Verhaltensauffälligkeiten und emotionale Störungen als Folgen frühkindlicher Traumatisierung Ablauf frühkindliche Traumatisierung Rollenspiel Julian Rollenspiel Julian 30min Vortrag 30min Pause 15min Rollenspiel Maria 20min Vortrag 30min Diskussion 10min 16:00 – 16:30 Pause zerebrale Anfallsleiden und zerebrale Schädigungen Einleitung Film 35min Vortrag 25min Pause 15min Vortrag 15min Diskussion 30min Trauma WHO, ICD-10: Traumata sind kurz- oder langanhaltende Ereignisse oder Geschehen von außergewöhnlicher Bedrohung mit katastrophalem Ausmaß, die nahezu bei jedem tiefgreifende Verzweiflung auslösen würden Trauma Diskrepanz zwischen bedrohlichen Situationsfaktoren und individuellen Bewältigungsmöglichkeiten. Gefühle der Hilflosigkeit und schutzloser Preisgabe. Erschütterung von Selbstund Weltverständnis Traumatyp Typ I: einmalig Fischer, Riedesser 1999 Naturkatastrophen Verkehrsunfälle Technische Großunfälle einmalige Gewalttaten durch Personen ausserhalb der Familie einmalige Gewalttaten innerhalb der Familie Leonore Terr 1995 1 Trauma Typ II: chronische Traumatisierung ausserhalb der Familie innerhalb der Familie Geiselnahme Terrorismus Krieg Folter Vergewaltigung Genozid schwere Erkrankung und Tod Gewalt zwischen den Eltern Vernachlässigung körperliche Misshandlung sexueller Missbrauch Fischer G, Riedesser P (1999). Lehrbuch der Psychotraumatologie. 2.Aufl. München, Basel: Reinhardt. Frühkindliche Mißhandlung oder Mißbrauch sind meist mit Vernachlässigung kombiniert Manly et al. : – Nur 8% waren ausschließlich körperlich Mißhandelte – 5 % waren ausschließlich sexuell mißbrauchten Kinder – 49% der sexuell mißbrauchten Kinder waren auch körperlich misshandelt und vernachlässigt ACE-Studie (n=17.337 Personen) Felitti VJ, Anda RF, Nordenberg D, et al. Relationship of childhood abuse and household dysfunction to many of the leading causes of death in adults. The Adverse Childhood Experience (ACE) Study. Am J Prev Med. 1998;14(4):245-258. Zeitpunkt des Traumas frühkindliche Traumatisierung Fegert 1997 ca.50% der mißbrauchten Kinder in einer KJP Inanspruchnahmepopulation waren auch körperlich mißhandelt Sexueller Mißbrauch 77% innerhalb der Familie 59% der Männer, die wegen sexuellen Mißbrauchs innerhalb der Familie verurteilt wurden, erzählen, auch andere Kinder mißbraucht zu haben 79% der Männer, die wg. Mißbrauchs an anderen Kindern verurteilt wurden, erzählen, auch die eigenen mißbraucht zu haben 30.1% körperlich misshandelt 19.9% sexuell missbraucht 23.5% Alkoholkrankheit in der Familie 18.8% psychiatrisch erkranktes Familienmitglied 12.5% Partnergewalt unter den Eltern 4.9% Drogenabusus in der Familie Trennung von zentraler Bezugsperson fehlende Kategorisierung jugendliche Traumatisierung zu bewältigen z.B. Zeuge eines Massakers Sexueller Mißbrauch 12% der Kinder sind 0-4 Jahre alt 30% der Kinder sind 4-10 Jahre alt 58% sind 10-16 Jahre alt Höllwarth M.E.: Gewalt und Missbrauch an Kindern. Österreichische Ärztezeitung (2004); 17: 26-36 Höllwarth M.E.: Gewalt und Missbrauch an Kindern. Österreichische Ärztezeitung (2004); 17: 26-36 2 Körperliche Misshandlung In Österreich jährlich 100.000 Kinder, die einer ärztlichen Behandlung wegen Misshandlung bedürfen 77% der Misshandlungen durch ein Familienmitglied Körperliche Misshandlung 51% der Kinder 0-4 Jahre 26% der Kinder 4-10 Jahre 23% der Kinder 10-16 Jahre Höllwarth M.E.: Gewalt und Missbrauch an Kindern. Österreichische Ärztezeitung (2004); 17: 26-36 Höllwarth M.E.: Gewalt und Missbrauch an Kindern. Österreichische Ärztezeitung (2004); 17: 26-36 frühkindliche Traumatisierung frühkindliches Trauma soziale Referenz ist zentrale Bezugsperson durch Bezugspersonen führt zu Bindungsstörung zentrales traumatisches Situationsthema unsicher-ambivalent unsicher-vermeidend desorganisiert Schuldgefühlen selbstverletzendes Verhalten Dissoziation Oder Integration Kompensation wegen ausreichend unterstützender sozialer Referenzierung Neurobiologie Trauma Hypercortisolismus Drei Streßreaktionen: 1.) erste Abwehrreaktion: Acetylcholin 2.) Flight or Fight: (Nor-)Adrenalin 3.) Freeze: Cortison Perry BD, Pollard, RA, Blackley, TL, Baker, WL, Vigilante D (1995). Childhood trauma, the neurobiology of adaptation and use-dependent development of the brain: How staits become traits. Inf Ment Health J;16:271-91. Blockade des Abrufens von Gedächtnisinhalten Blockade der Lateralisation und damit der Integration von Erfahrungen Selbstmedikation durch Ritzen Burnout, Chronisches Müdigkeitssyndrom, chron. Bauchschmerzen, Autoimmunkrankheiten (Mb. Crohn, atop. Dermatitis, Colitis ulcerosa), Fibromyalgie 3 Neurobiologie des Traumas Hypercortisolismus neurotoxisch 5-26% der Patienten Hippocampusatrophie Dissoziation teilweiser oder völliger Verlust integrativer Funktionen von Bewusstsein, Gedächtnis, personaler Identität, Selbst- und Objektwahrnehmung Dissoziation Pierre Janet 1989-1947: Wahrnehmung von Einheitlichkeit (ich bin eine Person mit einer Geschichte) Bei affektiver Überforderung: Trauma Desaggregation: Zerlegung in Kobewusstsein, Unbewusstes, Intrusionen Erinnerungsmodus bei PTSD Dissoziationsbegabung Trauma Intrusives Wiedererleben /-erinnern des Traumas Auf alle Sinne bezogene traumabezogene Stimuli: Trigger Autonomes Hyperarousal und assoziierte Symptome Rollenspiel Maria Sensomotorisch, visuell Emotional Fragmentarisch dissoziiert Stabil, unveränderlich, löschungsresistent Schlecht verbalisierbar Hyper-/dys-/amnestisch 4 Zwillingsuntersuchung zur live-time Psychopathologie bei frühem sexuellem Mißbrauch Dinwiddie et al. 2000 (I) Zwillingsuntersuchung zur live-time Psychopathologie bei frühem sexuellem Mißbrauch Dinwiddie et al. 2000 (II) Strukturierte Telefoninterviews mit 5995 australischen Zwillingen – Mißhandlungsvorgeschichte – Psychopathologie – Substanzmißbrauch Genereller Vergleich Mißbr. vs. Nichtm. – Höhere Wahrscheinlichkeit für Depression, Panikstörung, Alkoholismus, Suizidgedanken und –versuche, nur bei Frauen soziale Phobie Zwillingsuntersuchung zur live-time Psychopathologie bei frühem sexuellem Mißbrauch Dinwiddie et al. 2000 (III) Zwillingsvergleich Mißbr. vs. Nichtm. – Keine signifikanten Unterschiede mehr – Höchste Psychopathologie, wenn beide mißbraucht Risiko der Reviktimisierung Früh misshandelte Mädchen haben als Teenager signifikant mehr negative sexuelle Gewalterfahrungen (Wekerle et al. 2001) Bedeutung von shared environement Reviktimisierung Hobbs et al. 1999 In Pflegefamilien betrafen 60% der Mißbrauchstaten Mädchen und 60% der Mißhandlungen Jungen in Heimerziehung wurden doppelt so viele Jungen wie Mädchen mißhandelt Täter: – Erzieher oder Pflegeeltern 41% – Leibliche Eltern im Umgang 23% – Andere Jugendliche 20% Reviktimisierung Hobbs et al. 1999 Besonderer Schweregrad: – 1 Todesfall, 8 Verbrennungen, 18 genitale u. 34 anale Penetration Vorgeschichte: 80% dieser Kinder waren vorher schon mißhandelt oder mißbraucht Vergleich zur allgemeinen pädiatrischen Inanspruchnahme: Pflegekinder 7-8 fach erhöhtes Risiko;Heim 6 fach 5 Zyklische Viktimisierung Bagley et al. 1994 n = 750 Männer aus Calgary 117 (15,7 %) berichteten über Missbrauch in der Kindheit – 25 % der missbrauchten Männer vs. 0,3 % der nicht Missbrauchten hatten sexuelle Kontakte zu Jungen unter 15 Jahren – Regressionsanalyse ergab Missbrauchserfahrungen als wesentlichsten Prädiktor für späteres Missbrauchsverhalten Borderline-Persönlichkeitsstörung Mind. 80% wurden sexuell missbraucht 80% der Betroffenen in psychiatrischer/psychotherapeutischer Behandlung 80% Therapieabbruchrate, bei spezifischer Behandlung 20% 10% Suizidrate (50faches Risiko des Durchschnitts) 70% der Betroffenen in Therapie sind weiblich, weil die männlichen in Gefängnissen landen Sexueller Missbrauch 24% der Strafverfahren wg. Sexuellen Missbrauchs enden positiv für das Opfer Verurteilte Straftäter werden in 20% erneut straffällig innerhalb der nächsten fünf Jahre Höllwarth M.E.: Gewalt und Missbrauch an Kindern. Österreichische Ärztezeitung (2004); 17: 26-36 BorderlinePersönlichkeitsstörung Ständige pathologische Angst, Verlassen zu werden Instabile, aber intensive und ambivalente zwischenmenschliche Beziehungen Instabilität des Selbstbildes/Identität Impulsivität in mind 2 selbstschädigenden Bereichen Gestörte Affektregulation J.G. Gunderson, M.T. Singer 1975 Fegert 1997 Berliner KJPInanspruchnahmekohorte Vergleich der mißhandelten und nichtmißhandelten Kinder (Manly et al. 2001) Körperliche Misshandlung: externalisierend – aggressiver, weniger kooperativ, „explosiv“, „Kämpfer“ (Gleichaltrige) – Geringerer Selbstwert und Selbstkontrolle Vernachlässigung: internalisierend 6 Körperliche Misshandlung Was ist das: Störung des Sozialverhaltens? Traumatyp II nach Terr 74% der Misshandelten werden durch eine Störung des Sozialverhaltens auffällig Verletzung der Grundrechte Anderer Verletzung der wichtigsten altersentsprechenden Normen und Gesetze mindestens 6 Monate Höllwarth M.E.: Gewalt und Missbrauch an Kindern. Österreichische Ärztezeitung (2004); 17: 26-36 Leonore Terr 1995 Was ist das: Störung des Sozialverhaltens Verhalten im Wesentlichen entkoppelt von aktuellen Ereignissen, jedoch Schwankungen der Ausprägung weiterhin abhängig von aktuellen Ereignissen Keine altersadäquate Über-Ich-Instanz Woran bemerkt man die Störung? Häufigkeit Deutliches Maß an Ungehorsam, Streiten oder Tyrannisieren Ungewöhnlich häufige und schwere Wutausbrüche Häufiges Schulschwänzen beginnend vor dem 13. Lj Weglaufen, mind 2x oder länger als eine Nacht 5% der Kinder und Jugendlichen Woran bemerkt man die Störung? Häufiges Lügen oder Brechen von Versprechen, Stehlen Grausamkeit gegenüber anderen Menschen oder Tieren Erhebliche Destruktivität gegenüber Gegenständen Zündeln 7 Entwicklungsaufgaben Wie beginnt die Störung? Jugendgewalttäter, die elterliche Gewalt in der Kindheit erlebten Lösel 1997 Gewalttäter, die in den letzten 12 Monaten selbst Gewalt erlebt haben Gewalt geht mit der Erwartung von Feindschaft einher: Wer Angst macht, hat Angst Lösel 1997 8 Inkonsistenz der Eltern und Gewalt durch Jugendliche Teufelskreis nach Döpfner Aufforderung Wiederholung der Aufforderung nein ja wird befolgt ja wird befolgt nein Eltern drohen ja wird befolgt Eltern gehen zu anderer Tätigkeit über nein Eltern ratlos Eltern geben nach Eltern aggressiv Beeinflußt die Ablehnung von Gewalt durch Erwachsene die Gewalt Jugendlicher? Verringert positive Zuwendung Gewalt? Wieso tun Kinder sowas? – Erklärungen psychotherapeutischer Schulen Wieso tun Kinder sowas? – Erklärungen psychotherapeutischer Schulen (2) Täterintrojekt: Macht ist besser als Ohnmacht (Psychoanalyse): Opfer werden zu Tätern Selbstwertkonflikt: Minderwertigkeits- und Überwertigkeitskomplex (Alfred Adler) Gelernte Rolle – Nachahmung (Verhaltenstherapie) Die Sehnsucht nach Aufmerksamkeit Eine Watsche ist auch eine Streicheleinheit (Transaktionsanalyse – Eric Berne) 9 Hat jedes schwierige Kind eine soziale Störung? Aggressive Handlungen im Rahmen organischer Psychosyndrome, die von Dissozialität begleitet werden (F0) – Intellektuelle Minderbegabung Dissozialen Symptomen im Kontext von Substanzmissbrauch (F1) (als Sekundärfolge/bei Beschaffungskriminalität) Hat jedes schwierige Kind eine soziale Störung? Bei auf die Familie beschränkter Symptomatik im Rahmen von Zwangshandlungen (F42) Bei aggressiven Symptomen im Rahmen manischer Episoden (F30) Bei posttraumatischen Belastungsreaktionen oder Anpassungsstörungen (F43.1/F43.2), z.B. nach sexuellem Missbrauch Hat jedes schwierige Kind eine soziale Störung? Bei Stehlen im Rahmen von Bulimia nervosa (F50.2) Bei aggressiven Übergriffen im Rahmen von Impulskontrollstörungen (F63, Borderline-Persönlichkeitsstörung F60.3, narzisstischen Persönlichkeitsstörungen). 10