Posthume« Analyse einer galaktischen Supernova

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Blick in die Forschung: Kurzberichte
»Posthume« Analyse
einer galaktischen Supernova
Lichtechos ermöglichen erstmals die spektroskopische Untersuchung einer Supernova in
unserem Milchstraßensystem und klären das Rätsel der Herkunft von Cassiopeia A.
E
ine Supernova ist der spektakuläre To-
ner Supernova-Explosion. Sie muss um das
genschaften ihrer Spektren unterschei-
deskampf eines massereichen Sterns,
Jahr 1680 aufgeleuchtet sein und wurde
den. Leider treten Supernovae äußerst sel-
in dem er über wenige Tage und Wochen
möglicherweise von John Flamsteed, dem
ten auf, und seit der Einführung moder-
eine Galaxie wie das Milchstraßensystem
ersten Astronomer Royal in Greenwich, be-
ner Beobachtungsmethoden hat sich kein
mit seinen mehr als hundert Milliarden
obachtet. Seither expandiert der Überrest
derartiger Ausbruch in unserer Milchstra-
Sternen überstrahlt. Cassiopeia A ist einer
mit hoher Geschwindigkeit. Für die Astro-
ße ereignet. Supernova-Ausbrüche konn-
der bekanntesten Überreste einer solchen
nomen ist er ein einzigartiges »Labor«, in
ten bisher nur in anderen Galaxien unter-
Sternexplosion. Er besitzt eine helle, annä-
dem sich die Explosionswolke einer Super-
sucht werden. Es gab also keine Möglich-
hernd kreisförmige Struktur, eingebettet
nova und deren Wechselwirkung mit der
keit, die Ergebnisse der detaillierten Stu-
in das Gas und den Staub seiner interstel-
diffusen Materie in seiner Umgebung un-
dien, die sich an einem na­hen Supernova-
laren Umgebung (Bild unten und rechts).
tersuchen lässt.
Überrest durchführen lassen, mit den Ei-
An unserem Himmel erschien Cassio-
Es gibt verschiedene Typen von Super-
peia A vor mehr als 300 Jahren als Folge ei-
novae, die sich in charakteristischen Ei-
genschaften einer spektroskopisch untersuchten Supernova zu verknüpfen.
Einmalige Chance
Der Überrest Cassiopeia A liegt vor unserer
kosmischen Haustür, nur elftausend Lichtjahre von der Erde entfernt, und ist daher
eines der am besten untersuchten Objekte
am irdischen Nachthimmel. Als die Supernova vor mehr als elftausend Jahren explodierte, sandte sie ihr helles Licht nach
allen Richtungen aus – die Erde passierte
es im 17. Jahrhundert und schien danach
für uns auf ewig verloren. Die »posthume«
Spektroskopie der längst verblassten Supernova gelang nun, weil die Astronomen
mehrere kurzlebige Reflexe des dama-
NASA/JPL-Caltech/Oliver Krause, MPIA
ligen Lichtblitzes an Staub- und Gaswol-
Bild rechte Seite: Der Lichtblitz, den die
Supernova einst aussandte, wurde an interstellaren Staubwolken in der Umgebung
reflektiert und erreichte auf diesem Umweg
5 Lichtjahre
die Erde. Der runde Supernova-Überrest ist
in der Infrarotaufnahme als hellgrauer Fleck
im Zentrum zu sehen. Für das Bild wurden
sechs über einen Zeitraum von drei Jahren
Der Supernova-Überrest Cassiopeia A leuchtet in mehreren Wellenlängenbe-
aufgenommene Einzelbilder überlagert.
reichen. Das Falschfarbenbild überlagert Röntgenstrahlung (blau und grün),
Unveränderte Infrarotstrahlung erscheint
sichtbares Licht (gelb) und mittleres Infrarot (rot), aufgenommen mit den
grau, während die aufgrund der Lichtechos
Weltraumteleskopen Chandra, Hubble und Spitzer. Der nach der Explosion
zeitlich veränderliche Strahlung eingefärbt
des Vorläufersterns zurückgebliebene Neutronenstern ist nur im Röntgenbe-
ist: Blau entspricht einem früheren, rot
reich zu erkennen (blauer Punkt im weißen Quadrat).
einem späteren Zeitpunkt.
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Juli 2008
Sterne und Weltraum
NASA/JPL-Caltech/Oliver Krause, MPIA
20 Bogenminuten
65 Lichtjahre
www.astronomie-heute.de
Juli 2008
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Ein Lichtecho leuchtet – wie die ursprüngliche Supernova – nur für wenige Wochen auf.
Die Bildsequenz zeigt die Infrarotstrahlung des warmen interstellaren Staubes in einem
kleinen Areal in der Umgebung von Cassiopeia A zu verschiedenen Zeiten. Der um das
Lichtecho markierte Ausschnitt (c) ist im Bild unten im sichtbaren Licht dargestellt.
ken in der Umgebung von Cassiopeia A er-
umfangreiche, im Laufe der Jahrzehnte in
vom Lichtblitz der Supernova erreicht und
wischten: Der Umweg einiger Lichtbündel
ihrem berühmten Überrest angesammelte
aufgeheizt werden, geben sie ihre Wärme-
über die Reflexion an diesen Wolken hat-
Datenmaterial.
strahlung für einige Tage und Wochen im
te aufgrund der endlichen Geschwindig-
Infraroten ab: Diese infraroten Lichtechos
keit des Lichts zu derart großen Verzöge-
Das Ende des Roten Überriesen
rungen geführt, dass sie die Erde erst heu-
Die Untersuchungen wurden von For-
te erreichen – so wurden die Forscher jetzt
schern des MPI für Astronomie zusammen
Die Astronomen verwendeten nun die
Zeugen des damaligen Geschehens.
mit japanischen und amerikanischen Kol-
infraroten Echos in Cassiopeia A, um die
Damit konnte erstmals das Licht ei-
legen unter der Leitung von Oliver Krause
viel schwächeren optischen Lichtechos mit
ner galaktischen Supernova mit moder-
durchgeführt. Bereits 2005 hatten sie un-
den Teleskopen auf dem Calar Alto aufzu-
nen spektroskopischen Methoden analy-
ter Einsatz des Weltraumteleskops Spitzer
spüren. Die optischen Lichtechos bestehen
siert werden. Diese Beobachtung ermög-
eine Reihe von infraroten »Lichtechos« ge-
aus dem ursprünglichen, an den Staub-
licht nun die sichere Bestimmung der Su-
funden (Bild auf Seite 27 und oben): Sobald
verdichtungen nur gestreuten Licht der
pernova; und es wirft neues Licht auf das
Verdichtungen im interstellaren Staub
Supernova und enthalten deshalb die ge-
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Das infrarote Lichtecho wurde auch im Sichtbaren registriert (b). In Gelb sind die Konturlinien des Infrarotechos eingetragen. Aus dem kleinen roten Quadrat wurde das zur Spektroskopie verwendete Licht extrahiert.
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Juli 2008
Sterne und Weltraum
[CI] l9850
OI l9264
CaII IR Triplet/
[CI] l8727
OI l7774
HeI l7065
HeI l7281/
[CaII] l7291
+ l7324
Ha l6563
*
SN Cas A
HeI l5876/
NaI D
spektraler Fluss
NAOJ/O. Krause, MPIA, SuW-Grafik
SN 1993J
500
600
700
800
900
1000
Wellenlänge in Nanometer
Das Spektrum des Lichtechos von Cassiopeia A stimmt weitgehend mit dem Spektrum der
typischen IIb-Supernova 1993 J überein. Diese Klassifikation erfolgt anhand der breiten
Emissionslinien des Wasserstoffs und des Heliums.
samte spektroskopische Information über
Neue Perspektiven
die ursprüngliche Sternexplosion.
Nun lassen sich die vielen, in der Vergan-
Sobald die optischen Lichtechos ge-
genheit gesammelten Beobachtungen von
funden waren (Bild Seite 28 unten), war
Cassiopeia A diesem speziellen, seltenen
schnelles Handeln geboten, denn die Echos
Explosionsmechanismus zuordnen: Man-
leuchten an einem Ort nur für wenige Wo-
che Details gewinnen dadurch eine ganz
chen auf – so lange eben, wie die damalige
neue Bedeutung. Zum Beispiel schien es
Supernova etwa ihre maximale Helligkeit
bisher merkwürdig, dass von der Super-
besaß. Mit dem japanischen Acht-Meter-
nova, die den Überrest Cassiopeia A ent-
Teleskop Subaru auf Hawaii wurde ein op-
stehen ließ, kaum Zeugnisse überliefert
tisches Spektrum der Echos aufgenommen,
sind. Möglicherweise war sie identisch
das nun die Klassifikation der längst ver-
mit dem Stern, von dem der Astronomer
gangenen Supernova erlaubt (Bild oben).
Royal John Flamsteed 1680 in Greenwich
Im Spektrum treten sowohl Wasser-
berichtete: Er konnte den Stern allerdings
stoff- als auch Heliumlinien auf – damit
nur ein einziges Mal und mit Mühe erken-
ist erwiesen, dass die Supernova von vor
nen. Da wir jetzt aber wissen, dass es eine
mehr als 300 Jahren vom seltenen Typ
Supernova vom Typ IIb war, lässt sich dies
IIb war. Solche Supernovae entstehen da-
besser verstehen: Solche Supernovae wer-
durch, dass ein Roter Überriese, ein masse-
den besonders schnell schwächer – da rei-
reicher Stern am Ende seines Lebens, nach
chen ein paar bewölkte Nächte, um den
vorherigem Verlust eines Großteils sei-
Mangel an Beobachtungsberichten zu er-
ner äußeren wasserstoffreichen Hülle ei-
klären.
nen Kollaps seines inneren, heliumreichen
Lichtechos wurden schon früher zur
Kerns erfährt: Er kollabiert unter seiner ei-
Untersuchung von Supernovae in anderen
genen Last zu einem Neutronenstern (wie
Galaxien genutzt (vergleiche S. 22 in die-
im Fall von Cassiopeia A) oder zu einem
sem Heft). Mit dieser Studie eines nahe­n,
Schwarzen Loch, und wirft dabei einen Teil
bereits ausgiebig beobachteten Falls er-
seiner verbliebenen Hülle schlagartig ab.
Das abgeworfene Material enthält vor
weist sich nun die ganze Wirksamkeit dieser trickreichen Methode.
Jakob Staude
allem Helium und Wasserstoff, deren Linien im Spektrum der Supernova erscheinen. Es entfernt sich mit vielen Tau-
Literaturhinweis
send Kilometern pro Sekunde in alle Rich-
Krause, O. et al.: The Cassiopeia A Super-
tungen und tritt heftig mit der umge-
nova Was of Type IIb. In: Science 320, S.
benden interstellaren Materie in Wechsel-
1195–1197, 2008.
wirkung. Das dabei entstehende hochgra-
Bewegte Bilder von Cassiopeia A finden
dig angeregte Gemisch aus stellarer und
sich unter www. astronomie-heute.de/
interstellarer Materie bildet den Superno-
artikel/957966
va-Überrest.
www.astronomie-heute.de
Juli 2008
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