Entwicklungspsychologie Sozialwissenschaften Neuropsychologie Risikoverhalten als biologisches Problem in sozialen Systemen? Psychobiologie Psychopathologie F. Resch Kognitionstheoretische Vorstellungen Psychiatrische Epidemiologie Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie Universitätsklinikum Heidelberg Psychodynamische Theorien Klinisches Verständnis Heidelberg, 2013 Entwicklung w e - K u d G ENTWICKLUNG - Phasen - Stufen y Naturwissenschaftliche Regelprozesse historischsozialwissenschaftl. Kategorien Zyklus Linearität PSYCHOPATHOLOGIE Alter Übergangsreihen Entwicklungsaufgaben situative Spezifität adaptives Potential Symptomspezifität Vulnerabilität Risikofaktoren protektive Faktoren Spirale Risikofaktoren und Psychopathologie Modellvorstellungen von Pathologie Entwicklungspsychopathologisches Modell Klassisches Pathologiemodell • Symptom: Störungszeichen im aktuellen Anpassungsprozess • Symptom: Krankheitszeichen • Störung: Missverhältnis zwischen Möglichkeiten und Anforderungen • Störung: Fehlfunktion, Defekt, Krankheit • Fokus: Individuum-UmweltSystem im Zeitverlauf • Fokus: Individuum • dynamisch • statisch • Regelkreis-Kausalität • Lineare Kausalität (Bifulco et al. 2005) Destruktive Tendenzen bei Jugendlichen Entwicklungmodell Externe somatische Entwicklungseinflüsse Entwicklungsaufgaben Krankheit Autoaggressiv Genetik Vulnerabilität Psychosoziale Entwicklungseinflüsse Lebensereignisse Biographische Einflüsse Aktueller Kontext Risikoverhalten/ subklinische Symptome Aggressiv Stabilisierung Delinquenz Unspezifisches Stadium („Krise“) Spezifisches Stadium Automutilation Risikoverhalten Gewaltverhalten Aggression bei Jugendlichen Psychose TOTGEMACHT Impulsivität Drogen • Am 1.2.2008 wird Damiano Tamagni, 22 J., am Karneval in Locarno zu Tode geprügelt PTSD (Magazin der Basler/Berner/Solothurnerzeitung, Nr. 13, 2008) • „ ... ich glaube, es ging nicht um ihn. Ich glaube, sie wollten es einfach. Es einfach tun. Einfach einen schlagen ... “ • „ ... das Opfer war zur falschen Zeit in ihrer Nähe. Es war Mittel zum Zweck. Meist steht das Opfer wieder auf. An diesem Abend hatte es Pech ... “ Antisoziale Persönlichkeit Borderline Bipolarität (modif. nach Siever, 2008) „... mit medialem Müll gefütterte Kinder der Chancenlosigkeit ...“ Was ist ein Trauma? • Prozess oder Ereignis – Typ I: Naturkatastrophe, Unfall, Verbrechen ... – Typ II: Misshandlung, Missbrauch, kumulative Traumen • Subjektive Qualität – Unter 50% PTSD bei extremen Traumen Gewalt verstehen? • Mehrgenerationenperspektive (Wittchen et al., 2009) Umweltstressor Epidemiologie Emotionale Erfahrung (25-66% im Kindes- und Jugendalter) 50% Recovery innerhalb 1 Jahres 35% (1.6%) Einzeltrauma: 10-15% kumul. Trauma: -65% Ereignis ist wichtig für das Wohlbefinden und belastet / übersteigt die Ressourcen des Individuums Emotionale Reaktion Lebenszeitprävalenz von PTSD 7-8% Bewertung Risiko für die Entwicklung einer PTSD 2/3 der Bevölkerung sind Traumaexponiert! 15% Chronifizierung trotz Therapie „gefühlte“ Emotionen Begleitende Kognitionen Physiologische Reaktionen Kategoriell: Angst Ärger Traurigkeit Ekel Taubheit Fakten/Informationen Selbstreferenz Dissoziation Herzrate Schwindel flache Atmung Hitzewallungen Übelkeit Schwitzen Dimensional: Distress/Arousal Peritraumatisches Verhalten (Fletcher et al 2010, Pace & Heim 2010, Simons & Herpertz-Dahlmann 2008, De Young et al 2011) aktiv / passiv angepasst / unangepasst (Bovin & Marx, 2011) Entwicklungspfad der Aggression psychologische (verbale) oder körperliche Misshandlung Frühe Traumatisierung ist ein mediierender Risikofaktor für Gewaltverhalten Jaffee et al. Physical maltreatment victim to antisocial child: evidence of an environmentally mediated process. J Abnorm Psychol. 2004;113(1):44-55. Störung von Identität, Selbstwert und Affektregulation Störung von interpersonellen Beziehungen Aggressives Verhalten (Allen, 2011) Misshandlung ↔ Affektregulation Misshandlung ↔ Affektregulation verbale Misshandlung in der Kindheit körperliche Misshandlung bei Männern in der Kindheit Wut in Adolseszenz ↑ Erwachsenenalter ↑ Aggression in Partnerbeziehungen ↑ (Loos & Alexander 1997; Allen 2011) (DiLillo et al 2009; Taft et al 2008) Imaging Genetics Trauma und Aggression • Childhood Trauma Questionnaire • 2752 Zwillinge (Pennsylvania Twin Cohort, 1959-1978) Gewaltbereitschaft (Aggression) im Erwachsenenalter kindliche Traumatisierung negative emotionale Reaktionen (Chen et al 2011) (Pine, Ernst & Leibenluft, 2010) Trauma – Gene – Gewalt MAO-VNTR Elterliches Verhalten Caspi et al. Science. 2002;297:851-4. Kinnally et al. Psychiatr. Genet. 2009;19(3):126-133. Trauma und Serotonin Stoffwechsel Bei Frauen: Gewalterfahrung führt zu • erniedrigter serotoninerger Funktion • erhöhter Impulsivität • erhöhter Gewaltbereitschaft Moberg et al. J Affect Disord. 2011;132(1-2):173-178 Aggressive Jugendliche mit Traumageschichte haben erhöhte Cortisolresponse (unter Stress) – kein Geschlechtseffekt Ivanov et al. Psychiatry Res. 2011;189(3):396-402. Aggression und gesellschaftlicher Kontext Entwicklungspsychopathologie der expansiven Störungen Frühe Kindheit Angst ODD ADHD/ HKS Adoleszenz Junges Erwachsenenalter Depression Substanzmissbrauch CD Antisoziale Persönlichkeitsstörung Mikrosystem = emotionaler Dialog interaktionale Matrix Mesosystem = Schulklima Alltagsgestaltung Opfer Störfaktor Makrosystem = Politischer Stil Krieg/Terror Somatoforme Störung (Loeber et al., 2000) Risikofaktoren Suizid-Terrorismus • Armut • Keine Psychopathologie der Persönlichkeit i. e. S. • Soziale Benachteiligung • Kein Bildungsmangel • Gewalt in der Umgebung • Junge ungebundene Männer • Keine Armut sondern: • Ideologisierung durch charismatische Trainer • Gewalterfahrungen / Victimisierung – 81% selbst Steinewerfen – 66% verletzt – 63% angeschossen • Stolz, soziale Anerkennung, soziale Kohäsion (Guerra et al. 1995) (Atran S., Science 299, 2003) Kindheitsvorläufer von Traumatisierung Prospektive Studie über 15 Jahre Kindheitsvorläufer von Traumatisierung • Aggressive-expansives Verhalten 6-7 Jahre 20-23 Jahre n=2311 n=1698 (~75%) o Gewalterfahrungen: Risiko x 2 • ängstlich-depressives Verhalten o kein erhöhtes Traumarisiko o PTSD Risiko x 1,5 82,5% Trauma Verhaltensanalyse PTSD Psychopathologie (Storr et al 2007) Konzept der „abhängigen Risiken“ (Storr et al 2007) Epigenetik Intersubjektivität Selbst Gene Gibt es eine Selbstbeteiligung an den Rahmenbedingungen • neurobehaviorale Struktur • Erlebnissystem (affektiv-kognitiv) • Handlungsrepertoire einer Traumatisierung? Subjektives Erleben und Handeln Bezugspersonen Trauma und Gewalttätigkeit Abhängige Entwicklungsrisiken • Elternüberforderung • Fremdplatzierung • Schulkarriere ↓ • Isolation – deviante Gruppen • Verbrechen als Trauma abhängige Traumatisierung nicht: – Verlust – sexueller Missbrauch – Naturkatastrophen sondern: – Gewalterfahrung – zentrale Enttäuschungen in Beziehungen Intersubjektive Traumatisierung „Difficult Temperament“ (Thomas & Chess, 1963) • Demütigung und Entwertung negative Emotionalität (Bates, 1989) • Desintegration und Isolation • Vernachlässigung • Verheimlichung und Täuschung Reaktion auf Unbekanntes Frustrationsintoleranz distress to novelty irritability to limitation/frustration • Zufügen von Schmerzen Einstellungen der Bezugsperson „labeling“ (Rothbart & Posner, 2006) Behaviourale Aktivierung Affektregulation „Irritabilität“ Risikofaktoren der Opfer-Täter-Spirale Emotionsanstieg Intensität Desaktualisierung Störung der Handlungskontrolle „Impulsivität“ Störung der Bewusstheit Reaktive Aggression Instrumentelle Aggression • Temperament – behaviourale Aktivierung • Struktur/Erfahrung – tendenziöse Apperzeption • Angstabwehr – Verwegenheit • Schamabwehr – Wut Mangelnde Selbstreflexion Mangelnde Perspektivenübernahme „externalisierende narzisstische Balance“ Pathologische Aggression Tatentwicklung Aggressive Tatmotive Stufe fe 1 1:: R Rivalität ivalität – Selbsterhöhung Selbsterrhöhung durch Ausschaltung ssc Stufe fe 2: Feindbild d – Beherrschung und Entwertung Entwertun ung des Anderen nde – Machtausübung – Identität durch Abgrenzung ung Stufe fe 3: Magische Ökonomie nom – Mana (nach Chul-Han 2011) Aggression in der Gruppe • Rituale der Gnadenlosigkeit Gruppenidentität als Rettungsanker • Bedingungslose Identifikation mit Gruppenidealen • Gruppendruck mit wechselseitiger Aufstachelung • Trauma und Aussichtslosigkeit • Verdinglichung und Entwertung des Opfers • Tiefe Leere und Beziehungslosigkeit • Wechselseitige Legitimation von Gewalt und Tötung • Entschädigung und Rache für „Schmach“ Ö Gruppennarzissmus nach Fromm (1964) (Wirth, 2006) Opfer-Täter-Spirale Trauma Beziehungsstörung dysfunktionale Interaktionen Dissoziation Störung der Gedächtnisfunktion und Erlebnisverarbeitung - Störung der Affektregulation/ Irritabilität - Impulsivität - Störung der Selbstregulation (Identität/Selbstwert) mangelnde Konflikt- und Traumaverarbeitung Störung der reflexiven Funktionen, dysfunktionale mentale Modelle, Mangel an sozialer Perspektiven-übernahme DANKE