Ferienkurs Experimentalphysik 4 Vorlesung 1 Entwicklung und Grundlagen der Quantenphysik Markus Perner, Markus Kotulla, Jonas Funke 06.09.2010 1 Einführung Anfang des 20. Jahrhunderts wurden Phänomene wie z.B. der photoelektrische Effekt oder die Beugung von Elektronen untersucht und revolutionierten das physikalische Weltbild. Der photoelektrische Effekt führte dazu, dass Licht, welches bis dahin als eine Welle angenommen wurde, ein Teilchencharakter zugeordnet wurde. Mit der Beziehung E = ~ω = mc2 lässt sich einem Photon eine relativistische Masse und somit ein Impuls p = mv = ~ω ĉ = ~k c (1) wobei ĉ der Einheitsvektor der Lichtgeschwindigkeit ist, zuordnen, der den dualen Charakter von Licht beschreibt und andere Phänomene wie z.B. den Comptoneffekt erklärt. Diese Verknüpfung von Impuls p und Wellenzahl k wurde von Louis de Broglie auf Teilchen der Masse m, die sich mit der Geschwindigkeit v bewegen, angewendet. Auf die Weise kann man jedem Teilchen eine Wellenlänge, die de-Broglie-Wellenlänge zuordnen λ= h h h . = =√ p mv 2mEkin (2) In der quantenphysikalischen Beschreibung von Atomen, Molekülen, Elektronen und Photonen wird die eindeutige Unterscheidung zwischen Teilchen- und Wellenmodell aufgehoben. 2 Materiewellen und Wellenfunktion Zur Wellenbeschreibung eines Teilchens der Masse m, das sich mit der Geschwindigkeit v in x-Richtung bewegt, wählen wir für die Materiewelle eine zur Lichtwelle analoge Darstellung ψ(x, t) = Cei(ωt−kx) = Cei(Et−px)/~ (3) wobei die Frequenz ω der Materiewelle mit der kinetischen Energie Ekin des Teilchens durch ~ω = Ekin verknüpft ist. Mit den Beziehungen E = Ekin = p2 /(2m), p = ~k und ω = E/~ stellt man fest, dass die Phasengeschwindigkeit vPh = ω ~ 1 = k = vT k 2m 2 (4) vom Wellenvektor k, und somit vom Impuls p des Teilchens abhängt und gleich der halben Teilchengeschwindigkeit vT = p/m = ~k/m ist. Materiewellen zeigen also Dispersion und ihre Phasengeschwindigkeit vPh ist nicht ohne Weiteres geeignet um die 1 Teilchenbewegung zu beschreiben. Dieses Problem wird durch die Einführung von Wellenpaketen beseitigt. 2.1 Wellenpakete Bei einer kontinuierlichen Überlagerung von ebenen Wellen ergibt sich die Wellenfunktion ˆ∞ 1 dkA(k)e−i(ω(k)t−kx) , (5) ψ(x, t) = √ 2π −∞ wobei alle vorkommenden Wellenzahlen k im Intervall [k0 − ∆k, k0 + ∆k] liegen sollen. Der Amplitudenfaktor A(k) gewichtet die einzelnen ebenen Wellen in Abhängigkeit der Wellenzahl. Wenn diese Amplitude im engen Intervall ∆k annähernd konstant bleibt, also A(k) ≈ A(k0 ) = const. gilt, und man ω(k) in eine Taylorreihe bis zur linearen Ordnung entwickelt dω (6) ω(k) = ω0 + (k − k0 ) + O k 2 dk k=k0 | {z } =:ω00 lässt sich dieses Integral elementar berechnen und für die Wellenfunktion ergibt sich r 2 sin [∆k(ω00 t − x)] ψ(x, t) = A(k0 )e−i(ω0 t−k0 x) . (7) π ω00 t − x Obige Gleichung stellt nun ein Wellenpaket dar, welches ein Maximum bei ω00 t − x = 0 besitzt, das sich mit der Gruppengeschwindigkeit vGr dω ~k0 p = = = = vT dk k=k0 m m 2 (8) in x-Richtung bewegt, die genau der Teilchengeschwindigkeit entspricht. Somit eignet sich das Wellenpaket besser zur Beschreibung bewegter Teilchen als die ebene Materiewelle, da seine charakteristischen Eigenschaften mit den entsprechenden Größen des klassischen Teilchenmodells verknüpft werden können. (Mathematica Applet: http://j.mp/bBKBqn) 2.2 Heisenbergsche Unschärferelation Die volle (räumliche) Breite des Maximums ∆x eines solchen normierten Wellenpakets zum Zeitpunkt t = 0 und die volle Breite ∆k der zugehörigen Amplitudenverteilung folgen der Beziehung ∆x∆k ≥ 1, (9) wobei sich zeigen lässt, dass der Minimalwert ∆x∆k = 1 für eine gaußförmige Amplitudenverteilung eintritt und alle anderen Verteilungen größere Werte liefern. Je größer die Ortsunschärfe ist, desto kleiner ist die Impulsunschärfe und umgekehrt. Mit der Beziehung p = ~k folgt die Heisenbergsche Unschärferelation (oft auch Unbestimmtheitsrelation) ∆x∆p ≥ ~. (10) Für die anderen Raumrichtungen eines dreidimensionalen Wellenpaketes erhält man analoge Ungleichungen. Die Konsequenz dieser Orts-Impuls-Unschärfe ist, dass der Ort und 3 der Impuls eines Teilchens nicht beliebig genau bestimmbar, sondern immer mit einer Unschärfe behaftet sind. Wenn man ein Teilchen nur während des begrenzten Zeitintervalls ∆t beobachtet, kann man seine Energie E nur mit einer Unschärfe ∆E ≥ ~/∆t bestimmen, woraus sich die Energie-Zeit-Unschärfe ∆E∆t ≥ ~ (11) ableiten lässt. (Mathematica Applet: http://j.mp/b0sBPH) 2.3 Statistische Interpretation Das Absolutquadrat |ψ(x, t)|2 dx = ψ ∗ (x, t)ψ(x, t)dx der Materiewellenfunktion des Wellenpakets gibt die Wahrscheinlichkeit an, das Teilchen zur Zeit t im Intervall dx um den Ort x zu finden. Man nennt |ψ(x, t)|2 die Wahrscheinlichkeitsdichte am Ort x zur Zeit t. Da die Wahrscheinlichkeit ein Teilchen, das sich entlang der x-Achse bewegt, irgendwo im Intervall (−∞, ∞) zu finden Eins betragen muss, ergibt sich die Normierungsbedingung für die Wellenfunktion ˆ∞ dx|ψ(x, t)|2 = 1. (12) −∞ Diese Normierungsbedinung lässt sich natürlich auf Bewegungen im dreidimensionalen verallgemeinern. 3 Das Bohrsche Atommodell 3.1 Bohrsche Postulate Bohr formulierte sein Modell, indem er das rutherfordsche Modell um drei Postulate erweiterte. Sie lauten: • Elektronen bewegen sich auf stabilen Kreisbahnen um den Atomkern. Anders als es die Theorie der Elektrodynamik vorhersagt, strahlen die Elektronen beim Umlauf keine Energie in Form von elektromagnetischer Strahlung ab. • Der Radius der Elektronenbahn ändert sich nicht kontinuierlich, sondern sprunghaft. Bei diesem Quantensprung wird elektromagnetische Strahlung abgegeben (oder aufgenommen), deren Frequenz sich aus dem von Max Planck entdeckten 4 Zusammenhang zwischen Energie und Frequenz von Licht ergibt. Wenn En1 die Energie des Ausgangszustands und En2 die Energie des Zielzustands ist, dann wird ein Lichtquant emittiert mit der Frequenz ν der ausgesandten Strahlung ν = (En1 − En2 )/h. • Elektronenbahnen sind nur stabil, wenn der Bahndrehimpuls L des Elektrons ein ganzzahliges Vielfaches des reduzierten planckschen Wirkungsquantums ~ ist. 3.2 Mathematische Formulierung Im Bohrschen Atommodell bewegt sich das Elektron (Masse me , Ladung e) mit der Geschwindigkeit v auf einer Kreisbahn (Orbital) mit Radius r um den Schwerpunkt des Systems aus Elektron und Kern (Masse mK , Ladung Ze). Dies lässt sich durch die Bewegung eines Teilchens mit der reduzierten Masse µ = me mK /(me + mK ) ≈ me (me mK ) um das Zentrum des Coulombpotentials im Kern bei r = 0 beschreiben. Aus der Beziehung FZ = FC , also 1 Ze2 µv 2 = , r 4π0 r2 (13) ergibt sich der Radius der Kreisbahn r= Ze2 , 4π0 µv 2 (14) der jeden möglichen Wert annehmen kann. Setzt man jedoch für das Elektron seine Materiewelle an, so muss es sich bei dieser um eine stehende Welle handeln, damit das Elektron das Atom nicht verlässt. Der Umfang U = 2πr der Kreisbahn muss also einem ganzzahligen Vielfachen der de-Broglie-Wellenlänge λ entsprechen. Mit λ = h/(µv) erhält man die erlaubten Geschwindigkeiten des Elektrons v= h · n, 2πµr n∈ N. (15) Diese Bedingung kann auch mit Hilfe des Drehimpulses formuliert werden. Multipliziert man obige Gleichung mit µr, so wird daraus mit ~ = h/(2π) µrv = |L| = n · ~. (16) Setzt man die Geschwindigkeit in Gl. 14 ein, so ergeben sich die erlaubten Radien für die Kreisbahnen zu rn = h2 0 a0 2 · n2 = ·n , 2 πµZe Z 5 n∈ N, (17) wobei a0 ≈ 0.5Å der kleinste Radius der Bahn für n = 1 im Wasserstoffatom mit Z = 1, der sog. Bohrsche Radius, ist. Durch die Bedingung einer stehenden Welle werden also die Radien der Elektronenbahnen im Bohrschen Atommodell gequantelt. Für die Gesamtenergie eines Körpers auf einer Kreisbahn gilt E = Ekin + Epot = Epot /2 mit Ekin = −Epot /2. Setzt man Gl. 17 in die Gesamtenergie ein, so erhält man 1 Ze2 µZ 2 e4 1 Z2 En = − = − 2 2 2 = −Ry* · 2 , 2 4π0 rn 80 h n n (18) wobei Ry* ≈ 13.6 eV die sog. Rydbergenergie ist, welche der Ionisierungsenergie eines Wasserstoffatoms entspricht. Die Gesamtenergie ist also negativ und geht für n → ∞, d.h. r → ∞, gegen Null. Sie kann nur diskrete Werte E(n) annehmen, die durch die Quantenzahl n festgelegt sind. Man nennt einen solchen stationären Energiezustand auch einen Quantenzustand des Atoms. Um die Beobachtung von Linienspektren in Absorption oder Emission zu erklären, geht man im Bohrschen Atommodell davon aus, dass durch Absorption eines Lichtquants mit Energie hν das Atom von einem energetisch tieferen Zustand E1 = E(n1 ) in einen energetisch höheren Zustand E2 = E(n2 ) übergehen kann, wenn die Energieerhaltung hν = ∆E = E2 − E1 erfüllt ist. Setzt man für die Energien die Relation 18 ein, so ergibt sich für die Energien der absorbierten Lichtquanten hν = Ry* · Z 2 1 1 − 2 2 n1 n2 , (19) woraus sich ohne Weiteres die berühmte Balmerformel ableiten lässt. (Mathematica Applets: http://j.mp/byGPi0, http://j.mp/9Xu2QL) 4 Fundamentale Begriffe der Quantenmechanik 4.1 Zustand Der Zustand eines mikroskopischen Systems in der Quantenmechanik wird als Ψ oder in der Bra-Ket-Notation als |Ψi bezeichnet und ist ein Element des abstrakten Hilbertraumes. Im Rahmen dieses Ferienkurses wird allerdings hauptsächlich die Projektion des Zustandes in den Ortsraum hr | Ψi = Ψ(r, t) (auch bekannt als Zustands- oder Wellengleichung) verwendet. Um die räumliche und zeitliche Entwicklung einer Zustandsgleichung beschreiben zu können, wird eine Differentialgleichung, die Schrödinger-Gleichung, benötigt. Um die Zustände durch messbare Eigenschaften, sog. Observablen, charakterisieren zu können werden Operatoren benötigt. 6 4.2 Observablen Die klassische Messgröße M wird in der Quantenmechanik durch die Observable A ersetzt und jeder dieser physikalischen Größen ein Operator  zugeordnet, der sie mit der Zustandsfunktion verknüpft. Aufgrund der Wahrscheinlichkeitsinterpretation sind nur Erwartungswerte von Observablen zugänglich. Für den Erwartungswert hAi einer Observable A gilt ˆ hAi = d3 rΨ∗ (r, t)ÂΨ(r, t)d3 r (20) Dabei führt der Operator  eine bestimmt mathematische Operation an der Zustandsfunktion aus. Im Ortsraum gelten folgende Zuordnungen: r −→ r̂ = r p −→ p̂ = −i~∇ L −→ L̂ = r × p̂ = −i~ (r × ∇) Epot −→ V̂ (r̂) = V (r) Ekin −→ p̂2 /(2m) = −~2 ∇2 /(2m) E −→ Ĥ = −~2 ∇2 /(2m) + V (r) (21) (22) (23) (24) (25) (26) 4.3 Eigenwerte, Eigenfunktion Wendet man einen Operator  auf eine Zustandsfunktion Ψ(r, t) an und erhält als Ergebnis dieser Operation die Funktion Ψ(r, t), lediglich mit einem konstanten Faktor a ∈ multipliziert, wieder, so ist Ψ(r, t) Eigenfunktion des Operators  zum Eigenwert a, der gerade den Erwartungswert bestimmt. ˆ ˆ 3 ∗ (27) hAi = d rΨ (r, t) ÂΨ(r, t) = a d3 rΨ∗ (r, t)Ψ(r, t) = a. | {z } | {z } =aΨ(r,t) C =1 Dabei ist a das messbare Ergebnis der Observale A, deren mittlere quadratische Schwankung h(∆A)2 i gleich Null ist, man also immer den gleichen Wert (bis auf Messfehler) misst. A ist somit eine geeignete Größe um das System zu beschreiben. Für die Standardabweichung ∆A gilt q ∆A = hA2 i − hAi2 . (28) Physikalische Größen werden ausschließlich durch Operatoren mit reellen Eigenwerten beschrieben. Man nennt diese Operatoren hermitesch. Dies bedeutet, dass der Operator  und sein Adjungiertes † gleich sind, also  = † . Falls zwei Operatoren  und B̂ die selben Eigenfunktionen besitzen, so lassen sich die Erwartungswerte hAi und hBi 7 gleichzeitig scharf messen. Sind zwei Operatoren  und B̂ vertauschbar, also wenn der Kommutator h i Â, B̂ = ÂB̂ − B̂  (29) verschwindet, dann lassen sich die Eigenwerte gleichzeitig scharf messen. Ist der Kommutator zwischen dem Hamiltonoperator Ĥ und einem Operator  gleich Null, so ist die zum Operator  gehörende Observable A eine Erhaltungsgröße des Systems. 4.4 Schrödinger-Gleichung Die Schrödinger-Gleichung ist die Grundgleichung der nichtrelativistischen Quantenmechanik. Übertragt man die Operatorenschreibweise auf die klassische Hamilton’sche Bewegungsgleichung p2 +V (30) H=E =T +V = 2m für ein Teilchem mit Masse m, Impuls p und Gesamtenergie E, so erhält man die Schrödinger-Gleichung ~2 2 ∂ ∇ + V (r, t) Ψ(r, t) = EΨ(r, t). i~ Ψ(r, t) = ĤΨ(r, t) = − ∂t 2m (31) Dies ist die zeitabhängige Schrödinger-Gleichung. Im stationären Fall, also für E = const. und V (r, t) = V (r), lässt sich mit dem Separationsansatz i Ψ(r, t) = Ψ(r, t = 0)e−iωt = ψ(r)e− ~ Et die stationäre Schrödinger-Gleichung ~2 2 Ĥψ(r) = − ∇ + V (r) ψ(r) = Eψ(r). 2m (32) (33) erzeugen. Da die Schrödinger-Gleichung eine lineare homogene DGL ist, können verschiedene Lösungen linear überlagert werden (Superpositionsprinzip), d.h. mit den Lösungen ψ1 und ψ2 ist auch ψ3 = aψ1 + bψ2 eine Lösung der Schrödinger-Gleichung. Die eigentliche Aufgabe besteht nun darin, für ein vorgegebenes Potential V (r) die Wellenfunktion zu finden, die die Schrödinger-Gleichung löst. Leider lassen sich nur wenige Potentiale exakt analytisch lösen, im Eindimensionalen jedoch gibt es eine Reihe von ’Standardtypen’ (s. Anhang) wie den unendlich hohen Potentialtopf, die Potentialbarriere oder den harmonischen Oszillator (dieser verlangt jedoch etwas mehr Rechenaufwand). 8 4.5 Drehimpuls in der Quantenmechanik Für den Drehimpulsoperator L̂ = r × p̂ = −i~(r × ∇) erhält man in kartesischen Koordinaten ∂ ∂ L̂x = −i~ y −z , (34) ∂z ∂y ∂ ∂ −x , (35) L̂y = −i~ z ∂x ∂z ∂ ∂ L̂z = −i~ x −y . (36) ∂y ∂x In Kugelkoordinaten wird dies zu ∂ ∂ L̂x = i~ sin ϕ + cot ϑ cos ϕ , ∂ϑ ∂ϕ ∂ ∂ + cot ϑ sin ϕ , L̂y = i~ − cos ϕ ∂ϑ ∂ϕ ∂ L̂z = −i~ . ∂ϕ Damit ergibt sich für den Operator des Drehimpuls-Betragsquadrats 2 ∂ 1 ∂2 1 ∂ 2 2 2 2 L̂ = L̂x + L̂y + L̂z = −~ sin ϑ + = −~2 ∇2ϑ,ϕ . 2 2 sin ϑ ∂ϑ ∂ϑ ∂ϕ sin ϑ (37) (38) (39) (40) 2 Offensichtlich ist L̂ proportional zum Winkelanteil des Laplace-Operators. Dies be2 deutet, dass die Kugelflächenfunktionen Ylm (ϑ, ϕ) Eigenfunktionen des Operators L̂ sind. Des Weiteren sind die Kugelflächenfunktionen auch Eigenfunktionen zum Operator L̂z . Die Eigenwertgleichungen lauten 2 L̂ Ylm (ϑ, ϕ) = ~2 l(l + 1)Ylm (ϑ, ϕ), L̂z Ylm (ϑ, ϕ) = ~ml Ylm (ϑ, ϕ) (41) (42) wobei die magnetische Quantenzahl ml nur ganzzahlige Werte zwischen −l und l 2 annehmen kann. Die Operatoren L̂ und L̂z haben also die gleichen Eigenfunktionen und sind somit gleichzeitig scharf messbar. Allgemein kann man zeigen, dass der Betrag und eine Richtung des Drehimpulses gleichzeitig scharf gemessen werden können. Einzelne Richtungskomponenten jedoch können nicht gleichzeitig scharf gemessen werden. L̂x und L̂y sind aber in ihren Werten über die Relation 2 L̂2x + L̂2y = L̂ − L̂2z 9 (43) beschränkt. Dabei wurde als sog. Quantisierungsachse gemäß Konvention die z-Achse gewählt. Der Drehimpulsvektor L̂ hat nun also eine wohldefinierte Länge und Projektion auf die Quantisierungsachse, er präzediert somit um die Quantisierungsachse. (Mathematica Applet: http://j.mp/aIGPuu) 5 Spin Lässt man einen Elektronenstrahl durch ein inhomogenes Magnetfeld laufen, so stellt man eine Aufspaltung des Strahls in zwei scharf getrennte Teilstrahlen fest. Im ursprünglichen, von Otto Stern und Walther Gerlach durchgeführten, Experiment wurden Silberatome verwendet, da dort nur das 5s Elektron zum Gesamtdrehimpuls beiträgt. Dieses Experiment ließ sich aus den zuvor bekannten Eigenschaften des Elektrons nicht erklären und deutete auf eine weitere zuvor unbekannte Eigenschaft der Teilchen hin. Diese Eigenschaft, der Spin Ŝ, ist ein Eigendrehimpuls und immer mit einem magnetischem Moment µ verknüpft. Der Spin folgt somit den selben Gesetzmäßigkeiten wie der Bahndrehimpuls und besitzt daher die Erwartungswerte D E Ŝ 2 = ~2 s(s + 1), D E Ŝz = ~ms . (44) (45) Für das Elektron ist die Spinquantenzahl s = 1/2 und somit ms = ±1/2. Die Zustände mit ms = 1/2 werden als Spin-Up, die mit ms = −1/2 als Spin-Down bezeichnet. Alle anderen Eigenschaften der Zustände bleiben erhalten, der Spin kann also stets separat betrachtet werden. 10 6 Fermionen und Bosonen Allen Quantenteilchen lässt sich eine Drehimpuls-Eigenschaft, also ein Spin, zuordnen. Diese Eigenschaft, die zur Drehimpulserhaltung notwendig ist und sich wie ein Drehimpuls transformiert, hat allerdings kein klassisches Analogon. Alle Teilchen lassen sich dadurch in zwei Arten aufteilen: • Fermionen besitzen einen halbzahligen Spin und eine antisymmetrische Zustandsfunktion. Aus dieser antisymmetrischen Zustandsfunktion folgt das PauliPrinzip, das besagt, dass zwei Fermionen mit einem identischen Satz von Quantenzahlen (Hauptquantenzahl, Drehimpulsquantenzahl, Spinquantenzahl etc.), sich nicht am selben Ort befinden dürfen. Beispiele sind Elektronen, Protonen, Quarks, Neutrinos. • Bosonen besitzen einen ganzzahligen Spin und eine symmetrische Zustandsfunktion. Aus diesem Grund gilt für sie das Pauli-Prinzip nicht. Beispiele sind Photonen, Phononen, α-Teilchen. Die oben erwähnte Zustandsfunktion setzt sich immer aus einem Ortsanteil ϕ(r, t) und einem Spinanteil χms zusammen Ψms (r, t) = ϕ(r, t)χms . (46) Fermionen und Bosonen zeigen nun ein unterschiedliches Verhalten bei Streuexperimenten. Misst man mit einem Detektor D1 unter dem Streuwinkel θ und mit einem zweiten Detektor D2 unter dem Winkel π − θ, so erhält man für die Wahrscheinlichkeit P1 (θ) irgendein Teilchen in Detektor D1 nachzuweisen folgende Fälle: • unterscheidbare Teilchen (z.B. α-Teilchen und 16 O-Kerne): P1 (θ) = |f (θ)|2 + |f (π − θ)|2 = PI + PII • ununterscheidbare Bosonen (z.B. nur 16 (47) O-Kerne): P1 (θ) = |f (θ) + f (π − θ)|2 = PI + PII + I (48) • ununterscheidbare Fermionen (z.B. nur 1 H-Kerne): P1 (θ) = |f (θ) − f (π − θ)|2 = PI + PII − I (49) In den letzten beiden Fällen bezeichnet I einen Interferenzterm. Es sei noch erwähnt, dass diese Betrachtung grundsätzlich auch für zusammengesetzte Systeme gilt. In diesem Fall zählt nur der Gesamtspin. 11