Nachgefragt mit Regula Frick, Geschäftsleiterin der Rheumaliga Aargau 1. Die Rheumaliga Aargau feiert dieses Jahr ihr 40jähriges Bestehen. Wie ist sie entstanden? Von Seiten der Schweizerischen Rheumaliga und des Aargauischen Ärzteverbandes wurde im Laufe des Jahres 1966 die Gründung einer Aargauischen Rheumaliga angeregt. Nach zweijähriger Inaktivität konnte der Aargauische Verein für Invalidenfürsorge durch Übernahme der Aufgaben einer aargauischen Rheumaliga seine praktische Tätigkeit wieder aufnehmen. Am 25. Februar 1967 beschloss die Generalversammlung die Statuten, den durch die neuere Gesetzgebung (Invalidenversicherungsgesetz und Rheumagesetz) veränderten Verhältnissen anzupassen und änderte den bisherigen „aargauischen Verein für Invalidenfürsorge“ um in Aargauischer Verein für Invaliden- und Rheumahilfe (AVIR)“. Am 1. Mai 1967 wurden die Beratungs- und Fürsorgestellen des AVIR, geführt von der Pro Infirmis Aargau, in Aarau und Baden eröffnet. 2. Der Mensch, insbesondere der Mensch mit einer rheumatischen Erkrankung, steht im Zentrum der Rheumaliga. Was sind ihre Angebote und Dienstleistungen? Die Rheumaliga Aargau arbeitet präventiv und therapeutisch im Sektor Bewegung. Das bedeutet, wir bieten Bewegungskurse an sowohl für Rheumabetroffene und alle, die etwas zur Vorbeugung tun wollen. Wir führen folgende Kurse: Aquawellkurse (Wasserkurse), Osteogym (Bewegungskurse für Osteopathiebetroffene), Backademy, (Rückengymnastik), Pilates (Stärkung, Entspannung und Bewusstwerdung der Muskulatur) und Tanzkurse (Gesellschaftstänze). Die Rheumaliga Schweiz und die Rheumaligen der Kantone sind zudem die Interessensvertretungen der Rheumabetroffenen, der beruflichen Spezialisten und der Bevölkerung im Thema Rheumabekämpfung. Die Dachorganisation Rheumaliga Schweiz vertreibt Alltagshilfen, dies sind praktische Hilfsmittel, die Arbeiten im Alltag leichter machen und sich Gelenk schonender verrichten lassen. 3. Hat die Rheumaliga Aargau ein Leitbild oder eine bestimmte Philosophie, die sie verfolgt? Die Rheumaliga Aargau hat die Vision, optimale Bedingungen zu schaffen für grösstmögliche Bewegungs- und Schmerzfreiheit auf körperlicher und sozialer Ebene. Wir haben in allem, was wir tun die Philosophie, möglichst nahe an den Bedürfnissen unserer Anspruchsgruppen zu sein. Dies bedeutet, viele Gespräche führen mit Rheumabetroffenen, mit beruflichen Spezialisten und auch mit nicht von Rheuma Betroffenen. 4. Was sind die wichtigsten Anliegen der Rhemaliga Aargau? Seit 40 Jahren bekämpft die Rheumaliga Aargau die schwere chronische Krankheit Rheuma im Kanton Aargau und ist in der Krankheitsverhütung aktiv. Der Gesellschaftliche Wandel und die Änderung der Lebensweise in Wechselwirkung mit dem medizinischen und technologischen Fortschritt haben in den vergangenen Jahrzehnten chronische Krankheiten zunehmen lassen. Der Bundesrat hat vor Kurzem durch die Unterstützung der Motionen von Silvia Schenker „Prävention und Gesundheitsförderung“ und „Bekämpfung chronischer Krankheiten“ gezeigt, dass er mit der dringend notwendigen Neuausrichtung in der Gesundheitspolitik ernst machen will. Dasselbe ist auch unser Anliegen: Neben der kurativen Medizin braucht die Schweiz die gezielte Förderung von gesundheitsgerechten Lebensweisen und Strukturen. Zur Vorbeugung und Therapie von Rheuma steht im Vordergrund die Bewegung. Sie soll möglichst wöchentlich dosiert von jedem Menschen durchgeführt werden Man soll sich dabei nicht überanstrengen und Freude haben daran. Das Schöne an dieser Vorbeugung für Rheuma, Sie beugen gleichzeitig für alle anderen Krankheiten vor. 5. Was sind die grössten Meilensteine in der Geschichte der Rheumaliga Aargau? Die Rheumaliga Aargau hat sich während ihres 40-jährigen Bestehens zusammen mit der Dachorganisation Rheumaliga Schweiz immer wieder politisch engagiert und dies mit Erfolg. Als es zum Beispiel im sogenannten „Flimser Modell“ 1972 um die Krankenkassenbeiträge für Physiotherapie ging, schrieb der Präsident der RLA im Begleitschreiben zur Stellungnahme folgendes: „Ich selbst habe schon vor mehreren Wochen mit einem Chefbeamten des Aargauischen Gesundheitsdepartementes diese Angelegenheit eingehend besprechen können und es wurde mir zugesagt, dass der Regierungsrat des Kantons Aargau in seiner Stellungnahme zum „Flimser Modell“ ebenfalls auf die Untragbarkeit dieser Schlechterstellung der physikalischen Therapie hinweisen werde.“ Die Rheumaliga machte sich auch im Jahr 1980 erfolgreich stark für die Rheumabetroffenen und die Chronischkranken bei der Neuverteilung der Aufgaben zwischen Bund und Kantonen, ebenso im Jahr 1982, als sogenannte Bagatellsubventionen im Gesundheitswesen aufgehoben werden sollten. 6. Im Rahmen des Jubiläums zeigen sie in der Eingangshalle der Neuen Aargauer Bank in Aarau eine Ausstellung „ 40 Jahre bewußt bewegt“. Der Eröffnungsevent war am Dienstag. Was wird in der Ausstellung gezeigt und was möchten Sie den Besuchern damit auf den Weg geben? Mit der Ausstellung bringen wir den Besuchern ins Bewusstsein, wie weit verbreitet Rheuma ist (1'200'000 Betroffene in der Schweiz gesamt) und wie schwerwiegend die Symptome bei schwer betroffenen sind. Wir zeigen die Fotos von Händen, die eindrücklich die massiven Auswirkungen von Rheuma dokumentieren. Auch die Geschichte der Rheumaliga Aargau, die Vereinstätigkeit und die Publikationen im Wandel der Zeit werden gezeigt. Die Arbeit in der Prävention hat generell die Schwerpunkte Ernährung und Bewegung. Die Rheumaliga arbeitet im Sektor Bewegung, eben „bewusst bewegt“. Wir zeigen in der Ausstellung die verschiedenen Bewegungskurse und ihre Entwicklung bis hin zum neuesten, trendigen Angebot, den Tanzkursen. 7. Haben Sie noch weitere Jubiläumsaktionen geplant? Die Ausstellung in der NAB dauert bis am 9. November. Eine weitere Jubiläumsaktion ist der Wettbewerb, an dem Ausstellungsbesucherinnen und –besucher teilnehmen können. Es werden drei Bewegungskurse à 10 Lektionen zur Gratisteilnahme verlost. Als aktive Interessensvertreterin ist die Rheumaliga immer präsent. Werden im Kanton Aargau Aktivitäten und Veranstaltungen von Akteuren der Gesundheitsförderung geplant, sind wir dabei die richtigen Partner, die interdisziplinäre Zusammenarbeit und eine sinnvolle Vernetzung herbeizuführen. 8. Was muss sich ein Laie unter Rheuma vorstellen? Rheuma hat viele Gesichter. Es gibt mehr als 200 Krankheitsbilder, d.h. verschiedene Hauptdiagnosen. Rheuma bedeutet immer und hauptsächlich Schmerzen. Dazu kommen die verschiedensten Symptome wie geschwollene Gelenke, brüchige Knochen, angespannte Haut, Entzündungen, eitrige Abszesse, Verkrümmungen im Skelettbau und Vieles mehr. 9. Wie weit verbreitet ist diese Krankheit bei uns, gibt es Statistiken? Von Rheuma betroffen sind in der Schweiz rund 1'200'000 Menschen. Rheuma ist eine Sammelbezeichnung für schmerzhafte Erkrankungen an Rücken, Gelenken, Knochen und den dazugehörenden Muskeln, Sehnen und Bändern. Von den 1'200'000 Menschen erkranken 120'000 von ihnen schwer. Es ist sehr eindrücklich, die Selbsthilfegruppen der verschiedenen Krankheitsbetroffenen zu besuchen. Da wird einem schnell klar, dass die schwere Erkrankung an Rheuma für den Aussenstehenden eindrücklich sichtbar ist und für den Betroffenen ein Alles im Leben beeinflussendes und grundsätzlich limitierendes Schicksal bedeutet. Von Rheuma kann jeder betroffen werden. Selbst Kinder können schon Rheuma haben. Auch junge Menschen sollten an Rheuma denken, wenn sie immer wiederkehrende Schmerzen haben. Wichtig ist, sich schon frühzeitig an einen Spezialisten zu wenden, den Rheumatologen. 10. Wie gehen die Betroffenen mit dieser Krankheit um? Wenn ich an die vielen Gespräche und Begegnungen mit Rheumakranken denke, dann kommt mir als Erstes das Wort Tapferkeit in den Sinn. Der Umgang mit nicht enden wollenden Schmerzen und dabei die Gestaltung eines zufriedenen und oft auch gerade dadurch ausgefüllten Lebens trotz oder mit diesen Voraussetzungen rufen in mir immer wieder Bewunderung hervor. Ich sehe die Dankbarkeit des Rheumabetroffenen für all das, was geht und empfinde selber Dankbarkeit dafür, dass mir dies so gezeigt wird. 11. Gibt es Risikofaktoren für Rheuma? Als mögliche Ursachen kommen je nach Krankheitsbild angeborene „Immunstörungen“, Veränderungen des Immunsystems durch äussere Einflüsse, Entzündungen oder anatomische Fehlformen in Frage. Die veränderten Lebensbedingungen in der modernen Zeit bringen es mit sich, dass wir heute die äusseren Einflüsse nicht genau definieren und zuordnen können. Klar ist, dass in letzter Zeit die chronischen Krankheiten zunehmen und früher, also schon in jüngeren Jahren, auftreten. Am häufisten sind noch immer Gelenkerkrankungen durch Abnützung (Arthrosen) und Erkrankungen der Weichteile. Fast jeder Mensch hat irgendwann im Leben vorübergehend weichteilrheumatische Beschwerden und bekommt im Alter mehr oder weniger ausgeprägte Arthrosen. Äussere Umstände wie Abkühlung, Überbelastung oder ungünstige Arbeitsplatzgestaltung sind dabei zwar oft der Auslöser, aber keineswegs die alleinige Ursache . Vielmehr kommen über die Jahre hinweg viele verschiedene Ursachen zusammen, die dann zum Ausbruch der Krankheit führen. 12. Wie begegnet die Gesellschaft rheumakranken Menschen? Rheumakranke Menschen haben es oft schwer, ihre Situation mit dieser Krankheit Anderen verständlich zu machen. Dies ist dann nicht so schlimm, wenn kein Abhängigkeitsverhältnis besteht, schliesslich kann sich auch der Rheumabetroffene seine Freunde selber aussuchen. Weitreichende negative Folgen kann das Unverständnis jedoch in Abhängigkeitsverhältnissen haben, wie z.B. beim Arbeitgeber. Ich rate den Rheumakranken in solchen Situationen, sich an einen professionellen Mittler zu wenden, z.B. die Sozialarbeiter der Pro Infirmis. 13. Hat sich die Rheumaliga Aargau bestimmt Ziele für die Zukunft gesetzt? Das hauptsächliche Merkmal der Gesundheitsligen zur Unterscheidung von anderen Organisationen, die in der Beratung und Begleitung von Menschen mit einer Gesundheitlichen Beeinträchtigung tätig sind, ist die Förderung von interdisziplinärer Tätigkeit. Die Rheumaliga Aargau will in Zukunft ihre Anstrengungen verstärken, im Kanton als interdisziplinäre Plattform zu wirken, die eine kluge Vernetzung fördert. Damit hat sie das Potential, den Mehrwert zu bringen, der in der Prävention und Gesundheitsförderung den entscheidenden Funken zu den Menschen überspringen lässt. Regula Frick 15.10.2007