Buchenwälder und Klimawandel

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Zeitschrift für Naturschutz und Landschaftspflege
Michael Manthey, Christoph Leuschner und Werner Härdtle
Buchenwälder und Klimawandel
Beech forests and climate change
Seiten 441-445
Temperaturerhöhung allein dürfte kein ökophysiologisches
Problem für mitteleuropäische Buchenpopulationen
darstellen. Als wesentlich kritischer wird Trockenstress
angesehen, welcher bei Eintreten prognostizierter
sommerlicher Dürreperioden zumindest in Teilen
Mitteleuropas beträchtlich zunehmend würde. Die Buche
verfügt über eine Reihe von physiologischen Mechanismen
zur Trockenheitsadaptation, welche es ihr mit großer
Wahrscheinlichkeit ermöglichen werden, auf tiefgründigen
Böden mittlerer bis guter Wasserspeicherkapazität in
Mitteleuropa auch unter den projizierten Klimaänderungen
die vorherrschende Baumart zu bleiben. Eine deutliche
Verringerung der ökologischen Fitness und damit der
Konkurrenzfähigkeit gegenüber stärker
trockenheitsangepassten Baumarten sind dagegen an den
westlichen und südlichen Arealrändern sowie auf
flachgründigen Standorten zu erwarten.
An increase of temperature should be not an
eco-physiological problem for Central European beech
populations, but stress by dryness could be critical.
Because the beech has physiological mechanisms for
adaptation to dryness, it will probably become the
dominating tree species in Central Europe. A decline in
ecological fitness is to be expected at the western und
southern margins of the distribution area as well as on sites
with low water capacity.
Verlag W. Kohlhammer
2 Jahrgang 2010
07 Heft 9/10
85.
Buchenwälder und Klimawandel
Beech forests and climate change
Michael Manthey, Christoph Leuschner und Werner Härdtle
Durch die Forstwirtschaft wurde in den
vergangenen zwei Jahrhunderten dem
Anbau von schnellwüchsigen Nadelhölzern gegenüber Laubgehölzen der Vorzug gegeben, wodurch ihr Anteil auf aktuell 62 % der Waldfläche angestiegen
ist (gegenüber 3 % natürlichen Anteils,
Bundeswaldinventur 2002). Damit
sind allerdings eine Reihe ökologischer
und ökonomischer Probleme, wie z. B.
Verlust von Ökosystemfunktionen, Verringerung der Bodengüte, erhöhte
Windwurfgefahr sowie Anfälligkeit gegenüber Insektenkalamitäten, verbunden.
Der Umbau naturferner Nadelholzforste
zu naturnahen Laubwäldern ist daher
seit ungefähr zwei Jahrzehnten ein zentraler Bestandteil moderner Forstpolitik.
Die Dringlichkeit eines ökologischen
Waldumbaus zeigt sich auch an dem
stark angestiegenen Borkenkäferbefall
der Fichte nach dem Trockenheits- und
Wärmestress, der durch den „Jahrhundertsommer“ 2003 verursacht wurde.
Die angestrebten Ziele des ökologischen Waldumbaus waren unter alleiniger Berücksichtigung vergangener waldbaulicher Fehlentwicklungen und bei
Annahme von quasi-stabilen Umweltbedingungen, wie sie das Konzept der „potenziellen natürlichen Vegetation“ voraussetzt, relativ unstrittig. Im Zusammenhang mit den Prognosen zum globalen Klimawandel wird insbesondere
die Rolle der Buche unter Forstwissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern sowie Praktikerinnen und Praktikern kontrovers diskutiert (siehe Rennenberg
et al. 2004; Kölling et al. 2005; Ammer
et al. 2005; Bolte 2005).
2 Vegetationswirksame
Klimaveränderungen
Der menschlich bedingte globale Klimawandel ist keine Perspektive ferner Zukunft, sondern bereits Realität (IPCC
2007). Verursacht durch einen CO2-Anstieg in der Atmosphäre um 35 % seit
1750 sind eine Reihe klimatischer Veränderungen nachzuweisen. So ist unter anderem die globale Oberflächentemperatur seit 1850 um 0,74 °C gestiegen, 11 der
letzten 12 Jahre waren die wärmsten in
diesem Betrachtungszeitraum, die Frequenz von Starkniederschlägen hat zugenommen und sowohl die Schneebedeckung, die Gletscher- als auch die Meereisfläche haben abgenommen. Klimaprojektionen sagen für das kommende Jahrhundert, je nach Energienutzungsszenario, eine weitere Erwärmung um durchschnittlich 1,8 – 4,0 °C voraus.
Über die globalen Modelle hinaus
stehen mittlerweile auch regionalisierte
Klimamodelle für Deutschland zur Verfügung, die eine differenziertere Betrachtung der Auswirkungen prognostizierter Klimaänderungen auf Buchenwälder ermöglichen (REMO 2006; Spekat et al. 2006). Die Modellrechnungen
von WETTREG ergeben für den Zeitraum 2071 – 2100 gegenüber den Jahren
1961 – 1990 einen Anstieg der Temperaturen zwischen 1,8 und 2,3 °C. Die
stärkste Erwärmung könnte es im Norden Deutschlands (außerhalb des Küstenbereichs) sowie in den Voralpen geben. Die WETTREG-Simulationen des
Niederschlags zeigen klare, jedoch gegenläufige Tendenzen für die Jahreszeiten Sommer und Winter, verbunden mit
einer großen räumlichen Heterogenität.
Für das Winterhalbjahr wird eine Zunahme des Niederschlags bis zum Zeitraum 2071 – 2100 von 20 – 30 % vorausgesagt. Hierbei wird die stärkste Zunahme in der Westhälfte Deutschlands, besonders im Bereich von Eifel und Hunsrück (bis zu 80 %), Odenwald, Spessart
und Rhön sowie Unterfranken (stellenweise über 70 %) erwartet. Relativ geringe Änderungen werden für Brandenburg und Sachsen sowie für den Alpenraum projiziert. Für das Sommerhalbjahr wird eine deutliche Abnahme
des mittleren Niederschlags von durchschnittlich ca. 20 % angenommen. Der
stärkste Rückgang ist im ohnehin relativ
trockenen Nordosten Deutschlands erkennbar und beträgt je nach Emissionsszenario in Vorpommern zwischen 25 %
und über 40 %. Zusätzlich vegetationswirksam dürfte die bei steigenden Temperaturen gleichzeitig zu erwartende
Zunahme von Starkregenereignissen
sein, da mit diesen ein erhöhter Oberflächenabfluss bzw. geringere Versickerungsraten einhergehen.
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3 Welche ökophysiologischen
Voraussetzungen
besitzt die Buche für eine
erfolgreiche Anpassung
an Klimaänderungen?
Die Europäische Buche ist eine Baumart
mit großer Toleranz gegenüber dem bodenchemischen Zustand und der Nährstoffverfügbarkeit. Sie ist vital und in der
Regel auch konkurrenzstark sowohl auf
basischen als auch starksauren Böden
mit stark unterschiedlicher N-, P- und
Basenversorgung (Leuschner et al. 1993,
2006). Auch gegenüber der Wasserversorgung ist sie recht tolerant: Buchenwälder existieren in Mitteleuropa bei Jahresniederschlägen zwischen 460 und
⬎ 2 000 mm (Leuschner 1998). Allerdings
zeigen empirische Belege, dass die Buche
gegenüber Trockenstress empfindlicher
ist als Eiche, Hainbuche oder Linde.
Buchen in Mischbeständen zeigten eine stärkere Absenkung von Wasserpotenzial, Blattleitfähigkeit und Photosynthese sowie des Stammholzzuwachses in
ausgeprägten Trockenperioden als Eichen (Epron u. Dreyer 1993; Backes u.
Leuschner 2000; Leuschner et al. 2001);
ebenso ist die Buche anfälliger für Cavitation als z. B. die Eiche (Magnani u.
Borghetti 1995; Bréda et al. 1993). Trockenheit kann auch Nährstoffmangel,
insbesondere Stickstoffmangel, induzieren (z. B. Rennenberg et al. 2004). In extremen Trockenperioden werden vorzeitiger Blattabwurf sowie teilweises oder
vollständiges Absterben alter Bäume beobachtet (s. Bréda et al. 2006; Meier u.
Leuschner 2007a).
Teilpopulationen der Buche aus verschiedenen klimatischen Regionen zeigen Unterschiede in ihrer Toleranz gegenüber Temperatur- und Trockenheitsextremen sowie in ihrer Phänologie. So
wurden etwa von Višni u. Dohrenbusch (2004) 16 Buchenprovenienzen
hinsichtlich ihrer Frostresistenz und Phänologie untersucht, die einen Nord-SüdGradienten von Norddeutschland bis
Süditalien repräsentierten. Hierbei zeigten sich gute Übereinstimmungen zwischen klimatischen Bedingungen in den
Herkunftsgebieten und der Frostresistenz, d. h. besonders hohe Toleranz in
den mittel- und südosteuropäischen Her-
441
© 2011 W. Kohlhammer, Stuttgart
1 Einführung
Buchenwälder und Klimawandel
künften und geringe Toleranz bei den Individuen aus dem milderen Süditalien.
Herkünfte mit hoher Frostresistenz zeigen darüber hinaus einen späteren Blattaustrieb als weniger frostharte Gruppen
aus wärmeren Regionen. Neben diesen
generellen Trends weisen Buchenklone
unterschiedlicher geographischer Herkünfte aber auch eine hohe phänologische Plastizität auf (Kramer 1996).
Wichtiger als die Frosthärte dürfte (bei
tendenziell steigenden Temperaturen) für
das langfristige Überleben von Buchenpopulationen in Mitteleuropa die Trockenheitstoleranz sein. Buchenpopulationen zeigen mit zunehmendem Trockenstress eine Reduktion ihrer Feinwurzelmasse (Leuschner u. Hertel 2003;
Meier u. Leuschner 2007b), was als Hinweis auf eine Empfindlichkeit vor allem
der unterirdischen Organe der Buche gegenüber Wassermangel gewertet werden
kann. Verschiedene Populationen entlang eines klimatischen Gradienten zunehmender Sommerwärme und Tendenz
zur Sommertrockenheit (Nordostdeutschland bis Zentralpolen) zeigten, dass Buchen aus trockeneren Klimaten durchschnittlich einen günstigeren Blattwasserstatus bei guter Bodenwasserverfügbarkeit aufweisen und später kritische
Blattwasserpotenziale unterschreiten als
Pflanzen niederschlagsreicherer Gebiete
(Czajkowski u. Bolte 2005; vgl. auch
Tognetti et al. 1995; Schraml u. Rennenberg 2002). Interessanterweise treten
in allen untersuchten Populationen bei
Trockenheit einzelne Individuen ohne
angespannten Wasserstatus auf, die
deutlich höhere Trockenheitstoleranzen
aufweisen (Czajkowski u. Bolte 2005).
Dies verdeutlicht, dass auf Grund hoher
genetischer Variabilität der Buche innerhalb von Beständen (vgl. Konnert et al.
2000; Comps et al. 2001) auch Buchen aus
bisher weniger trockenheitsgefährdeten
Regionen bei Naturverjüngung das Potenzial zur selektiven Anpassung an erhöhten Trockenstress besitzen.
Zahlreiche Untersuchungen zur Trockenheitstoleranz der Buche haben gezeigt, dass das Bild von einer ausgespro-
chen trockenheits- als auch staunässeempfindlichen Art mit enger Feuchtigkeitsamplitude stark revidiert werden
muss (z. B. Leuschner 1998; Leuschner
et al. 2001a, 2001b; Schmid u. Leuschner 1998; Härdtle et al. 2004; Felbermeier 1994; Dittmer et al. 2003; Hertel
et al. 2004).
Ungeachtet der Tatsache, dass viele
Buchenpopulationen gegenwärtig einen
höheren Zuwachs zeigen als in früheren
Dekaden (mögliche Ursachen sind z. B.
eine bessere N-Versorgung und eine verlängerte Vegetationsperiode, s. Spiecker
1999), ist davon auszugehen, dass die Buche unter einem sommertrockneren Klima an ihrer heutigen Trockengrenze (Bestände ⬍ ca. 650 mm Niederschlag pro
Jahr) und auf flachgründigen Böden
durchaus von einem in Zukunft trockeneren Klima geschädigt werden könnte.
4 Können die
außereuropäischen
Buchenarten Anhaltspunkte
zum ökologischen Verhalten
unter veränderten
Klimabedingungen liefern?
Allgemein wird dem Klima die wichtigste
Rolle bei der Arealdifferenzierung zuerkannt (Box 1981; Woodward 1987; Dahl
1998). Als wesentliche, die Verbreitung
der Buche begrenzende Faktoren sind zu
strenge sowie zu milde Winter, Spätfröste,
eine zu geringe Wärmesumme während
der Vegetationsperiode und Trockenheit
diskutiert worden. Im Zuge von Climate
Change ist es denkbar, dass es zu neuen
Kombinationen der oben genannten Klimafaktoren kommt, die im heutigen Areal
der europäischen Buche nicht auftreten,
aber im Verbreitungsgebiet anderer Buchenarten in Nordamerika oder Ostasien
zu finden sind. Die ökologischen Präferenzen dieser Schwesterarten könnten somit Hinweise zur Anpassungsfähigkeit
der heimischen Buche an sich verändernde Klimabedingungen geben, vorausgesetzt, sie haben eine ähnliche physiologische Konstitution entwickelt.
Fossilfunde weisen auf eine Entstehung der Gattung Fagus im Eozän im
nördlichen Pazifischen Becken hin (Westliches Nordamerika und Kamtschatka;
Pigg u. Wehr 2002; Budantsev 1997), gefolgt von einer westlichen Ausbreitung
während des Oligozäns nach Zentralasien und Europa (Kvacek u. Walther
1991). Nach Shen (1992) besteht die
Gattung rezent aus 13 Arten, welche disjunkt in den drei Schwerpunktgebieten
sommergrüner Breitblatt-Laubwälder der
Nordhemisphäre verbreitet sind. Die
höchste Diversität weist Ostasien mit insgesamt 11 Arten auf, darunter 5 Lokalendemiten. 6 Arten weisen zusammenhängende Areale in Südchina und Japan
auf (Denk 2003; Cao et al. 1995; Hong u.
An 1993). Die Buchenvorkommen in
China befinden sich auf Grund des ausgeprägten Monsunklimas hauptsächlich
in perhumiden Gebirgslagen zwischen
700 und 2 500 m ü. NN, mit einem Gesamtareal, welches im Vergleich zu Japan, Nordamerika und Europa wesentlich nach Süden in die Subtropen verschoben ist (vgl. hierzu Cao et al. 1995;
Liu et al. 2003).
Im westlichen Eurasien und im östlichen Nordamerika (inklusive Mexiko)
tritt jeweils nur eine Art (F. sylvatica bzw.
F. grandifolia) mit relativ großen Arealen
auf (Denk et al. 2002; Shen 1992; Flora
of North America Editorial Commitee 1997). Europäische Autoren unterscheiden F. sylvatica und F. orientalis als
zwei Arten. Phylogenetische Untersuchungen erbrachten hohe Übereinstimmungen zwischen den Arten der verbreiteten Untergattung Fagus, die auf eine geringe Differenzierungsrate seit der holarktischen Ausbreitung im Oligozän hinweisen (Denk et al. 2002; Denk 2003).
Wie vergleichende Untersuchungen
zur klimatischen Limitierung von FagusArten zeigen, gehen mit diesen starken morphologischen Übereinstimmungen auch Ähnlichkeiten in ihren realisierten klimatischen Nischen einher (Huntley et al. 1989; Cao et al. 1995; Peters
1997; Manthey u. Box 2007). Ein Vergleich zwischen der nordamerikanischen
Jahresniederschlag b (mm)
Art
Verbreitung
min
max
min
max
min
max
min
max
absolute
MinimumTemperatur (°C)
Fagus sylvatica a,b
Europa und Vorderasien
–4
10
15
27
471
2 000
–14
239
– 40
Fagus grandifolia a,b
Fagus longipetiolata b,c
Fagus engleriana b,c
Östliches Nordamerika
China
China
–13
–3
–8
12
10
4
17
15
15
28
26
23
776
850
740
2 050
2 770
2 400
32
26
61
225
289
274
– 40
k. A.
k. A.
Fagus lucida b,c
China
–4
5
17
23
1 200
2 700
111
320
k. A.
Fagus crenata b,d,e
Japan
k. A.
k. A.
k. A.
k. A.
1 200
3 200
15
300
– 30 e (– 38 d)
Tmin (°C)
Tmax (°C)
Feuchte-Index b
Quellen: a = MANTHEY u. BOX (2007); b = PETERS (1997); c = CAO et al. 1995; d = MATSUI et al. 2004; e = SAKAI 1975
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Klimatische Limitierungen der sechs am weitesten verbreiteten Fagus-Arten. (Tmin = Durchschnittstemperatur des kältesten Monats,
Tmax = Durchschnittstemperatur des wärmsten Monats, Feuchte-Index nach THORNTHWAITE 1948)
Climatic limitations of the six most widely distributed Fagus species. (Tmin = standard temperature of the coldest month, Tmax = standard temperature of the warmest month, dampness index after THORNTHWAITE 1948)
Buchenwälder und Klimawandel
5 Wie sensibel
hat die Buche auf
klimatische Veränderungen in
der Vergangenheit reagiert?
Die Buche hat nach pollenanalytischen
Befunden sowohl in Europa als auch in
Nordamerika auf die nacheiszeitliche Erwärmung mit einer im Vergleich zu Quercus, Ulmus, Tilia oder Fraxinus verzögerten Rückwanderung in nördliche
Gebiete reagiert. Verschiedene Erklärungsansätze – wie z. B. eine Förderung
anderer, Licht liebender Baumarten
durch anthropogene Waldauflichtung,
verzögerte Migrationsraten oder veränderte Häufigkeit von Feuern – wurden
hierfür herangezogen.
Zusätzliche Messungen zum Klimaverlauf, wie z. B. mit Hilfe von Sauer-
stoffisotopenverhältnissen in Eisbohrkernen, ermöglichen bei Vorliegen genauer Datierung unabhängige Informationen zum Verlauf von Vegetationsund Temperaturänderungen. So zeigen
Untersuchungen von Tinner u. Lotter
(2001), dass die verzögerte Einwanderung der Buche in Europa wohl hauptsächlich klimatisch gesteuert war. Sauerstoff-Untersuchungen grönländischer Eiskerne zeigen eine sehr deutliche Abkühlung vor ca. 8 200 Jahren, die in Mitteleuropa im Jahresmittel etwa 1,7 °C betrug.
Mit dieser abrupten Abkühlung ging eine allmähliche Veränderung der Saisonalität einher, von kontinentalen Bedingungen mit starken saisonalen Temperaturunterschieden zu milderen Wintern
und kühleren Sommern, bedingt durch
eine Veränderung der ErdumlaufbahnParameter (Kutzbach u. Webb 1993).
Unmittelbar nach der Abkühlung nahm
in den Untersuchungsgebieten in Süddeutschland bzw. der Zentralschweiz in
weniger als 20 Jahren die bisher vorherrschende Hasel stark ab. Gleichzeitig traten erstmals Fagus und Abies mit kontinuierlich zunehmenden Pollensummen
auf. Diese beiden Arten wuchsen wahrscheinlich schon vorher mit sehr kleinen Populationen im Gebiet auf besser
wasserversorgten Sonderstandorten und
konnten sich mit Verringerung der Verdunstungsbeanspruchung sehr schnell
ausbreiten. Eine vergleichbar späte Expansion auf Grund verringerter Saisonalität zeigen Fagus grandifolia und Tsuga canadensis im östlichen Nordamerika
(Huntley et al. 1989). Tinner u. Lotter
(2001) schließen aus ihren Ergebnissen,
dass der derzeitig stattfindende Klimawandel ähnlich drastische Veränderungen in der Baumartenzusammensetzung in Mitteleuropa verursachen könnte, jedoch in anderer Richtung als
8200 BP , als die Buche begünstigt wurde.
Im Gebiet des heutigen China war
die Gattung Fagus im Spättertiär wesentlich weiter nördlich verbreitet als
heute (Liu et al. 2003). Mit Einsetzen
des Monsunklimas und dem hiermit
verbundenen Rückgang der Niederschläge und deren Konzentration auf
das Sommerhalbjahr zogen sich die Buchenarten zu Beginn des Pleistozäns auf
die subtropischen Gebirgslagen mit
ganzjähriger Niederschlagsversorgung
zurück. Da die Klimaprojektionen für
Mitteleuropa aber eine gegenteilige Klimaentwicklung mit feuchteren Wintern
sowie trockeneren Sommern vorhersagen (quasi eine Mediterranisierung des
Klimas), kann die Klima- und Vegetationsgeschichte Ostasiens nicht als Modell dienen. Sie zeigt aber zumindest
die hohe Sensitivität der Gattung Fagus
gegenüber einer zunehmenden Aridisierung an.
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6 Lassen sich
bereits Veränderungen
im ökologischen Verhalten
der Buche erkennen?
Bioklimatische Modelle zur zukünftigen
Verbreitung der Buche unter veränderten
Klimabedingungen prognostizieren Arealgewinne in Richtung Norden und Nordosten und Arealverluste vor allem im
Westen und Südwesten (z. B. Sykes et al.
1996; Box u. Manthey 2006). Das mitteleuropäische Kerngebiet der Buchenverbreitung würde nach diesen Modellrechnungen dagegen nicht betroffen sein. Solche Modelle klammern allerdings eine
Reihe anderer vegetationswirksamer Faktoren aus, vereinfachen stark und sollten
daher mit der notwendigen Vorsicht interpretiert werden (Pearson u. Dawson
2003; Hampe 2004).
Mittels dendroökologischer Untersuchungen sowie Forstinventuren ist es dagegen möglich, klimainduzierte Wachstumsreaktionen von Baumarten in der
jüngsten Vergangenheit nachzuweisen.
So zeigen Untersuchungen von Jump
et al. (2006), dass Fagus sylvatica an ihrer südlichen, trockenheitsinduzierten Verbreitungsgrenze in Nordostspanien seit
etwa 1975 eine deutliche Verringerung
des Wachstums aufweist. Bei älteren,
sich reproduzierenden Bäumen betrug
dieser Wachstumsrückgang gegenüber
dem Zeitraum vor 1975 immerhin 49 %.
Da vergleichbare Trends bei Populationen höherer Bergstufen nicht erkennbar
waren, wird als wahrscheinliche Ursache
für dieses Phänomen die Erhöhung der
Temperaturen bei stagnierenden Niederschlagssummen im Betrachtungszeitraum angenommen.
Gänzlich gegensätzliche Trends im
Wuchsverhalten der Buche fanden dagegen Spiecker (1999), Dittmar et al. (2003)
und andere für Mitteleuropa. Hier zeigen
sich seit 1950 ansteigende Wuchsleistungen für niedrige Lagen und durchgehend
verringerte Zuwächse in höheren Lagen.
Für Bayern konnte Felbermeier (1994)
zudem zeigen, dass zwischen 1980 und
1992 die Höhenzuwächse der Buche zugenommen haben und die Art eine unerwartet hohe Trockenheitstoleranz aufweist. Die stärksten Höhenzuwächse
werden in den wärmsten Regionen Bayerns erreicht (Felbermeier 1994). Die erhöhten Zuwächse in tiefen Lagen lassen
sich wahrscheinlich am ehesten durch einen Variablenkomplex (Veränderungen
in Landnutzung, Forstmanagement, Störungsregime, Temperaturregime, Stickstoffeinträgen und CO2-Konzentration)
erklären. Die Zuwachsverluste in höheren Lagen werden hauptsächlich auf
photo-oxidativen Stress infolge erhöhter Ozonkonzentrationen zurückgeführt.
Von besonderem Interesse ist die Er-
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© 2011 W. Kohlhammer, Stuttgart
und der europäischen Buche zeigt, dass
sowohl die Arealgrenzen als auch die
Abundanzen der Arten eindeutig klimatisch bestimmt sind und über Kontinentgrenzen hinweg eine hohe Übereinstimmung aufweisen (Huntley et al. 1989).
In der Tab. sind für die 6 wichtigsten
Fagus-Arten einige klimatische Limitierungen dargestellt worden. Die weiteste
Amplitude bezüglich der durchschnittlichen Januartemperaturen weist die nordamerikanische Fagus grandifolia auf, die
ihre nordwestliche Verbreitungsgrenze
erst bei –13 °C erreicht und im Süden
ihres Areals am Golf von Mexiko noch
bei sehr milden 12 °C vorkommt. Unter
diesen Bedingungen wächst sie in den
meisten Habitaten nur in der mikroklimatisch etwas günstigeren zweiten Baumschicht. Lediglich an Standorten mit ganzjährig gleichmäßiger Wasserversorgung
des Hauptwurzelraums kann sie auch
in die erste Baumschicht einwachsen
(Peters 1997). Die noch weiter südlich gelegenen und stark gefährdeten Tertiär-Reliktvorkommen der Mexikanischen Buche
(Fagus grandifolia var. mexicana) sind auf
kühleren Höhenlagen zwischen 1 400 und
2 000 m der Sierra Madre Oriental beschränkt (Williams-Linera et al. 2003).
Obwohl die europäische Buche wie auch
die ostasiatischen Arten ihre nördliche bzw.
nordöstliche Verbreitungsgrenzen bereits
bei höheren winterlichen Durchschnittstemperaturen erreichen, sind die ökologisch aussagekräftigeren absoluten realisierten Mindesttemperaturen für Fagus
sylvatica, Fagus grandifolia und Fagus crenata nahezu identisch. Hohe Übereinstimmungen bestehen weiterhin bei den Amplituden der Sommertemperaturen und
der Feuchte-Indizes, wobei bei Letzterem interessanterweise Fagus sylvatica die
höchste Trockentoleranz aufweist (zu
möglichen Ursachen hierfür siehe Manthey u. Box 2007).
Buchenwälder und Klimawandel
7 Zusammenfassung
Temperaturerhöhung allein dürfte kein
ökophysiologisches Problem für mitteleuropäische Buchenpopulationen darstellen.
Als wesentlich kritischer wird Trockenstress angesehen, welcher bei Eintreten
prognostizierter sommerlicher Dürreperioden zumindest in Teilen Mitteleuropas
beträchtlich zunehmend würde. Die Buche verfügt über eine Reihe von physiologischen Mechanismen zur Trockenheitsadaptation, welche es ihr mit großer
Wahrscheinlichkeit ermöglichen werden,
auf tiefgründigen Böden mittlerer bis guter Wasserspeicherkapazität in Mitteleuropa auch unter den projizierten Klimaänderungen die vorherrschende Baumart zu
bleiben. Eine deutliche Verringerung der
ökologischen Fitness und damit der
Konkurrenzfähigkeit gegenüber stärker
trockenheitsangepassten Baumarten sind
dagegen an den westlichen und südlichen
Arealrändern sowie auf flachgründigen
Standorten zu erwarten.
Summary
An increase of temperature should be not
an eco-physiological problem for Central
European beech populations, but stress by
dryness could be critical. Because the
beech has physiological mechanisms for
adaptation to dryness, it will probably become the dominating tree species in Central Europe. A decline in ecological fitness
is to be expected at the western und southern margins of the distribution area as
well as on sites with low water capacity.
444
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— 82. Jahrgang (2007) — Heft 9/10
© 2011 W. Kohlhammer, Stuttgart
kenntnis, dass – zumindest in tieferen
Lagen – die Buche zwar sehr sensitiv
auf Trockenstress mit verringertem Jahrringzuwachs reagiert, diese Reaktion
aber immer nur ein bis selten zwei Jahre
anhält und danach die Bestände wieder
zu normalen Wachstumsraten zurückkehren.
Phänologische Veränderungen als direkte Folge des bereits stattfindenden
Klimawandels sind bei zahlreichen Organismengruppen eindeutig nachweisbar (z. B. Menzel u. Fabian 1999; Walther et al. 2002; Parmesan u. Yohe 2003).
Bei der Buche hat sich etwa in der
Schweiz in den letzten 50 Jahren der Zeitpunkt der Blattentfaltung um 11,9 Tage
verfrüht (Defila 2005). Auch der Blattfall
hat sich um 4,8 Tage hinausgezögert,
allerdings ist dieser Trend hauptsächlich
auf der Südseite der Alpen feststellbar.
Eine verlängerte Vegetationsperiode erhöht zusätzlich die Produktivität. Inwiefern allerdings eine zu erwartende
weitere Verfrühung des Blattaustriebs in
Mitteleuropa zu einer Erhöhung der
Spätfrostgefährdung führt, ist umstritten
(Kramer 1996).
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Prof. Dr. Michael Manthey
• Korrespondierender Autor •
Institut für Botanik und
Landschaftsökologie
Ernst-Moritz-Arndt-Universität
Greifswald
Grimmer Straße 88
17487 Greifswald
E-Mail: [email protected]
Geboren 1967 in Wismar, Studium der Biologie (Diplom)
an den Universitäten Osnabrück und Greifswald; 1996
Diplom in den Fächern:
Landschaftsökologie, Zoologie sowie Geographie;
2002 Promotion (Universität Greifswald); 1997–2003
Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Botanik und Landschaftsökologie an der Universität Greifswald, 2003–2005 Postdoc-Stipendiat der Leopoldina an der University of Georgia in
Athens/Georgia, USA. Seit Oktober 2005 Juniorprofessor für Vegetationsökologie an der
Universität Greifswald. Arbeitsgebiete: Vegetationsökologie (Wälder, Segetalvegetation),
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Prof. Dr. Christoph Leuschner
Albrecht von Haller Institut
für Pflanzenwissenschaften
Universität Göttingen
Untere Karspüle 2
37073 Göttingen
E-Mail: [email protected]
Prof. Dr. Werner Härdtle
Universitat Lüneburg
Institut für Ökologie
und Umweltchemie
Scharnhorststraße 1
21335 Lüneburg
E-Mail: [email protected]
Geboren 1956 in Erlangen.
Studium der Biologie und
Geographie (Diplom) in
Freiburg i. Br. und Göttingen; Diplome 1982 und
1983 in Göttingen (Biologie, Geographie). Aufbaustudium der Wasserwirtschaft in Hannover. Promotion bei H. Ellenberg 1986
(Göttingen). Postdoc in der Ökosystemforschung Wattenmeer, Schleswig-Holstein;
Postdoc zu den Mechanismen der HeideWald-Sukzession in der Lüneburger Heide.
Habilitation 1994 in Göttingen (venia legendi
für Botanik). Forschungsaufenthalte auf Hawaii und Réunion. Von 1996 bis 2000 Professur für Ökologie am Fachbereich Biologie,
Universität Kassel, seit 2000 Professur für
Pflanzenökologie und Ökosystemforschung,
Universität Göttingen; Direktor des Neuen
Botanischen Gartens, Leiter des Zentrum für
Biodiversitätsforschung und Ökologie, Sprecher des Graduiertenkollegs 1086 (Funktionale Biodiversitätsforschung in Wäldern). Forschungsprojekte in Deutschland, Polen, Indonesien, Ecuador und Costa Rica. Arbeitsgebiete: Ökologie mitteleuropäischer und tropischer Bäume, Ökologie des Wurzelsystems
von Bäumen, Stoffumsätze in Wäldern, Walddynamikforschung und Klimawandel in Wäldern, Ökologie der tropisch-alpinen Waldgrenze, Schutz von Agrarphytozönosen.
Geboren 1957 in Stuttgart;
Studium der Biologie (Diplom) an den Universitäten
Göttingen und Kiel; 1984
Diplom in den Fächern Botanik, Meeresökologie und
Chemie; Zusatzstudium im
Fach Bodenkunde an der
Agrarwissenschaftlichen Fakultät der Universität Kiel;
1990 Promotion (Universität Kiel); Dissertationsprüfung in den Fächern: Botanik/Geobotanik, Meeresökologie und Bodenkunde;
von 1992 bis 1994 Akademischer Rat im Fachbereich Biologie (Fach Ökologie) an der Universität Osnabrück; von 1994 bis 1997 Hochschuldozent für Botanik an der Universität
Lüneburg (Fachbereich Kulturwissenschaften), 1994 Habilitation (Universität Lüneburg); Venia legendi in den Fächern Geobotanik und Landschaftsökologie; seit 1997 Professur für Ökologie (insbes. Landschaftsökologie und Naturschutz) an der Universität Lüneburg (Fakultät Umwelt und Technik). Arbeitsgebiete: Waldökologie und Walddynamik; Nährstoffvorrat und Nährstoffhaushalt
(Wald/Heide-Ökosysteme); Beziehungen zwischen Biodiversität und Naturhaushalt, Beziehungen zwischen Vegetation und Standort sowie Landnutzungseinfluss.
— 82. Jahrgang (2007) — Heft 9/10
445
© 2011 W. Kohlhammer, Stuttgart
tus in 50 Central European beech stands on a broad
range of bedrock types. Ann. Sci. For. 63: 355 –368.
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