B. „Indirekte Sterbehilfe“ - Student

Werbung
1
Inhaltsverzeichnis:
Inhalt
Literaturverzeichnis
S.01
S.02
A. Einleitung
S.08
B. „Indirekte Sterbehilfe“
S.12
1.) Medizinische Definition
2.) Juristische Definition
S.13
3.) Zulässigkeit der „indirekten Sterbehilfe“
4.) Begründung der Zulässigkeit der „indirekten Sterbehilfe“
S.14
a) Auf der Ebene des Tatbestandes
b) Auf der Ebene der Rechtswidrigkeit
S.15
c) Auf der Ebene der Schuld
S.21
5.) Voraussetzung der Zulässigkeit der „indirekten Sterbehilfe“ nach dem BGH
a) Unbeabsichtigte und unvermeidbare Nebenfolge
b) Schwere Schmerzen
c) Patientenwille
S.22
d) Anwendung nur auf Sterbende
e) Ziel: Schmerzlinderung
f) Anmerkung
S.23
C. Paliativmedizin und Hospizbewegung
S.25
1.) Palliativmedizin
2.) Hosizbewegung
S.26
D. Palliativmedizin und Hospize als echte Alternative zur Sterbehilfe
S.27
1.) Bedeutung der Palliativmedizin und Hospize für die Sterbenden
2.) Fazit
S.30
E. Schlußbemerkung
S.31
Ende der Bearbeitung,
S.32
Datum/Unterschrift
2
Literaturverzeichnis:
Auer, Alfons/
Menzel, Hartmut/
Eser, Albin
Zwischen Heilauftrag und Sterbebegleitung
Köln, Berlin, Bonn, München, 1977
(zitiert: Entspr. Bearbeiter, in: Auer/Menzel/Eser,
mit entspr. Seitenangabe)
Bade, Ulf
Der Arzt an der Grenze von Leben und Recht
Lübeck, 1988
(zitiert: Bade, mit entspr. Seitenangabe)
Beckert, Frauke
Strafrechtliche Probleme um Suizidbeteiligung
und Sterbehilfe unter besonderer
Berücksichtigung historischer und ethischer
Aspekte
Aachen, 1996
(zitiert: Beckert, mit entspr. Seitenangabe)
Blei, Hermann
Strafrecht – Besonderer Teil 1
12. Auflage, München 1983
(zitiert: Blei, BT1, mit entspr. Seitenangabe)
F. Bockelmann,
Sterbehilfe
In: Wiener Medizinische Wochenschrift 1976, S.
146 ff.
(zitiert: Bockelmann, WMW 1976, 146, mit
entspr. Seitenangabe)
Detering, Jutta
Forum: § 216 StGB und die aktuelle Diskussion
um die Sterbehilfe
In: JuS 1983, S. 418 ff.
(zitiert: Dertering, JuS 1983, 418, mit entspr.
Seitenangabe)
Dölling, Dieter
Anmerkung zu BGHSt 42, 301
In: JR 1998, S. 159ff
(zitiert: Dölling, JR 1998, 159, mit entspr.
Seitenangabe)
derselbe
Zulässigkeit und Grenzen der Sterbehilfe
In: MedR 1987, S. 6 ff.
(zitiert: Dölling, MedR 1987, 6, mit entspr.
Seitenangabe)
Engisch, Karl
Aufklärung und Sterbehilfe bei Krebs
In: Festschrift für Bockelmann,
München 1979, S. 519 ff.
(zitiert: Engisch, FS-Bockelmann, 519, mit
entspr. Seitenangabe)
3
Eser, Albin
Freiheit zum Sterben – Kein Recht auf Tötung
In: JZ 1986, S. 786 ff.
(zitiert: Eser, JZ 1986, 786, mit entspr.
Seitenangabe)
Fischer, Thomas
Strafgesetzbuch und Nebengesetze
50. Auflage, München 2001
(zitiert: Fischer, mit entspr. ParagraphenAngabe, mit entspr. Randnummer)
Fritsche, Paul
Der Arzt und seine Verpflichtung zur Sterbehilfe
In: MedR 1993, 126 ff.
(zitiert: Fritsche, MedR 1993, 126, mit entspr.
Seitenangabe)
Geilen, Gerd
Rechtsfragen zur Euthanasie
In: Festschrift für Bosch
Bielefeld 1976, S. 277 ff.
(zitiert: Geilen, FS-Bosch, 277, mit entspr.
Seitenangabe)
Giesen, Dieter
Ethische und rechtliche Probleme am Ende des
Lebens
In: JZ 1990, S. 929 ff
(zitiert: Giesen, JZ 1990, 929, mit entspr.
Seitenangabe)
Gössel, Karl-Heinz
Strafrecht – Besonderer Teil 1
7. Auflage, Heidelberg 1997
(zitiert: Gössel, mit entspr. Randnummer)
Hirsch, Günter
Der sterbende Mensch
In: ZRP 1986, S. 239 ff
(zitiert: Hiersch, ZRP 1986, 239, mit entspr.
Seitenangabe)
G. Hiersche, Hans-Dieter
Euthanasie – Probleme der Sterbehilfe
München, Zürich 1975
(zitiert: Bearbeiter, in: Hiersche, mit entspr.
Seitenangabe)
Jeschek, Hans-Heinrich
Strafgesetzbuch – Leipziger Kommentar
Band 5, Berlin, New York 1989
(zitiert: Bearbeiter, in LK, mit entspr.
Paragraphenangabe, mit entspr. Randnummer)
H. Kahlke, Winfried/
Reiter-Theil, Stella
Ethik in der Medizin
Stuttgart, 1995
(zitiert: Entspr. Bearbeiter, in: Kahlke/ReiterTheil, mit entspr. Seitenangabe)
4
Kohlhaas, Max
Das Recht auf den eigenen Tod
In: NJW 1973, S. 548 ff.
(zitiert: Kohlhaas, NJW 1973, 548, mit entspr.
Seitenangabe)
Küper, Wilfried
Noch einmal: Rechtfertigender Notstand,
Pflichtenkollision und übergesetzliche Notstand
In: JuS 1971, S. 474 ff.
(zitiert: Küper, JuS 1971, 474, mit entspr.
Seitenangabe)
Kutzer, Klaus
Strafrechtliche Grenzen der Sterbehilfe
In: NStZ 1994, S. 110 ff.
(zitiert: Kutzer, NStZ 1994, 110, mit entspr.
Seitenangabe)
derselbe
Strafrechtliche Überlegungen zum
Selbstbestimmungsrecht des Patienten und zur
Zulässigkeit der Sterbehilfe
In: MDR 1985, S. 710 ff.
(zitiert: Kutzer, MDR 1985, 710, mit entspr.
Seitenangabe)
derselbe
Wir brauchen keine neuen Gesetze zur
Sterbehilfe
In: ZRP 1997, S. 117 ff.
(zitiert: Kutzer, ZRP 1997, 117, mit entspr.
Seitenangabe)
Langer, Winrich
Euthanasie im Krankenhaus
In: JR 1993, S. 133 ff.
(zitiert: Langer, JR 1993, 133, mit entspr.
Seitenangabe)
Leonardy, Helmut
Sterbehilfe
In: DRiZ 1986, S. 281 ff.
(zitiert: Leonardy, DRiZ 1986, 281, mit entspr.
Seitenangabe)
Maurach, Reinhart/
Schroeder, Friedrich-Christian/
Maiwald, Manfred
Strafrecht – BT 1
8. Auflage, Heidelberg, 1995
(zitiert: Maurach, mit entspr. Paragraphenangabe,
mit entspr. Randnummer)
Opderbecke, Wolfgang/
Weißauer, Walther
Ein Vorschlag für Leitlinien - Grenzen der
intensivmedizinischen Behandlungspflicht
In: MedR 1998, S. 395 ff.
(zitiert: Opderbecke/Weißauer, MedR 1998, 395,
mit entspr. Seitenangabe)
5
Preisendanz, Holger
Strafgesetzbuch
30. Auflage, Berlin 1978
(zitiert: Preisendanz, mit entspr. ParagraphenAngabe, mit entspr. Unterpunkt)
Rudolphi, Hans Joachim
Systematischer Kommentar zum Strafgesetzbuch
Band II, 6. Auflage, Kriftel 2001
(zitiert: Bearbeiter, mit entspr. ParagraphenAngabe, mit entspr. Randnummer)
Schmitt, Rudolf
Euthanasie aus Sicht des Juristen
JZ 1979, S. 462 ff.
(zitiert: Schmitt, JZ 1979, 462, mit entspr.
Seitenangabe)
Schöch, Heinz
Menschenwürdiges Sterben und Strafrecht
In: ZPR 1986, S. 236 ff
(ziteiert: Schöch, ZRP 1986, 236, mit entspr.
Seitenangabe)
derselbe
Die erste Entscheidung des BGH zur sog.
indirekten Sterbehilfe
In: NStZ 1997, S. 409 ff.
(zitiert: Schöch, NStZ 1997, 409, mit entspr.
Seitenangabe)
Schönke, Adolf/
Schröder, Horst
Strafgesetzbuch – Kommentar
26. Auflage, München 2001
(zitiert: Bearbeiter, mit entspr. ParagraphenAngabe, mit entspr. Randnummer)
Schreiber, Hans-Ludwig
Das Recht auf den eigenen Tod – Zur
gesetzlichen Neuregelung der Sterbehilfe
In: NStZ 1986, S. 337 ff.
(zitiert: Schreiber, NStZ 1986, 337, mit entspr.
Seitenangabe)
Seitz, Walter
Das OLG Frankfurt a.M. und die Sterbehilfe
In: ZRP 1998, S. 417 ff
(zitiert: Seitz, ZRP 1998, 417, mit entspr.
Seitenangabe)
Sporken, Paul
Was Sterbende brauchen
Freiburg, Basel, Wien, 1982
(zitiert: Sporken, mit entspr. Seitenangabe)
Stürmer, Matthias Walter
Sterbehilfe: Verfügung über das eigene Leben
zwischen Lebensrecht und Tötungsverbot
München 1989
(zitiert: Stürmer, mit entspr. Seitenangabe)
6
Tröndle, Herbert
Warum ist die Sterbehilfe ein rechtliches
Problem?
In: ZStW 99 (1987), S. 25 ff.
(zitiert: Tröndle, ZStW 99, 25, mit entspr.
Seitenangabe)
Uhlenbruck, Wilhelm
Brauchen wir in deutschland ein Gesetz zur
aktiven Sterbehilfe?
In: NJW 2001, S. 2770 ff.
(zitiert: Uhlenbruck, NJW 2001, 2770, mit entspr.
Seitenangabe)
derselbe
Recht auf den eigenen Tod?
In: ZRP 1986, S. 209 ff.
(zitiert: Uhlenbruck, ZRP 1986, 209, mit entspr.
Seitenangabe)
Verrel, Torsten
Selbstbestimmungsrecht contra Lebensschutz
In: JZ 1996, S. 224 ff.
(zitiert: Verrel, JZ 1996, 224, mit entspr.
Seitenangabe)
derselbe
Der BGH legt nach: Zulässigkeit der indirekten
Sterbehilfe
In: MedR 1997, S. 248 ff.
(zitiert: Verrel, MedR 1997, 248, mit entspr.
Seitenangabe)
Wessels, Johannes
Strafrecht – Besonderer Teil 1
23. Auflage, Heidelberg 1999
(zitiert: Wessels, mit entspr. Randnummer)
7
Der Tod hat es in unseren Tagen
Nicht mehr so leicht: er muß sich plagen,
Die Medizin, die meisterliche,
Kommt mehr und mehr ihm auf die Schliche.
Er kann, selbst wenn es Gott befohlen,
Uns nicht, so mir nichts, Dir nichts, holen.
Der Mensch fuhr früher rasch dahin –
Jetzt bremst man mit Penicillin.
Und einer, der vor Gottes Stufen
Bereits so gut schien, wie gerufen:
Der Arzt, wer weiß, ob auch zum Glück,
Ruft in das Leben ihn zurück.
Und doch, mag man ihn manchmal stoppen,
Läßt sich der Tod am End nicht foppen;
Und mehr als einem tat`s schon leid,
Daß er nicht ging – zur rechten Zeit.
Eugen Roth
Der Tod ist noch das schlimmste nicht,
Vielmehr den Tod ersehnen und
Nicht sterben dürfen
Sophokles, Elektra
Qüalt seinen Geist nicht!
Laßt ihn hinübergehen.
Er wird den hassen, der ihn
Auf die Folterbank der rauen Welt
Noch länger strecken will.
Shakespeare, König Lear
„Töten Sie mich –
Oder Sie sind ein Mörder“
Kafka
Wer stirbt, ehe er stirbt,
der stirbt nicht, wenn er stirbt.
Abraham a Sancta Clara
Wir sollten dem Leben nicht mehr Jahre,
sondern den Jahren mehr Leben geben.
André Helleghers
8
Verfügung über den Schmerz:
Die sogenannte „indirekte Sterbehilfe“,
Palliativmedizin und Hospizbewegung
A. Einleitung:
Grundsätzlich ist die Haltung des Patienten seinem Hausarzt gegenüber von Vertrauen
geprägt.
Die Kranken haben immer schon nach einer Art „väterlicher Fürsorge“1 verlangt, und
verlangen auch heute noch danach.
In der Regel machen sich die Leute, die medizinische Hilfe suchen, über ihre Gesundheit und
ihr Leben Gedanken und Sorgen.
Trotzdem ist ihre traditionelle Rolle in der Arzt-Patienten-Beziehung eher passiv. In kaum
einer anderen Dienstleistungsbeziehung kann ein Ausbleiben von Fragen und Infragestellen
beobachtet werden, wie in der des Patienten zum Arzt.
Das Ausbleiben des Hinterfragens kann als Ausdruck der Einfühlung, der wechselseitigen
Achtung und des Vertrauens zwischen Patient und Arzt gedeutet werden2.
Der Patient geht davon aus, daß der Arzt zu seinem Besten und unter voller Berücksichtigung
seiner Wünsche handelt, sind doch die Motivation, die Ausbildung, die Selbstdisziplin und die
Psychodynamik derer, die sich dem Medizinstudium widmen, nur auf das Ziel gerichtet,
kranken Menschen zu helfen und Leiden zu lindern.
Die Grundlage für eine Patienten-Arzt-Beziehung – und damit die Grundlage für jegliche
Behandlung – ist das Vertrauen, das der Patient in den Arzt haben muß.
Ohne ein gesundes Maß an Vertrauen würde sich niemand z.B. in die Hände eines
Neurochirurgen begeben und eine Gehirnoperation an sich durchführen lassen.
Im Grunde ist dieses traditionelle Band zwischen Patient und Arzt von einzigartigem
Charakter.
Allerdings hat diese Beziehung auch nachteilige Züge.
Die Art „väterliche“ Haltung des Arztes enthält möglicherweise auch eine gewisse
Selbstherrlichkeit, die darin ihren Ursprung findet, daß der Arzt der Auffassung ist, der
Patient wisse oder verstehe vielleicht gar nicht, was gut für ihn ist. Dadurch widerstrebt es
dem Arzt auch, die Verantwortung für die Entscheidung, die er über den Patienten trifft, mit
ihm zu teilen – immerhin ist der Patient ja hilfesuchend zu ihm gekommen.
1
Heifetz/Mangel, S. 26.
9
Der Arzt stellt daher sein Verhalten und Behandlungsvorhaben auf die von ihm erachtete
Notwendigkeit ab, daß und wie der Patient behandelt werden muß, nicht auf dessen Rechte3.
Heutzutage lehnen immer mehr Menschen diese „Väterlichkeit“ des Arztes ab und legen Wert
auf das bessere Verstehen ihrer eigenen Krankheit und auf eine aktivere Rolle bei der
Entscheidung
über den Behandlungsablauf.
Dies setzt allerdings auch eine entsprechende Information des Patienten durch den Arzt
voraus.
Daß der Patient durch den Arzt informiert wird und das Handeln des Arztes aktiv
mitbestimmen darf, sollte sich Angesichts der Rechte, die der Patient hat, als
selbstverständlich
darstellen, denn gerade das Recht des Arztes, als Arzt zu handeln, ist ihm von demjenigen
verliehen, der Hilfe benötigt und ihm um Hilfe bittet – dem Patienten.
Der Arzt bringt ihm seine Kenntnisse und Fähigkeiten im medizinischen Bereich entgegen.
Er ist der Sachwalter des Patienten4.
So mag der Arzt Handlungsvollmacht haben, aber nur, weil der hilfesuchende Patient ihm
diese verliehen hat5.
Dieser Aspekt wird von manchen Autoren auch durch das Selbstbestimmungsrecht des
Patienten gegenüber des Arztes gesehen6.
Die letzte Entscheidung liegt somit immer beim Patienten7.
Dies steht auf der einen Seite.
Auf der anderen Seite gab es Fälle, die gerade an diesem Grundprinzip zweifeln ließen.
Als Beispiel und zur Verdeutlichung soll hier der Fall eines Kranken, der nur noch durch eine
Nasensonde ernährt werden konnte, geschildert werden.
Dieser Mann zog sich immer wieder diese Sonde, wohl, weil er diese Art der
„ärztlichenUnterstützung“ nicht wollte.
Da ihm jedoch teilweise dreimal täglich eine neue Magensonde gelegt wurde, führte dies zu
Verletzungen seiner Speiseröhre.
2
Heifetz/Mangel, S. 26.
Heifetz/Mangel, S. 27.
4
Heifetz/Mangel, S. 30.
5
Leonardy, DRiZ 1986, 281, 285.
6
So z.B. Kutzer, MDR 1985, 710, 711.
7
Im Ergebnis auch: Kutzer, ZRP 1997, 117, 118; Giesen, JZ 1990, 929, 931.
3
10
Um diese Verletzungen nicht zu verschlimmern, entschieden die behandelnden Ärzte, dem
Patienten während den 23 Stunden, die er täglich im Bett lag, die Hände am Bettgitter
festzubinden.
In der Anhörung vor dem Amtsgericht Oberhausen8 konnte er seine Personalien teilweise
angeben, beantwortete aber alle anderen Fragen, wie die nach dem Ziehen der Sonde und
weitere, nicht.
Dieser Patient starb acht Wochen nach der Anhörung.
Das Gericht war von der Einrichtung nicht verständigt worden, um den Behandlungsabbruch
genehmigen zu lassen, sondern um dem Mann auch noch die letzten beiden beweglichen
Körperteile festbinden zu dürfen9.
Vor einigen Jahren waren gerade solche Fälle kein Problem, denn es gab sie nicht. Der
Fortschritt im Bereich der Intensivmedizin hat dazu geführt, daß ernste krisenbedingte
Krankheitszustände des menschlichen Körpers überwunden werden können. Heutzutage
werden aber auch mittels dieser Geräte das Leben von Todkranken künstlich auf Dauer
erhalten10. Auch der Fortschritt im pflegerischen Bereich trägt hierzu bei, in dem z. B.
sogenannte PEG-Sonden (Magensonden) oder einfache Katheter gelegt werden.
Das Sterben – und damit auch eine Erlösung von den Schmerzen – ist heute in über 80
Prozent der Fälle in Deutschland keine natürliche, von selbst eintretende Sache, sondern eine
bewußte Entscheidung des behandelnden Arztes, keine weitere Behandlung durchzuführen11.
Vorliegend treffen zwei - möglicherweise verschiedene - Interessen aufeinander:
Auf der einen Seite steht das Interesse des Arztes, seinen Heilauftrag gemäß des Erlernten und
gemäß des nach Hippogrates geschworenen - auch mittels der hochmodernen Technologie –
durchzuführen. Hier muß beachtet werden, daß der Arzt auch immer die strafrechtliche
Bewertung im Hinterkopf behält und behalten muß. Denn grundsätzlich können auch
Sterbende durch Beschleunigung des Sterbevorgangs getötet werden12; auch Todkranke
genießen Rechtsgüterschutz und dessen Leben darf nicht leichtsinnig riskiert werden13.
Es sollte gerade hier in diesem Bereich die Wichtigkeit der Rechtssicherheit des Arztes nicht
unterschätzt werden, immerhin geht es möglicherweise um die straffreie Beendigung eines
8
AG Oberhausen, Aktz. 10 XVII 197/93.
Fall aufgegriffen von: Coeppicus, NJW 1998, 3381, 3386.
10
Kutzer, MDR 1985, 710; Schreiber, NStZ 1986, 337; Giesen, JZ 1990, 929.
11
Coeppicus, NJW 1998, 3381, 3382; auch Tröndle, ZStW 1987, 25, 26.
12
BGH, NStZ 1981, 218; Maurach, § 1 IV, Rdnr. 38; so auch Dölling, MedR 1987, 6, 7.
13
Kutzer, MDR 1985, 710, 711.
9
11
Menschenlebens, zumindest jedoch um ein für den Arztberuf untypisches Verhalten, daß aus
Sicht des Arztes gegebenenfalls auch schwer zu rechtfertigen ist, denn diese Sicht ist gerade
durch das traditionelle Bild des Heilenden geprägt.
Für viele Ärzte als Nichtjuristen ist es zudem durchaus schwierig, sich in die juristische
Materie der Beurteilung der Sterbehilfe einzulesen und diese so zu verstehen, daß keine
Rechtsunsicherheit besteht, zumal die Motivation der Ärzte, sich mit diesem Thema zu
befassen, sicherlich nicht vorrangigstes Ziel seit Beginn ihrer Laufbahn sein dürfte. Die
Rechtsunsicherheit könnte auch im Umgang mit den Schmerzmitteln selbst bestehen14, denn
viele Medikamente werden im Betäubungsmittelgesetz genannt.
Auf der anderen Seite steht hier das Interesse des Patienten, der heute nicht mehr ohne
weiteres eine passive Rolle bei seiner Behandlung durch den Arzt einnehmen möchte, und
sich nicht ohne Kritik und möglicherweise Misstrauen und Angst vor dem Fortschritt der
Gerätemedizin und vor einer Lebensverlängerung gegen seinen Willen, aber auch davor, daß
man ihm bei schweren Leiden nicht die gebotene Hilfe zuteil werden läßt15, in die
Behandlung begibt.
Der heutige Patient konfrontiert den Arzt auch mit dem Wunsch, einen möglichst natürlichen,
schnellen und schmerzfreien Tod zu haben und der Bitte, nicht sämtliche medizinischen
Möglichkeiten auszuschöpfen.
Und gerade dadurch, daß der Arzt seine Legitimation, als Arzt handeln zu dürfen, nur vom
Patienten erhält, wäre es unangebracht,
die Wünsche und Ängste in Bezug auf den Tod und intensivmedizinische Behandlungen
abzutun und auf traditionellen
Standpunkten zu behaaren, wobei sich auch Ärzte heutzutage weitgehend einig sind, daß
keine Pflicht besteht, den natürlichen Ablauf des Sterbens dort zu verlangsamen, wo dies zwar
möglich wäre, aber keinen therapeutischen Sinn verfolgt16. Und gerade hier muß dem Arzt
auch geholfen werden, eine möglichst klare und eindeutige Grundlage für sein Handeln zu
schaffen, damit er diese, von der Gesellschaft erwartete, Aufgabe wahrnehmen kann.
Keinesfalls kann dem Arzt in diesem Bereich ein Ermessensspielraum zugestanden werden,
denn unser Strafrecht wird vom Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 II GG beherrscht, so
daß die Grenzen zwischen strafbarem und nicht strafbarem Verhalten eindeutig festgelegt sein
14
Schöch, NStZ 1997, 409; derselbe, ZRP 1986, 236, 237.
Schöch, ZRP 1986, 236.
16
Leonardy, DRiZ 1986, 281, 284.
15
12
muß17. Andererseits sollte sich aber auch der Patient seiner Rechte bewusst sein, denn es sind
seine Wünsche, um die es vorliegend geht.
Im Rahmen dieser Seminararbeit soll die Indirekte Sterbehilfe behandelt werden. Hierbei soll
der Frage nachgegangen werden, ob der behandelnde Arzt eine vom Patienten im Falle eines
sehr schmerzhaften Sterbeprozeßes verlangte indirekte Sterbehilfe durchführen darf und wie
das Ergebnis dieser Frage begründet werden kann.
Daher wird der Schwerpunkt der Bearbeitung auf der Frage der Zulässigkeit und deren
Begründung liegen.
Weiterhin wird die Palliativmedizin und die Hospizbewegung
dargestellt und als mögliche Alternativen zur Sterbehilfe
durchleuchtet.
B. „Indirekte Sterbehilfe“:
1.) Medizinische Definition:
Schmerzlindernde Maßnahmen, auch wenn sie lebensverkürzend wirken, sind vom Prinzip
her nichts anderes als jeder andere ärztliche Eingriff.
Kein vernünftiger Mensch wird etwas gegen sie einzuwenden haben, wenn ein sinnvolles
Verhältnis zwischen Schmerzlinderung und Nebenwirkung besteht18.
Durch die Richtlinie der Bundesärztekammer für Sterbehilfe von 1979 wird die Pflicht,
Beschwerden zu lindern, als besonders Bedeutend hervorgerufen19.
Die Menschen machen sich seit der Antike Gedanken über den Tod und über den Umgang mit
ihm. Seither schwören alle Ärzte den hippokratischen Eid: „Ich werde niemanden ein
tödliches Mittel geben, auch wenn er mich darum bittet.“
Der hippokratische Eid enthält aber gerade Angesichts der revolutionär erweiterten
medizinischen Möglichkeiten kein klares Entscheidungskriterium zwischen
Lebensverlängerung und Sterbehilfe20.
So wird im medizinischen Schrifttum die Zulässigkeit auch hiernach nicht bezweifelt21.
17
Schmitt, JZ 1979, 462, 466.
Bade, S. 68.
19
Abgedruckt in Textsammlung Sterbehilfe, S. 92 ff.
20
Bade, S. 185.
21
Schreiber, NStZ 1986, 337, 340.
18
13
In der Medizin ist es unumstritten, daß todkranken und sterbenden Patienten Medikamente zur
Schmerzlinderung gegeben werden dürfen, die unter Umständen den verbleibenden
Lebensrest verkürzt22. Die Herbeiführung ist ethisch zu billigen, wenn dies nicht absichtlich,
sondern als Nebenfolge einer Maßnahme zur Schmerzlinderung geschied23.
Ärztlich geboten ist allerdings nur eine Dosierung des Schmerzmittels, das das Risiko der
Lebensverkürzung so gering wie möglich hält24.
2.) Juristische Definition
Unter der gesetzlich nicht geregelten indirekte Sterbehilfe versteht man die Verabreichung
schmerzstillender Mittel an Todkranke, die vorgenommen wird, obwohl die
Wahrscheinlichkeit nahe liegt, daß der Todeseintritt dadurch geringfügig beschleunigt wird25.
Dem Phänotyp nach handelt es sich hierbei um Sterbehilfe durch aktives Handeln 26.
Im Unterschied zur direkten Sterbehilfe ist hier der Tod aber nicht das angestrebte Hauptziel,
sondern er wird als Nebenwirkung der vorrangigen Schmerzlinderung in Kauf genommen27.
Grundsätzlich versteht man darunter also die nicht beabsichtigte Beschleunigung des
Todeseintritts28.
In der Resulution der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie29 heißt es:
„Bei manchen zum Tode führenden Erkrankungen steht die notwendige Leidensminderung so
stark im Vordergrund, daß die Möglichkeit einer Lebensverkürzung als Nebenwirkung in
Kauf genommen werden kann“.
3.) Zulässigkeit der „indirekten Sterbehilfe“
Die indirekte Sterbehilfe ist durch das BGH-Urteil vom 15.11.199630 durch dir
Rechtsprechung anerkannt.
Diese Entscheidung des BGH steht im Einklang mit der ganz überwiegenden Meinung in der
Literatur31.
22
Bade, S. 68; Preisendanz, § 212, Punkt 4.
Bade, S. 68.
24
Dölling, JR 1998, 159, 162.
25
Detering, JuS 1983, 418; Arzt, JR 1986, 309, 310; Eser, JZ 1986, 786, 793; Schreiber, NStZ 1986, 337, 340;
Schöch, ZRP 1986, 236, 238; Tröndle, ZStW Bd. 99, 25, 29; Hirsch, ZRP 1986, 239, 239f; Giesen, JZ 1990,
929, 935f; Beckert, S. 29; Coeppicus, NJW 1998, 3381, 3382; Fischer, Vor § 211, Rdnr. 17.
26
Schreiber, NStZ 1986, 337, 340.
27
Kutzer, ZRP 1997, 117; Verrel, MedR 1997, 248, 249.
28
Schreiber, NStZ 1986, 337, 340.
29
Abgedruckt in Textsammlung Sterbehilfe, S. 97 ff, aufgegriffen von Beckert, S. 116.
23
14
Für die – nur von wenigen vertretenen – Auffassung der Strafbarkeit der indirekten
Sterbehilfe läßt sich das Streben nach einem konsequenten und lückenlosen Schutz des
Lebens auch in den Grenzbereichen des Entstehens und Vergehens anführen32.
4.) Begründung der Zulässigkeit der „indirekten Sterbehilfe“
a) Auf der Ebene des Tatbestandes:
Nach der Ansicht einer Gruppe wird bereits die objektive Zurechenbarkeit verneint, weil die
durch die indirekte Sterbehilfe erbrachte Hilfe im Sterben außerhalb des Schutzbereichs der
Tötungsdelikte liege33.
Für die rechtliche Würdigung des Straftatbestands komme es entscheidend auf den sozialen
Sinn- und Bedeutungsgehalt des Geschehens in seinem Gesamtzusammenhang an. Gerade die
Behandlung eines qualvoll leidenden und unheilbar Kranken oder Sterbenden zur Linderung
von Schmerzen und zur Vermeidung von Todesqualen unter Inkaufnahme lebensverkürzender
Nebenwirkungen sei ihrem sozialen Gesamtsinn nach aber etwas ganz anderes als eine
Tötungshandlung im Sinne des Strafgesetzbuchs. Sie richte sich nicht gegen das Leben des
Betroffenen, sondern stelle die einzige und letzte Möglichkeit dar, mit der der Arzt dem
ohnehin nicht mehr lange dauerndem Leben noch dienen könne und es dem leidenden
Patienten erträglicher wird34.
Gegen diese Auffassung bestehen Bedenken35.
Dölling36 argumentiert, daß gegen die Verneinung des Tötungs-tatbestandes mit Hilfe der
Lehre vom Schutzbereich spricht, daß der Tatbestand in typisierender Form das generelle
verbotene Verhalten beschreibt und aus dem Tatbestand daher nur solche Verhaltensweisen
30
BGHSt 42, 301.
So z.B.: Dölling, JR 1998, 159, 161; Eser, Rdnr. 26, vor § 211; Tröndle, Rdnr. 17, vor § 211; Coeppicus, NJW
1998, 3381, 3382, Detering, JuS 1983, 418.
32
Gössel, § 2, Rdnr. 33.
33
Jähnke in LK vor § 211, Rdnr. 15, 17.
34
Wessels, Rdnr. 32; Fischer, Vor § 211, Rdnr. 20; Hirsch, ZRP 1986, 239, 240; im Ergebnis auch Blei, BT 1,
S.17, der die ungewollte Kausalität der Lebensverkürzung als Folge einer Hilfsmaßnahme nicht vom
Schutzzweck des § 211 erfasst sieht; diesem Lösungsweg allgemein zustimmend: Tröndle, ZStW 1987, 25, 30.
35
So z.B. Dölling, JZ 1998, 159, 161; auch Leonardy, DRiZ 1986, 281, 286.
36
Dölling, MedR 1987, 6, 7.
31
15
herausfallen sollten, die bei typisierend-generalisierender Betrachtungsweise von vornherein
nicht vom Tatbestandstypus erfasst werden.
Eine derartige Abwägung ist aber bei der indirekten Sterbehilfe erforderlich.
Die entsprechende Beurteilung erfordert eine
differenzierte Abwägung zwischen Lebensschutz und
Schmerzlinderung sowie Würde und Autonomie des Patienten.
Der richtige Ort für derartige Abwägungen sei daher die Rechtfertigungsebene, insbesondere
da zwischen zulässiger indirekter und verbotener direkter Sterbehilfe nur eine sehr dünne
Trennlinie verläuft.
Geilen lehnte eine solche Lösung bereits früher mit der Begründung ab, daß dadurch das
Ergebnis in unerträglicher Weise subjektiviert wird37.
Auch Dölling38 hat erhebliche Bedenken im Hinblick auf diesen Lösungsweg, die er auf die
schwierige und umstrittene Abgrenzung der Vorsatzstufen sowie auf die gravierenden
Beweisprobleme stützt.
Maurach äußert bedenken gegenüber einer Differenzierung auf der Ebene des Tatbestandes in
Form der Abwägung zwischen „beabsichtigter Lebensverkürzung“ und „als unerwünschte
Nebenfolge in Kauf genommen“, und begründet dies mit der Bedeutungslosigkeit für die
Kausalitätsfrage sowie für die Tatbestandsmäßigkeit. Denn auch die einfach Inkaufnahme
begründet vorsätzliche Tötung in Form des Eventualvorsatzes39.
b) Auf der Ebene der Rechtswidrigkeit:
Eine andere Gruppe verneint die Rechtswidrigkeit und stützt sich hierbei insbesondere auf
den rechtfertigenden Notstand gemäß § 34 StGB.
Schreiber40 sieht die Begründung durch § 34 StGB als überzeugendste an, sieht er doch eine
Notstandlage als gegeben.
37
Geilen, FS-Bosch, 277, 282.
Dölling, MedR 1987, 6, 7.
39
Maurach, § 1 IV, S. 15; Schreiber, NStZ 1986, 377, 340 und Leonardy, DRiZ 1986, 281, 286 sehen ebenfalls
den Eventualvorsatz als nicht-verneinbar an.
40
Schreiber, NStZ 1986, 377, 341.
38
16
Bei der Abwägung der betroffenen Rechtsgüter muß auch der Befreiung von Angst und
unerträgliche Schmerzen der Vorrang vor der Erhaltung eines ohnehin erloschenen Lebens
gegeben werden.
Dies setzt natürlich voraus, daß man das Leben in den Kreis der abzuwägenden Rechtsgüter
mit einbezieht, diesen - sonst als absolut gesetzten - Wert des Lebens soweit relativiert, daß
auch Gesichtspunkte der Lebensqualität hiermit abgewogen werden können41. Jedenfalls aber
handele es sich um eine dem verfassungsrechtlichen Gebot des Lebensschutzes gerecht
werdende und die zugrundeliegenden Wertvorstellungen konsequent durchführende Lösung.
Die hierbei bestehende dünne Trennlinie zur direkten Sterbehilfe beruhe auf einem
akzeptablen Bewertungsunterschied und könne daher hingenommen werden.
Auch Hanack42 argumentiert die seines Erachtens richtige Lösung des rechtfertigenden
Notstands mit der Abwägung der Schmerzintensität und des Lebensschutzes, denn gerade
dort, wo der Schmerz das erlöschende Leben in seinen zentralen Bezügen für immer – also für
den Rest des Daseins – überwuchernd zerstöre, ist es allein die Schmerzlinderung, mit deren
Hilfe der Arzt dem Lebenden noch dienen könne. Er hält eine gute Schmerzstillung – auch
unter dem Risiko der vorzeitigen Lebensverkürzung – insbesondere dadurch erforderlich, daß
es heute keinen natürlichen Verlauf des Todes mehr gibt und läßt dies auch in seiner
Begründung einfließen.
Kutzer43 sieht die indirekte Sterbehilfe ebenfalls durch den rechtfertigenden Notstand des § 34
StGB gerechtfertigt an, sofern die Behandlung nicht dem ausdrücklich erklärten oder
mutmaßlichen Willen des Patienten widerspricht.
Er begründet dies damit, daß schwerste als unerträglich empfundene Schmerzen die
Persönlichkeit des Kranken zerstören können und seine Würde verletzen, in dem sie ihn zum
bloßen Objekt erniedrigt und ihn unfähig machen, sein Leiden anzunehmen. Die
Ermöglichung eines Todes in Würde und Schmerzfreiheit stuft er als ein höherwertiges
Rechtsgut ein als die Aussicht, unter schwersten Schmerzen noch einige Tage länger leben zu
müssen und nimmt damit ebenfalls eine Abwägung zwischen dem Rechtsgut Leben und
Gesichtspunkte der Lebensqualität vor.
41
Eser, in: Auer/Menzel/Eser, S. 90 sieht die Höherbewertung der Lebens-qualität als nicht unproblematisch an.
Hanack, in: Hiersche, S. 132f.
43
Kutzer, NStZ 1994, 110, 115.
42
17
Jähnke44 hingegen begründet die Anwendbarkeit des § 34 StGB damit, daß die hinter dem
Tötungsverbot stehenden Interessen (des Schutzzweck des § 212) nicht verletzt seien, und
gibt damit eine Begründung an, die man bei anderen Vertretern auf der Ebene des
Tatbestandes findet.
Wessels45 lehnt diese Argumentation mit der Begründung ab, daß, wäre es der Fall, daß es an
einer vom Schutzzweck der Norm erfaßten Verletzung fehlt, es gerade keiner Rechtfertigung
mehr bedürfe, da bereits die Tatbestandsmäßigkeit nicht erfüllt sei.
Tröndle46 sieht hier hingegen Schwierigkeiten, denn eine solche Lösung – die ein
wesentliches Überwiegen des körperlichen Wohlbefindens gegenüber dem Rechtsgut des
Lebens voraussetze – erfordere im Rahmen des § 34 StGB Zugeständnisse, die gerade bei
Tötungshandlungen zu vermeiden sind.
Der BGH hat in seinem Urteil die Rechtfertigung des Handelnden nach § 34 StGB in einem
solchen Fall nicht ausgeschlossen47 und eine Abwägung zwischen Leben und Lebensqualität
getroffen:“Denn die Ermöglichung eines Todes in Würde und Schmerzfreiheit gemäß dem
erklärten oder mutmaßlichen Patientenwillen ist ein höherwertiges Rechtsgut als die Aussicht,
unter schwersten, insbesondere sog. Vernichtungsschmerzen noch kurze Zeit länger zu
leben“48.
Die Begründung der Zulässigkeit über § 34 StGB wäre letztlich auch konsequent, da der
rechtfertigende Notstand nicht von der Vorsatzform des Handelnden abhängt49.
Verrel50 lehnt eine Lösung über den rechtfertigenden Notstand gemäß § 34 StGB ab und
begründet dies insbesondere mit der Unvereinbarkeit dieser Lösung mit dem Prinzip des
absoluten Lebensschutzes, der seines Erachtens ja gerade unabhängig von der
Lebenserwartung und dem Lebenswert gelten soll.
Ähnlich wie Schreiber (vgl. oben) argumentiert er, daß das Interesse an Schmerzfreiheit das
höchste Rechtsgut Leben nur dann wesentlich überwiegen könnte, wenn eine Relativierung
44
Jähnke, in LK vor § 211, Rdnr. 15, 17.
Wessels, Rdnr. 33.
46
Tröndle, ZStW Bd.99, 25, 30.
47
Horn, § 212, Rdnr. 26 e, zu BGHSt 42, 301.
48
BGHSt 42, 301, 305.
49
Schöch, NStZ 1997, 409, 410; auch Langer, JR 1993, 133, 136, sieht hier die „besten“ Argumente .
50
Verrel, JZ 1996, 224, 226.
45
18
dieses Rechtsgutes über Gesichtspunkte der Lebensqualität und der Lebensdauer erfolgen
würde, sieht allerdings das Prinzip des Lebensschutzes als Sperre hierfür an.
Vielmehr bietet er einen Lösungsweg, der die Selbstbestimmungsrechte des Patienten in den
Mittelpunkt stellt.
Würde man, so Verrel, anerkennen, daß sich das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen
gegenüber dem strafrechtlichen Lebensschutzes durchzusetzen vermag, kann seines Erachtens
die indirekte Sterbehilfe durch dessen geäußerten oder mutmaßlichen Willen gerechtfertigt
sein.
Als Argument für die Maßgeblichkeit des Patientenwillens für die rechtliche Bewertung der
indirekten Sterbehilfe fügt er an, daß im Falle eines Widerspruchs des Patienten eine
Verabreichung von Schmerzmitteln unzulässig wäre.
Stürmer51 sieht hingegen in einem Lösungsweg, der sich darauf stützt, durch die Einwilligung
des Patienten die rechtliche Schutzwürdigkeit des Lebens herabzusetzen, ernste
Schwierigkeiten.
Denn gerade eine solche Herabsetzung ist seines Erachtens nach geltendem Recht nicht
möglich, weil aus § 216 StGB eine Einwilligungssperre bezüglich des Lebens abzuleiten ist.
Eine derartige Einwilligung kann auch nicht durch eine begriffliche Verschiebung in der
Weise wirksam werden, daß man nicht auf eine Einwilligung in die Tötung, sondern auf die
erforderliche Schmerzlinderung abstellt, denn nicht die Zulässigkeit der Schmerzlinderung,
sondern die der Lebensverkürzung, soll erwiesen werden52.
Aber auch Verrel53 hat den § 216 StGB nicht übersehen, sieht aber dadurch kein
Gegenargument zu seinem Lösungsweg, denn seines Erachtens unterscheidet sich die Tötung
auf Verlangen von der indirekten Sterbehilfe grundsätzlich durch den primären
therapeutischen Zweck der Medikation. Der Patient begehrt vom Arzt nicht die Erlösung von
seinen Schmerzen durch den Tod, sondern durch eine Behandlung seiner Schmerzen mit der
möglichen Folge einer Lebensverkürzung.
Dölling54 erscheint die Straflosigkeit der indirekten Sterbehilfe nicht geeignet, die allgemeine
Achtung vor der Unantastbarkeit des menschlichen Lebens zu erschüttern. Durch die aus
seiner Sicht nötige differenzierte Abwägung zwischen Lebensschutz und Schmerzlinderung
51
Stürmer, S. 8.
Stürmer, S. 9.
53
Verrel, JZ 1996, 224, 226.
52
19
sowie Würde und Autonomie des Patienten, sucht er nach der Rechtfertigung der indirekten
Sterbehilfe auf der Rechtfertigungsebene, wobei er dem Patientenwillen eine besondere
Beachtung zukommen läßt. Will der Patient die Schmerzen hinnehmen, ist indirekte
Sterbehilfe unzulässig, weshalb diese nur unter der Berücksichtigung des Patientenwillens
zutreffend zu beurteilen sei. Eine Rechtfertigung der indirekten Sterbehilfe durch
rechtfertigenden Notstands gemäß § 34 StGB anzunehmen, ohne den Patientenwillen
einzubeziehen, sei daher nicht überzeugend. Dagegen steht eine Rechtfertigung allein
aufgrund von Einwilligung oder mutmaßlicher Einwilligung immer im Spannungsverhältnis
des § 216 StGB55, der die Tötung auf Verlangen unter Strafe stellt.
Die Rechtfertigung der indirekten Sterbehilfe auf eine Kombination von Elementen der
Einwilligung und des rechtfertigenden Notstandes zu stützen, erscheint daher Dölling56
sachgerecht.
Leonardy57 sieht die Möglichkeit der Verneinung der Strafbarkeit der indirekten Sterbehilfe
lediglich auf der Ebene der Rechtfertigung, jedoch nur unter dem Gesichtspunkt der
Pflichtenkollision, welche normalerweise ein Schuldausschließungsgrund darstellt. Eine
Rechtswidrigkeit liege nämlich dann nicht vor, wenn jemand von mehreren Pflichten, die
entgegengesetztes von ihm fordern, diejenige erfüllt, die die vorrangige ist, und dabei die
nachrangige verletzt. Die Leidenserleichterung muß hiernach aber so sehr in den Vordergrund
treten, daß die Pflicht zur Lebenserhaltung in den Hintergrund tritt.
Eser hingegen58 rechtfertigt die indirekte Sterbehilfe durch die Figur des „erlaubten Risikos“.
Dieses „erlaubte Risiko“ sei dann gegeben, wenn der Arzt unter Anwendung der in der
konkreten Situation erforderlichen Sorgfalt dem Schmerzlinderungsinteresse des Patienten
nachkommen will und dieser das damit verbundene Todesrisiko unter verständiger
Würdigung seiner Lage in Kauf nimmt – im Falle seiner Entscheidungsunfähigkeit in Kauf
nehmen würde59.
54
Dölling, JR 1998, 159, 161; Dölling, MedR 1987, 6, 7.
Dölling, JR 1998, 159, 161.
56
Dölling, JR 1998, 159, 161; so auch Schöch, NStZ 1997, 410.
57
Leonardy, DRiZ 1986, 281, 287.
58
Eser, in: Auer/Menzel/Eser, S. 89f; Eser, vor § 211, Rdnr. 26; von Schöch, NStZ 1997, 409, 410 für tragfähig
gehalten.
59
Eser, in: Auer/Menzel/Eser, S. 89; Eser, Vor § 211, Rn. 26.
55
20
Engisch60 stützt sich ebenfalls auf die Figur des „erlaubten Risikos“ und begründet dies
ähnlich. Der Arzt nimmt nur ein Risiko der Lebensverkürzung als unvermeidliche
Begleiterscheinung seiner für geboten erachteten schmerzlindernden Therapie in Kauf, wobei
er noch darum bemüht ist, das Ableben nicht zu beschleunigen.
Er verhält sich so nicht gleichgültig gegenüber einem früheren Tod des Patienten und bewegt
sich in der Gruppe der riskanten Therapien.
Hierbei stützt sich Engisch auf Bockelmann61:
„Der Arzt darf und muß das Risiko auf sich nehmen, daß die Schmerzlinderung, weil sie
immer höhere Dosen schmerlindernder Medikamente erfordert, schließlich dazu führen kann,
daß der Tod des Patienten früher eintritt, als er eintreten würde, wenn man auf wirksame
Schmerzbekämpfung verzichtet.“
Dölling62 lehnt diesen Weg mit der Begründung ab, es fehle eine präzise Angabe der Gründe
dafür, warum das Risiko eingegangen
werden darf, fehlt.
Allerdings findet sich bei Stürmer63– ebenfalls Vertreter dieses Lösungswegs – eine
Begründung des „erlaubte Risikos“:
der Arzt sei nicht verpflichtet, das erlöschende Leben um jeden Preis zu erhalten
beziehungsweise zu verlängern und darf deshalb ein solches Risiko eingehen. Der Arzt müsse
sich gerade in einer solchen Situation dem Patienten unterordnen, dessen
Selbstbestimmungsrecht auch das Eingehen von Lebensrisiken umfasse.
Zweifelhaft wird ein Abstellen auf das erlaubte Risiko aber jedenfalls dann, wenn sich – was
oft der Fall sein wird – das Risiko des baldigen Lebensendes so erhöht, daß ein Ausbleiben
des Todes nicht mehr erwartet werden kann64.
Soweit sich dieses Risiko zur Gewissheit verdichtet, wird eine Rechtfertigung von Eser auch
hier nur noch durch den rechtfertigenden Notstand des § 34 StGB gesehen65.
60
Engisch, FS-Bockelmann, 519, 532.
Bockelmann, WMW 1976, 146.
62
Dölling, JR 1998, 159, 161.
63
Stürmer, S. 9.
64
Schreiber, NStZ 1986, 377, 340.
65
Eser, in: Auer/Menzel/Eser, S. 90.
61
21
c) Auf der Ebene der Schuld:
Auf der Ebene der Schuld wird einerseits auf eine entschuldigende Pflichtenkollision des
Arztes66 oder andererseits auf einen übergesetzlichen entschuldigenden Notstand abgestellt67.
Auf dieser Ebene finden sich die Vertreter der Straflosigkeit der indirekten Sterbehilfe, die die
Tatbestandsmäßigkeit und die Rechtswidrigkeit als unverneinbar ansehen, dennoch eine
Verurteilung des Arztes für unrecht halten.
Gegen alle Begründungswege werden nicht leicht zu nehmende Einwendungen erhoben68.
Es ist daher sinnvoll, die vom BGH im Urteil zur Zulässigkeit der indirekten Sterbehilfe69
herausgearbeiteten und ebenfalls darzustellen.
5.) Voraussetzung der Zulässigkeit der indirekten Sterbehilfe nach dem BGH:
a) Unbeabsichtigte und unvermeidbare Nebenfolge:
Voraussetzung der Zulässigkeit der indirekten Sterbehilfe
ist zunächst, daß die voraussehbare und eventuell eintretende Beschleunigung des Ablebens
nicht Zweck des ärztlichen Handelns, sondern nur dessen unbeabsichtigte und
unvermeidbare Nebenfolge ist, die lediglich deshalb in Kauf genommen wird, weil
schmerzlindernde Mittel ohne derartige
Nebenwirkung nicht zur Verfügung stehen70.
b) Schwere Schmerzen:
Der Betroffene muß unter schweren Schmerzen leiden.
66
Begründung vgl. oben bei Leonardy; vertreten von Welzel, Nachweis bei Küper, JuS 1971, 474, 477.
So z.B. Küper, JuS 1971, 474, 477.
68
Schreiber, NStZ 1986, 377, 340; auch Horn, § 212, Rdnr. 26 e, der eine dogmatisch widerspruchsfreie
Begründung als noch ausstehend sieht.
69
BGHE 42, 301.
67
22
c) Patientenwille:
Die Behandlung muß selbstverständlich dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des
Patienten entsprechen71.
d) Anwendung nur auf Sterbende:
Indirekte Sterbehilfe darf nur geleistet werden, wenn bei infauster Prognose der
Sterbevorgang eingesetzt hat und der Tod somit unmittelbar bevorsteht. Dies kommt in der
Entscheidung des BGH zur Zulässigkeit der indirekten Sterbehilfe darin zum Ausdruck, daß
die schmerzlindernde Behandlung „bei einem Sterbenden“ erfolgen muß und daß die indirekte
Sterbehilfe mit der Alternative abgewogen wird, „noch kurze Zeit länger“ zu leben72.
e) Ziel: Schmerzlinderung:
Die unter Inkaufnahme einer möglichen Lebensverkürzung verbundenen Verabreichung
schmerzlindernder Mittel ist letztlich nur dann gerechtfertigt, wenn diese ausschließlich mit
dem Ziel der Schmerzlinderung für den Betroffenen erfolgt73.
Würde der behandelnde Arzt ein solches Mittel mit der Absicht verabreichen, einen baldigen
Tod des Betroffenen herbeizuführen, wäre dies als aktive Sterbehilfe strafbar.
Der BGH hat in seiner Entscheidung zur Zulässigkeit der indirekten Sterbehilfe74 die
Zulässigkeit auf die Fälle beschränkt, in denen die Lebensverkürzung eine unbeabsichtigte
Nebenfolge der Schmerzmittelgabe darstellt. Somit grenzt er die erlaubte indirekte Sterbehilfe
eindeutig von der strafbaren absichtlichen Tötung mit dolus directus ersten Grades ab. Durch
das Hervorheben der unbeabsichtigten aber in Kauf genommenen Lebensverkürzung in der
Umschreibung der Voraussetzung der indirekten Sterbehilfe im BGH-Urteil wird deutlich,
daß der BGH die Zulässigkeit auf das Handeln mit bedingtem Vorsatz beschränkt75.
70
So auch: Wessels, Rdnr. 31; Dölling, MedR 1987, 6; Eser, Rn 26, vor § 211; Tröndle, MedR 1988, 163.
So auch: Dölling, JR 1998, 159, 162.
72
Dölling, JR 1998, 159, 162; Schöch, NStZ 1997, 410, 411.
73
Dölling, JR 1998, 159, 162.
74
BGHSt 42, 301.
75
Dölling, JR 1998, 159, 162.
71
23
f) Anmerkung:
Vor dem in dem Verfahren zum BGH-Urteil dokumentierten Erkenntnissen der neuen
Schmerzforschung, daß es praktisch keine Grenze mehr gibt, bei der die
Tötungsursächlichkeit des Schmerzmittels sicher festgestellt werden kann, gab es das
Bedürfnis, eine notwendige und effektive Schmerztherapie nicht aus strafrechtlichen
Befürchtungen des Arztes zu unterbinden, da bei höheren Dosierungen die Schlußfolgerung
nahelag, der Arzt habe die Lebensverkürzung sicher vorausgesehen76.
Das Risiko der Beschleunigung des Todes muß in einem angemessenen Verhältnis zur
erreichbaren Schmerzlinderung stehen77. So muß eine im Verhältnis zu anderen
ungefährlichere Therapie gewählt werden, wenn diese zur Schmerzlinderung ausreicht. Es
darf keine leichtfertig hohe Dosierung von Schmerzmitteln gewählt werden. Zulässig ist
lediglich eine Dosierung, die den Schmerz des Betroffenen gerade noch lindert, nicht eine, die
der Betroffene gerade noch verträgt78.
Nach dem BGH-Urteil kann nun jede therapeutisch noch vertretbare Schmerzmitteldosierung
gewählt werden, ohne den Bereich des dolus eventualis zu überschreiten.
Die Tolerierung des Eventualvorsatzes bezüglich eines früheren Todeseintritts ist jedoch nicht
selbstverständlich, da sie – bei Tötung auf Verlangen durch Schmerzmittel – dem § 216 StGB
als
Rechtfertigungssperre gegenübersteht.
Diese kann man nach Schöch79 nur dadurch lockern, daß man in engen Grenzen eine
gewohnheitsrechtliche Ausnahme anerkennt, die nur bei tödlich Kranken zur Linderung
schwerer, anders nicht behebbarer Leidenszustände gilt. Diese gewohnheitsrechtliche
Grundlage verstößt nicht gegen Art. 103 II GG, denn sie wirkt nur strafeinschränkend.
Die Unterscheidung zwischen einer Sterbehilfe ohne und einer solchen mit Lebensverkürzung
ist eine weitgehend theoretische Konstruktion. Ob und wieweit ein Medikament bei einem mit
dem Tode ringenden Menschen zugleich eine Lebensverkürzung um Minuten, Stunden oder
76
Schöch, NStZ 1997, 409, 410f.
Dölling, JR 1998, 159, 162.
78
Schöch, NStZ 1997, 409, 411.
79
Schöch, NStZ 1997, 409, 411.
77
24
Tage bedeutet, wird häufig kein Arzt – und noch viel weniger ein Richter – beurteilen können,
weder vorher und schon gar nicht hinterher80.
Insbesondere kann dies mit der Tatsache begründet werden, daß die Schmerzlinderung auch
eine entlastende Wirkung und somit eine der Vitalität stabilisierende Kraft für den
Gesamtorganismus hat81.
Daher wird man das Verhalten des Arztes nicht nur nach allgemeinen strafrechtlichen,
sondern immer auch nach ethischen Prinzipien zu prüfen haben82.
Die im Verlauf der Verhandlung zur BGH-Entscheidung ausgeführten Darlegungen der
schmerztherapeutischen Sachverständigen geben Anlaß, an den Anknüpfungspunkten für die
Erlaubnis der indirekten Sterbehilfe zu zweifeln, werden tödliche Dosierungen bei
Schmerzmitteln praktisch nicht mehr nachweisbar und kann jede Dosierung bis zu der noch
nicht festlegbaren Obergrenze therapeutisch gerechtfertigt werden.
Sollten sich diese Zweifel durchsetzen, wäre es nicht mehr wie in bisheriger Form möglich,
die indirekte von der direkten Sterbehilfe in der gerichtlichen Praxis abzugrenzen und damit
auch mißbräuchliche Sterbehilfe nicht nachweisbar.
Die Rechtssprechung stellt bei der gebotenen Abgrenzung zwischen direkter und indirekter
Sterbehilfe auf den subjektiven Tatbestand – auf direktem oder bedingten Tötungsvorsatz –
ab83, wobei sie sich hierfür auf objektive Indizien stützt, die bisher insbesondere aus der
Dosierung des Schmerzmittels ergaben84.
Im Rahmen des subjektiven Tatbestandes sind Feststellungen ohnehin sehr schwierig zu
treffen – ein kluger anwaltlicher Rat könnte zur Straffreiheit von Todschlag oder gar Mord
führen85.
Sollte aber gerade dieses Indiz der Dosierung des Schmerzmittels wegen der antagonischen
Wirkung des Schmerzes entfallen, dann müßte die gewohnheitsrechtliche Erlaubnisnorm der
veränderten Rechtswirklichkeit angepasst werden, um ihren bisherigen Ausnahmecharakter zu
bewahren. Auf Grund der abstrakten Gefährlichkeit der hohen Schmerzmitteldosierungen
sollen diese nur dann vom prinzipiellen Verbot der aktiven Sterbehilfe ausgenommen sein,
wenn der behandelnde Arzt anhand seiner Aufzeichnungen nachweisen kann, diese
80
Bade, S. 62; im Ergebnis auch: Geilen, FS-Bosch, S. 277, 281.
Eser, In: Auer/Menzel/Eser, S. 87 (FN 41); auch Langer, JR 1993, 133, 136.
82
Bade, S. 62; Leonardy, DRiZ 1986, 281, 286.
83
Seitz, ZRP 1998, 417, 418.
84
Schöch, NStZ 1997, 409, 412.
85
Seitz, ZRP 1998, 417, 418.
81
25
therapeutisch nachvollziehbar so dosiert zu haben, daß das Ausbleiben einer tödlichen
Nebenwirkung möglich erschien86.
Aus dieser Überlegung heraus sah auch das BGH die zunehmende Wichtigkeit der
Dokumentation des Therapieverlaufs durch den Arzt.
C. Palliativmedizin und Hospizbewegung:
1.) Palliativmedizin
Die Palliativmedizin bejaht das Leben und sieht Sterben als einen natürlichen Prozeß.
In der Medizin hat Lebensrettung und Lebenserhaltung prinzipiell Vorrang vor rein
palliativen Maßnahmen. Doch es gibt – auch verursacht durch die Hochleistungsmedizin –
zunehmend Grenzsituationen, in denen sich diese Hierarchie umkehrt87.
Gerade hier sorgt die Palliativmedizin für Schmerzlinderung und die Bekämpfung anderer
bestehender Symptome wie Übelkeit, Herzrasen, Darmträgheit und anatomische
Veränderungen.
Hauptziel der Behandlung ist die Erhaltung maximal möglicher Lebensqualität88.
Palliativmediziner verstehen sich allerdings nicht als Anwender der indirekten Sterbehilfe,
sondern bieten Hilfe im Sterben, in dem sie Schmerzlinderung ohne lebensverkürzendes
Risiko verschaffen möchten.
Eine bloße Schmerzlinderung ohne lebensverkürzendes Risiko ist Hilfe im Sterben und auch
dann zulässig, wenn die Schmerzmittelgabe zu Bewußtseinstrübung führen kann89.
Diese Hilfe im Sterben ist strafrechtlich unproblematisch90 und ein selbstverständliches Gebot
der Humanität und Moral91.
Gerade dann, wenn der Schmerz seine biologische Warnfunktion verloren hat, wie etwa bei
einem Tumorschmerz, ist es Rechtspflicht des Arztes, diese Schmerzen zu behandeln92.
Hierzu ist der Arzt auf Grund des Arztvertrags verpflichtet93.
86
Schöch, NStZ 1997, 409, 412; Verrel, MedR 1997, 248, 249, weist ebenfalls auf die Notwendigkeit der
sorgfältigen Dokumentation des Therapieverlaufs hin.
87
Opderbecke/Weißauer, MedR 1998, 395, 397.
88
Deutsche Hospiz Stiftung, Information zum Schmerz- und Hospiztelefon
89
Detering, JuS 1983, 418.
90
Tröndle, ZStW 1987, 25, 28.
91
Hirsch, ZPR 1986, 239.
92
Uhlenbruck, ZRP 1986, 209, 216.
26
2.) Hospizbewegung
Das Wort Hospiz stammt aus dem Mittelalter und bezeichnet eine Station am Wege für müde
Reisende94.
Hospize existieren als stationäre Einrichtungen oder als ambulante Hospizdienste.
Stationäre Hospize sind selbständige Einrichtungen mit eigenständigem Versorgungsauftrag,
für die im Zentrum der Arbeit stehenden Begleitung schwerstkranker Menschen. Diese sollen
mit ihren Schmerzen, Ängsten und Bedürfnissen nicht allein gelassen werden und in ihrer
letzten Lebensphase palliativ-medizinische Behandlung erhalten. Hospizeinrichtungen haben
familiären Charakter mit in der Regel 16 Plätzen, wobei die räumliche Gestaltung der
Einrichtung auf die besonderen Bedürfnisse schwer kranker sterbender Menschen
auszurichten ist.
Auch und insbesondere durch die teilstationäre und ambulante Behandlung werden die
Angehörige mit in die Begleitung einbezogen und entlastet, so daß der Patient möglichst
lange in der hauslichen Umgebung bleiben kann. Der Hospizpatient behält seine
Selbstbestimmung in Behandlung und Betreuung.
Alle Angebote zielen auf körperliche, psychische, soziale und seelsorgliche Bedürfnisse der
Patienten und Angehörigen95.
Man unternimmt dort keine Anstrengung, das Sterben zu verlängern. Die medikamentöse
Behandlung dient lediglich dazu, dem Patienten Erleichterung zu verschaffen. Es gibt keine
lebensverlängernde oder lebensstützende Geräte im Hospiz.
So wird, sollte sich ein Patient eine Lungenentzündung zuziehen, diese selbst normalerweise
nicht behandelt. Die Behandlung erfolgt auch in einem solchen Fall nur zur Beseitigung von
Unwohlsein, nicht mit Ziel der Behandlung der Krankheit.
Aber auch für Menschen, die sich nicht oder noch nicht in der Behandlung eines Hospizes
befinden gibt es Hilfe und Ratschläge.
So kann man sich z. B. über ein „Schmerz- und Hospiztelefon“ bei der Deutschen Hospiz
Stiftung über Adressen von Schmerztherapeuten und Hospizdienste in der eigenen Region
erkundigen und auch sonstige Fragen an die Fachleute stellen.
Gemäß § 39a SGB V haben Versicherte, die keiner Krankenhausbehandlung bedürfen,
Anspruch auf einen Zuschuß zu stationärer oder teilstationärer Versorgung in
Hospizeinrichtungen, in denen palliativmedizinische Behandlung erbracht werden, wenn eine
93
Kutzer, NStZ 1994, 110, Tröndle, ZStW 1987, 25, 28.
Heifetz/Mangel, S. 152 (Anmerkung).
95
§ 1 der Rahmenvereinbarung Hospiz gemäß § 39a SGB V.
94
27
ambulante Versorgung im Haushalt oder der Familie des Versicherten nicht möglich ist,
womit die Hospizarbeit auch gesetzlich gefördert wird..
D. Palliativmedizin und Hospize als echte Alternative zur
Sterbehilfe:
1.) Bedeutung der Palliativmedizin und Hospize für die Sterbenden
40 Prozent der Bevölkerung schätzen die Situation sterbender Menschen in Deutschland als
einsam, anonym und unwürdig ein96.
Die meisten möchten schnell, kurz und schmerzlos sterben, allerdings ist dies eher die
Ausnahme, denn viele sterben in
Krankenhäuser, wo sie über ihren baldigen Tod bescheid wissen, wollen dies jedoch oft nicht
wahrhaben.
Hier kommt hinzu, daß vor dem körperlichen der soziale Tod steht. Auch trauernde
Angehörige werden häufig allein gelassen und zum sterben in ein Krankenhaus oder
Altenpflegeheim gebracht. Gründe für diese „Hospitalisierung des Sterbens“97 und
„entfamilarisierung“98 sind sowohl Unsicherheit im Umgang mit dem Sterbenden als auch die
Tatsache sich seiner Vergänglichkeit durch das Mitansehen des Sterbens bewußt zu werden.
Durch das Altern und auch durch das konkrete Erfahren von krankheitsbedingtem Tod wächst
im Menschen seine Ahnung von Sterben und Tod. Dieser Prozeß löst bei vielen Menschen
Angst vor dem Sterben, insbesondere vor starken Schmerzen und der Abhängigkeit von
Medizintechnik, aus.
Hinzu kommt, daß ein Mangel an persönlicher Auseinandersetzung mit dem Sterbevorgang
unverkennbar ist, weil wir den Gedanken an den Tod zu verdrängen versuchen99.
Einstellungen, Werte und Normen sind in unserer Gesellschaft an Leitbegriffe wie
Jugendlichkeit, Schönheit und Leistungsfähigkeit orientiert, und dies trifft auch auf das
Erleben von Krankheiten, Sterben und Tod zu100.
Nicht wenige Menschen erleben gerade die Gewißheit und Ohnmacht darüber, sterben zu
müssen, als Bedrohung der eigenen Person101.
96
Deutsche Hospiz Stiftung, Ratgeber für Ihr Testament, S. 6.
Schreiner/Gahl, in: Kahlke/Reiter-Theil, S. 86.
98
Eser, JZ 1986, 786, 787.
99
Uhlenbruck, ZRP 1986, 209, 210.
100
Schreiner/Gahl, in: Kahlke/Reiter-Theil, S.86.
101
Schreiner/Gahl, in: Kahlke/Reiter-Theil, S. 78.
97
28
Dabei benötigt der Sterbende gerade nach der medizinischen und pflegerischen Betreuung die
Möglichkeit, seine Beziehungen und Freundschaften weiter zu führen102.
Im Rahmen des nötigen Sterbebeistandes und der Sterbebegleitung ist auf die menschliche
Zuwendung allergrößter Wert zu legen, nicht nur seitens des Arztes und des Pflegepersonals,
sondern auch der Angehörigen und Freunde103.
Im Gegensatz zu früheren Zeiten, in denen man noch in der familiären Umgebung starb,
nimmt uns heute diese „Kasernierung“ des Sterbenden in die unpersönliche Atmosphäre des
Krankenhauses zugleich auch das Wissen und das notwendige Verständnis für den
Sterbevorgang104.
Aber diese Angst vor dem Tod wird auch durch das Gefühl der Verlassenheit auf dem letzten
Weg ausgelöst105.
Moderne und effiziente Schmerztherapien werden in Deutschland vergleichsweise selten
angewandt.
In Deutschland sterben über 60 Prozent der Menschen darüber hinaus in Krankenhäuser oder
Altenpflegeheime106.
Diese Einrichtungen verstehen sich jedoch nicht als Orte des Sterbens, weshalb Ärzte und
Personal nicht entsprechend geschult und vorbereitet sind.
Oft empfindet ein Arzt einen sterbenden Patienten als Niederlage107.
Die ärztliche Ausbildung im Bereich der Thanathologie ist mehr als unzureichend. Der Arzt
lernt nicht, mit Sterbenden umzugehen108.
Neuere Untersuchungen in Amerika haben gezeigt, wie massiv sich die Beziehungen von
Ärzten und Schwestern zum Patienten verändern, sobald feststeht, daß dieser stirbt. Der
Besuch der Ärzte im Krankenhaus, so wird berichtet, geht von diesem Augenblick auf ein
Sechstel zurück109. Weiterhin wurde herausgefunden, daß viele Ärzte unheilbar kranke
Patienten Psychopharmaka verabreichen, um die psychischen Leiden der Sterbenden zu
lindern. Es entsteht eine Formalisierung und Entpersonalisierung zur Vermeidung
menschlichen Kontakts, so daß der Arzt Rezepte für entsprechende Psychopharmaka am
Schreibtisch der Schwester ausstellt und auf diese Art seine Visite erledigt110.
102
Sporken, S. 18.
Fritsch, MedR 1993, 126, 127 und 130.
104
Uhlenbruck, ZRP 1986, 209, 211.
105
Hirsch, ZPR 1986, 239.
106
Schreiner/Gahl, in: Kahlke/Reiter-Theil, S. 86.
107
Eser, JZ 1986, 786, 787.
108
Uhlenbruck, ZRP 1986, 209, 210.
109
Menzel, in: Auer/Menzel/Eser, S. 43; aufgegriffen von Bade, S. 53.
110
Bade, S. 53; Hirsch, ZPR 1986, 239, bezeichnet den Tod heute als soziologisch verdrängt und als
„ausgebürgert“.
103
29
Aber gerade in dieser Situation setzt eine verantwortliche Schmerzbekämpfung einige
begleitende Gespräche voraus, denn die medikamentöse Schmerzbehandlung sollte auf die
„Schmerzenskurve“ abgestimmt werden111. Das bedeutet, daß z.B. Morgens vielleicht eine
weniger hohe, abends – wenn es dunkel wird, der Schwerkranke allein ist und vielleicht
ängstlich ist – eine höhere Dosierung verabreicht wird. Dabei sollte auch berücksichtigt
werden, daß das Schmerzempfinden manchmal durch seelische Probleme, Sorgen und Ängste
gesteigert wird.
Sterbebeistand beinhaltet auch, daß man im Rahmen ehrlicher Gespräche auch die Wahrheit
über den weiteren Verlauf der Krankheit zur Sprache kommen läßt, wenn und insofern dem
Kranken damit geholfen ist. Der Helfer darf somit nur dann das Gespräch über den
kommenden Tod nur dann angehen, wenn er ein Stück des Weges mit dem Kranken
mitgegangen ist und deshalb auch erahnen kann, wo der Kranke gefühlsmäßig steht112.
Es muß demnach zwischen Betreuer und Sterbenden eine Beziehung hergestellt werden, die
solche Gespräche ermöglicht113.
So ist auch für den Sterbenden die Unterbringung in eine Krankenhaus oder einem Altersheim
mit vielen Nachteilen Verbunden.
Der Betroffene hat er dort keine richtige Bezugsperson zwischen dem wechselnden
Pflegepersonal. Aus dem Arzt des Vertrauens wird dadurch der Arzt des Dienstplans114.
Es verwundert nicht, daß 92 Prozent aller Deutschen zu Hause sterben wollen. Für nur etwa
zehn Prozent geht dies jedoch in Erfüllung115, denn oft sind die Angehörigen mit der
schweren Aufgabe, Sterbende zu Hause zu begleiten, überfordert.
Die Folge dieser Not ist häufig der Ruf nach aktiver Sterbehilfe.
Gerade hier bietet die Hospizarbeit eine menschenwürdige Antwort und Alternative, bewußt,
weitgehend schmerzfrei und begleitet zu sterben116.
Die Hospizarbeit hat unter der Überschrift „Weil Sterben auch Leben ist“ einige wichtige
Grundprinzipien herausgearbeitet.
Hierzu gehört zunächst, daß der Hospizpatient soweit möglich selbst seine Behandlung und
Betreuung bestimmt.
111
Sporken, S. 23.
Sporken, S. 28.
113
Sporken, S. 29.
114
Eser, JZ 1986, 786, 787.
115
Uhlenbruck, NJW 2001, 2770, 2772.
116
Gesetzesentwurf zur Förderung der ambulanten Hospizarbeit, Deutscher Bundestag, Drucksache 14/6754, S.
1.
112
30
Die Hospizbewegung bietet einen ganzheitlichen Ansatz, der körperliche, psychische, soziale
und seelsorgliche Bedürfnisse des Sterbenden und auch der Angehörigen und Trauernden
umfasst.
Im Zentrum der angebotenen Therapie steht weitestgehende Schmerzfreiheit, d. h. moderne
Palliativmedizin mit Symptomkontrolle.
Die Begleitung ist unabhängig von der sozialen oder materiellen Situation, dem religiösen
Bekenntnis und der Herkunft des Sterbenden117.
2.) Fazit
Die Hospizbewegung bietet eine echte Alternative zur Unterbringung von Sterbenden in
Krankenhäuser oder Altenheime.
Auf verschiedenen Arten wird dem Betroffenen die Angst vor dem Sterben, ob ausgelöst von
Schmerzen oder von der Befürchtung, allein gelassen zu werden, genommen. Der Ruf nach
Sterbehilfe – gleich welcher Art – wird zweifelsohne geringer, denn in einem Hospiz kommen
sich die Menschen nicht überflüssig oder sogar lästig vor.
Es wundert nicht, daß sich auch die Politik um die Förderung dieser wichtigen Einrichtung, in
Form des ambulanten Dienstes, bemüht.
Nach einem Gesetzesentwurf des Bundesrates zur Förderung der ambulanten Hospizarbeit
sollen die Kompetenzen der ehrenamtlich tätigen Hospizkräfte in Fragen der palliativen
Versorgung durch Vernetzung mit professionellen Fachkräften und Diensten gestärkt
werden118.
Durch eine entsprechende Zuschußregelung soll dem Umstand Rechnung getragen werden,
daß es sich bei der ambulanten Hospizarbeit um eine gesellschaftliche Aufgabe handelt, deren
Förderung nicht ausschließlich den Krankenkassen zugewiesen werden darf; im Aufbau
befindliche ambulante Hospizdienste sollen besonders gefördert werden119.
Zur Zeit werden 30 000 der 850 000 Sterbenden pro Jahr von Hospizdiensten betreut, was
nach Ansicht des Informationsdienstes der Deutschen Hospiz Stiftung viel zu wenige sind120.
117
118
Deutsche Hospiz Stiftung, Ratgeber für Ihr Testament, S. 6/7.
Gesetzesentwurf zur Förderung der ambulanten Hospizarbeit, Deutscher Bundestag, Drucksache 14/6754, S.
1.
119
Gesetzesentwurf zur Förderung der ambulanten Hospizarbeit, Deutscher Bundestag, Drucksache 14/6754, S.
2.
120
Hospiz bewegt, Informationsdienst der Deutschen Hospiz Stiftung, 3/2001,
S. 1.
31
Allerdings wird die Hospitbewegung immer bekannter. Nach einer Umfrage des
Forschungsinstituts Emnid gaben 1996 auf die Frage „Was verstehen Sie unter Hospiz?“
lediglich neun Prozent die richtige Antwort. 2001 waren es bereits 32 Prozent, die als Antwort
„Sterbebegleitung“ nannten121.
Es ist daher vorstellbar, daß sich zukünftig immer mehr Menschen finden, die in einem
Hospiz unterkommen wollen.
Schlußbemerkung:
Obwohl sich der BGH in seiner neueren Entscheidung nicht eindeutig zu einer dogmatischen
Begründung der indirekten Sterbehilfe durchgerungen hat, ist nach dieser Entscheidung eine
Zurückhaltung des Arztes in Bezug auf Schmerzmittelgabe und daraus resultierende Klagen
über eine zu restriktive Schmerztherapie in Deutschland rechtlich nicht mehr nachvollziehbar.
Mit der Angst vor strafrechtlichen Konsequenzen ist eine solche Zurückhaltung jedenfalls
nicht mehr zu rechtfertigen.
Im Gegenteil stellt die Vorenthaltung einer vom Patienten gewünschten und medizinisch
inzidierten Schmerzbehandlung eine Körperverletzung durch Unterlassung dar122.
Gerade durch den medizinischen Fortschritt, der in vielen Fällen erst die heutigen Formen
qualvollen Sterbens verursacht, ist es konsequent, eine besonders gute Schmerzmedikation
durchzuführen123, und gerade das strikte Verbot der aktiven Sterbehilfe setzt zwingend
voraus, daß ärztlicherseits von der Möglichkeit der Palliativmedizin, insbesondere der
Schmerztherapie, im Grenzbereich zwischen Leben und Tod im erforderlichen Umfang unter
angemessener Abwägung von Wirkung und möglichen Nebenwirkungen Gebrauch gemacht
wird124.
Da das Recht, nicht leiden zu müssen, als Anspruch auch in den Bereichen durchsetzbar sein
muß, in denen der Patient außerstande ist, seinen Willen mitzuteilen125, sollte auch eine
Verfügung über den Schmerz getroffen werden können.
121
Ergebnis veröffentlicht in Hospiz bewegt, Informationsdienst der Deutschen Hospiz Stiftung, 3/2001, S. 4.
Verrel, MedR 1997, 248, 250, so auch Tröndle, ZStW 1987, 25, 29.
123
Im Ergebnis: Hanack, in: Hiersche, S. 133.
124
Opderbecke/Weißauer, MedR 1998, 395, 399.
125
Uhlenbruck, ZRP 1986, 209, 215.
122
32
Ende der Bearbeitung
Datum:_________________
Unterschrift:____________________
Herunterladen