13. Sonntag nach Trinitatis 1. Joh.4, 7-12

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13. Sonntag nach Trinitatis
1. Joh.4, 7-12
Alte lutherische Kirche am Kolk
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Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft
des Heiligen Geistes sei mit Euch allen.
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Ihr Lieben, lasst uns einander liebhaben; denn die Liebe ist von Gott, und wer
liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott.
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Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe.
9
Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingebornen
Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen.
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Darin besteht die Liebe: nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er
uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden.
11
Ihr Lieben, hat uns Gott so geliebt, so sollen wir uns auch untereinander
lieben.
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Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir uns untereinander lieben, so
bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollkommen.
Liebe Gemeinde,
der Predigttext für den 13. Sonntag nach Trinitatis ist in diesem Jahr die Epistel
aus dem 1. Johannesbrief im 4. Kapitel.
Wenn der Predigt text die Epistel des Sonntags ist, die ja als erste Lesung schon
gelesen wurde, ist es häufig schwierig, sich irgendetwas von dem T ext zu merken.
Heute, bei den Versen aus dem 1. Johannesbrief wird sicher mindestens ein Wort
hängengeblieben sein: „Liebe“.
Die Liebe Gottes, die Liebe zum Nächsten; keins ohne das andere, ohne das
eine auch das andere nicht. Wir lieben nicht zuerst, sondern werden geliebt, und
wenn wir dann lieben, erkennen wir Gott – wie in einem Strudel führen all die
verwirrenden und sich oftmals scheinbar im Kreis drehenden Aussagen immer
wieder zu dem einen Kernsatz: „Gott ist die Liebe!“
15-mal kommt der Begriff „Liebe“ in verschiedener Form in den wenigen Versen
vor. Wie eine Flut ergießt sich das Wort über uns: Liebe! Wir herrlich, wie schön.
Davon sollte doch in der Kirche zuallererst die Rede sein. „Die Liebe, die Liebe ist
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eine Himmelsmacht.“ „Glaube, Liebe, Hoffnung ... aber die Liebe ist die Größte
unter ihnen.“ Wer sollte da widersprechen?
Und doch: Ist es wirklich so einfach? Das Wort „Liebe“ ist für mich durchaus ein
ambivalenter Begriff, zweischneidig, zwiespältig, durchaus tauchen Problem und
Fragen hinter diesem Wort auf.
Zum
einen
wird
es geradezu
inflationär
benutzt;
überstrapaziert
und
ausgelutscht in Schlagern und Popsongs, in Schnulzen und Filmschmonzetten; von
Rosamunde Pilcher bis „Sturm der Liebe“, leichtfertig und vollmundig wird es zur
leeren Worthülse, zum Verkaufsargument auf Hochzeitsmessen und in Internetforen
– „Alle 11 Minut en verliebt sich ein Single über Parship.“
Auf der andren Seite gibt es einen Mangel, einen unendlichen Mangel an Liebe
in dieser Welt; in dieser Welt voll Gewalt und Hass, voller Egoismus und Lieblosigkeit .
Wo ist die Liebe in Syrien, in der Ukraine, im Irak und in Afghanistan, bei
Rassengewalt
in
den
USA, in
Schlepperboote auf
dem
Mittelmeer, bei
Terroranschlägen und Amokläufen?
Auf der einen Seite „Die Liebe, die Liebe ...“ und auf der andren Seite diese Welt
mit all ihrer Grausamkeit. Oft reicht schon die kleine Welt der Lieblosigkeiten in
zerfallenden Partnerschaften, in Familien, in der Einsamkeit des Alters und der
Hoffnungslosigkeit in dieser Gesellschaft abgehängt zu sein, um Zweifel zu
bekommen an der Wunderkraft der Liebe.
„Der Begriff ‚Liebe’ schücht ert mich ein“, so beginnt ein Aufsatz zu diesem
Predigttext . So viele schwierige Fragen sind damit verbunden und so wenige
befriedigende Antworten lassen sich finden.
Das beginnt schon damit, dass es kaum gelingt, eine befriedigende Definition
des Begriffes „Liebe“ zu finden. Was ist Liebe? „Eine posit ive emot ionale Äußerung
t iefer Zuneigung“; sinnlich-erot isches Begehren; eine „Soziale Beziehung, die
gegebenenfalls auch eine emotionale Dimension umfassen kann“?
Was ist das Gegenteil? Hass? Gleichgültigkeit? Egoismus?
Im Deutschen haben wir es schwerer als in anderen Sprachen, weil wir – wie in
so vielen Fällen – leider nur ein Wort für verschiedene Bedeutungen haben.
Im Griechischen, in der Ursprache des Neuen Testaments, gibt es drei
verschiedene Worte für die Bedeutung „Liebe“:

„Eros“ ist das sexuelle Begehren, Verlangen, die Leidenschaft , die Liebe
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zwischen Mann und Frau, die Körperlichkeit der Liebe, die Sinnlichkeit .

„Agape“ ist die selbstlose Liebe und Zuwendung, die Liebe von Eltern zu
Kindern, von Geschwistern untereinander. Die Zuwendung, die vor allem
das Wohl des anderen im Blick hat ; die in der biblischen Tradition in der
Nächstenliebe zum Ausdruck kommt und in der Feindesliebe einen
Höhepunkt erreicht .

Und drittens die „Philia“, die Freundesliebe, Ausdruck einer gegenseitigen
Anerkennung und eines gegenseitigen Verstehens; auch die Liebe
gegenüber Dingen oder Ideen: „Ich liebe meine Heimat . Ich liebe es, ein
gutes Buch zu lesen“ oder „Ich liebe Fußball oder Schokolade oder mein
Auto.“
Wenn die Bibel von Liebe spricht, spricht sie immer von „Agape“, von der
selbstlosen Zuwendung, nicht vom erotischen oder auch nur romantischen Gefühl
und auch nicht von der Vorliebe und Neigung zu irgendetwas.
Und diese Liebe hat immer ihre Ursache, ihre Quelle, ihre Wurzel in Gott, in der
Liebe Gottes, in der vorbehaltlosen Zuwendung Gottes zu uns Menschen. Allein aus
dieser Zuwendung gibt es uns überhaupt. Nur aus Liebe, hat Gott die Welt
geschaffen. Nur weil er in Beziehung getreten ist, sich zugewandt hat, gibt es etwas
außer ihm.
Darum kann der Johannesbrief hier zu dieser gewaltigen Definition kommen:
Wer ist Gott? Was ist Gott? Gott ist die Liebe?
Die Liebe ist nicht nur irgendetwas, das Gott tut, nicht etwas unter anderem,
oder was er fühlte (das schon gar nicht), sondern sie ist sein Wesen. Alles andere,
was man über Gott sagen kann – dass er allmächtig ist, gerecht, barmherzig,
geduldig, auch zornig und streng – alles andere ist dem untergeordnet: Gott ist die
Liebe!
Es ist erstaunlich, dass das erst ziemlich am Ende der Bibel so in aller Deutlichkeit
gesagt wird, den eigentlich geht es von der ersten Seite der Bibel an um die Liebe
Gottes: von der Schöpfung über die ganze Geschichte Gottes mit den Menschen über die Rettung aus der Sintflut und den Bund mit Noah, die Erwählung der
Erzväter Abraham, Isaak und Jakob bis zur Befreiung Israels aus Ägypten und den
Bund am Sinai mit dem Geschenk der 10 Gebote. Die Liebesgeschichte Gottes mit
seinem Volk geht weiter über die Königszeit im Alten Israel mit David und seinen
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Nachfolgern, das Wirken der Propheten, die immer wieder an die vergessene Liebe
Gottes erinnern bis hinein ins Neuen Testament – bis hin zu Gottes Selbsthingabe in
Jesus Christus, in der Gottes Liebe einen unüberbietbaren und unübersehbaren
Höhepunkt erreicht: „Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott
seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen.“
Doch nirgendwo wird es mit solcher Deutlichkeit gesagt. Mit drei Worten fasst
der Johannesbrief den gesamten Inhalt der biblischen Botschaft zusammen, in
diesen drei Worten steckt die gesamt Theologie und alle Gotteserkenntnis: Gott ist
die Liebe!
- - - - Auf diese Botschaft, Erkenntnis, Definition – man weiß gar nicht wie man
diesen fantastischen Satz nennen soll – auf dieses Wort hin, werden wir zur Antwort
aufgefordert, zur Reaktion. Denn dieser Satz kann uns nicht kalt lassen: „Ihr Lieben,
hat uns Gott so geliebt, so sollen wir uns auch untereinander lieben.“
Es geht nicht um Sympathie und dass wir uns alle so gernhaben; es geht nicht
um ein freundliches Gefühl gegenüber der Menschheit im Allgemeinen. (Das wäre
ja wohl auch kaum zu gebieten) Es geht darum mit einer Grundhaltung der
Zuwendung, der Offenheit, der Hilfsbereitschaft den anderen entgegen zu treten. Es
geht nicht um Gefühle und nicht um Worte, sondern es geht um eine Haltung, aus
der ein gewisses Verhalten resultiert; einer Haltung, die der Haltung Gottes uns
gegenüber entspricht. „Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns,
und seine Liebe ist in uns vollkommen“.
Das mag immer mal wieder schwierig sein, weil die anderen Menschen unter
Umständen nicht liebenswert, nicht „liebenswürdig“ (ein schönes deutsches Wort)
sind, sondern gleichgültig, undankbar und unsympathisch.
Ich merke das immer wieder einmal wenn Menschen am Pfarrhaus klingeln und
um Hilfe bitten, wie leicht ich mich von Sympathie und Antipathie leiten lasse – je
nachdem wie sie auftreten und auch welche fantasievollen Geschichten sie
erzählen und ich genau weiß: Jetzt werde ich über den Tisch gezogen; jetzt wird
christliche Barmherzigkeit ganz bewusst ausgenutzt –und wie ich mich dann immer
wieder dazu zwingen muss, dass das keine Rolle spielt und ich mir sage: Lieber
neunmal über den Tisch gezogen und einmal jemandem wirklich aus der Not
geholfen, als diesen einen zu übersehen.
Liebe im biblischen Sinne heißt eben nicht gernhaben oder sympathisch finden.
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Der Überfallenen im Straßengraben war für den barmherzigen Samariter ein
vollkommen Fremder, aber er brauchte seine Hilfe. Ohne Vorbehalte sollen die
Anderen Adressant en unserer Zuwendung, unserer Liebe, unserer Agape bleiben,
weil darin und dadurch Gott in uns lebt, Gott in unserem Leben und in dieser Welt
gegenwärtig wird.
Traditionell sagen wir: Gott ist gegenwärtig in seinem Wort (in der Bibel und in
der Predigt) und Gott ist gegenwärtig in den Sakramenten von Taufe und
Abendmahl. Und nun ergänzt der Johannesbrief: und er ist gegenwärtig in der
Liebe, in der Liebe, in der Zuwendung, die wir anderen entgegenbringen. Denn mit
dieser Liebe antworten wir auf seine Liebe und geben sie weiter. Und damit wird er
gegenwärtig unter uns, in dieser Welt. „Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht – Wenn
wir uns aber untereinander lieben, so bleibt Gott in uns. Denn Gott ist die Liebe.“
Es wird immer wieder gesagt, der Islam sei für viele Menschen so attraktiv, weil er
so einfach ist: wenige klare Regeln, was man tun muss um ein guter Moslem zu sein.
Dagegen sei das Christentum so kompliziert mit seinen Bekenntnissen und seiner
ganzen Dogmatik. Dabei ist das Christentum auch ganz einfach: „Liebt einander,
weil Gott euch liebt! Wendet euch den anderen zu! Denn Gott ist die Liebe!“
Und der Friede Gottes, welcher höher ist als Alle Vernunft bewahre Eure Herzen
und Sinne in Christus Jesus.
Amen.
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