VORWORT zur 4. Auflage Durch die notwendig gewordene 4. Auflage des Buches „Klinische Homöopathie in der Veterinärmedizin" hat sich gezeigt, daß diese Anleitung für den Einsatz der Homöopathie in der tierärztlichen Praxis ein wichtiger Bestandteil der veterinärmedizinischen Literatur geworden ist. Eine neuerliche Bearbeitung des Gesamtkonzeptes erschien angesichts der allgemeinen medizinischen Situation nicht erforderlich. Es wurde aber den oft erhobenen Forderungen nach der Ausweitung des Stoffes auf die Erkrankungen der Schweine Rechnung getragen. In einem angehängten Kapitel über Schweinekrankheiten soll versucht werden, den Praktikern neue Möglichkeiten der Therapie zu zeigen, indem sie entweder den wegen der Rückstandssituation problematischen Chemotherapeutika eine regulierende Ergänzung geben oder diese oft kurz wirkenden Mittel durch andere Heilmittel ersetzen, die sowohl eine reproduzierbare Wirkung haben als auch eine Dauerheilung bewirken können. Dem Karl F. Haug Verlag, Heidelberg, sei der Dank dafür ausgesprochen, daß er die Wünsche des Autors berücksichtigte und das Buch in der vorliegenden Form wieder als 4. Auflage herausbrachte. Der Wunsch, daß es in der täglichen Praxis des Tierarztes eine Hilfe sein möge, sei hier voller Hoffnung wiederholt. Ottersberg, im April 1988 Dr. HANS WOLTER Narayana Verlag, 79400 Kandern, Tel. 07626 974 970-0 Leseprobe von Hans Wolter: Klinische Homöopathie in der Veterinärmedizin INHALT Vorwort zur 1. Auflage .............................................................................. Vorwort zur 2. Auflage ............................................................................. Vorwort zur 4. Auflage .............................................................................. Einleitung .................................................................................................... 7 9 11 15 A. ALLGEMEINER TEIL Das Wesen der Homöopathie .................................................................. Potenzierung und Verordnung................................................................. Die Bedeutung des Reaktionstyps für die Arzneimittelwahl. . . . 19 32 40 B. SPEZIELLER TEIL Infektionskrankheiten und septische Erkrankungen............................. Erkrankungen des Verdauungsapparates............................................... 1. Kolikerkrankungen der Pferde ......................................................... 2. Wurmerkrankungen .......................................................................... 3. Die Diarrhöe ................................................................................... 4. Erkrankungen der Wiederkäuermägen ......................................... Die Behandlung der Fruchtbarkeitsstörung ......................................... Erkrankungen des Bewegungsapparates .................................................. Die Wundbehandlung mit Mitteln der Homöopathie ................... Kurze Charakteristik der angeführten Mittel ......................................... Erkrankungen der Schweine ..................................................................... Literatur.................................................................................................. Register ................................................................................................... 59 73 73 92 96 101 109 140 153 160 183 207 208 Narayana Verlag, 79400 Kandern, Tel. 07626 974 970-0 Leseprobe von Hans Wolter: Klinische Homöopathie in der Veterinärmedizin B. SPEZIELLERTEIL Infektionskrankheiten und septische Erkrankungen Bei der Behandlung der Infektionskrankheiten und septischen Erkrankungen mit homöopathischen Mitteln sind dem Therapeuten große Möglichkeiten in die Hand gegeben. Denn nicht nur in der Behandlung der chronischen Erkrankungen, wie meistens angenommen wird, können die homöopathischen Medikamente erfolgreich benutzt werden, sondern auch unter Beachtung der biologischen Reaktion des Organismus bei akuten Infektionen. Für die Anwendung dieser Mittel muß man von der Tatsache ausgehen, daß sich diese nicht an das schädigende Agens wenden, sondern sich über das reaktive System, als welches das RES angesehen wird, in den Prozeß der körpereigenen Abwehr einschalten. Es sei in diesem Zusammenhange nur kurz auf die Forschungsergebnisse von SPERANSKY, RICKER und SCHEIDT hingewiesen. Bei einer Infektion setzen die biologischen Abwehrvorgänge im Organismus mit einer großen Schnelligkeit ein, um der Gefahr Herr zu werden. Man spricht von einem Schnellschutz (BIELING), der innerhalb weniger Minuten post infectionem in Aktion tritt. Durch diesen Schnellschutz wird die weitere Ausbreitung der Krankheitserscheinungen erheblich verzögert und oft sogar verhindert, wenn er stark genug ist, die eingedrungenen Keime aufzuhalten. Es werden hierbei vom Organismus Kräfte mobilisiert, die vom Therapeuten ausgenutzt und unterstützt werden müssen, damit die entstandene Promunität in eine Immunität übergehen kann. Als Folge dieser Abwehrmaßnahmen des Körpers zeigt sich in späterer Zeit, daß der Weg, den die Infektion das erste Mal gegangen ist, zum zweiten Male nicht wieder als Eingangspforte benutzt werden kann. Dieses Phänomen wird als Schienenimmunität bezeichnet, die der Organismus als Schutzmaßnahme errichtet hat. Hierbei ist es gleichgültig, ob die Reinfektion mit dem gleichen oder einem anderen Agens geschieht. Daraus folgt, daß die Schutzmaßnahmen des Körpers in jedem Falle unspezifisch sind. BIELING spricht in seinem Buch: „Die biologische Infektionsabwehr des menschlichen Körpers"*) von einer „rasch einsetzenden unabgestimmten Steigerung der Abwehrkräfte", die sich darin zeigt, daß ein Infizierter, der sich im Verlaufe einer Krankheit eine Immunität erworben hat, selbst bei ihrem *) Verlag Franz Deuticke, Wien 1944. Narayana Verlag, 79400 Kandern, Tel. 07626 974 970-0 Leseprobe von Hans Wolter: Klinische Homöopathie in der Veterinärmedizin 60 _____________________________ Spezieller Teil Absinken in den folgenden Jahren im Verlaufe einer neuen auch anders gearteten Infektion diese Immunität wesentlich schneller ausbildet, als ein frisch Infizierter, der keine alte Immunität in sich hatte. „Der Körper erinnert sich (v. Verfasser gesperrt) — bildlich gesprochen — vor die Aufgabe gestellt, eine neue Infektion abzuwehren, zuerst einmal der schon früher geübten und gewählten Methode, die er rasch wieder in Gang setzen kann" (BIELING). Es handelt sich dabei also um eine a namn esti sche R eakti on . Zum weiteren Verständnis der Wirkung der homöopathischen Mittel bei den Infektionskrankheiten sei noch auf das SANARELLi-ScHWARTZMANsche Phänomen hingewiesen, das die Unspezifität des Schnellschutzes beweist: Wenn man einem Kaninchen einen Tropfen einer steril gemachten Nährlösung, auf der vorher Bakterien gewachsen waren, intracutan einspritzt, so tritt an der Injektionsstelle eine leichte entzündliche Reaktion ein, die aber innerhalb von 24 Stunden wieder abklingt. Durch diese Vorbereitung werden die Kapillaren der Injektionsstelle in die Lage versetzt, auf eine 8—24 Stunden später verabfolgte intravenöse Injektion eines Kulturfiltrates an dieser Stelle mit einer starken hyperämischen Gefäßreaktion, Stase mit folgendem Plasmaaustritt und Diapedeseblutung zu reagieren. Die reinjizierte Lösung braucht in keinem Falle die gleiche zu sein wie die vorbereitende. Der Effekt ist in jedem Falle da. Das gleiche Phänomen tritt auf, wenn man an einem anderen beliebigen Organ diesen Versuch ausführt. In allen Fällen der aktiven Einschaltungdes Organismus in die Abwehr der infektiösen Agentien zeigt sich die Unspezifität der Abwehrmaß nahmen. Es tritt eine vegetative Gesamtumschaltung ein, die in sich die gesamten regenerativen und vor allem die prophylaktischen Eigenschaften vereinigt. Diese Umschaltung ist gekennzeichnet durch jeweils zwei Phasen, die in allen Einzelheiten hier nicht wiedergegeben werden können, deren wichtigste Teile für die homöopathische Medikation aber in folgenden Gegenpolen zu suchen sind: Fieberanstieg —Fieberabstieg Ansteigen des Gesamtstoffwechsels—Abfall des Gesamtstoffwechsels Übergewicht des Sympathikus —Übergewicht des Parasympathikus Hiervon gehen jeweils die erste oder die zweite Phase parallel miteinander. Und zwar wird dieser Vorgang „von einer zentralen Stelle im Gehirn in Gang gesetzt" (s. o.). Durch den Infektionsprozeß werden nun vegetative Tonusschwankungen ausgelöst, die Fieberanstieg, Leukozytose und vor allen Dingen einen gesteigerten Tonus des Sympathikus im Gefolge haben. Durch diese Stimulierung wird der gesamte Abwehrapparat des Körpers in Bewegung gesetzt. Aufgabe des Arztes ist es, den Zeitpunkt der vegetativen Gesamtumschaltung nicht ungenützt vorübergehen zu lassen. Und hier ist die große Möglichkeit der Homöopathie, die gerade mit mehreren über den Sympa- Narayana Verlag, 79400 Kandern, Tel. 07626 974 970-0 Leseprobe von Hans Wolter: Klinische Homöopathie in der Veterinärmedizin _________________ Infektionskrankheiten und septische Erkrankungen ___________________ 61 thikus wirkenden Mitteln in der Lage ist, Infektionen im Frühstadium zu kupieren. Der Therapeut hat nur die Aufgabe, die Kräfte, die der Organismus selber in Bewegung gebracht hat, zu lenken und sie als unspezifische Abwehrmaßnahmen soweit zu kräftigen, daß spezifische Hei lungstendenzen daraus werden. Als eines der wichtigsten Mittel für das Ausnutzen dieser Reaktionslage bei Infektionen verschiedenster Art kennt die Homöopathie den Eisenhut, Aconitum napellus (vgl. auch das Kapitel „Kolikerkrankungen"). Der Eisenhut ist als ein sich in die Sympathikus-Phase einschaltendes Mittel bekannt und erprobt. Daraus erklärt sich auch seine Wirkung nur im Anfangsstadium einer Infektion, da - wie oben gesagt- die Tonussteigerung durch die Sympathikus-Aktivität als erste Abwehrmaßnahme zu gelten hat, die aber nach einigen Tagen wieder abklingt. Mit dieser Tonussteigerung gehen während der Krankheit voller harter Puls, hohes Fieber, trockene Hitze der Haut usw. als typische Symptome einher, die die alten Homöopathen als die Charakteristika des Eisenhutes herausgestellt haben. Heute können wir durch die Kenntnis der Vorgänge innerhalb der biologischen Infektionsabwehr des Körpers die Wirkungsweise von Aconitum napellus plausibel erklären. Durch die Potenzierung des Aconitum hat es der Therapeut in der Hand, wie er auf die Sympathikusreaktion bei Infektionen einwirken will. Ist diese noch nicht stark genug, um die Heilung zu beschleunigen, so kann mit niedrigen Potenzen (D 2 — D 3) eine Steigerung erreicht werden, die sich am deutlichsten im schnellen Fieberanstieg zeigt. Um aber die Notwendigkeit dieser Maßnahme zu erkennen, müssen die biologischen Möglichkeiten des Organismus beachtet werden. Denn die Abwehrmaßnahmen des Körpers dürfen nur dann gesteigert werden, wenn dieser noch eine zusätzliche Belastung aushalten kann. Gelingt es allerdings mit einer niedrigen Potenz von Aconitum die ersten Reaktionen des Organismus so zu verstärken, daß die Infektion im Initialstadium kupiert wird, so tritt eine schnelle Heilung ein. Durch diese aktive Beteiligung am Krankheitsgeschehen hat sich der Organismus außerdem eine sichere Immunität erworben. Da nun der Körper infolge dieser Aktivität so intensiv in das Krankheitsgeschehen eingespannt gewesen ist, macht sich manchmal post infectionem eine „Zerschlagenheit" bemerkbar, die die Schwere der Erkrankung erst in vollem Umfange erkennen läßt. Als Roborans hat sich in solchen Fällen Avena sativa (Hafer) als Urtinktur bewährt, welche die vegetative Gesamtumschaltung wieder rückwärts verlaufen läßt und den gestörten Organismus in das Gleichgewicht bringt. Beispiel: 8 Wochen altes Vollblutfohlen des H. in Qu. Das Fohlen machte eines Tages einen sehr müden Eindruck. Es hatte mindestens seit dem Morgen nicht mehr bei der Stute gesogen (das Euter war stramm gefüllt, als die Erkrankung bemerkt wurde[17h]). Auf der Weide schlich es müde und ganz langsam hinter der Mutter her. Narayana Verlag, 79400 Kandern, Tel. 07626 974 970-0 Leseprobe von Hans Wolter: Klinische Homöopathie in der Veterinärmedizin 62 __________________________________ Spezieller Teil Befund: T. 40,9; A. 86; P. 100. Das Fohlen ist im Gegensatz zu anderer Zeit sehr ängstlich und läßt sich kaum untersuchen. Das Fell ist gesträubt, der ganze Körper fühlt sich unphysiologisch heiß an. Die untersuchbaren Schleimhäute sind trocken, die Gefäße der Konjunktiven sind stark injiziert. Puls hart und klopfend. Diagnose: Infektion unbekannter Genese. Therapie: AconitumD 3 5,0 ccm sbc. Nach 6 Stunden ist die Temperatur auf 42,1 gestiegen. Das Fohlen liegt matt und schwer atmend flach auf der Erde. Trotzdem wurde keine weitere Behandlung vorgenommen. Nach der Nacht, die gegen Morgen sehr unruhig verlief mit Wälzen, Aufstehen und Hinwerfen wie bei einer Kolik, zeigt das Fohlen am Morgen Appetit und beginnt bei der Stute zu saugen. T. 40,2. Atmung und Puls haben sich weitgehend beruhigt. Am Nach mittag desselben Tages ist die Temperatur auf 39,5 zurückgegangen. Das Fohlen läßt lediglich noch eine gewisse Schwäche erkennen, die sich in häufigem Hinlegen äußert. Nach dem Aufstehen beginnt es aber sofort zu saugen. Avena sativa Dl 2-stündlich 10 Tropfen. Nach zwei weiteren Tagen ist dem Fohlen nichts mehr von der schweren überstandenen Krankheit anzumerken. Nicht einmal der Ernährungszustand hat sich verschlechtert. Kritische Betrachtung: Infolge der Jugend des Tieres ist die normale Körpertemperatur sehr hoch (39,5); ein Zeichen für die intensive Aufbauarbeit, die sich im Organismus abspielt. Infolgedessen war die vegetative Gesamtumschaltung nicht stark genug, um die schwere Infektion abzuwehren. Da es sich aber um ein reaktionsfähiges Vollblutfohlen handelte, hätte die erste Abwehrmaßnahme kräftiger sein müssen. Aufgabe des Therapeuten war es also, diese Maßnahme zu verstärken. Dieses ist geschehen durch Aconitum D 3 sbc. Die Reaktion, die sich durch den Fieberanstieg auf 42,1 zeigte, war also eine erwünschte. Aus diesem Grunde durfte sie auch nicht bekämpft werden. Der Erfolg am anderen Tage bestätigte dann die Richtigkeit der Überlegung. Avena sativa unterstützte die Heilreaktion des Körpers, so daß bald eine Restitutio ad integrum erreicht wurde. Wurde in diesem Falle die zu schwache Reaktion des Sympathikuskomplexes angeregt, so gibt es auf der anderen Seite Fälle, in denen eine Überreiztheit innerhalb dieses Komplexes gedämpft werden muß, wenn nicht der Organismus durch die eigene Verausgabung an Kräften dem Infektionsangriff erliegen soll. Dem Homöopathen ist mit dem gleichen Mittel die Möglichkeit in die Hand gegeben, auch hier korrigierend einzugreifen. Nur muß es entsprechend höher potenziert werden. Die in dem Kapitel „Das Wesen der Homöopathie" erwähnte Phasenwirkung der homöopathischen Arzneien tritt hier eindringlich zu Tage. Wird mit der D 2 — D 3 eine starke Anfachung des Sympathikuskomplexes erreicht, so ist schon bei D 4 — D 6 eine deutlich beruhigende Wirkung auf diesen Komplex festzustellen. Beispiel: 8jährige hannoversche Stute. Frißt seit dem Morgen nicht mehr und atmet schwer und stoßweise. T. 41,9; P. 110; A 92. Puls ist fast zum Zerspringen gefüllt, hart und klopfend. Haarkleid glanzlos und gesträubt. Konjunktiven sind ziegelrot. Die klinische Untersuchung ergab eine be ginnende Pneumonie linksseitig. Therapie:Aconitum D 6 5,0 ccm sbc., Aconitum D 8 fünfmal täglich 15 Tropfen. Am Abend ist die Temperatur auf 41,0 gesunken. Der T.-Abfall hält auch bis zum anderen Abend an, an dem die T. auf 39,7 zurückgegangen ist. Da am zweiten Tage die lokalen pneumonischen Erscheinungen noch immer deutlich bestanden, wurde zusätzlich von diesem Tage an Belladonna D 4 fünfmal täglich 15 Tropfen gegeben. Restitutio ad integrum innerhalb von 5 Tagen. Narayana Verlag, 79400 Kandern, Tel. 07626 974 970-0 Leseprobe von Hans Wolter: Klinische Homöopathie in der Veterinärmedizin Erkrankungen der Schweine 1. Applikation der homöopathischen Mittel In der modernen Schweinehaltung spielt die Einzeltierhaltung keine große Rolle mehr. Die Großbetriebe erfordern deshalb eine besondere Durchführung der homöopathischen Therapie. Diese muß entweder über das Futter gehen oder als Injektionsbehandlung durchgeführt werden. Mit der letzteren Methode ist es gewährleistet, daß die erkrankten Tiere tatsächlich erfaßt werden, oder daß eine ganze Bucht behandelt wird. Der große Vorteil bei der homöopathischen Therapie ist, daß keinerlei Rückstände oder Resistenzen auftreten können. Es ist also zu überlegen, in welcher Form diese Behandlung durchgeführt werden kann. Da alle Schweinehalter gewohnt sind, Injektionen selber durchzuführen, so sollte auch in diesem Fall den Tierhaltern die erforderliche Menge des zu injizierenden Medikamentes in die Hand gegeben werden. Da das einzusetzende homöopathische Medikament jeweils für die zu behandelnde Erkrankung das Simile ist, besteht eigentlich keine Gefahr, daß die Therapie dem Tierarzt aus der Hand genommen wird, da für jeden Fall ein neues Simile gefunden werden muß, also der behandelnde Tierarzt stets wieder erneut die Arzneidiagnose stellen muß. Diese Probleme müssen im Laufe dieses Kapitels noch öfter angesprochen werden. Die andere Methode, über das Futter die Medikamente zu verabreichen, hat auch ihre Probleme: Da es sich bei der homöopathischen Behandlung in den meisten Fällen um wiederholte Gaben handelt, so ist die Gabe über das Futter arbeitsaufwendiger und vom Arzneipreis her teurer als die einmalige Injektion. Diese perorale Gabe hat sich sehr bewährt bei Muttersauen, die in einzelnen Buchten liegen und zu jeder Zeit mit den Mitteln versorgt werden können. Die einfachste Methode hierfür ist folgende: Es werden die entsprechende Anzahl Tropfen oder Tabletten in Zuckerwasser gemischt und der Sau zwischen die Lippen gegeben. Schon beim nächsten Mal, spätestens bei der dritten Eingabe öffnet das Tier die Mundhöhle weit, um den angenehmen Zuckergeschmack zu bekommen. Zu diesem Zwecke ist es vorteilhafter nicht die Tablettenform der Arznei zu wählen, sondern die Trituratio, die sich im Zuckerwasser besser verteilt. Auch die Ferkel können, solange sie klein sind, peroral behandelt werden, da man sie ohne Schwierigkeiten greifen kann, um die Arznei zu verabreichen. Später ist auch für die Ferkel die Injektion die praktikablere Methode. Narayana Verlag, 79400 Kandern, Tel. 07626 974 970-0 Leseprobe von Hans Wolter: Klinische Homöopathie in der Veterinärmedizin 2. Homöopathische Behandlung im Großbetrieb 2.1 Infektiöse Erkrankungen Die auf Grund einer bakteriellen oder viralen Infektion auftretenden Erkrankungen haben die Tendenz der schnellen Ausbreitung. Eine rasche und intensive Therapie ist deshalb erforderlich. Da es sich in den meisten Fällen um eine multifaktorielle Erkrankungsart handelt, ist auch eine dementsprechende Medikation erforderlich. Es ist daher zunächst eine allgemein roborierende Therapie einzusetzen, die das Immunsystem in besonderer Weise kräftig und störungsunempfindlich macht. Dieses ist besonders bei den auf Virusbasis beruhenden Erkrankungen notwendig, wie sie in der sog. Ferkelgrippe und in der Schnüffelkrankheit vorliegen, der Rhinitis atrophicans. Beim Auftreten des ersten Niesers, sowohl bei der Ferkelgrippe als auch bei der Schnüffelkrankheit, muß der gesamte Wurf oder der Buchtbestand mit je 2 ml Viruvetsan® behandelt werden. Dieses Mittel, das auch aus der Homöopathie heraus entwickelt worden ist, hat sich in unzähligen Fällen bei Viruserkrankungen bewährt. Es ist ein Komplex aus Coffea tosta, Bufo rana und Echinacea, alle in einer homöopathischen Verdünnung, die nach einem besonderen Verfahren zusammengesetzt sind. Für Coffea tosta ist als Besonderheit anzumerken, daß die gebrannte Kaffeebohne sich bei den infektiösen Erkrankungen sehr intensiv in den Immunitätsvorgang einschaltet. Die Wirkung der gebrannten Kaffeebohne ist daher eine andere als die homöopathische Anwendung der grünen Bohne (Coffea arabica), die sonst in der Homöopathie zum Einsatz kommt. Bei Coffea-tosta-Indikation ist zu Anfang eine hohe Temperatur für eine kurze Zeit festzustellen, die dann bald auf 39° - 40° C absinkt. Die Tiere sind taumelig und in gewisser Weise unruhig-nervös. Dieses Verhalten ist als eine allgemeine Symptomatik anzusehen, die kein klares Krankheitsbild erkennen läßt. Man findet lediglich zu Beginn einen leichten Nieser bei einzelnen Stallgenossen. Der Bestandteil Bufo rana erfaßt vom ZNS ausgehende Störungen, die oft Begleiterscheinungen der Viruserkrankungen sind. Man denke in diesem Zusammenhang an die Staupe der Hunde, bei der die zentralnervösen Störungen oftmals bedrohliche Formen annehmen können. Auch bei der Ferkelgrippe findet man Hinweise auf diese Symptome, die sich besonders in Apathie zeigen. Die erkrankten Ferkel liegen scheinbar moribund auf der Erde, springen aber bei der leichtesten Berührung auf und flitzen im Stall umher. Der dritte Bestandteil ist Echinacea angustifolia, die den Abwehrmechanismus unterstützen und die körperliche Abwehrbereitschaft erheblich stärken kann, wie sich in jahrelanger Anwendung immer wieder zeigte. Um die volle therapeutische Wirkung von Viruvetsan® auszunutzen, ist es not- Narayana Verlag, 79400 Kandern, Tel. 07626 974 970-0 Leseprobe von Hans Wolter: Klinische Homöopathie in der Veterinärmedizin Erkrankungen der Seh weine 185 wendig, beim ersten Nieser eines Ferkels sofort entscheidend einzugreifen. Und gerade bei dieser Situation hat sich die sofortige Injektion von 2 ml Viruvetsan® bei allen Ferkeln bewährt. Bei der Ferkelgrippe ist die Ausbreitung der Erkrankung sehr intensiv und die frühzeitige Injektion kann hier in den meisten Fällen eine Ausdehnung der grippalen Erkrankung verhindern. Es ist bekannt, daß die Ferkelgrippe ein übergeordneter Krankheitsname ist, der die unterschiedlichste Symptomatik beinhalten kann. Die Erscheinungen am Atmungsapparat zeigen eine schwere Belastung der Schleimhäute, die sich bis in die tiefen Lungenregionen ausbreiten und eine oft tödliche Pleuritis bewirken kann. Bei diesen Formen der Atemwegserkrankung sollte zu dem Viruvetsan® nun rein homöopathisch weiterbehandelt werden. Da immer die Gefahr der Pleuritis gegeben ist, muß als zusätzliches Mittel Bryonia D 4 gegeben werden, auch als Injektion, je nach Alter des Ferkels l bis 2 ml sc. Diese Injektion kann bei Fortbestehen der Krankheitssymptome nach ein bis zwei Tagen wiederholt werden. Im allgemeinen verhindert man mit dieser Therapie das Umsichgreifen der Erkrankung und fördert eine schnelle Erholung der Ferkel. Vor allen Dingen ist es eine verlustarme Therapie, weil man nicht mit einem Antibiotikum eine Zeitvergeudung betreibt, sondern vom ersten Augenblick an eine vollwertige Therapie ausübt. Mit dem gleichen positiven Effekt kann auch die Darmgrippe der Ferkel behandelt werden. Auch hierbei ist als Anfangstherapie eine Injektion Viruvetsan® von 2 ml sc. zu machen. Der hellgelbe Durchfall zeigt die schwere Beteiligung der Leber an, die in diesem Symptomenkomplex an zentraler Stelle steht. Auf ihr Funktionieren kommt es an, ob das Ferkel gesund wird oder stirbt. Hier sind zwei Mittel bewährt: Flor de Piedra und Carbo vegetabilis. Das erstere sollte als Injektion als D 3 l bis 2 ml sc. gegeben werden. Die einmalige Injektion der D 3 kann ohne weiteres mit der Dilution ausgeführt werden, obwohl durch den Äthanol-Gehalt eine subkutane Reizung nicht zu vermeiden ist. Diese heilt aber schnell ab und man hat den Vorteil, daß man nur einmal spritzen muß. Die Injektionsform von Flor de Piedra liegt als D 4 vor, erfordert aber mindestens eine zweite, manchmal sogar eine dritte Injektion. Als Injektionsstelle hat sich immer die Innenseite des Hinterschenkels bewährt, weil dort das lockere Bindegewebe günstig für die Resorption ist. Und es kommt auf eine schnelle und komplette Resorption bei dieser lebensbedrohenden Erkrankung an. Bei dem zweiten Mittel erlebt man in vielen Fällen eine angenehme Überraschung: Schon nach der ersten peroralen Gabe von Carbo vegetabilis stehen die moribund erscheinenden Ferkel wieder auf, als ob nichts vorgelegen habe. Diese Wirkung von Carbo vegetabilis ist in vielen Fällen bei allen Tierarten immer wieder beobachtet worden und hat manches Tier gerettet. In diesen Situationen ist es unwichtig, welche Verdünnung eingesetzt wird; die Wirkung ist in allen Fällen überzeugend. Aus dieser Tatsache ist zu erkennen daß das Grundprinzip der Homöopathie die Simile-Regel Narayana Verlag, 79400 Kandern, Tel. 07626 974 970-0 Leseprobe von Hans Wolter: Klinische Homöopathie in der Veterinärmedizin 186 _________________________________ Spezieller Teil _____________________________________ ist und nicht die Verdünnungsstufe (Potenz), die von Außenstehenden oft als für die Homöopathie typisch angesehen wird. Es erscheint daher notwendig, hier auf die Unrichtigkeit des Homöopathischen Arzneibuches HAB I hinzuweisen, durch welches der Eindruck erweckt werden kann, daß die Zubereitungsform als „homöopathische Verdünnung" das Charakteristikum der Homöopathie sei. Es bleibt zu wünschen, daß hier bei der zweiten amtlichen Ausgabe eine Richtigstellung durchgeführt wird. Auf die spezielle Charakteristik von Carbo vegetabilis ist im Abschnitt „Erkrankung des Verdauungsapparates. 3. Die Diarrhöe, S. 97" intensiv hingewiesen worden, so daß hier nur auf den Einsatz bei der grippalen Diarrhöe bei der Ferkelgrippe eingegangen zu werden braucht. Als therapeutische Dosis kann jede Verdünnungsstufe eingesetzt und subkutan oder peroral verabreicht werden. Da es sich um sehr junge Tiere handelt, ist die Dosis für Injektionen l ml und für die perorale Applikation l Tablette oder 5 bis 8 Globuli. Die niedrigen Verdünnungsstufen müssen öfter wiederholt werden, etwa zwei bis drei Tage lang mehrere Male am Tage. Die höheren Verdünnungen sollten ein- bis zweimal gegeben werden im Abstand von zwei bis drei Tagen. Eine weitere problematische infektiöse Erkrankung der Ferkel und Jungschweine ist die Schnüffelkrankheit, die Rhinitis atrophicans. Hierbei sollte man sich hüten, eine lediglich chemotherapeutische Behandlung durchzuführen, weil damit nur eine temporäre Abstoppung der hochinfektiösen Krankheit im bakteriellen Stadium zu erreichen ist. Auch hier ist die Stabilisierung der allgemeinen Immunlage des Tieres eine vorrangige Forderung. In diesem Fall hat sich Viruvetsan® ebenfalls sehr gut bewährt. Wie bei der Ferkelgrippe ist bei der Schnüffelkrankheit die Anfangsbehandlung entscheidend für den Erfolg. Der erste Nieser ist das Alarmzeichen für den Einsatz von Viruvetsan®. Je Ferkel bis zu 8 Wochen werden 2 ml sc. gespritzt, die in jedem Fall nach 11 Tagen wiederholt werden müssen, da ein elftägiger Rhythmus der Reinfektion bei der Schnüffelkrankheit zu bestehen scheint, denn immer nach 11 Tagen ist ein Wiederaufflackern der Erkrankung festzustellen. Das zweite Mittel, das bei dieser Behandlung auf keinen Fall fehlen darf, ist Phosphorus. Dieser beinhaltet in seinem AMB in besonderer Weise die typischen Erkrankungsformen dieser Krankheit: Zunächst die ausgesprochene Periodizität, die durch das elftägige Aufflackern der Symptome dokumentiert wird, weiterhin die stoffwechselbedingte Degeneration des Nasenbeins und der Nasenmuschel, die schwere Rhinitis mit dem starken Nasenausfluß und vor allen Dingen die bei der Erkrankung im Vordergrund stehende degenerative Beteiligung fast aller Organsysteme mit einer nicht möglichen Regeneration der erkrankten Partien. Bei frühzeitiger Behandlung mit den beiden angegebenen Mitteln kann man immer wieder feststellen, daß eine Ausbreitung trotz der hohen Infektiosität nicht mehr zustande kommt. Bereits bestehende Degenerationen sind zwar nicht Narayana Verlag, 79400 Kandern, Tel. 07626 974 970-0 Leseprobe von Hans Wolter: Klinische Homöopathie in der Veterinärmedizin Erkrankungen der Schweine 187 wieder zu reparieren, aber die Entwicklung des betroffenen Tieres geht ungestört vor sich und ein größerer wirtschaftlicher Schaden ist nicht zu verzeichnen. Folgende Dosierung ist vorzuschlagen, die sich in unzähligen Fällen bewährt hat: Jedem Ferkel oder Jungschwein 2 ml der D 6 oder D 12 sc. Diese Injektion sollte nach 10 bis 14 Tagen wiederholt werden. Bei dieser sich manchmal in die Länge ziehenden Rekonvaleszenz ist auch eine Medikation zu empfehlen, die eine 8tägige Zufütterung einer Mischung von Calcium phosphoricum D 6 und Ferrum phosphoricum D 6 aa vorsieht. Hiervon wird pro Tag eine Gabe von 5 g der Muttersau gegeben. Wenn die Ferkel schon fressen, ist dieselbe Mischung den Ferkeln zu geben: für 10 Ferkel 15 g pro Tag. 2.2 Stoffwechselerkrankungen Ein schweres Problem bei der Aufzucht und Mast ist in der Ödemkrankheit zu sehen, das a.a.O. ausführlich abgehandelt wurde (Tierärztliche Umschau. 42. Jgg. Nr. 10/1987, S. 825 - 828). In dieser Arbeit wird darauf hingewiesen, daß nicht die hämolysierenden E.Coli die Causa sind, sondern nur die Indikatoren, die das Krankheitsbild charakterisieren. Als Ursache ist der Streß anzusehen, unter dem die Schweine fast vom ersten Tag ihres Lebens an leiden müssen. Dementsprechend ist auch eine Therapie mit spezifischen Antibiotika nicht effektiv, da diese nicht an die Causa herankommen. Hier ist die Stoffwechselkomponente im Vordergrund und dementsprechend muß die Therapie ausgerichtet sein. Als Basistherapeutikum ist Nux vomica D 6 anzusehen, welches als Injektion gegeben wird (5 ml sc.). Dazu ist wegen der ungeheuren Herzbelastung bei dieser Erkrankung ein gut und schnell wirkendes Herzmittel zu geben, das in Crataegus D l oder D 3 zur Verfügung steht, ebenfalls als subkutane Injektion. Diese Basisbehandlung wird in jedem Fall durchgeführt. Wichtig für den Erfolg ist aber die Weiterbehandlung, die nach homöopathischen Grundsätzen vor sich zu gehen hat. Da das äußerliche Charakteristikum dieser Krankheit die Ödeme sind, könnte der Gedanke aufkommen, daß es sich um eine durch Apis mellifica zu beeinflussende Erkrankung handeln könnte. Es hat sich aber herausgestellt, daß für Apis eine allergische Bereitschaft vorliegen muß, die im Falle der Ödemkrankheit nicht gegeben ist. Die homöopathische Differenzierung hat sich also nach anderen Prinzipien zu richten. Hierzu sind die klinischen Erscheinungsformen der Ödemkrankheit zu beachten, denn der weitere Verlauf ist sehr unterschiedlich, und verschiedene Symptome stehen im Vordergrund, die für die Therapie beachtet werden müssen: Steht die meningeale Störung im Vordergrund, die sich durch Taumeln und unkontrollierten Vorwärtsdrang zeigt, dann kann durch Agaricus muscarius D 12 oder D 30 ein Abbau der meningealen Narayana Verlag, 79400 Kandern, Tel. 07626 974 970-0 Leseprobe von Hans Wolter: Klinische Homöopathie in der Veterinärmedizin