Die Rolle der Schilddrüse beim Polyzystischen Ovar

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Diplomarbeit
Die Rolle der Schilddrüse beim Polyzystischen OvarSyndrom
eingereicht von
Christian Georg Trummer
Geb.Dat.: 29.5.1988
zur Erlangung des akademischen Grades
Doktor der gesamten Heilkunde
(Dr. med. univ.)
an der
Medizinischen Universität Graz
ausgeführt an der
Universitätsklinik für Innere Medizin, Klinische Abteilung für
Endokrinologie und Stoffwechsel
unter der Anleitung von
Dr. Elisabeth Lerchbaum
und
Univ. Prof. Dr. Barbara Obermayer-Pietsch
Graz, am …………………………..
(Unterschrift)
Eidesstattliche Erklärung
Ich erkläre ehrenwörtlich, dass ich die vorliegende Arbeit selbstständig und ohne fremde
Hilfe verfasst habe, andere als die angegebenen Quellen nicht verwendet habe und die den
benutzten Quellen wörtlich oder inhaltlich entnommenen Stellen als solche kenntlich
gemacht habe.
Graz, am ……
Unterschrift
-i-
-ii-
Danksagungen
Bei Dr. Elisabeth Lerchbaum und Univ. Prof. Dr. Barbara Obermayer-Pietsch
möchte ich mich für die ausgesprochen herzliche Aufnahme ins Team und die
wirklich ausgezeichnete Betreuung während der Verfassung dieser Diplomarbeit
bedanken.
Meinen Eltern Harald und Angelika Trummer danke ich, dass sie mir dieses
Studium ermöglicht haben und jederzeit ein offenes Ohr für etwaige Probleme
hatten und mich auf allen Wegen immer unterstützt haben.
Bei meiner Freundin Stefanie möchte ich mich für die moralische Unterstützung
während meiner gesamten Studienzeit bedanken.
-iii-
Zusammenfassung
Ziele: Das Polyzystische Ovar-Syndrom (PCOS) ist eine der häufigsten
endokrinologischen Erkrankungen bei Frauen im gebärfähigen Alter. Neben den
klassischen Diagnosekriterien wie Hyperandrogenismus, Oligo- oder Anovulation
und
polyzystische
Ovarien
Schilddrüsenerkrankungen.
leiden
Ziel
der
auch
viele
Arbeit
war
der
es,
Betroffenen
die
Prävalenz
unter
von
Schilddrüsenerkrankungen bei Patientinnen mit PCOS zu untersuchen. Weiters
wurde analysiert, ob es einen Unterschied bei endokrinen und metabolischen
Parametern bei PCOS-Patientinnen mit und ohne Schilddrüsenerkrankung gibt.
Methoden:
762
PCOS-Patientinnen
wurden
retrospektiv
auf
Schilddrüsenerkrankungen untersucht. Zudem wurden 27 Frauen, die zur PCOSAbklärung vorstellig wurden, prospektiv laborchemisch und sonographisch
hinsichtlich Schilddrüsenerkrankungen gescreent. Metabolische und endokrine
Parameter
wurden
zwischen
Patientinnen
mit
und
ohne
Schilddrüsenerkrankungen verglichen.
Resultate: 29,3% der retrospektiv und 37% der prospektiv untersuchten Frauen
wiesen eine Schilddrüsenerkrankung auf, davon litten 82% der retrospektiven und
90% der prospektiven Gruppe unter einer Form der Hypothyreose. In der
retrospektiven Gruppe wiesen Patientinnen mit Schilddrüsenerkrankung eine
signifikant höhere nüchtern Insulinkonzentration (9,1 mU/l vs. 7,5 mU/l; p=0,022)
sowie einen höheren HOMA-Index (2,2 vs. 1,8; p=0,04) auf als PCOSPatientinnen ohne Schilddrüsenerkrankung. Auch Bauchumfang (90,7cm vs.
85,3cm; p=0,002) und BMI (28 kg/m² vs. 26 kg/m²; p=0,001) waren bei PCOSFrauen mit Schilddrüsenerkrankung höher als ohne Schilddrüsenerkrankung, der
HDL-Cholesterinwert war im Vergleich bei Frauen mit Schilddrüsenerkrankungen
erniedrigt (63 mg/dl vs. 68 mg/dl; p=0,002). Keine signifikanten Unterschiede
konnten in der prospektiv untersuchten Population festgestellt werden.
Diskussion:
Frauen
mit
PCOS
weisen
eine
hohe
Prävalenz
an
Schilddrüsenerkrankungen auf, weshalb jede Frau mit PCOS zumindest
laborchemisch
und
eventuell
mittels
Ultraschall
hinsichtlich
Schilddrüsenerkrankungen untersucht werden sollte. Ebenso sollten Patientinnen
mit Immunthyreopathie Hashimoto und charakteristischer Anamnese sowie
Phänotyp auf das Vorliegen eines PCOS gescreent werden.
-iv-
Abstract
Objectives: The polycystic ovary syndrome (PCOS) is one of the most common
endocrine disorders among women of reproductive age. Apart from the
characterizing symptoms such as hyperandrogenism, oligo- or anovulation and
polycystic ovaries many patients also suffer from thyroid diseases. The aim of this
diploma thesis was to evaluate the prevalence of thyroid diseases in patients with
PCOS. Furthermore, possible endocrine and metabolic differences between
patients with and without thyroid diseases were analyzed.
Methods: 762 patients with diagnosed PCOS were retrospectively examined for
thyroid diseases. 27 women with PCOS were prospectively screened for thyroid
diseases using ultrasound and laboratory parameters. Metabolic and endocrine
parameters were compared between patients with and without thyroid diseases.
Results: We found a prevalent thyroid disease in 29.3% and 37% of all patients in
the prospective and retrospective group, respectively. Among these groups, 82%
of the retrospective and 90% of the prospective population showed a form of
hypothyroidism. In the retrospective group, patients with thyroid diseases showed
a significantly elevated level of fasting insulin (9.1 mU/l vs. 7.5 mU/l; p=0.022) and
an increased HOMA-index (2.2 vs. 1.8; p=0.04) compared to PCOS-patients
without thyroid diseases. Waist circumference (90.7cm vs. 85.3cm; p=0.002) and
BMI (28 kg/m² vs. 26 kg/m²; p=0.001) were also significantly increased, HDLcholesterol showed reduced levels among patients with thyroid diseases (63 mg/dl
vs. 68 mg/dl; p=0.002). We did not find any significant differences between these
groups in the prospective population.
Discussion: We found a high prevalence of thyroid diseases among women with
PCOS. Thus, an evaluation of their thyroid function by laboratory parameters or
perhaps ultrasound is recommended. Patients with diagnosed Hashimoto’s
thyroiditis who also show a characteristic anamnesis and phenotype should be
screened for PCOS.
-v-
Inhaltsverzeichnis
Verwendete Abkürzungen .................................................................................... viii
Abbildungsverzeichnis ............................................................................................. x
Tabellenverzeichnis ............................................................................................... xii
1 Einleitung.............................................................................................................. 1
1.1 Die Schilddrüse und häufige Schilddrüsenerkrankungen .............................. 1
1.1.1 Aufbau und Entwicklung......................................................................... 1
1.1.2 Hormoneller Regelkreis.......................................................................... 3
1.1.3 T3 und T4 ................................................................................................ 4
1.1.4 Transport der Schilddrüsenhormone im Blut .......................................... 5
1.1.5 Schilddrüsenhormon-Rezeptor .............................................................. 6
1.1.6 Physiologische Wirkung der Schilddrüsenhormone ............................... 7
1.1.7 Abbau der Schilddrüsenhormone ........................................................... 8
1.1.8 Schilddrüsendiagnostik .......................................................................... 8
1.1.9 Häufige Schilddrüsenerkrankungen ..................................................... 11
1.1.9.1 Hashimoto-Thyreoiditis ................................................................. 11
1.1.9.2 Morbus Basedow .......................................................................... 14
1.2 Das Polyzystische Ovarien-Syndrom .......................................................... 17
1.2.1 Epidemiologie ...................................................................................... 17
1.2.2 Pathogenese ........................................................................................ 17
1.2.3 Diagnostik ............................................................................................ 18
1.2.4 Klinik .................................................................................................... 20
1.2.5 Therapie ............................................................................................... 22
1.2.5.1 Systemische Therapie .................................................................. 22
1.2.5.2 Spezifische Therapie .................................................................... 24
1.3 Bisheriger Forschungsstand zur Korrelation von PCOS und
Schilddrüsenerkrankungen .......................................................................... 25
2 Methoden ........................................................................................................... 26
2.1 Patientinnen ................................................................................................ 26
2.2 Studiendesign ............................................................................................. 26
-vi-
2.3 Statistische Auswertung .............................................................................. 27
3 Resultate ............................................................................................................ 28
3.1 Retrospektive Daten .................................................................................... 28
3.2 Prospektive Daten ....................................................................................... 37
4 Diskussion .......................................................................................................... 41
5 Literaturverzeichnis ............................................................................................ 46
-vii-
Verwendete Abkürzungen
AIT
Autoimmunthyreoiditis
ATP
Adenosintriphosphat
BMI
Body-Mass-Index
cAMP
cyclisches Adenosinmonophosphat
CTLA-4
cytotoxic T-Lymphocyte Antigen-4
EGF
Epidermal Growth Factor
FAI
Freier Androgenindex
FSH
Follikel-stimulierendes Hormon
HDL
High Density Lipoprotein
HLA
Human Leukocyte Antigen
HOMA
Homeostasis Model Assessment
Ig
Immunoglobulin
IGF-1
Insulin-like Growth Factor-1
IR
Insulinresistenz
LDL
Low Density Lipoprotein
LH
Luteinisierendes Hormon
NIS
Natrium-Jodid-Symporter
oGTT
oraler Glukosetoleranztest
PCOS
Polyzystisches Ovarien-Syndrom
PAX-8
Paired Homebox-8
rT3
reverses Trijodthyronin
SHBG
Sexualhormon-bindendes Globulin
St.p.
Status post
(f)T3
(freies) Trijodthyronin
(f)T4
(freies) Thyroxin
TBG
Thyroxin bindendes Globulin
TBPA
Thyroxin bindendes Präalbumin
TG
Thyreoglobulin
TGF-β
Transforming Growth Factor β
TPO
Thyreoperoxidase
TRα/β
Schilddrüsenhormonrezeptor α/β
TRAK
Thyreotropin-Rezeptor-Antikörper
-viii-
TRE
Thyroid Responsive Element
TRH
Thyreotropin-Releasinghormon
TSH
Thyreotropin
TSH-R
Thyreotropin-Rezeptor
TTF 1/2
Schilddrüsen-Transskriptionsfaktor 1/2
ZNS
Zentrales Nervensystem
-ix-
Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1 Trijodthyronin (T3) [1] (erstellt mit ACD/ChemSketch Freeware, version 12.01,
Advanced Chemistry Development, Inc., Toronto, ON, Canada, www.acdlabs.com, 2009.) ......... 2
Abbildung 2 Thyroxin (T4) [1] (erstellt mit ACD/ChemSketch Freeware, version 12.01,
Advanced Chemistry Development, Inc., Toronto, ON, Canada, www.acdlabs.com, 2009.) ......... 2
Abbildung 3 Häufigkeit von Schilddrüsenerkrankungen in der retrospektiven
Population ............................................................................................................ 28
Abbildung 4 Häufigkeiten einzelner Schilddrüsenerkrankungen in der
retrospektiven Population ..................................................................................... 29
Abbildung 5 Häufigkeiten sonographischer Befunde in der gesamten
retrospektiven Population ..................................................................................... 30
Abbildung 6 Häufigkeit sonographischer Befunde bei Patientinnen mit
Schilddrüsenerkrankungen ................................................................................... 31
Abbildung 7 Sonographische Homogenität bei allen durchgeführten Sonographien
in der retrospektiven Gruppe ................................................................................ 31
Abbildung 8 Anteile der Schilddrüsenerkrankungen bei inhomogenem
sonographischen Befund ...................................................................................... 32
Abbildung 9 Vergleich des BMI zwischen Patientinnen ohne und mit
Schilddrüsenerkrankungen ................................................................................... 33
Abbildung 10 Vergleich des Bauchumfanges zwischen Patientinnen ohne und mit
Schilddrüsenerkrankungen ................................................................................... 34
Abbildung 11 Vergleich des HOMA-Index zwischen Patientinnen ohne und mit
Schilddrüsenerkrankungen ................................................................................... 35
Abbildung 12 Vergleich der nüchtern Insulinkonzentration zwischen Patientinnen
ohne und mit Schilddrüsenerkrankungen ............................................................. 35
Abbildung 13 Vergleich des HDL-Spiegels zwischen Patientinnen ohne und mit
Schilddrüsenerkrankungen ................................................................................... 36
Abbildung 14 Häufigkeit von Schilddrüsenerkrankungen in der prospektiv
untersuchten Population ....................................................................................... 37
Abbildung 15 Häufigkeiten einzelner Schilddrüsenerkrankungen in der
prospektiven Population ....................................................................................... 38
Abbildung 16 Sonographische Befunde prospektiv untersuchter Patientinnen .... 39
-x-
Abbildung 17 Schilddrüsenhomogenität prospektiv untersuchter Patientinnen .... 39
-xi-
Tabellenverzeichnis
Tabelle 1 Biologische Wirkungsprofile der Schilddrüsenhormone [3] ..................... 5
Tabelle 2 Hirsutismus-Score nach Ferriman und Gallway [6] ............................... 19
Tabelle 3 Richtwerte des oGTT der American Diabetes Association [7] .............. 20
Tabelle 4 Internationale Häufigkeit von Symptomen bei PCOS-Patientinnen [6] . 22
-xii-
1. Einleitung
1.1 Die Schilddrüse und häufige Schilddrüsenerkrankungen
1.1.1 Aufbau und Entwicklung
Die Schilddrüse (griechisch: thyreos Schild, eidos -förmig) ist ein 12 bis 20 Gramm
wiegendes, stark vaskularisiertes endokrines Organ [1]. Sie besteht aus zwei
seitlich der Trachea gelegenen Lappen und einem dazwischenliegenden
verbindenden Isthmus, an dessen Oberseite sich ein sogenannter Lobus
pyramidalis befinden kann, welcher ein entwicklungsgeschichtliches Relikt
darstellt. Die bei endokrinen Organen besonders ausgeprägte Blutversorgung wird
durch die paarig angelegten Arteriae thyroideae superiores et inferiores
sichergestellt, der venöse Abfluss erfolgt über den Plexus thyroideus impar und
die Venae thyroideae superiores et mediae [2].
Embryogenetisch entwickelt sich die Schilddrüse am Beginn der dritten
Schwangerschaftswoche aus dem Boden des primitiven Pharynx. Sie wandert
schließlich entlang des Ductus thyreoglossus vom Zungengrund zu ihrer
eigentlichen Position. Dadurch
kann
es zu
ektopen
Ablagerungen
von
Schilddrüsengewebe am Zungengrund (Zungengrundschilddrüse) oder entlang
des Ductus thyreoglossus (Thyreoglossuszysten) kommen. Hormone werden
ungefähr nach der elften Schwangerschaftswoche produziert. Die Entwicklung
selbst wird unter anderem von den Transskriptionsfaktoren TTF 1 und 2
(Schilddrüsen-Transskriptionsfaktor 1 und 2) und PAX-8 (paired homebox-8)
gesteuert. Sie sind nicht nur für die Entwicklung des Organes zuständig, sondern
induzieren auch schilddrüsenspezifische Gene wie zum Beispiel jene für
Thyreoglobulin (TG), Thyreoperoxidase (TPO), Natrium-Jodid-Symporter (NIS)
oder
dem
Rezeptor
für
Thyreotropin
(TSH-R).
Mutationen
dieser
Transskriptionsfaktoren können Ursache für eine Agenesie der Schilddrüse oder
eine fehlerhafte Hormonproduktion darstellen, wobei besonders die akut
behandlungsbedürftige und mit schweren Entwicklungsstörungen einhergehende
kongenitale Hypothyreose zu erwähnen wäre [1].
Die funktionelle Einheit der Schilddrüse ist der sogenannte Schilddrüsenfollikel, in
dessen Zentrum sich das Kolloid befindet. Darin erfolgt die Speicherung von
Schilddrüsenhormonen, welche an das Glykoprotein TG gebunden vorliegen.
Thyreoglobulin wird an den Ribosomen der Schilddrüsenzellen synthetisiert, erhält
-1-
seinen Kohlenhydratanteil im Golgi-Apparat und wird in Vesikel verpackt über
Exozytose
in
das
Kolloid
abgegeben.
Diese
Speicherform
der
Schilddrüsenhormone wird von den eigentlichen sezernierenden Drüsenzellen als
einschichtiges Epithel umgeben, wobei die apikale Seite dem Kolloid zugewandt
ist. Zwischen den Follikeln befinden sich vereinzelte C-Zellen, die für die
Produktion von Calcitonin verantwortlich sind [3, 4]. Die Synthese der Hormone ist
stark von der Verfügbarkeit und Verarbeitung von Jod abhängig. Es muss mit der
Nahrung aufgenommen werden und wird im menschlichen Organismus nur für die
Erzeugung
von
Schilddrüsenhormonen
benötigt,
die
ideale
tägliche
Aufnahmemenge beträgt 110µg [3].
Jod wird in Form von Jodid-Ionen zusammen mit Natriumionen über eine Pumpe
(NIS) in die Follikelzellen aufgenommen. Durch niedrige Jodspiegel wird die NISExprimierung und damit Aufnahme in die Zelle erhöht, bei hohen Blutspiegeln wird
die Exprimierung des Symporters gehemmt. Für den Transport muss ein
Konzentrationsgefälle überwunden werden, wodurch Jodid nur in Zellen gelangt,
die einen dafür vorgesehenen Transporter an ihrer Oberfläche exprimieren.
Ebenso ist es unmöglich, dass Jod aus der Zelle austritt [1, 5]. Der Transport kann
jedoch mit anderen Anionen blockiert werden, wie zum Beispiel Perchlorat oder
Pertechnat. Jod wird an einen der Tyrosylreste des Thyreoglobulins gebunden,
wobei es durch TPO, ein integrales Membranprotein an der apikalen Seite der
Thyreozyten, oxidiert werden muss. Bei dieser sogenannten Jodination entstehen
sowohl monojodinierte als auch dijodinierte Tyrosylreste [3]. Die Reste reagieren
intramolekular miteinander, wobei Alanin abgespalten wird. Dadurch entsteht aus
einem monojodiniertem und einem dijodiniertem Rest ein Trijodtyrosinrest (T 3),
sowie aus zwei dijodinierten Resten ein Tetrajodtyrosinrest (T4) [5].
Abbildung 1 Trijodthyronin (T3) [1]
Abbildung 2 Thyroxin (T4) [1]
-2-
1.1.2 Hormoneller Regelkreis
Die Regulation der Schilddrüsenhormonausschüttung stellt ein klassisches
Beispiel für einen endokrinen Rückkopplungsmechanismus dar. Thyreoliberin
(Thyreotropin-Releasinghormon, TRH) aus dem Hypothalamus stimuliert die
hypophysäre Produktion von Thyreotropin (TSH), während Somatostatin diese
hemmt. TSH bewirkt eine Ausschüttung von Hormonen der Schilddrüse. Durch
einen negativen Rückkopplungsmechanismus kann von diesen die Freisetzung
von TSH und TRH gehemmt werden. Der Sollwert des Regelkreises wird vor allem
durch TSH festgelegt, wohingegen TRH hauptsächlich für die positive Regulation
der Synthese und Sekretion von TSH zuständig ist [1, 4].
TRH ist ein Tripeptid und wird nicht nur in den Neuronen des Hypothalamus
synthetisiert sondern auch in anderen Regionen des ZNS, wie in den Amygdalae
oder im Hirnstamm. Es wird aus seinem Vorläufer, dem Pro-TRH, durch
Peptidasen heraus gespalten und anschließend enzymatisch modifiziert. Die
Synthese scheint vor allem durch noradrenerge Verbindungen reguliert zu werden,
die Schilddrüsenhormone selbst dürften eine untergeordnete Rolle spielen. TRH
vermittelt seine Wirkung an der Hypophyse über einen membranständigen
Rezeptor, wodurch die intrazellulären Ca2+-Speicher geleert werden und
außerdem Ca2+ von außen in die Zelle gelangt [3].
TSH ist ein Glykoprotein, das aus einer α- und einer β1-Untereinheit besteht und
von den basophilen (thyreotropen) Zellen des Hypophysenvorderlappens gebildet
wird. Die α-Untereinheit ist bei allen hypophysären Glykoproteinhormonen ident
und wird sogar überschussbedingt ins Blut abgegeben, wohingegen die β 1Untereinheit spezifisch in TSH-Molekülen vorkommt. Ihre Synthese wird von TRH
stimuliert und von aktivierten T3-Rezeptoren gehemmt [1, 3]. Der TSH-Rezeptor ist
ein
siebenfach-transmembranärer,
G-Protein
gekoppelter
Rezeptor,
der
hauptsächlich das cAMP-System induziert aber auch durch Aktivierung der
Phospholipase C den Phosphatidylinositolumsatz beeinflusst. Durch diese
Vorgänge wird das Thyreoglobulin aus dem Kolloid über Endozytose wieder in die
Thyreozyten aufgenommen. Dadurch entstehende Vesikel fusionieren mit
primären Lysosomen zu sogenannten Phagolysosomen, in welchen durch
Proteasen Thyreoglobulin abgespalten wird und freies T 3 und T4 ins Blut gelangen.
Durch Deiodasen wird Jodid von den nun freien monojodinierten und dijodinierten
Tyrosylresten abgespalten und steht der Neusynthese zur Verfügung [1, 4]. Neben
-3-
TSH existieren Wachstumsfaktoren die hauptsächlich lokal in der Schilddrüse
selbst
synthetisiert
werden,
welche
ebenfalls
die
Produktion
von
Schilddrüsenhormonen steigern. Dazu gehören beispielsweise der insulinähnliche
Wachstumsfaktor
(IGF-1),
der
epidermale
Wachstumsfaktor
(EGF),
der
transformierende Wachstumsfaktor (TGF-β), Endotheline oder verschiedene
Zytokine [1].
1.1.3 T3 und T4
T4 wird von der Schilddrüse ungefähr 20 Mal stärker synthetisiert als T 3 und wird
ausschließlich in der Schilddrüse produziert, wohingegen T 3 vor allem in Zielzellen
der Schilddrüsenhormone durch Dejodierung von T 4 durch eine 5‘Dejodase
entsteht, wodurch sich 80 Prozent des gesamten im Körper vorkommenden T 3
intrazellulär befinden [3, 5]. Der Grund für diese hormonale Umwandlung liegt
darin, dass T3 bis zu acht Mal wirksamer ist als T4, dieses aber eine deutlich
längere Halbwertszeit aufweist. Dementsprechend kann T 4 als eine Art
Speicherform der Schilddrüsenhormone im Plasma angesehen werden [4].
Außerdem existieren verschieden Isoformen von Dejodasen: Typ-I Dejodasen
findet man vor allem in der Schilddrüse, Leber und Niere, sie haben eine geringe
Affinität zu T4. Typ-II Dejodasen kommen vor allem in der Hypophyse, im Gehirn,
im braunen Fettgewebe und in der Schilddrüse vor und weisen eine deutlich
höhere Affinität auf, wodurch der T3-Spiegel der betreffenden Zellen reguliert
werden kann. Die Typ-III Dejodase schließlich deaktiviert T4, indem sie zur Bildung
von biologisch inaktivem reversen T3 (rT3) führt [1]. Dabei wird an Position 5
anstatt von Position 5‘ dejodiert. rT3 wird vor allem bei Erschöpfungszuständen
oder schweren Erkrankungen vermehrt gebildet, wodurch womöglich begrenzte
Ressourcen für lebensnotwendige Prozesse eingespart werden können [3].
-4-
Tabelle 1 Biologische Wirkungsprofile der Schilddrüsenhormone [3]
Produktionsrate
(in nmol/d)
aus Schilddrüse
aus
Gewebemetabolismus
Konzentration im
Plasma
gesamt (nmol/l)
frei (pmol/l)
Halbwertszeit (d)
Clearance-Rate
(MRC/d)
Bindung an
TBG
TBPA
Albumin
Biologische Aktivität
T3
T4
rT3
45-60
15%
85%
110
100%
-
50-70
ca. 2%
98%
1,5-2,0
6,0
1
20-25
80-100
20,0
7
1,2
0,4-0,7
2,5
0,8
90-150
40
25
35
1
70
10
20
<0,1
0
1.1.4 Transport der Schilddrüsenhormone im Blut
Der Transport der Schilddrüsenhormone erfolgt durch Plasmaproteine. Dazu
gehören das Thyroxin bindende Globulin (TBG), Transthyretin (auch Thyroxin
bindendes Präalbumin, TBPA) und Albumin. Durch diese Proteinbindungen wird
die Menge der zirkulierenden Hormone erhöht, die Hormonclearance verzögert
und möglicherweise die Versorgung bestimmter Organe geregelt [1]. Der Anteil
der gebundenen Hormone im Blut beträgt über 99 Prozent, doch nur die
ungebundene Form kann an den Rezeptoren aktiv werden. Durch bestimmte
Medikamente werden T3 und T4 aus der Proteinbindung verdrängt, was die Anzahl
der freien Hormone im Blut erhöht [4]. TBG liegt in relativ geringer Konzentration
im
Blut
vor
(1-2
mg/dl),
besitzt
jedoch
eine
sehr
hohe
Affinität
zu
Schilddrüsenhormonen (T4>T3), weshalb es 80 Prozent des Transportes
übernimmt. Albumin weist eine deutlich geringere Affinität auf, hat jedoch eine
deutlich höhere Plasmakonzentration (3,5 g/dl) und übernimmt so bis zu 10
Prozent der Bindungen von T4 und 25 Prozent der Bindungen von T3. TBPA
transportiert 20 Prozent des T4 sowie 35 Prozent des T3 [1, 3].
Es
existieren
mehrere
vererbte
und
erworbene
Störungen
der
Schilddrüsenhormontransportproteine, wie beispielsweise ein X-chromosomal
vererbter Mangel an TBG. Dieser ist mit erniedrigten Gesamtspiegeln an T 3 und T4
-5-
assoziiert, die PatientInnen sind jedoch euthyreot, da die freien, wirksamen
Hormonspiegel nicht beeinflusst werden. Es besteht jedoch die Gefahr, dass
durch die erniedrigten Gesamtspiegel eine Substitutionsbehandlung eingeleitet
wird, was bei den PatientInnen eine Hyperthyreose verursachen würde. Östrogene
erhöhen die TBG-Spiegel, weshalb es besonders bei Schwangeren oder Frauen
unter
oraler
Kontrazeption
zu
einer
Erhöhung
der
Gesamtschilddrüsenhormonspiegel kommt, wobei fT 4 und fT3 im Normalbereich
bleiben. Durch dominant vererbte Mutationen im Gen für TBG, TBPA oder
Albumin kann es zu einer Erhöhung der Affinität zu T 4 und T3 kommen. Bei dieser
als
euthyreote
Dysalbuminämie
Hyperthyroxinämie
bekannten
oder
Hyperthyroxinämie
Erkrankung
sind
bei
familiärer
wiederrum
die
Gesamthormonspiegel erhöht, während die freien Spiegel im Normalbereich
liegen. Charakteristisch für die Diagnose sind normal supprimierbare TSH-Spiegel
sowie die familiäre Häufung [1].
1.1.5 Schilddrüsenhormon-Rezeptor
Die
Schilddrüsenhormone
vermitteln
ihre
Wirkung
über
die
nukleären
Schilddrüsenhormonrezeptoren (TR) α und β. Sie kommen in den meisten
Geweben vor, unterscheiden sich aber durch ihren Expressionsgrad. TRα findet
man vor allem in Gehirn, Nieren, Gonaden, Muskelgewebe und Herz, TRβ vor
allem in Hypophyse und Leber. Je nach Spleißung entstehen unterschiedliche
Isoformen. Die TRβ2-Isoform dient in Hypothalamus und Hypophyse zur
Feedbackkontrolle des Hormonregelkreises, die TRα2-Isoform besitzt ein
einzigartiges
carboxyterminales
Ende,
das
die
Bindung
von
Schilddrüsenhormonen verhindert, weshalb dieser Rezeptor die Wirkung anderer
Rezeptoren hemmen könnte. Allen gemein ist eine zentrale S-terminale und eine
C-terminale Liganden-Bindungsdomäne, die im Zielgen in der Promotorregion als
Homodimere oder Heterodimere an sogenannte thyroid responsive elements
(TREs) binden. Der aktivierte Rezeptor kann je nach Zielzelle die Gentranskription
fördern oder sie hemmen [1].
Die Schilddrüsenhormone haben annähernd gleich hohe Affinitäten für TRα und
TRβ, jedoch besitzt T3 eine 10- bis 15fach erhöhte Affinität für die Rezeptoren als
T4, wodurch dessen höhere Wirksamkeit erklärt wird. Ebenso sind fast alle
-6-
Rezeptoren mit T3 besetzt, was durch die periphere Umwandlung aus T 4 und die
größere Verfügbarkeit im Plasma erklärbar ist [1].
1.1.6 Physiologische Wirkungen der Schilddrüsenhormone
T3 und T4 sind für eine Vielzahl biologischer Vorgänge verantwortlich:

Wachstum und Entwicklung: Schilddrüsenhormone sind besonders wichtig
für die Entwicklung des Nervensystems während der Embryonalperiode.
Sie beeinflussen Größe und Vaskularisation des Gehirns und sind an der
Entwicklung
des
Innenohres
beteiligt,
weshalb
Hypothyreosen
zu
angeborener Taubheit führen können. Auch im Erwachsenenalter sind
ZNS-Funktionen von T3 und T4 abhängig. So führt eine Hyperthyreose zu
Übererregbarkeit, Schlaflosigkeit, Ungeduld, und emotionaler Instabilität,
eine Hypothyreose hingegen zur Einschränkung aller mentalen Leistungen.
Zusammen mit Somatotropin haben die Schilddrüsenhormone zudem eine
permissive und synergistische Wirkung auf das Knochenwachstum und
andere Proteinsynthese-abhängige Vorgänge während des Wachstums.
Außerdem wird die Synthese des Wachstumshormons durch T 3 stimuliert
[3].

Metabolische Funktionen: Generell bewirken Schilddrüsenhormone eine
Steigerung des Grundumsatzes wobei der Sauerstoffverbrauch in allen
Geweben außer Gehirn, Gonaden und Milz gesteigert wird und die
Körpertemperatur
erhöht
wird.
Während
die
Erhöhung
des
Sauerstoffverbrauchs einige Stunden bis Tage in Anspruch nimmt, wird die
Körpertemperatur durch Hydrolyse von ATP und zusätzliche Aktivierung
des sympathischen Nervensystems sofort gesteigert [3]. Außerdem
beeinflusst T3 die Expression des Entkopplerproteins Thermogenin im
braunen Fettgewebe, wodurch ebenfalls Wärme erzeugt wird [4].

Kohlenhydrat- und Fettstoffwechsel: T3 beeinflusst alle Aspekte des
Kohlenhydratstoffwechsels positiv: Die Absorption von Kohlenhydraten im
Darm wird gefördert, ebenso wie Glykogenolyse und Gluconeogenese in
der Leber und Glukoseoxidation in Leber, Fettgewebe und Muskulatur. Je
nach Stoffwechselsituation kann T3 die Lipolyse oder die Lipogenese
unterstützen [3].
-7-

Wechselwirkung mit Katecholaminen: Schilddrüsenhormone haben einen
permissiven Effekt auf die Wirkung des sympathischen Nervensystems,
besonders auf Effekte, die über β-Adrenorezeptoren vermittelt werden.
Durch die Hormone wird die Anzahl der β-Rezeptoren erhöht und die Dichte
an α-Rezeptoren vermindert. Diese Veränderung betrifft unter anderem
Gewebe wie Muskulatur, Fettgewebe und Lymphozyten, besondere
Bedeutung hat sie aber für den Herzmuskel, da die Schilddrüsenhormone
so eine positiv inotrope und chronotrope Wirkung entfalten. Der permissive
Effekt scheint durch eine Beeinflussung der Adenylylcyclase und der
rezeptorregulierenden G-Proteine verursacht zu werden [3, 5].
1.1.7 Abbau der Schilddrüsenhormone
Der Abbau der Schilddrüsenhormone beginnt zumeist durch Abspaltung des Jods
durch Dejodasen in Leber und Niere. T3 und T4 können aber auch nach
Glukuronidierung
oder
Sulfatierung
mit
der
Galle
ohne
vorhergehende
Dejodierung ausgeschieden werden [5].
1.1.8 Schilddrüsen-Diagnostik
Zur Diagnose von Schilddrüsenerkrankungen stehen folgende Methoden zur
Verfügung:

Anamnese

körperliche Untersuchung

Labor

Sonographie

Szintigraphie

Feinnadelbiopsie
Anamnestisch
sollten
vor
allem
funktionelle
Veränderungen
der
Schilddrüsenfunktion erfragt werden, zudem sollte eine Familienanamnese
durchgeführt werden. Auch subjektive Veränderungen im Halsbereich wie ein
Globusgefühl oder Heiserkeit können Hinweise auf Schilddrüsenerkrankungen
darstellen. Die palpatorische Abklärung der Schilddrüse erfolgt an dem/der
sitzenden PatientIn mit beiden Händen von hinten oder mit beiden Daumen,
-8-
während man dem/der PatientIn gegenüber sitzt. Durch Beugung des Halses kann
die Halsmuskulatur entspannt werden, was die Untersuchung erleichtert. Durch
Aufsuchen des Ringknorpels wird der Isthmus der Schilddrüse auffindbar, mit
anschließender Palpation der beiden Lappen. Festgestellt werden sollte die Größe
des Organs, die Konsistenz, eine etwaige Knotenbildung sowie Druckschmerzen
oder Fixierung. Außerdem kann das Gewicht der Schilddrüse anhand des
Palpationsbefundes geschätzt werden [1].
Laborchemisch lassen sich zur Diagnostik TSH, Bindungsproteine, freie und
gebundene Schilddrüsenhormone, verschiedene Antikörper und Tumormarker
bestimmen.
TSH: Zwischen Serum-TSH und fT4 besteht eine log-lineare Beziehung, wodurch
schon bei geringen Veränderungen des Hormonspiegels TSH deutlich reagiert
und so zur Diagnose subklinischer Funktionsstörungen beiträgt. Der klassische
Referenzbereich des TSH liegt ungefähr zwischen 0,3 und 4-4,5 mIU/l, im oberen
und
unteren
Bereich
können
Überlappungen
zwischen
Gesunden
und
PatientInnen mit symptomatischen Schilddrüsenerkrankungen vorkommen. Der
optimale TSH-Plasmaspiegel variiert bei bestimmten Zusatzkonditionen: So sollte
er bei Schwangeren im unteren Normbereich (unter 2,5 mIU/l) liegen, bei alten
und herzkranken PatientInnen im oberen Bereich und bei Schilddrüsenkarzinomen
je nach Risiko supprimiert werden, bei Kinderwunsch empfiehlt sich eine
besonders exakte Einstellung (TSH 1-1,5) [6]. In vielen Fällen genügt die TSHBestimmung als Screeninguntersuchung um Funktionsstörungen auszuschließen
zu können [1].
Schilddrüsenhormone:
Da
die
Gesamthormonkonzentration
der
Schilddrüsenhormone stark von Proteinbindungsverhältnissen abhängt, ist es
sinnvoller, die freie Hormonkonzentration zu bestimmen [1]. Die Bestimmung von
Schilddrüsenhormonen ist in folgenden Situationen sinnvoll:

niedriges oder erhöhtes TSH: fT3 und fT4 bei Verdacht auf Hyperthyreose,
fT4 bei Verdacht auf Hypothyreose

Verlaufskontrollen bei bekannter Hyperthyreose oder Hypothyreose
-9-

instabile Stoffwechsellagen (z.B. Autoimmunthyreoiditis mit wechselnden
Funktionszuständen)

Schilddrüsendiagnostik und -therapie bei Störungen der hypothalamischhypophysären Achse (keine Zuverlässigkeit von TSH) [6]
Jodid: Jodid kann im Serum und in der Schilddrüse nachgewiesen werden, was
klinisch jedoch keine Bedeutung hat. Durch Bestimmung im Harn kann aber eine
Aussage
darüber
gemacht
werden,
ob
eine
Hyperthyreose
durch
Jodkontamination verursacht wurde [6].
Schilddrüsenantikörper: Zur Diagnostik von Schilddrüsenerkrankungen sind TPOAntikörper, TG-Antikörper und TSH-Rezeptorantikörper (TRAKs) von Bedeutung.
Besonders
die
TPO-Antikörper
sind
bei
autoimmunbedingten
Schilddrüsenerkrankungen häufig erhöht, manchmal in Kombination mit einer
Erhöhung der TG-Antikörper. Dennoch ist die Konzentration der TPO-Antikörper
im Einzelfall kein eindeutiges Diagnosekriterium für eine Autoimmunthyreoiditis,
sondern stützt lediglich den Verdacht, wenn andere Hinweise wie beispielsweise
sonographische Befunde vorliegen. Auch eine Verlaufskontrolle der Antikörper
macht meist wenig Sinn, da sie keine Information über die Krankheitsaktivität gibt.
TPO-Antikörper sind auch bei Morbus Basedow häufig erhöht, konstant erhöhte
Werte (>500 IU/l) gelten als prognostisch schlechtes Zeichen. TRAKs sind
kennzeichnend für den Morbus Basedow und können zur Diagnoseabsicherung
verwendet werden [6].
Die Schilddrüsensonographie stellt nach der körperlichen Untersuchung das erste
apparative Diagnostikverfahren dar. Durch eine Volumenbestimmung kann eine
Vergrößerung
oder
Verkleinerung
des
Organes
festgestellt
werden,
zur
ungefähren Berechnung verwendet man die Brunn-Formel: Länge x Breite x Tiefe
eines Schilddrüsenlappens (in cm) x 0,5. Zur Beurteilung des Echomusters
vergleicht man die Schilddrüse mit der umgebenden Muskulatur. Im Regelfall
findet sich dabei eine annähernd ähnliche Echogenität, der Morbus Basedow und
die Autoimmunthyreoiditis zeigen ein hypodenses Echomuster. Herdbefunde
lassen sich mittels Ultraschall in echonormale, hypodense, hyperdense oder
komplexe (echoreich und echoarm kombiniert) unterscheiden. Ebenso kann
-10-
zwischen Zysten (echofrei mit Schallverstärkung) und Verkalkungen (echodicht mit
dorsaler Schallauslöschung) unterschieden werden. Bei entsprechender Indikation
kann während der Schilddrüsensonographie auch eine Aussage über die
Nebenschilddrüsenregion und Halslymphknoten getroffen werden [6].
Die Schilddrüsenszintigraphie wird zur genaueren Diagnostik tastbarer oder
sonographisch darstellbarer Herdbefunde, zum Nachweis einer fokalen oder
disseminierten Autonomie und zur Überprüfung des Therapieerfolges bei
Radiojodtherapie eingesetzt [6]. Dazu wird
99m
Technetium-Pertechnetat, ein
Gammastrahler mit einer Halbwertszeit von sechs Stunden, eingesetzt. Es wird
bestimmt, wie viel Prozent des applizierten Radionuklids in die Schilddrüse
aufgenommen wird. Normal sind Werte zwischen 0,5 und 2 Prozent. Außerdem
können Aussagen über Lage, Form und Größe des Organs gemacht werden.
Durch Erstellung eines Funktionstopogramms können Areale mit vermehrter oder
verminderter Stoffwechselaktivität dargestellt und so zwischen kalten, warmen und
heißen Knoten unterschieden werden [7].
Feinnadelbiopsien
werden
vor
allem
bei
Malignitätsverdacht
bei
kalten,
echoarmen/-freien Knoten eingesetzt um diese zytologisch abzuklären [7].
1.1.9 Häufige Schilddrüsenerkrankungen
1.1.9.1 Hashimoto-Thyreoiditis
Synonyme: Chronisch lymphozytäre Thyreoiditis, Autoimmunthyreoiditis (AIT)
Prävalenz und Epidemiologie: Die Prävalenz der Hashimoto-Thyreoiditis liegt bei
5-10 Prozent der Gesamtbevölkerung, Frauen (vor allem zwischen dem
dreißigsten und dem fünfzigsten Lebensjahr) sind ungefähr neunmal häufiger
betroffen als Männer [7, 8]. Ein Viertel der Kinder, von welchen mindestens ein
Elternteil an einer AIT leidet, weist erhöhte Schilddrüsenantikörper auf. Ungefähr 5
Prozent der Frauen mit positiven TPO-Antikörpern und erhöhtem TSH entwickeln
innerhalb eines Jahres eine manifeste Hypothyreose, vier von eintausend
Einwohnern werden infolge einer AIT spontan hypothyreot [6]. Die Krankheit tritt in
bestimmten Bevölkerungen wie zum Beispiel bei Japanern häufiger auf, was
wahrscheinlich auf genetische Faktoren und eine erhöhte Aufnahme jodhaltiger
-11-
Nahrung zurückzuführen ist [1]. Die Hashimoto-Thyreoiditis stellt heute die
häufigste Ursache einer Hypothyreose dar [8].
Pathophysiologie:
Der
Krankheit
liegt
eine
primär
zellvermittelte
Autoimmunreaktion zugrunde, wobei sowohl zytotoxische T-Zellen als auch
Antikörper beteiligt sind [6, 8]. Die Antikörper sind vor allem gegen die
mikrosomale Fraktion von Follikelepithelzellen, gegen T 3 und T4 oder gegen eine
„Nicht-Thyreoglobulin-Fraktion“ des Kolloids gerichtet [8].
Prädisponierend wirken, wie bei den meisten Autoimmunkrankheiten, eine
Kombination von genetischen und umweltbedingten Faktoren. Zu den am besten
dokumentierten
Risikofaktoren
zählen
bestimmte
HLA-DR-Polymorphismen,
besonders HLA-DR3, -DR4 und -DR5 bei Kaukasiern. Ebenso besteht ein
Zusammenhang mit Polymorphismen von CTLA-4, einem Gen, das für die
Regulation von T-Zellen verantwortlich ist. Diese genetischen Dispositionen
können auch bei anderen Autoimmunerkrankungen, wie beispielsweise Typ-1
Diabetes mellitus, Morbus Addison, perniziöse Anämie oder Vitiligo beobachtet
werden, was möglicherweise die Korrelation zwischen einer AIT und anderen
Autoimmunkrankheiten erklärt. Die erhöhte Prävalenz bei Frauen gegenüber
Männern kann vermutlich durch die Wirkung von Sexualhormonen auf die
Immunantwort erklärt werden, jedoch kann auch ein X-chromosomal bedingter
genetischer Faktor nicht ausgeschlossen werden, der auch für das gehäufte
Auftreten bei Frauen mit Turner-Syndrom verantwortlich sein könnte [1]. Durch
Zwillingsstudien konnte gezeigt werden, dass zur Entwicklung der Krankheit mehr
als das bloße Vorhandensein genetischer Faktoren notwendig ist. So können
virale Infektionen, Jod in hohen Dosen, Sexualhormone, immunstimulierende
Medikamente oder negativer Stress den entsprechenden Auslöser darstellen.
Auch Vitamin-D-Mangel oder Polymorphismen im Vitamin-D-Rezeptor sowie
Selenmangel können zur Entwicklung einer AIT beitragen [6].
Diagnostik: Aufgrund der Häufigkeit von Schilddrüsenkrankheiten sollte bei jeder
genaueren internistischen Untersuchung eine Abklärung der Schilddrüsenfunktion
erfolgen. Vor allem bei positiver Familienanamnese und bei Vorliegen anderer
Autoimmunerkrankungen sollten entsprechende diagnostische Mittel eingesetzt
werden. Auch bei Frauen über dem fünfzigsten Lebensjahr ist zumindest alle 5-10
-12-
Jahre eine entsprechende Diagnostik empfehlenswert. In der Anamnese sollte
besonders auf eine positive Familienanamnese geachtet werden, laborchemisch
werden neben TSH basal auch die TPO-Antikörper bestimmt. Eine Bestimmung
von TG-Antikörpern ist weniger sinnvoll, da diese auch bei anderen Erkrankungen
der Schilddrüse eine Erhöhung zeigen können. Richtungsweisend für die
Diagnose ist die Ultraschalluntersuchung, bei der sich oftmals eine homogen
echoarme Schilddrüse oder mehrere fokal echoarme Infiltrate darstellen lassen. In
der Duplexsonographie ist die Durchblutung des Organs häufig erhöht [6].
Klinik: Der Beginn der Hashimoto-Thyreoiditis erfolgt gewöhnlich schleichend,
weshalb Symptome der Erkrankung auch erst bei Wiederherstellung der
Euthyreose merkbar werden können. PatientInnen werden häufiger aufgrund einer
Struma beim Arzt vorstellig als wegen der Symptome einer Hypothyreose. Die
Struma ist oft unregelmäßig und von fester Konsistenz. Späte Stadien einer
Hashimoto-Thyreoiditis weisen oft klassische Symptome einer Hypothyreose auf:
Die Haut des/r PatientIn ist kühl und trocken, häufig auch schuppig infolge einer
Hyperkeratose des Stratum corneum. Die vermehrte intradermale Konzentration
von Glykosaminoglykanen führt zu Wassereinlagerungen, die als Myxödem
bezeichnet
werden.
Dadurch
entsteht
ein
oftmals
charakteristisches
Erscheinungsbild mit teigiger, dicker und blasser Haut am gesamten Körper. Das
Nagelwachstum ist verringert, das Haar oft trocken und spröde. Auch
hirnorganische Veränderungen lassen sich nachweisen, so haben mehr als 90
Prozent
der
PatientInnen
kognitive
Störungen
oder
ein
vermindertes
Kurzzeitgedächtnis. Depressionen treten bei subklinischer Hypothyreose gehäuft
auf, bei manifesten Hypothyreosen sogar bei fast 50 Prozent aller Betroffenen.
Neuromuskuläre Veränderungen zeigen sich häufig durch Muskelschwäche und
Steifigkeit, besonders nach körperlicher Betätigung. In der Untersuchung fallen vor
allem
verlangsamte
Muskeleigenreflexe
auf.
Nach
Normalisierung
der
Schilddrüsenfunktion sind die meisten bewegungsbeeinflussenden Symptome
reversibel. Als Folge einer lange bestehenden, unbehandelten Hypothyreose kann
es zu kardialen Beschwerden wie Herzinsuffizienz (Myxödemherz), Angina
pectoris, Bradykardie oder Perikard- und Pleuraergüssen kommen. Durch die
Herzinsuffizienz kommt es zu Dyspnoe. Eine Erhöhung des peripheren
Widerstandes führt oftmals zu Bluthockdruck, wobei besonders die diastolischen
-13-
Werte betroffen sind. Der Grundumsatz bei PatientInnen mit Hypothyreose ist
erniedrigt, weshalb es auch bei geringer Zufuhr von Nahrung zu vor allem durch
Flüssigkeitsretention
bedingter
Gewichtszunahme
kommt.
Durch
erhöhte
Prolaktinspiegel kann es zu Oligo- bis Amenorrhö sowie zu verminderter Libido
und Potenz kommen [1, 6].
Therapie: Zur Behandlung der mit der Hashimoto-Thyreoiditis einhergehenden
Hypothyreose wird Levothyroxin zur Schilddrüsenhormon-Substitution eingesetzt.
Dessen Halbwertszeit beträgt ungefähr sieben Tage, sodass eine tägliche
Einnahme für eine suffiziente Versorgung des Organismus ausreicht. Die
Einnahme sollte morgens nüchtern, ungefähr eine halbe Stunde vor der ersten
Mahlzeit erfolgen. Die Einstellung der Dosis (üblicherweise 1,5µg pro kg
Körpergewicht) und die Kontrolle der Therapie orientieren sich am TSH-Wert,
welcher idealerweise im unteren Drittel des Referenzbereichs liegen sollte. Der
TSH-Spiegel passt sich schrittweise an die Substitution an und sollte zwei Monate
nach Beginn der Behandlung sowie nach jeder Dosisänderung kontrolliert werden.
Die Symptome einer Hypothyreose bilden sich unter Levothyroxingabe nur sehr
langsam zurück, zumeist erst drei bis sechs Monate nach der Normalisierung der
TSH-Werte. Nebenwirkungen der Substitutionstherapie sind selten, lediglich bei
Überdosierung kann es zu Symptomen einer Hyperthyreosis factitia mit klinischem
Bild einer Hyperthyreose kommen [1, 6].
1.1.9.2 Morbus Basedow
Prävalenz und Epidemiologie: Der Morbus Basedow ist eine Autoimmunkrankheit,
die für ungefähr 80 Prozent aller Hyperthyreosen verantwortlich ist. Die Prävalenz
liegt bei 0,5-2 Prozent, die Inzidenz bei 40-60 Erkrankten pro 100 000 Einwohner.
Das Manifestationsalter liegt in den meisten Fällen vor dem fünfunddreißigsten
Lebensjahr, Frauen sind fünfmal häufiger betroffen als Männer. Bei 5-10 Prozent
der
Betroffenen
findet
sich
eine
Komorbidität
mit
anderen
Autoimmunerkrankungen [1, 6, 7].
Pathophysiologie: Die genaue Pathogenese der Krankheit ist bislang ungeklärt.
Wahrscheinlich beruht sie auf einem Funktionsdefekt der T-SuppressorLymphozyten, der zur Aktivierung von B-Lymphozyten und damit zur Bildung von
-14-
verschiedenen Immunglobulinen (Ig)Gs führt, welche die TSH-Rezeptoren
stimulieren (TRAKs) und damit zu vermehrter Hormonproduktion, Hypertrophie
und Hyperplasie der Schilddrüse führen. Die Orbitopathie bei Hyperthyreose ist
vermutlich ebenfalls auf Antikörper gegen ein Antigen der Augenmuskulatur
zurückzuführen. Prädisponierend wirken vor allem genetische Faktoren wie
vermehrtes Vorkommen von HLA-DQA1*0501 und -DR3. Rauchen stellt einen
Risikofaktor für die Entstehung eines Morbus Basedow dar, insbesondere für die
Entwicklung einer endokrinen Orbitopathie [1, 6, 7, 8].
Diagnostik: Laborchemisch gibt zumeist TSH Hinweise auf das Vorliegen einer
Hyperthyreose. Wie bei der Hypothyreose kann zwischen einer manifesten und
einer subklinischen Hyperthyreose unterschieden werden. fT3 ist in fast allen
Fällen erhöht, fT4 in 90 Prozent der Fälle. Die Bestimmung von TRAKs besitzt eine
hohe Spezifität und Sensitivität für den Morbus Basedow und ist auch für die
Verlaufskontrolle
unerlässlich.
Bei
laborchemischem
Nachweis
einer
Hyperthyreose sollte anschließend eine Sonographie der Schilddrüse erfolgen.
Charakteristisch für den Morbus Basedow ist eine diffuse Echoarmut des
gesamten Organs, vor allem wenn in der Duplexsonographie eine vermehrte
Durchblutung
feststellbar
ist.
Eine
Szintigraphie
ist
bei
eindeutigem
sonographischen Befund nicht unbedingt erforderlich [1, 6, 7].
Klinik: Durch die positiv chronotrope Wirkung der Schilddrüsenhormone kommt es
zu kardialen Symptomen, insbesondere einer Sinustachykardie und daneben auch
zu supraventrikulären Rhythmusstörungen mit Vorhofflimmern. Bei schweren
Formen kann auch eine Herzinsuffizienz eintreten. Die Haut der PatientInnen ist
warm und feucht, sie klagen über Hitzeunverträglichkeit und vermehrtes
Schwitzen. Die Haare werden weich und dünn, bei 40 Prozent findet sich eine
diffuse Alopezie. Der Knochenstoffwechsel ist stark beschleunigt, durch erhöhte
osteoklastische Aktivität kommt es bei einer länger bestehenden unbehandelten
Hyperthyreose zur Osteoporose. Bei länger bestehender Krankheit entsteht eine
thyreotoxische Myopathie. Neurologische Symptome umfassen eine gesteigerte
Aktivität,
Nervosität,
Unruhe
und
Reizbarkeit,
auch
Schlaflosigkeit
und
Konzentrationsstörungen sind häufig. Durch die vermehrte Peristaltik des
Gastrointestinalstraktes wird die Resorption herabgesetzt, weshalb PatientInnen
-15-
trotz vermehrter Nahrungsaufnahme an Gewicht abnehmen. Charakteristisch für
den Morbus Basedow ist die endokrine Orbitopathie, die in 40-70 Prozent aller
Fälle auftritt. Die Hyperthyreose kann zudem zu Zyklusstörungen bis hin zur
Amenorrhö sowie Potenzstörungen und Libidoverlust führen [1, 6].
Therapie: Generell wird der Morbus Basedow bis zum Erreichen einer Euthyreose
medikamentös behandelt, danach muss über das weitere Vorgehen entschieden
werden. Für die medikamentöse Behandlung stehen Thyreostatika (vor allem
Thiamazol und Carbimazol) zur Verfügung, welche die Neusynthese von
Schilddrüsenhormonen hemmen. Wichtige Nebenwirkungen sind Agranulozytose
und Panzytopenie, weshalb in regelmäßigen Abständen eine Kontrolle des
Blutbildes erfolgen sollte. Nach Erreichen einer Euthyreose kann auch eine
Radiojodtherapie zur Therapie eingesetzt werden. Schließlich kann auch eine
operative Entfernung der Schilddrüse zur Behandlung des Morbus Basedow
indiziert sein, dies ist vor allem bei sehr großen Strumen oder bei medikamentös
schwer einstellbaren Fällen erforderlich. Dabei wird das Organ total oder subtotal
entfernt, da bei Belassung zu großer Reste das Risiko eines Rezidivs besteht [1,
6].
-16-
1.2 Das Polyzystische Ovarien-Syndrom
1.2.1 Epidemiologie
Das Polyzystische Ovarien-Syndrom (PCOS) weist in der Altersgruppe der 15- bis
45-jährigen eine Prävalenz von 6 Prozent auf und stellt damit die häufigste
endokrinologische Erkrankung von Frauen im reproduktiven Alter dar [6, 9]. Einige
Studien
sehen
durch
den
Einsatz
unterschiedlicher
diagnostischer
Vorgehensweisen die Prävalenz sogar bei bis zu 18 Prozent, wobei 70 Prozent
davon bisher keine positive Diagnose erhalten hatten [9]. Das PCOS ist die
häufigste Ursache für exzessive Androgenproduktion, weshalb es für mehr als ein
Drittel aller menstruellen Störungen verantwortlich ist [10].
1.2.2 Pathogenese:
Dem PCOS liegt grundsätzlich eine Verschiebung der Verhältnisse zwischen
luteinisierendem Hormon (LH) und dem Follikel-stimulierendem Hormon (FSH)
zugrunde. Dieser erhöhte LH/FSH-Quotient ergibt sich sowohl aus einer
gesteigerten LH-Pulsfrequenz als auch aus einer gesteigerten LH-Pulsamplitude.
Der erhöhte LH-Spiegel stimuliert die Biosynthese von Steroiden in den
Thekazellen der Ovarien [6]. Aus Studien geht hervor, dass Thekazellen von
PCOS-Patientinnen
mehr
Dehydroepiandrosteron,
Progesteron,
17α-
Hydroxyprogesteron und Androstendion produzieren als normale Thekazellen
gesunder Frauen ohne PCOS [11]. Zum Teil werden die sezernierten Androgene
im Fettgewebe durch Aromatasen in Östrogene umgewandelt, welche aufgrund
der azyklischen Synthese und Sekretion zu einer erhöhten LH-Sekretion im
Hypothalamus führen und so zu einer kontinuierlichen Aufrechterhaltung des
Ungleichgewichts zwischen LH und FSH beitragen. Zudem wirkt durch die
hypophysäre LH-Sekretion ein vermindertes negatives Feedback auf die
Androgensekretion.
Obwohl
die
Ovarien
den
Hauptproduktionsort
des
überschüssigen Androgens darstellen, werden auch in den Nebennieren vermehrt
männliche Sexualhormone produziert. Zur Hyperandrogenämie trägt auch die
verminderte Bildung von Sexualhormon-bindendem Globulin (SHBG) in der Leber
bei, da vermehrt biologisch aktive Androgene im Blut zirkulieren [6]. Es existieren
zahlreiche Hinweise auf genetische Ursachen des PCOS, ein genauer Genotyp
konnte bisher jedoch noch nicht definiert werden [12]. Voraussichtlich ist das
-17-
Syndrom oligo- oder polygenetisch vererbt, was zusammen mit Umweltfaktoren
und Varianten der Steroidhormonsynthese zu einer Manifestation der Erkrankung
führt [6].
1.2.3 Diagnostik
Das Syndrom wurde zum ersten Mal 1935 von Stein und Leventhal beschrieben.
1990 wurde auf der Konferenz der National Institutes of Health (NIH 1990) eine
vereinheitlichte und vereinfachte Definition des Syndroms vorgeschlagen.
Dementsprechend wurde das PCOS definiert als:

chronische Anovulation (Oligo- oder Amenorrhö)

klinischer und/oder laborchemischer Hyperandrogenismus
Ausgeschlossen
werden
müssen
Erkrankungen
der
Hypophyse,
der
Nebennierenrinde oder des Ovars. Durch Anwendung dieser Kriterien werden bei
nur 75 Prozent der Patientinnen die namensgebenden polyzystischen Ovarien
gefunden. Um der ovariellen Dysfunktion mehr Bedeutung zukommen zu lassen
wurde die Rotterdam-Definition entwickelt. Demnach müssen zwei der drei
folgenden Punkte für die Diagnose eines PCOS erfüllt sein:

chronische Anovulation (Oligo- oder Amenorrhö)

klinischer und/oder laborchemischer Hyperandrogenismus

polyzystische Ovarien
Durch Einführung der Rotterdam-Definition wurden zwei neue Phänotypen von
PCOS-Patientinnen
geschaffen:
Patientinnen,
die
polyzystische
Ovarien
aufweisen, die aber nur mit einem der anderen beiden Kriterien kombiniert sind.
Diese Phänotypen unterscheiden sich metabolisch vom klassischen PCOS, da sie
seltener mit Insulinresistenz oder metabolischem Syndrom assoziiert sind. 2006
wurde darum von der Androgen Excess and PCOS Society (AEPCOS) eine neue
Definition vorgeschlagen, die dem Androgenüberschuss die größte Gewichtung
beimisst [6].
Zur Quantifizierung des Hirsutismus bei PCOS-Patientinnen kann der FerrimanGallwey-Score verwendet werden: Dabei wird die Behaarung in neun Hautarealen
je nach Stärke des Haarwuchses mit 0 bis 4 Punkten bewertet. Ein manifester
Hirsutismus besteht bei einem Score von mehr als 5 Punkten (bei deutschem
-18-
Kollektiv, international >7). Bei deutschen Patientinnen mit PCOS besteht im Mittel
ein Score von 11 [6].
Tabelle 2 Hirsutismus-Score nach Ferriman und Gallwey [6]
Hautareal
Oberlippe
Punkte
1: wenige Haare außen
2: kleiner Bart außen
3: Bart fast zur Mittellinie
4: Bart bis zur Mittellinie
Kinn
1: vereinzelte Haare
2: Haaransammlungen
3: komplette Haardecke
4: dichte komplette Haardecke
Brust
1: einzelne Haare periareolär
2: Haare in der Mittellinie
3: 75% bedeckt
4: komplett bedeckt
Oberbauch
1: einzelne Haare an der Mittellinie
2: mehr als 1), nicht außerhalb der Mittellinie
3: halbe Haardecke
4: komplette Haardecke
Unterbauch
1: einzelne Haare an der Mittellinie
2: Haarstrich an der Mittellinie
3: Band von Haaren
4: umgekehrtes V
Oberarm
1: diskrete Behaarung
2: mehr, noch nicht geschlossen
3: halbe Haardecke
4: komplette Haardecke
Oberschenkel 1: diskrete Behaarung
2: mehr, noch nicht geschlossen
3: halbe Haardecke
4: komplette Haardecke
Rücken
1: einzelne Haare
2: mehrere Haare
3: komplette haardecke
4: dichte komplette Haardecke
Lenden
1: sakrales Hautpolster
2: Polster mit lateraler Ausdehnung
3: 75% bedeckt
4: durchgehende Haardecke
-19-
Die hormonelle Diagnostik sollte bei erhaltenem Zyklus möglichst in der frühen
Follikelphase (dritter bis fünfter Zyklustag) durchgeführt werden. Dabei werden die
folgenden Parameter erfasst: Testosteron und SHBG für die Bestimmung des
freien Androgenindex (FAI = Gesamt-Testosteron [nmol/l] x 100/SHBG [nmol/l]),
LH, FSH, 17-OH-Progesteron, Androstendion, Östradiol, Prolaktin, DHEAS,
Cortisol basal und TSH.
Polyzystische Ovarien bestehen, wenn in der Vaginalsonographie mindestens ein
Ovar ein Volumen von mehr als 10ml und/oder mindestens 12 Follikel zu je 29mm Größe aufweist.
Die Insulinresistenz (IR) bei PCOS kann durch verschiedene Verfahren beurteilt
werden. Häufig verwendet wird der Homeostasis Model Assessment-Index
(HOMA), für welchen die Bestimmung von Nüchternglukose und Nüchterninsulin
benötigt werden: HOMA IR = [(Nüchterninsulin mU/ml x Nüchternglukose
mmol/l)/22,5], Normwert bis 2,5. Durch einen 75g oralen Glukosetoleranztest
(oGTT) kann zudem eine Aussage über die Glukosetoleranz getroffen werden
oder ein manifester Typ-2-Diabetes erkannt werden [6].
Tabelle 3 Richtwerte des oGTT der American Diabetes Association [7]
Stadium
normale Glukosetoleranz
gestörte Glukosetoleranz
Diabetes
Werte im oGTT
2-Stunden-Wert <140
mg/dl
2-Studen-Wert ≥140-199
mg/dl
2-Stunden Wert ≥200
mg/dl
1.2.4 Klinik
Als Hyperandrogenismus wird der klinische Nachweis eines Hirsutismus, einer
postpubertär
persistierender
Akne
oder
einer
androgenetischen
Alopezie
bezeichnet. Unter Hirsutismus versteht man eine pathologisch vermehrte
Behaarung vom männlichen Verteilungstyp bei Frauen durch eine Umwandlung
von Vellushaar in Terminalhaar. Vor allem betroffen sind Oberlippe, Kinn, Brust
und Linea alba. Davon abgegrenzt werden muss die Hypertrichose, bei welcher es
zu einer lokalisierten oder generalisierten Vermehrung der Behaarung kommt, die
jedoch nicht auf androgenabhängige Bereiche beschränkte ist [6]. Hirsutismus
-20-
kommt bei 60 Prozent der PCOS-Patientinnen vor, das Ausmaß variiert jedoch je
nach
Ethnie
und
Übergewicht
[9].
Unter
Acne
vulgaris
wird
eine
androgenabhängige Entzündung des Haar-Talgdrüsenapparates verstanden,
wobei die Androgene zu einer Wachstumsförderung der Sebozyten mit einer
Hyperplasie der Talgdrüsen und zu Hyperseborrhö führen [6]. Akne betrifft
ungefähr ein Drittel der Patientinnen und ist nicht spezifisch für das PCOS [9]. Bei
der Alopezie kommt es durch Hyperandrogenämie zu einer Umwandlung der
Kopfbehaarung vom Terminalhaar in Intermediär oder Vellushaar, wodurch es zu
einem Verlust des gesamten Haares kommen kann [6]. Ein weiterer Effekt des
Hyperandrogenismus kann eine Virilisierung sein, wobei andere Ursachen wie
androgenproduzierende Tumoren der Nebennieren und Ovarien ausgeschlossen
werden müssen und eine Virilisierung bei einem PCOS nur sehr selten beobachtet
wird [9].
Patientinnen mit PCOS weisen oftmals eine Vielzahl an metabolischen
Symptomen auf. So wird davon ausgegangen, dass 50 Prozent aller PCOSPatientinnen adipös sind, wobei meist eine zentrale Adipositas vorliegt. Das
Übergewicht
könnte
einen
Beitrag
zur
Insulinresistenz
und
damit
zur
Hyperinsulinämie bei PCOS leisten. Übergewichtige Patientinnen weisen zudem
höhere Androgenspiegel in Blut und damit auch öfter androgenabhängige
Symptome wie Hirsutismus auf. Zudem besteht ein negativer Einfluss auf die
Reproduktionsfähigkeit, welche sich durch Gewichtsabnahme verbessern lässt.
Auch Dyslipidämien werden bei PCOS-Patientinnen häufiger beobachtet als in der
Normalbevölkerung. So sind Triglyzeride und LDL-Cholesterin erhöht, während
HDL-Cholesterin erniedrigt ist [13, 14, 15]. Die Lipidveränderungen treten
unabhängig vom Body-Mass-Index (BMI) auf. Ursächlich scheint vor allem die
Insulinresistenz eine Rolle zu spielen, da die Lipolyse gefördert wird sowie durch
eine veränderte Expression der Lipoproteinlipase und der hepatischen Lipase [9].
Durch Insulinresistenz, Adipositas, Dyslipidämie, Hypertension und vaskuläre
Dysfunktion weisen Patientinnen mit PCOS ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko
auf. Beim PCOS steigt die Prävalenz von atherosklerotischen Plaques deutlich an,
sowohl im Bezug auf die Intima-Media-Dicke der Arteria carotis als auch auf die
Kalzifizierung der Koronararterien [6, 9].
Die ovarielle Dysfunktion, von der 70 bis 80 Prozenten aller PCOS-Patientinnen
betroffen sind, äußert sich vor allem durch Oligomenorrhö (Zyklen länger als 35
-21-
Tage) bis Amenorrhö (je nach Definition Ausbleiben der spontanen Blutung >3
Monate oder ≥6 Monate), bedingt durch chronische Oligo- oder Anovulation [6, 9].
Die
Blutungsstörungen
können
jedoch
unter
Umständen
durch
Dysfunktionsblutungen sowie aufgrund oraler Kontrazeption nicht erkannt werden.
Das PCOS stellt die häufigste Ursache für Infertilität durch Anovulation dar, wobei
60 Prozent der Patientinnen eine ausreichende Fertilität aufweisen. Die Zeit, die
bis zu einer erfolgreichen Konzeption vergeht, ist jedoch zumeist deutlich
verlängert. Die Infertilität korreliert mit dem Übergewicht, so sind 90 Prozent aller
infertilen Patientinnen mit PCOS übergewichtig [9].
Tabelle 4 Internationale Häufigkeit von Symptomen bei PCOS-Patientinnen [6]
Symptom
Oligomenorrhö
Internationale
Häufigkeit %
60-75
Amenorrhö
35-40
Hirsutismus
65-75
Akne
15-30
Alopezie
5-50
Hyperandrogenämie ca. 70
Polyzystische
Ovarien
Adipositas
ca. 80
Insulinresistenz
50-70
Metabolisches
Syndrom
9-45
50-60
1.2.5 Therapie
1.2.5.1 Systemische Therapie
Das PCOS als Krankheit ist ursächlich nicht heilbar, es stehen jedoch
verschiedene Optionen zur symptomatischen Therapie und zur Prävention von
Folgeerkrankungen zur Verfügung.
Lifestyleänderungen: Vor allem bei übergewichtigen Patientinnen hat die
Reduktion des Gewichtes einen besonders hohen Stellenwert, da bereits bei einer
-22-
Abnahme von 2-5 Prozent des Körpergewichtes eine Verbesserung der
metabolischen und reproduktiven Symptome zu erwarten ist [6].
Antiandrogene: Es stehen mehrere Wirkstoffgruppen zur Verfügung:

Antiandrogen wirksame Gestagene: Diese Substanzgruppe ist oft in
Kombination mit oralen Kontrazeptiva verfügbar, wobei Cyproteronacetat
das potenteste antiandrogen wirksame Gestagen darstellt. Die Substanzen
wirken über eine kompetitive Verdrängung des Testosterons von dessen
Rezeptor, eine Reduktion der 5α-Reduktase-Aktivität und dadurch ein
Absenken des aktiven Dihydrotestosterons sowie eine Verminderung der
Gonadotropinsekretion
(vor
allem
LH)
und
damit
verminderte
Steroidbiosynthese sowie Erhöhung des SHBG-Spiegel.

Androgen-Rezeptorblocker:
Spironolacton
hemmt
kompetitiv
die
Androgenrezeptoren und vermindert auch die Bildung von Androgenen in
der Nebenniere. Flutamid reduziert die Bindung von Androgenen in ihren
Zielorganen
sowie
die
Androgensynthese
im
Ovar,
kann
jedoch
hepatotoxisch wirken. Zu beachten sind jedoch die teratogenen Wirkungen
der
Androgen-Rezeptorblocker,
weshalb
sie
nur
bei
adäquater
Kontrazeption und nicht bei Frauen mit Kinderwunsche eingesetzt werden
sollten.

5α-Reduktaseblocke: Finasterid hemmt das Enzym Typ-II-5α-Reduktase
und hemmt so die Umwandlung von Testosteron in Dihydrotestosteron [6].
Orale Kontrazeptiva: Orale Kontrazeptiva können verwendet werden um
regelmäßige Zyklen zu induzieren, das Endometrium zu schützen und um den
Hyperandrogenismus zu verbessern. Durch einen hepatischen First-Pass-Effekt
wirkt zudem die Produktion von Leberproteinen, unter anderem auch SHBG,
gesteigert wodurch der Anteil an freien Androgenen im Blut gesenkt wird. Auch die
Androgensynthese in den Ovarien wird verringert. Aufgrund der Gefahr einer
Verschlechterung der Insulinresistenz und der Glukosetoleranz sollten vor allem
Präparate mit niedrigen Hormonkonzentrationen verwendet werden [9].
Orale
Antidiabetika/Insulinsensitizer:
Durch
die
häufige
Beteiligung
einer
Insulinresistenz am PCOS und die daraus resultierende Hyperinsulinämie und
-23-
gesteigerte
Androgensynthese
stellen
die
oralen
Antidiabetika
und
Insulinsensitizer eine wichtige Therapieform dar. Am häufigsten verwendet wird
Metformin: Dadurch kommt es zu einem Abfall der Androgene, einer
Normalisierung des Menstruationszyklus mit gesteigerter Fertilität und zur
Verbesserung der Akne sowie der kardiovaskulären Risikofaktoren. Es bewirkt
auch eine Reduktion des Körpergewichtes, jedoch profitieren auch schlanke,
nichtinsulinresistente Frauen von Metformin, da die ovarielle Androgensynthese
auch direkt beeinflusst wird. Metformin kommt bei Kinderwunsch eine besondere
Bedeutung zu: Die Fertilität wird erhöht, zudem kommt es zu weniger Fällen von
Gestationsdiabetes und Frühaborten. Laut Metaanalysen kommt es im ersten
Trimenon einer Schwangerschaft zu keinem erhöhten Risiko für Fehlbildungen,
eine Fortführung der Metformingabe in der Schwangerschaft wird derzeit dennoch
nicht empfohlen. In Österreich ist Metformin für die Verwendung in der
Schwangerschaft nicht zugelassen. Alternativ können auch Glitazone eingesetzt
werden, die bei PCOS-Patientinnen zu einer Verbesserung der Insulinresistenz,
des Lipidstatus, der Hyperandrogenämie, des Mestruationszyklus und der
Ovulationsraten führen [6].
1.2.5.2 Spezifische Therapie

Hirsutismus: Neben mechanischen Methoden wie Rasieren, Wachsen oder
Zupfen
kann
der
Hirsutismus
auch
mittels
Lasertherapie
oder
medikamentös behandelt werden. Eflornithin kann als topische Substanz
im Gesichtsbereich verwendet werden und reduziert innerhalb von 8
Wochen das Haarwachstum um durchschnittlich 60 Prozent.

Akne: Die Behandlung der Akne beruht auf Hemmung oder Verminderung
der Talgproduktion, antibakterieller Therapie und Entzündungshemmung,
Verhinderung von Hyperkeratosen sowie auf manueller, medizinischkosmetischer Behandlung.

Alopezie: Durch Anwendung von Minoxidil-hältigen Präparaten kann das
Haarwachstum stimuliert werden. Eine zweite Variante sind östradiolhältige
Tinkturen [6].
-24-
1.3 Bisheriger Forschungsstand zur Korrelation von PCOS und
Schilddrüsenerkrankungen
Der Zusammenhang wurde 2004 von Janssen et al. [16] in einer im European
Journal of Endocrinology veröffentlichten Studie erstmals untersucht. Dafür
wurden über einen Zeitraum von dreißig Monaten 175 Patientinnen mit PCOS in
einer prospektiven multizentrischen Studie hinsichtlich ihrer Schilddrüsenfunktion
und -morphologie untersucht, 168 weitere Patientinnen ohne PCOS dienten als
Kontrollgruppe. Bei 47 der untersuchten PCOS-Patientinnen wurden erhöhte TPOoder TG-Antikörper gefunden, in der Kontrollgruppe lediglich bei 14 Frauen. In der
Sonographie konnte bei 42,3 Prozent ein für die AIT typisches Echomuster
festgestellt werden, im Kontrollkollektiv jedoch nur bei 6,5 Prozent. Auch der TSHSpiegel war im Vergleich erhöht. In einer erst kürzlich im Iran von Kachuei et al.
[17] durchgeführten Studie konnten diese Ergebnisse reproduziert werden: Es
wurden 78 Frauen mit PCOS und 350 weitere Frauen als Kontrollgruppe über
zwölf Monate untersucht. Dabei wurde sowohl TSH als auch die TG- und TPOAntikörper bestimmt, die Schilddrüsengröße via Palpation und Inspektion
geschätzt. Die TPO-Antikörperspiegel und die Strumainzidenz waren in der
PCOS-Gruppe deutlich erhöht, während kein signifikanter Unterschied im Bezug
auf TSH-Spiegel oder TG-Antikörper bestand.
Die Untersuchung der Korrelation der Erkrankungen könnte besonders deshalb
wichtig sein, da sowohl Schilddrüsenerkrankungen als auch das PCOS teilweise
eine ähnliche klinische Symptomatik zeigen, die sich unter Umständen bei
gleichzeitigem Auftreten verstärken könnten. Beispielsweise treten sowohl bei
Hypothyreosen als auch bei Frauen mit PCOS Gewichtszunahme oder
Insulinresistenz auf. Ebenso können beide Erkrankungen zu Zyklusstörungen und
Infertilität führen [6].
-25-
2 Methoden
2.1 Patientinnen
Untersucht wurden 789 Patientinnen die im Zeitraum von September 2004 bis
Februar 2012 hinsichtlich einer Abklärung auf das PCOS an der Abteilung für
Endokrinologie und Stoffwechsel der Universitätsklinik für Innere Medizin der
Medizinischen Universität Graz vorstellig wurden. 762 Patientinnen wurden
retrospektiv anhand bestehender Befunde auf Schilddrüsenerkrankungen
untersucht, 27 Patientinnen wurden prospektiv sonographisch und laborchemisch
getestet.
Das Polyzystische Ovarien-Syndrom wurde anhand der Rotterdam Kriterien
diagnostiziert, wobei zwei von drei der folgenden Kriterien zutreffen müssen, um
die Diagnose zu stellen:
1. Oligo- oder Anovulation,
2. klinischer und/oder laborchemischer Hyperandrogenismus oder
3. polyzystische Ovarien.
Krankheitsbilder
mit
ähnlicher
klinischer
Symptomatik
waren
ein
Ausschlusskriterium. Oligo- oder Anovulation wurde anhand der Symptomatik
einer Oligo- oder Amenorrhö diagnostiziert. Eine Oligomenorrhö bestand bei
Zyklen länger als 35 Tage, eine Amenorrhö bei Ausbleiben von spontanen
Blutungen länger als 3 Monate. Der Hyperandrogenismus wurde durch klinische
Symptome wie Hirsutismus, Alopezie oder unreiner Haut sowie laborchemisch
festgestellt. Das Vorkommen von polyzystischen Ovarien wurde anhand von
Ultraschalluntersuchungen bestätigt.
Schilddrüsenerkrankungen wurden mit Hilfe laborchemischer Parameter sowie
durch eine sonographische Beurteilung der Organmorphologie festgestellt, bei
retrospektiv
untersuchten
Patientinnen
wurde
die
Diagnose
aus
bereits
bestehenden Befunden entnommen.
2.2 Studiendesign
762 Patientinnen mit diagnostiziertem PCOS wurden retrospektiv anhand
bestehender Befunde auf Schilddrüsenerkrankungen untersucht. Ebenso wurden
27 Patientinnen, die im Zeitraum zwischen Oktober 2011 und Februar 2012 zur
-26-
Abklärung auf ein polyzystisches Ovarien-Syndrom vorstellig wurden, prospektiv
laborchemisch
und
sonographisch
hinsichtlich
Schilddrüsenerkrankungen
untersucht. Die Prävalenz von Schilddrüsenerkrankungen wurde sowohl in der
prospektiv als auch in der retrospektiv untersuchten Gruppe bestimmt. Weiters
wurde der prozentuelle Anteil einzelner Schilddrüsenerkrankungen errechnet.
Auch die sonographisch generierten Daten wurden hinsichtlich morphologischer
Kriterien nach Häufigkeit geordnet.
Metabolische (Nüchtern-Insulin, Nüchtern-
Blutglukose, BMI, HOMA-Index, Bauchumfang, Hüftumfang, Blutfette) und
endokrine (TSH, fT3, fT4, Schilddrüsenantikörper) Parameter wurden zwischen
Patientinnen mit und ohne Schilddrüsenerkrankungen verglichen.
2.3 Statistische Auswertung
Abhängig davon, ob eine Schilddrüsenerkrankung nachgewiesen werden konnte,
wurden
alle
Patientinnen
in
Gruppen
eingeteilt.
Patientinnen
mit
Schilddrüsenerkrankungen wurden des Weiteren, je nach Erkrankung, in
Subgruppen eingeteilt. Ebenso wurden Gruppen in Abhängigkeit von der
sonographischen
Morphologie
der
Schilddrüse
erstellt.
Zur Testung
der
Varianzengleichheit wurde der Levene-Test verwendet. Zur Signifikanztestung
wurde, je nach Verteilung der Daten, der t-Test für unabhängige Stichproben oder
der nichtparametrische Mann-Whitney-U-Test für unabhängige Stichproben
verwendet. Alle statistischen Berechnungen wurden mit SPSS 19 (SPSS Inc.,
Chicago, IL, USA) durchgeführt.
-27-
3 Resultate
3.1 Retrospektive Daten
762 Patientinnen wurden retrospektiv anhand bestehender Befunde auf
Schilddrüsenerkrankungen untersucht. Bei 223 Patientinnen (29,3 Prozent) konnte
eine Schilddrüsenerkrankung in der Vorgeschichte festgestellt werden. 95 Frauen
(42,6 Prozent aller Patientinnen mit diagnostizierter Schilddrüsenerkrankung)
wiesen eine Hashimoto-Thyreoiditis auf. 71 Patientinnen (31,8 Prozent) zeigten
eine manifeste Hypothyreose und 17 (7,6 Prozent) eine latente Hypothyreose,
deren Ursache sich retrospektiv nicht mit Sicherheit bestimmen ließ. Bei 7 Frauen
(3,1 Prozent) wurde ein Morbus Basedow diagnostiziert, 17 (7,6 Prozent) wiesen
eine Struma auf. Des Weiteren wiesen 4 Patientinnen (1,8 Prozent) einen St.p.
Thyreoidektomie, einen St.p. Lobektomie oder eine Athyreose auf, 2 Patientinnen
(0,9 Prozent) litten unter einem Schilddrüsenkarzinom. In 10 Fällen (4,5 Prozent)
konnte die genaue Entität der Erkrankung nicht festgestellt werden.
Abbildung 3 Häufigkeit von Schilddrüsenerkrankungen in der retrospektiven Population
-28-
Abbildung 4 Häufigkeiten einzelner Schilddrüsenerkrankungen in der retrospektiven Population
Bei 92 Patientinnen der retrospektiv untersuchten Population wurde eine
sonographische Untersuchung der Schilddrüse durchgeführt. 32 Frauen (34,8
Prozent) wiesen eine sonographisch unauffällige Schilddrüse auf. 28 Patientinnen
(30,4 Prozent) zeigten im Ultraschall ein echoarmes Organ. In 10 Fällen (10,9
Prozent) konnten zystische Läsionen nachgewiesen werden, bei weiteren 8 (8,7
Prozent) knotige Veränderungen der Schilddrüse. Bei 4 Patientinnen (4,3 Prozent)
zeigte sich eine Atrophie der Schilddrüse. Echoarme und knotige Veränderungen
in Kombination konnten in 3 Fällen (3,3 Prozent) nachgewiesen werden,
echoarme und atrophische in 5 Fällen (5,4 Prozent) und zystische und knotige
Läsionen bei 2 Patientinnen (2,2 Prozent).
Betrachtet
man
ausschließlich
Schilddrüsenerkrankungen
und
Frauen
vorliegendem
mit
diagnostizierten
Befund
einer
Schilddrüsensonographie (65 Fälle), so findet man eine unauffällige Morphologie
in 15 Fällen (6,7 Prozent), ein echoarmes Organ bei 22 Fällen (9, Prozent),
zystische Läsionen in 6 Fällen (2,7 Prozent), knotige Veränderungen in 8 Fällen
-29-
(3,6 Prozent) und eine Atrophie in 8 Fällen (1,8 Prozent). Die Kombinationen
echoarm und knotig waren bei 3 Patientinnen (1,3 Prozent) nachweisebar,
echoarm und atrophisch bei 5 (2,2 Prozent) und zystisch und knotig bei 2 Frauen
(0,9 Prozent).
Aussagen über die Homogenität der Schilddrüse wurden bei 51 Patientinnen
gemacht. 24 Frauen (47,1 Prozent) wiesen ein sonographisch homogenes Organ
auf, 27 (52,9 Prozent) eine inhomogene Organstruktur. 16 der Fälle (59,3 Prozent)
mit inhomogener Organstruktur wiesen die Diagnose einer Hashimoto-Thyreoiditis
auf, jeweils 3 Fälle (11,1 Prozent) litten unter Morbus Basedow oder einer Struma,
in einem Fall (3,7 Prozent) war die Entität der Schilddrüsenerkrankung aus den
Befunden nicht genau differenzierbar. Bei 4 Patientinnen (14,8 Prozent) mit
inhomogener
Organmorphologie
lag
keine
Diagnose
einer
Schilddrüsenerkrankung vor.
Abbildung 5 Häufigkeiten sonographischer Befunde in der gesamten retrospektiven Population
-30-
Abbildung 6 Häufigkeit sonographischer Befunde bei Patientinnen mit Schilddrüsenerkrankungen
Abbildung 7 Sonographische Homogenität bei allen durchgeführten Sonographien in der
retrospektiven Gruppe
-31-
Abbildung 8 Anteile der Schilddrüsenerkrankungen bei inhomogenem sonographischen Befund
-32-
Beim Vergleich endokriner und metabolischer Parameter zwischen PCOSPatientinnen mit und ohne Schilddrüsenerkrankungen konnten einige signifikante
Unterschiede festgestellt werden. So waren der BMI (28 kg/m² vs. 26 kg/m²;
p=0,001) und der Bauchumfang (90,7cm vs. 85,3cm; p=0,002) bei Frauen mit
Schilddrüsenerkrankungen signifikant erhöht.
Abbildung 9 Vergleich des BMI zwischen Patientinnen ohne und mit Schilddrüsenerkrankungen
-33-
Abbildung 10 Vergleich des Bauchumfanges zwischen Patientinnen ohne und mit
Schilddrüsenerkrankungen
Ebenso waren der HOMA-Index (2,2 vs. 1,8; p=0,04) sowie die nüchtern
Insulinkonzentration
(9,1
mU/l
vs.
7,5
mU/l;
p=0,022)
bei
Frauen
mit
Schilddrüsenerkrankungen signifikant höher verglichen mit PCOS-Frauen ohne
Schilddrüsenerkrankung. HDL-Cholesterin zeigte bei PCOS-Patientinnen mit
Schilddrüsenerkrankungen im Vergleich signifikant erniedrigte Werte (63 mg/dl vs.
68 mg/dl; p=0,002).
-34-
Abbildung 11 Vergleich des HOMA-Index zwischen Patientinnen ohne und mit
Schilddrüsenerkrankungen
Abbildung 12 Vergleich der nüchtern Insulinkonzentration zwischen Patientinnen ohne und mit
Schilddrüsenerkrankungen
-35-
Abbildung 13 Vergleich des HDL-Spiegels zwischen Patientinnen ohne und mit
Schilddrüsenerkrankungen
Keine
signifikanten
Unterschiede
konnten
hinsichtlich
der
nüchtern
und
stimulierten Blutglukose, des stimulierten Insulins, hinsichtlich LDL-Cholesterin
und Triglyzeriden, des TSH-Wertes und des fT3- und fT4-Wertes festgestellt
werden.
-36-
3.2 Prospektive Daten
27 Patientinnen wurden prospektiv anhand laborchemischer und sonographischer
Untersuchungen auf Schilddrüsenerkrankungen untersucht. 10 Patientinnen (37
Prozent) wiesen eine Schilddrüsenerkrankung unbestimmter Entität auf. Am
häufigsten fand sich eine manifeste Hypothyreose unbestimmter Genese in 4
Fällen (40 Prozent), gefolgt von einer Hashimoto-Thyreoiditis unter welcher 3 der
Untersuchten (30 Prozent) litten. Eine latente Hypothyreose unbestimmter Genese
konnte bei 2 Frauen (20 Prozent) gefunden werden, eine Struma konnte in einem
Fall (10 Prozent) diagnostiziert werden.
Abbildung 14 Häufigkeit von Schilddrüsenerkrankungen in der prospektiv untersuchten Population
-37-
Abbildung 15 Häufigkeiten einzelner Schilddrüsenerkrankungen in der prospektiven Population
Alle
prospektiv
untersuchten
Patientinnen
wurden
sonographisch
auf
morphologische Veränderungen der Schilddrüse untersucht. 21 Patientinnen (77,8
Prozent) zeigten ein völlig unauffälliges Organ im Ultraschall. In 4 Fällen (14,8
Prozent) konnte eine echoarme Schilddrüse nachgewiesen werden. Zusätzlich
gab es jeweils eine Patientin (3,7 Prozent) mit knotigen Veränderungen
beziehungsweise echoarmen und knotigen Veränderungen. 22 der untersuchten
Frauen (81,5 Prozent) zeigte eine normale Homogenität des Organs, in 5 Fällen
(18,5 Prozent) zeigte sich eine inhomogene Morphologie der Schilddrüse.
-38-
Abbildung 16 Sonographische Befunde prospektiv untersuchter Patientinnen
Abbildung 17 Schilddrüsenhomogenität prospektiv untersuchter Patientinnen
-39-
In der prospektiv untersuchten Population konnten keine statistisch signifikanten
Unterschiede in Bezug auf metabolische und endokrine Parameter zwischen
Patientinnen mit und ohne Schilddrüsenerkrankung festgestellt werden. Ein
statistischer Trend konnte hinsichtlich des Cholesterinwertes ausgemacht werden,
Frauen mit Schilddrüsenerkrankungen zeigten jedoch keine signifikant erhöhten
Werte (185 mg/dl vs. 163 mg/dl; p=0,076).
-40-
4 Diskussion
Die Resultate meiner Diplomarbeit ergaben mit 29,3 Prozent in der retrospektiv
untersuchten Population beziehungsweise 37,0 Prozent in der prospektiv
untersuchten Population eine hohe Prävalenz von Schilddrüsenerkrankungen bei
PCOS-Patientinnen. Die Prävalenz von
Schilddrüsenerkrankungen in der
Gesamtbevölkerung wird je nach Quelle unterschiedlich beziffert. So wird die
Prävalenz einer Hypothyreose bei erwachsenen Frauen mit ungefähr 5-10 Prozent
angegeben [8]. Andere Quellen geben die Häufigkeit einer manifesten
Hypothyreose mit 1-2 Prozent sowie die einer latenten Hypothyreose mit 7,5
Prozent an [6]. Der Morbus Basedow zeigt in der allgemeinen Bevölkerung eine
Prävalenz von 0,5-2 Prozent beziehungsweise eine Inzidenz von 40 Fällen pro
100000 Einwohner pro Jahr [6, 7]. Da alleine die unterschiedenen Gruppen der
Hypothyreose (manifeste und latente Hypothyreose unklarer Genese, HashimotoThyreoiditis) über 80 Prozent der Fälle in der retrospektiv untersuchten Population
beziehungsweise 90 Prozent der Fälle in der prospektiv untersuchten Population
ausmachen, lässt sich folgern, dass Frauen mit PCOS eine hohe Prävalenz an
Schilddrüsenerkrankungen aufweisen, beziehungsweise eine erhöhte Prävalenz
im Vergleich mit der Gesamtbevölkerung.
Von Janssen et al. [16] wurde bereits 2004 eine hohe Prävalenz von AITs bei
PCOS-Patientinnen nachgewiesen. In dieser Studie wurde bei 20,6 Prozent der
untersuchten PCOS-Patientinnen eine manifeste AIT nachgewiesen, des Weiteren
wiesen 26,9 Prozent erhöhte schilddrüsenspezifische Antikörper auf. Kachuei et
al. [17] konnten 2011 ähnliche Ergebnisse publizieren; so waren die StrumaPrävalenz sowie die TPO-Antikörper-Blutspiegel bei Patientinnen mit PCOS im
Vergleich zu einer Kontrollgruppe ohne PCOS signifikant erhöht. Jung et al. [18]
berichten in einem Case-Report über eine Patientin mit PCOS und Morbus
Basedow; die Autoren beschreiben darin eine mögliche Beteiligung autoimmun
bedingter Prozesse an der Entstehung des PCOS. Eine Untersuchung von PCOSPatientinnen auf autoimmun bedingte Schilddrüsenerkrankungen sowie eine
Abklärung
auf
PCOS
Unregelmäßigkeiten
nach
bei
Frauen
Behandlung
vorgeschlagen.
-41-
mit
eines
persistierenden
Morbus
menstruellen
Basedow
werden
In der vorliegenden Arbeit war die häufigste in der retrospektiv untersuchten
Population
vorkommende
Patientinnen
mit
Schilddrüsenerkrankung
Schilddrüsenerkrankung
die
mit
42,6
Prozent
Hashimoto-Thyreoiditis.
der
In
Wirklichkeit dürfte diese Zahl noch deutlich höher sein, da auch die Gruppen
„manifeste Hypothyreose unklarer Genese“ und „latente Hypothyreose unklarer
Genese“ aller Wahrscheinlichkeit nach ebenso Patientinnen mit HashimotoThyreoiditis beinhalten könnten.
In der prospektiven Gruppe waren Hypothyreosen noch häufiger als in der
retrospektiven:
Von
den
10
Patientinnen,
bei
welchen
eine
Schilddrüsenerkrankung diagnostiziert werden konnte, wiesen 9 eine Form der
Hypothyreose auf, wobei die Hashimoto-Thyreoiditis (3 Fälle) und die manifeste
Hypothyreose unklarer Genese (4 Fälle) den Großteil ausmachten.
Die Sonographie zeigte bei mehr als 65 Prozent aller untersuchten Frauen in der
retrospektiven
Gruppe
auffällige
Befunde,
bei
Patientinnen
mit
Schilddrüsenerkankungen sogar mehr als 75 Prozent. Mit 30,4 Prozent (bei allen
sonographisch untersuchten Frauen) beziehungsweise 33,8 Prozent (Frauen mit
Schilddrüsenerkrankungen) konnte als häufigste Auffälligkeit eine verminderte
Echogenität
festgestellt
werden,
welche
beispielsweise
auf
eine
Immunthyreopathie Hashimoto oder auch einen Morbus Basedow hinweisen
könnte [6]. Am häufigsten waren daneben zystische (10,9 bzw. 9,2 Prozent) und
knotige (8,7 bzw. 12,3 Prozent) Läsionen, aber auch Kombinationen der einzelnen
Veränderungen sowie atrophische Organe konnten nachgewiesen werden. 52,9
Prozent aller sonographisch untersuchten Patientinnen zeigten ein Organ
inhomogener Struktur. Frauen mit diesem Befund wiesen zu 59,3 Prozent eine
Hashimoto-Thyreoiditis auf, bei 14,8 Prozent lag trotz sonographisch veränderter
Schilddrüse kein laborchemischer Befund einer Schilddrüsenerkrankung vor.
In der prospektiven Gruppe zeigten 22,2 Prozent der untersuchten Frauen in der
Sonographie Auffälligkeiten. Auch in dieser Population waren echoarme
Morphologien mit 14,8 Prozent die häufigste befundete Veränderung, daneben
kamen auch knotige beziehungsweise echoarme und knotige Läsionen vor. Nur
18,5 Prozent der Patientinnen zeigte eine inhomogene Struktur der Schilddrüse.
-42-
Auffällig
ist
eine
deutlich
niedrigere
Prävalenz
der
sonographischen
Veränderungen im Vergleich zur prospektiven Gruppe, die sich vermutlich am
besten anhand der unterschiedlichen Größe der beiden Populationen erklären
lässt (762 vs. 27).
Im Vergleich metabolischer und endokriner Parameter konnte in der retrospektiven
Gruppe gezeigt werden, dass PCOS-Patientinnen mit Schilddrüsenerkrankung
erhöhte metabolische und anthropometrische Parameter aufweisen. So waren
BMI (28 kg/m² vs. 26 kg/m²; p=0,001) und Bauchumfang (90,7cm vs. 85,3cm;
p=0,002)
gegenüber
PCOS-Patientinnen
ohne
Schilddrüsenerkrankungen
signifikant erhöht. Auch der HOMA-Index (2,2 vs. 1,8; p=0,04) sowie die nüchtern
Insulinkonzentration (9,1 mU/l vs. 7,5 mU/l; p=0,022) waren bei Frauen mit
Erkrankungen der Schilddrüse signifikant höher als bei diesbezüglich gesunden
Patientinnen. Die HDL-Serumlipide (63 mg/dl vs. 68 mg/dl) waren bei Patientinnen
mit Schilddrüsenerkrankungen im Vergleich erniedrigt.
Von Müller et al. [19] konnte 2009 ein Zusammenhang zwischen TSH-Spiegel und
Insulinresistenz bei PCOS-Patientinnen festgestellt werden. Patientinnen mit
einem TSH 2 mIU/l zeigten einen höheren BMI und eine höhere Insulinresistenz
als Frauen mit einem TSH <2 mIU/l, wobei der Effekt des TSH auf die
Insulinresistenz unabhängig von Alter oder BMI war. In einer Studie von Ganie et
al. [20] aus dem Jahr 2011 wurden bei PCOS-Patientinnen mit subklinischer
Hypothyreose keine erhöhten Insulinwerte im Vergleich zu euthyreoten Frauen mit
PCOS gezeigt. Die Autoren schließen daraus, dass ein alleiniger TSH-Anstieg mit
normalen
T3
und
T4-Werten
nicht
ausreicht
um
eine
Insulinresistenz
hervorzurufen. Celik et al. [21] verglichen in einer im Februar 2012 durchgeführten
Arbeit PCOS-Patientinnen mit und ohne subklinischer Hypothyreose mit gesunden
Frauen mit normaler Schilddrüsenfunktion. PCOS-Patientinnen mit subklinischer
Hypothyreose zeigten signifikant erhöhte Spiegel von Triglyzeriden, erhöhte
nüchtern Insulinspiegel sowie einen erhöhten HOMA-Index. Die Autoren
empfehlen bei diesen Patientinnen daher eine genaue Untersuchung auf
Dyslipidämie beziehungsweise Insulinresistenz.
Li et al. [22] sehen einen
möglichen Grund für eine Insulinresistenz in einer Variante des GNRH-Rezeptors:
PCOS-Patientinnen, die diese Variante des Rezeptors aufwiesen, hatten einen
-43-
signifikant erhöhten stimulierten Insulinspiegel und eine erhöhte Insulinresistenz.
Auch die TSH-Spiegel waren bei den Patientinnen mit dem entsprechenden
Genotyp gegenüber anderen Formen signifikant erhöht. Die Insulinresistenz bei
PCOS-Patientinnen scheint zudem auch von der Ethnie abhängig zu sein;
Kauffman et al. [23] konnten bei PCOS-Patientinnen mexikanischer Herkunft eine
höhere Prävalenz als bei weißen Frauen mit PCOS nachweisen.
In der vorliegenden Arbeit konnten zwischen Patientinnen mit und ohne
Schilddrüsenerkrankungen hinsichtlich des TSH-Wertes, des T3 und T4-Wertes,
der
nüchtern
sowie
stimulierten
Blutglukose,
des
LDL-Cholesterins,
der
Triglyzeride und der Androgene keine signifikanten Unterschiede festgestellt
werden. Die fehlende Signifikanz hinsichtlich der Schilddrüsenhormone ist
vermutlich dadurch zu erklären, dass die meisten Patientinnen vor Erstvorstellung
bereits von der Erkrankung ihrer Schilddrüse wussten und dementsprechend
therapiert waren. So wiesen auch nur 17,5 Prozent der Patientinnen mit
Schilddrüsenerkrankungen bei ihrem Erstbesuch eine Hypothyreose im Sinne
eines erhöhten TSH-Wertes auf. Dementsprechend konnte auch keine Korrelation
des TSH-Wertes bei Frauen mit Schilddrüsenerkrankungen mit signifikant
erhöhten Parametern wie dem BMI oder dem HOMA-Index gezeigt werden.
In der prospektiv untersuchten Gruppe konnten keinerlei signifikante metabolische
oder endokrine Unterschiede zwischen PCOS-Patientinnen mit und ohne
Schilddrüsenerkrankungen hergestellt werden; zurückzuführen ist dies wohl auf
die geringe Anzahl an Patientinnen in der Gruppe mit 27 Frauen.
Es konnte anhand der Untersuchung gezeigt werden, dass Frauen mit PCOS eine
hohe Prävalenz an Schilddrüsenerkrankungen aufweisen. Patientinnen mit
Schilddrüsenerkrankungen zeigen ebenfalls eine signifikante Erhöhung diverser
metabolischer
Parameter
und
somit
wahrscheinlich
auch
ein
erhöhtes
kardiovaskuläres Risiko. Dementsprechend wäre es wünschenswert, dass Frauen
mit PCOS bei der Erstvorstellung zumindest laborchemisch und eventuell auch
sonographisch auf Erkrankungen der Schilddrüse untersucht werden. Auf Grund
der teilweise ähnlichen Symptomatik von PCOS und Hypothyreose sowie der
ungünstigen metabolischen Konsequenzen beider Erkrankungen, sollte im Sinne
einer adäquaten Substitutionstherapie auch auf eine genaue medikamentöse
-44-
Einstellung der Schilddrüse geachtet werden. Zusätzlich sollte bei Frauen, die zur
Abklärung einer Schilddrüsenerkrankung vorstellig werden, anamnestisch und
klinisch auf Hinweise für ein PCOS geachtet und gegebenenfalls eine weitere
Abklärung eingeleitet werden.
-45-
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