MÜNCHKOMM.-SIEHR (Fn.3), Rz.70. 230 Zutreffend insoweit die Kritik bei MÜNCHKOMM.-SIEHR (Fn.3), Rz.70. 231 STAUDINGER/PIRRUNG (Fn.11), Rz.700 m.w.N.; AmtsG AUGSBURG, Beschluß vom 22. Oktober 1992 –4F 2066/91-. 232 BACH/GILDENAST (Fn.34), S. 67. 233 MÜNCHKOMM. SIEHR (Fn.3), Rz. 74; JORZIK (Fn.5), S.50. 234 MÜNCH.KOMM.SIEHR (Fn.3), Rz. 74. 235 PÉREZ-VERA (Fn.5), Nr. 126, S.58; MÜNCHKOMM.-SIEHR (Fn.3), Rz. 70. Die Regelung des Art. 21 Abs.1 HKEntfÜ beschränkt sich lediglich darauf, daß derartige Anträge bei jeder Zentralen Behörde gestellt werden können; nicht hingegen wird diesen Behörden auch die Entscheidungsbefugnis, insbesondere nicht hinsichtlich der Begründung eines Besuchsrechts , zugewiesen236. Dies ist ferner aus Art. 21 Abs.3 HKEntfÜ abzuleiten; dort wird darauf verwiesen, daß öfter Verfahren vor Gerichten oder anderen zuständigen Stellen hinsichtlich des Besuchsrechts erforderlich sein werden und die Zentralen Behörden insofern unmittelbar oder mit Hilfe anderer Behörden vorbereitend oder unterstützend tätig werden sollen. Zu beachten ist jedoch, daß Umgangsregelungen von den deutschen Gerichten grundsätzlich nur getroffen werden können, wenn das Kind in Deutschland seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, § 5 SorgeRÜkAG. Neben den materiell-rechtlichen Besonderheiten des jeweiligen nationalen Familienrechts, wie etwa die Anerkennbarkeit ausländischer Entscheidungen, können auch die speziellen Versagungsgründe der Artt. 13, 20 HKEntfÜ im Umgangsrechtsverfahren analoge Anwendung finden237. Den Zentralen Behörden obliegt gemäß Artt. 21 Abs. 2, 7 HKEntfÜ die Aufgabe, Hindernisse die der Ausübung des Umgangsrechts entgegenstehen, zu beseitigen. In Einzelfällen können Vorschriften des öffentlichen Rechts mit denen des Privatrechts kollidieren, etwa in dem Fall wo ein Ausländer Einreiseverbot in die Bundesrepublik Deutschland hat, er jedoch über die deutsche Zentrale Behörde ein Umgangsrecht mit seinem in Deutschland lebenden Kind geltend macht. Er hält die deutsche Zentrale Behörde für verpflichtet, die bestehenden ausländerrechtlichen Hindernisse, ggf. in einem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht auszuräumen. In Art. 1 Abs. 2 HKEntfÜ finden die Interessen des Sorgeberechtigten Berücksichtigung. Mit Hilfe der Zentralen Behörde soll sichergestellt werden, daß das Besuchsrecht ordnungsgemäß ausgeübt – und dabei das Sorgerecht nicht gefährdet wird238. Ihnen steht dabei eine Reihe rechtlicher wie tatsächlicher Möglichkeiten offen. Insbesondere im Bereich des unvollkommen kodifizierten Umgangsrechts können im Einzelfall unterschiedlichste, über den Maßnahmenkatalog des Art. 7 Abs. 2 HKEntfÜ hinausgehende Maßnahmen zugunsten des antragstellenden Elternteils angezeigt sein. In erster Linie wird es sich dabei jedoch um familienrechtsbezogene Bemühungen im engeren Sinne 236 MÜNCHKOMM.-SIEHR (Fn.3), Rz. 70. 237 STAUDINGER/PIRRUNG (Fn.11), Rz. 701, m.w.N. 238 PÉREZ-VERA (Fn.2), Nr. 127, S.58. handeln239. Im Hinblick auf die weite Fassung des Art. 7 Abs. 2i) HKEntfÜ (“durch geeignete Maßnahmen Anwendungshindernisse ausräumen“) erscheint es vertretbar, in Vollmacht des antragstellenden Elternteils ggf. die öffentlichrechtlichen Voraussetzungen für die ungehinderte Ausübung eines Umgangsrechts herbeizuführen. Dazu kann auch die Beseitigung von verwaltungsrechtlichen Hindernissen gehören. In einem dem zuvor geschilderten Beispiel ähnlich gelagerten Fall hat die deutsche Zentrale Behörde ein derartiges Tätigwerden abgelehnt, weil das Familiengericht einen Umgangsanspruch nicht für begründet hielt und zudem die Vermutung bestand, dem Antragsteller gehe es weniger um die Wahrnehmung des Besuchsrechts als vielmehr um die Einreise in die Bundesrepublik Deutschland aus anderen Gründen : Das Ausländerrecht steht bei grenzüberschreitendem Umgangsrecht häufig im Spannungsverhältnis zu Art. 6 Abs. 1 GG. Dabei sind die öffentlichrechtlichen Interessen an der Nichteinreise bestimmter Ausländer mit dem Schutz von Ehe und Familie umfassend abzuwägen240. II. Ersuchen um Umgangsregelung außerhalb der Bundesrepublik Deutschland Gesuche auf Begründung oder Gewährung eines Umgangsrechts im Ausland können gemäß Artt. 21, 8 HKEntfÜ über die deutsche Zentrale Behörde oder gemäß Art 29 HKEntfÜ unmittelbar gestellt werden. Wie bereits ausgeführt, handelt es sich hierbei um materielle Sorgerechtsentscheidungen außerhalb des HKEntfÜ – Eilverfahrens. In der Arbeit der deutschen Zentralen Behörde kam derartigen Ersuchen bisher nur eine zahlenmäßig untergeordnete Bedeutung zu. So waren im Jahr 1998 lediglich 18 Verfahren zu verzeichnen241. Insgesamt ist bei den ausländischen Gerichten die Tendenz erkennbar, ein Umgangsrecht nur im jeweiligen Staat zu gewähren und Anträgen auf grenzüberschreitende Besuchsausübung nicht stattzugeben242. Insofern besteht eine Parallele zur Rechtsprechung deutscher Gerichte bei eingehenden Ersuchen243. 239 240 241 Gem. Art. 3 Abs. 3 HKEntfÜ benötigt die Zentrale Behörde für Umgangsrechtsverfahren eine ausdrückliche Vollmacht. Die Vollmacht kraft Gesetzes besteht wegen des Eilcharakters nur für Entführungsfälle. Vgl. dazu im einzelnen BVerfG 19, 394 ff. 8 Verfahren betrafen die USA, jeweils 3 Verfahren das Vereinigte Königreich (Großbritannien) und Spanien, jeweils 1 Verfahren Dänemark, Island, Jugoslawien Neuseeland und die Schweiz. 242 BACH/GILDENAST (Fn.34), S.85. 243 BACH/GILDENAST (Fn.34), S.85 Fn. 238. Anhang Vertragsstaaten des HKEntfÜ Das Haager Übereinkommen gilt zwischen der Bundesrepublik Deutschland und den Staaten: Argentinien Australien Israel Italien Saint Kitts und Nevis Bahamas Belarus Jugoslawien (Serbien, Montenegro) Schweden Schweiz Belgien Kanada Belize Kolumbien Bosnien/Herzegowina Kroatien Burkina Faso Luxemburg Chile Mauritius Dänemark Mazedonien (ohne Faröer und Grönland) Mexico Ecuador Monaco Finnland Neuseeland Frankreich Niederlande Georgien Norwegen Griechenland Österreich Honduras Panama Hongkong Polen Irland Portugal Island Rumänien (Stand: Mai 2000) Simbabwe Slowenien Spanien Südafrika Tschechien Turkmenistan Ungarn Venezuela Vereinigtes Königreich (Großbritannien) mit Isle of Man, Falkland Inseln, Cayman Inseln USA Zypern