Swiss Neurosurgery Update Neues und Wissenswertes aus der Neurochirurgie Abstrakt vom 24. Januar 2014 am Universitätsspital Basel im ZLF Degenerative LWS und HWS als Auslöser von Schmerz und neurologischen Defiziten. Welche Operation, wann und mit welchem Resultat? Dr. med. Gregory Jost, Klinik für Neurochirurgie Universitätsspital Basel Die Global Burden of Disease Study 2010 hat gezeigt, dass von 291 Diagnosen Rückenschmerzen weltweit die häufigste Ursache für Arbeitsunfähigkeit und Invalidität sind. Der Rückenschmerz ist in allen Altersklassen die häufigste muskuloskelettale Störung und die Jahresprävalenz beträgt bis 50%. Die allerhäufigsten Rückenschmerzen sind selbstlimitierend, aber nicht selten rezidivierend. Spezifische degenerative Ätiologien verursachen etwa 13% der lumbalen Rückenschmerzen. Dazu gehören Diskusherniationen, Spinalkanalstenose, degenerative Spondylolisthesis und Spondylolyse. Wenn keine red flags vorliegen, können "unkomplizierte" Rückenschmerzen zunächst während 6 Wochen konservativ behandelt werden. Eine von klinischen Guidelines propagierte Strategie ist, die Patienten primär aufzuklären und zu beraten. Sie sollen möglichst aktiv bleiben. Kurzfristig Paracetamol, NSAR oder bei Bedarf spinale Manipulation können vermögen die Schmerzen zu lindern. Bei Symptompersistenz über 6 Wochen werden Physiotherapie, Verhaltenstherapie oder der Einsatz von Opiaten empfohlen. Lumbale Diskusherniationen Paramediane Diskushernien (90%) heilen zu 80-90% spontan aus, foraminale DH (10%) heilen nur zu 10% spontan aus. Bei Persistenz der Beschwerden über 4-6 Wochen erfolgt die Mikrodiskektomie idealerweise im Fenster 6 Wochen bis 6 Monate. Bei Schmerzexazerbation, cauda equina oder progredienter Parese kann eine Operation jederzeit indiziert werden. 1977 wurde die mikrochirurgische Diskektomie mittels Einsatz des Operationsmikroskops eingeführt. Neuere Entwicklungen sind die Minimierung des Retraktorensystems mittels transmuskulärer, transtubulärer Operationen. Dadurch wird ein geringerer zugangsbedingter Muskelschaden propagiert und somit weniger postoperative Schmerzen und raschere Mobilisation. Ob dies wirklich so ist, wird kontrovers diskutiert: Hautschnitt, postoperative Weichteilvernarbungen sind vergleichbar und einer randomisierten Studie hat die klassische Mikrodiskektomie via subperiostalen Zugang sogar etwas bessere Resultate bezüglich postoperativen Schmerz erzielt (Arts, MP et al 2009). Grundsätzlich weiss man, dass es Patienten, die sich operieren lassen, präoperativ schlechter und postoperativ besser geht als den Patienten, die eine konservative Therapie wählen. 1 Die Reoperationsrate beträgt ca 25% über 10 Jahre und genauso lassen sich im Verlauf von 10 Jahren 25% der initial nicht Operierten doch noch operieren (Atlas St. 2005). 80% der Patienten mit Parese M3 oder M4 haben nach einem Jahr wieder die volle Kraft, egal ob konservativ oder operativ therapiert (Overdevest et al 2013). Ein Cauda equina Syndrom sollte spätestens innert 48 Stunden, besser innert 24 Stunden entlastet werden. Ca 75% erlangen wieder eine akzeptable Blasenfunktion. Die Prognose ist bei präoperativer Restfunktion besser (Postacchini 2002). Lumbale Spinalstenose und degenerative Spondylolisthesis Rücken- und Beinschmerzen sind bei Patienten mit Spinalstenose oder degenerativer Spondylolisthesis gleich häufig. 1/3 haben vor allem Beinschmerzen, 1/4 v.a. Rückenschmerzen und 40% Bein- und Rückenschmerzen. Bei beiden Pathologien ist die Operation wirksamer als die konservative Therapie. Patienten mit vor allem Beinschmerzen geht es nach der Operation am besten, aber auch die Rückenschmerzen gehen signifikant zurück (Pearson 2011). Physiotherapie zu Beginn einer Behandlung bei lumbaler Spinalstenose vermindert die Wahrscheinlichkeit einer Operation im ersten Therapiejahr (Fritz 2013). Insgesamt sind mehr als 50% der Patienten, die sich zu Beginn der Therapie für eine Operation entscheiden und mehr als 50% der Patienten, die sich für eine konservative Therapie entscheiden (weil die Symptome erträglich sind) nach 10 Jahren mit der gewählten Therapie zufrieden. Indikationen für Fusionen Stabilisationen und Fusionen sind indiziert bei degenerativer Spondylolisthesis, symptomatischer Instabilität (Spondylolyse), Deformität und meistens bei Revisionsoperationen. Zur Stabilisation von osteoporotischen Knochen stehen kanüllierte zementierbare Schrauben zur Verfügung. Ca. 10% der fusionierten Patienten müssen im Verlauf wegen Anschlussstenosen nachoperiert werden. Zervikale radikuläre Schmerzen und Defizite Radikulopathien bei zervikalen Diskusherniationen haben idR eine sehr gute Prognose mit konservativer Therapie. Am häufigsten sind die Segmente C5-6 und C6-7 betroffen. Laterale weiche Vorfälle können von dorsal über eine Foraminotomie entfernt werden. Die meisten Vorfälle sind auch paramedian lokalisiert und werden deswegen von ventral via Diskektomie und Stabilisation mittels Cage operiert. Wir bevorzugen für monosegmentale Diskektomien den seit ca. 2 Jahren eingeführten Zero-PVA cage. Dabei handelt es sich um einen cage, der mit zwei Schrauben im kranialen und caudalen Wirbelkörper verankert wird und nach ventral trotzdem nicht absteht. Ein Spezialfall bildet die C2 Radikulopathie. Sie wird durch eine C1-2 Arthrose mit Kompression der Wurzel C2 hervorgerufen. Chirurgisch können diese invalidisierenden Schmerzen mittels Rhizotomie C2 und dorsaler Stabilisation und Fusion C1-2 gut behandelt werden. Die Prävalenz ist seit der wirksamen Therapie der rheumatischen Polyarthritis mit Antikörpern stark zurückgegangen. Sekundär auftretenden Nackenschmerzen nach initial 2 gutem klinischem Verlauf nach zervikaler Diskektomie und Stabilisation kann eine Pseudarthrose zugrunde liegen. Nach zusätzlicher dorsaler Fixation heilt eine Pseudarthrose in der Regel mit knöchernem Durchbau aus. Die Indikationsstellung für zervikale Diskusprothesen ist sehr restriktiv, zumal die Langzeitergebnisse nach Fusionen sehr gut sind und Studien gezeigt haben, dass die Implantation von zervikalen Diskusprothesen die Inzidenz von Anschlusssegmentpathologien nicht reduzieren konnte (Burkus 2010, Sasso 2011). Zervikale Myelopathie Hochgradige symptomatische Stenosen werden dekomprimiert und fusioniert. Bei radiologischer Stenose ohne Myelopathie besteht bei der Beratung des Patienten etwas Handlungsspielraum. Gemäss aktuellen Zahlen müssen 8% und 23% der asymptomatischen Patienten mit stenotischer Spondylose mit einer Myelopathie nach 1 und 4 Jahren rechnen. Patienten mit asymptomatischer Spondylose jedoch symptomatischer Radikulopathie, MRI Hyperintensität des Myelons, oder verlängerten SSEP und MEP haben ein erhöhtes Risiko für Myelopathie im Verlauf und sollten hinsichtlich einer Dekompression und Stabilisation beraten werden (Wilson 2013). Der natürliche Verlauf bei OPLL ist unbekannt. Die postoperative Erholung erfolgt vor allem in den ersten 6 Monaten und beträgt auf der modifizierten Japanese Orthopedic Association Skala (mJOA) 2 - 3 Punkte. Dies bedeutet beispielsweise, dass jemand beim Knöpfen der Bluse/Hemd wenig anstatt erhebliche Schwierigkeiten bekundet und eine Treppe frei begehen kann, anstatt sich am Handlauf zu halten. Es bleibt in der Regel ein Residuum zurück, welches die Patienten anhalten stört (zB persistierende Kribbelparästhesien in den Händen). 3 Swiss Neurosurgery Update Neues und Wissenswertes aus der Neurochirurgie Abstrakt vom 24. Januar 2014 am Universitätsspital Basel im ZLF Abklärungen und Chirurgie bei Epilepsie PD Dr med Claudio Pollo, Klinik für Neurochirurgie, Inselspital, Bern Surgical therapy has been recognized to cure epilepsy of focal origin in cases where medication fails to stop seizures. Highest success rates of seizure freedom are achieved in surgical treatment of mesial temporal lobe epilepsy (>80%), lesional epilepsy (dysplasias, cavernomas, DNET and gangliogliomas) as well as hemispherotomies. Therefore, it should not be considered as a last resort therapy, but as a therapy of choice as an early stage of the disease, as it has been shown that the success rate of surgery decrease with the duration of epilepsy. Presurgical evaluation is mandatory to identify the epileptogenic focus, to understand the pathophysiology of the epileptic network and to establish the operability of the patients. Among the available tools, video-EEG is important to correlate semiology of the seizures and EEG abnormalities. Improvement of MR modalities has dramatically improved our understanding of epileptogenic networks and outcome of operated patients, as they are able to show brain abnormalities as well as function of the surrounding brain, which were not visible earlier. When non-invasive investigations do not converge towards a focal origin, invasive recordings may be required. They are still necessary in 15-20% of the cases, although new signal analysis techniques provide new insight in the localisation of epileptic focii that may reduce their need and invasivness. Ablative procedures are still the best approach when possible, although recent less invasive techniques like lobar or even hemispheric disconnections have been proposed and shown to minimize the invasiveness of the surgery. DBS of several targets have been proposed as alternative treatment when surgery was not feasible. Among them, anterior nucleus of the thalamus and hippocampal stimulation seem to be more promising in terms of efficacy. Responsive or closed loop stimulation has also been investigated with promising results. VNS is also used as a palliative treatment of epilepsy and has shown to reduce seizure frequency. Radiosurgery improves epilepsy in patients with hypothalamichamartomas. The introduction of these new techniques opens the door to new frontiers in the armentarium of surgical therapies for epilepsy. Further research and clinical studies are needed to confirm their efficacy. 4 Swiss Neurosurgery Update Neues und Wissenswertes aus der Neurochirurgie Abstrakt vom 24. Januar 2014 am Universitätsspital Basel im ZLF Tiefe Hirnstimulation für Bewegungsstörungen PD Dr med Claudio Pollo, Klinik für Neurochirurgie, Inselspital, Bern Deep Brain Stimulation is widely known to be effective in the treatment of motor symptoms of Parkinson’s disease and other movement disorders like tremors and dystonias. It allows to increase the quality of life of affected patients. Several studies have also shown the long term efficacy of DBS. The 2 key features for success of DBS is the accurate selection of patient and target. A recent study suggests that DBS earlier in the course of the disease provides a better and prolonged quality of life of the patients. From a pure neurosurgical perspective, the precision of surgical procedure is an essential condition. Therefore, it is performed under stereotactic conditions. The improvement of MRI modalities allow nowadays the direct visualisation of the principal targets (STN, GPi, Vim) as well as tracts in which electrical stimulation provide improvement of motor function. Although microelectrode recording and intraoperative clinical testing is still useful to refine the placement of definitive electrodes, up to 30% of the patients may experience stimulation induced side effects (motor, sensitive, and even cognitive). Computed models of DBS have showed that the 360° volume of tissue activated with the current electrodes may be oversized in regard to little targets like STN. For this reason, development of electrode with reduced size and directed stimulation may improve the efficacy of DBS. We performed an intraoperative pilot study that showed the superiority of directed stimulation compared to omnidirectional one, as well as the possible need for less current for beneficial effects. These promising findings of directed stimulation with smaller electrodes have to be confirmed when implanted chronically. Beyond treatment of movement disorders, a current challenge of DBS is to treat psychiatric disorders, epileptic diseases and pain syndroms. Several ongoing studies are evaluating the effectiveness of DBS in these new indications. As for movement disorders, a multidisciplinary approach is mandatory for the management of these diseases. 5 Swiss Neurosurgery Update Neues und Wissenswertes aus der Neurochirurgie Abstrakt vom 24. Januar 2014 am Universitätsspital Basel im ZLF Update intrakranielle Tumore: Gliomchirurgie aus den Blickwinkeln Sicherheit und Radikalität Prof. Dr. med. Andreas Raabe, Direktor der Neurochirurgischen Universitätsklinik, Inselspital, Bern Einleitung Gliome sind mit einer Inzidenz von ca. 7 Fällen pro 100‘000 Einwohne pro Jahr keine seltenen Tumoren. Sie sind infiltrativ wachsend, schlecht abgegrenzt und je nach Dignitätsgrad (WHO Grad II bis WHO Grad IV) von unterschiedlicher, aber keineswegs guter Prognose. Nicht selektierte Patienten überleben mit Glioblastomen (WHO IV) ca. 1 Jahr, anaplastischen Gliomen (Grad III) 2 Jahre und niedriggradigen Gliome (Grad II) etwa 5-7 Jahre im Durchschnitt. Die operativen Patienten sind bereits selektiert und leben länger. Da die Tumore rezidivieren, eine multimodale Therapie benötigen und auch mehrfach operiert werden, sind sie für Hausärzte durchaus häufige Problemfälle und erfordern eine intensive Betreuung und Zuwendung. Der Antagonismus bei der chirurgischen Therapie besteht darin, dass eine maximale Resektion mit gutem onkologischem Ergebnis nicht notwendigerweise ein gutes neurologisches Resultat ist. Wenn die Tumore infiltrativ wachsen und nicht durch chirurgische Eingriffe geheilt werden können, wie viel vom Tumor sollte dann entfernt werden, um die Überlebenszeit des Patienten zu maximieren? In den letzten Jahren gab es in der Literatur mehrere Studien, die das Ausmass der Resektion mit der Überlebenszeit der Patienten korreliert haben (Lacroix et al. 2001; Sanai and Berger 2008; Sanai et al. 2011; Stummer et al. 2006; Smith et al 2008). Bei Glioblastomen und bei niedriggradigen Gliomen ist hier ein klarer Zusammenhang immer wieder dargestellt worden, wobei die komplette Resektion im postoperativen MRI die längste Überlebenszeit zeigte. Kritisch muss jedoch angemerkt werden, dass diese Ergebnisse nicht aus randomisierten Studien stammen. Trotzdem ist eine sogenannte „maximale“ Chirurgie Teil der heutigen neurochirurgischen Strategie. Sie wird jedoch durch den Begriff „sicher“ ergänzt, da neue permanente Defizite nicht nur die Lebensqualität, sondern auch die Überlebenszeit verkürzen (McGirt 2009). Führen neue Operations- und Bildgebungstechniken zu einer Verbesserung der Resektionsrate? In einer prospektiven randomisierten Studie konnte gezeigt werden, dass die interoperative Bildgebung mittels MRI zu einer Verbesserung der Resektionsrate und einer Verlängerung der Überlebenszeit führt (Senft at al. 2011). 6 Die Resektionsrate von primär als operabel eingeschätzten Glioblastomen lag dabei in der Bildgebungsgruppe bei 96%, in der Kontrollgruppe bei 68%. Die Verbesserung der Raten der kompletten Resektion hat die Verwendung der 5-ALA-Fluoreszenz bewirkt. In einer Studie von Schucht at al. 2014) konnte nachgewiesen werden, dass die Resektionsvolumina grösser als der präoperativ im MRI sichtbare Tumor sind. Ob eine 5-ALA komplette Resektion die Überlebenszeit verlängert, bleibt offen. Neben der erwähnten Studie mit einer über 90% Resektionsrate, sind die generellen Zahlen weniger gut, wenn keine Patientenselektion vorgenommen wird. So kann man davon ausgehen, dass lediglich 2/3 der Patienten operiert werden, 1/3 wird mit Biopsie und Radio-Chemo-Therapie allein behandelt. Eine Rate von mehr als 60% Komplettresektion bei nicht selektierten Patienten ist bereits ein sehr gutes Ergebnis, verbunden mit einer neurologischen neuen Defizitrate von weniger als 7-8%. In einer Studie unserer Gruppe konnten wir zeigen, dass die kombinierte Verwendung von 5 ALA-Fluoreszenz, Mapping und Monitoring dieses Ergebnis noch einmal verbessert und eine 90% Komplettresektionsrate bei ca. 5% Defiziten erreichbar macht (Schucht et al. 2012). Wie sollte die Behandlung inzidenteller Gliome erfolgen? Hier konnte in mehreren Studien gezeigt werden, dass inzidentell gefundene Gliome in allen Fällen voranschreiten. Sie transformieren sich in symptomatische Gliome nach ca. 4 Jahren, malignisieren zu einem Drittel nach etwa 5 Jahren und sind damit als aktive und nicht als schlafende Gliome einzustufen, auch wenn sie inzidentell sind. Werden sie operiert, so ist im Vergleich zu symptomatischen Gliomen eine fast doppelt so hohe Rate von in der Bildgebung kompletter Tumorentfernung möglich. Wie ist der Stellenwert der Rezidivoperationen bei Glioblastomen? Während bei niedriggradigen Gliomen die Rezidivoperationen unter der Prämisse „Maximum Save surgery“ auch beim Rezidiv klar durchgeführt werden, ist die Situation beim Glioblastom weniger eindeutig. Rezidivoperationen sind in der Regel mit höheren Risiken für die allgemeinen Komplikations- und die spezifischen neurologischen Defizitraten verbunden. Auch der Erfolg der kompletten Resektion in der Bildgebung ist schlechter als bei der Primäroperation. Das trotzdem viele Studien einen Gewinn der Überlebenszeit durch Rezidivoperationen zeigen, lässt einen klinischen Benefit vermuten. Allerdings ist eine Selektion von Patienten hier fast unvermeidlich (Chaichana et al. 2013, Ringel et al. 2011, Hoover et al. 2013). Wie können neurologische Defizite vermieden werden? Der Goldstandard für die Vermeidung neuer Defizite, insbesondere der Defizite motorischer Funktionen und Sprachfunktionen ist das Neuromonitoring. Hier konnte nachgewiesen werden, dass eine tatsächliche Überprüfung der präoperativ geschätzten Eloquenz durch intraoperatives Neuromonitoring eine höhere Resektionsquote mit sich bringt (Chang et al. 2011). In einer aktuellen Studie konnte de Witt Hamer et al. (2012) in einer gepoolten Analyse von 90 Studien zeigen, dass die intraoperative Elektrophysiologie zu weniger Defiziten und einer höheren kompletten Resektionsquote führt. Bei Operationen motorischer Tumoren, auch solche die teilweise als inoperabel bezeichnet werden, hat das intraoperative Mapping eine Verbesserung der Resektionsrate bei gleichzeitig weniger neurologischen Defiziten bewirkt. Wir haben in Bern zeigen können, das einerseits ein direktes Mapping von niedrigeren Schwellen eine weitere Annäherung an kritische Regionen erlaubt, ohne dass mehr 7 neurologische Ausfälle auftreten (Seidel et al. 2013). Die Entwicklung eines neuen kontinuierlichen Überwachungsverfahren (dynamisches Mapping) hat die Sicherheit weiter erhöht, wir haben in unserer Studie bei 100 Patienten mit Tumoren in der Nähe motorischer Areale die Rate neurologischer Ausfälle auf 3% senken können (Raabe et al. In press). Zusammenfassung Auf dem chirurgischen Gebiet der Gliome hat sich in den letzten Jahren sowohl von der Bildgebungsseite her als auch durch die Verbesserung des Neuromonitorings eine deutliche Veränderung zum Status vor 10 Jahren ergeben. Wir können heute sehr gut einschätzen, wie die mögliche Erfolgsquote einer Resektion und wie hoch das Risiko eines Defizites sein wird, wobei auch die Defizite bei neurologisch kritischen Tumoren mittlerweile einstellige Prozentzahlen erreichen. Trotz dieser optimistischen Aussagen müssen wir konstatieren, dass das Krankheitsbild der Gliome nicht chirurgisch heilbar ist und auch durch die aktuellen Fortschritte in der Chemo- oder Radio-Therapie bisher noch kein Durchbruch in der Rate der langfristig überlebenden Patienten erreicht worden ist. 8 Swiss Neurosurgery Update Neues und Wissenswertes aus der Neurochirurgie Abstrakt vom 24. Januar 2014 am Universitätsspital Basel im ZLF Minimally Invasive Spine Surgery and Intraoperative Navigation Meic H. Schmidt, M.D., M.B.A., F.A.C.S, F.A.A.N.S. Minimally invasive surgical techniques and intraoperative navigation have been successfully introduced into spine surgery for degenerative disease. Both techniques have not been used widely in spinal oncology and in advanced degenerative spine conditions such as thoracic disc herniation. The author will review the use of intraoperative spinal imaging using the Oarm. In addition, the development of Minimally Invasive Spine Surgery techniques with and without intraoperative spinal navigation will be illustrated. The application of posterior tubular techniques combined with navigation for primary spine tumors and the role of thoracoscopic spine surgery for metastatic spine tumors will be reviewed. The presentation will conclude with an overview of thoracoscopic and mini-open access surgery for thoracic disc herniation. 9 Swiss Neurosurgery Update Neues und Wissenswertes aus der Neurochirurgie Abstrakt vom 24. Januar 2014 am Universitätsspital Basel im ZLF Neue Aspekte bei der Behandlung des Hydrocephalus Dr. med. Morten Wasner, Dr. med. Chris Kelly Klinik für Neurochirurgie, Universitätsspital Basel In den letzten Jahren hat die Zahl der von der Industrie entwickelten Shuntsysteme deutlich zugenommen. Besonders die Technik der programmierbaren Ventile hat sich verfeinert, und so die individuelle Einstellbarkeit des Shuntsystems auf die Bedürfnisse des einzelnen Patienten verbessert. Die verschiedenen Systeme haben unterschiedliche Vor- und Nachteile, sind aber nach wie vor Partialdruckventile und können nur bedingt in den gestörten Regelkreislauf von Produktion und Absorption eingreifen. Die Komplikationsrate bei der Behandlung des Hydrocephalus mit Shuntsystemen ist relativ hoch. Im Erwachsenenalter steht die Shuntdysfunktion mit Über- oder Unterdrainage im Vordergrund. An zweiter Stelle ist der Shuntinfekt zu nennen. Allerdings hat sich die Revisionsrate bei Über- oder Unterfunktion aufgrund falscher Förderraten der Ventile durch die Möglichkeit einer transcutanen Regulierbarkeit deutlich vermindert. Auch die Infektrate konnte gesenkt werden. Zusätzlich stehen Silber- oder Antibiotika imprägnierte Kathetersysteme zur Verfügung, welche bei Patienten mit erhöhtem Infektrisiko zum Einsatz kommen. Standardisierte Abklärungsschemata führen zu einer deutlich besseren individuellen Therapieanpassung bei Patienten mit Hydrocephalus. Verschlusshydrocephalus Verlegung der Liquorabflusswege intracerebral durch • • Raumforderung Blutung Symptomatik: akute Hirndrucksteigerung • • • • Kopfschmerzen Übelkeit Erbrechen Bewusstseinsstörung Neuroradiologischer Befund • • Erweiterung der inneren Nervenwasserräume Verstrichene Hirnfurchen Therapie: Ursache beheben 10 • • • Dekompression der Nervenwasserabflusswege Ventrikulostomie des Bodens des dritten Ventrikels Liquorableitung/Shuntoperation Normaldruckhydrocephalus • • • Symptomatik: chronisch, schleichend Ursache ist eine Dysbalance zwischen Liquorproduktion und Resorption durch eine herabgesetzte Compliance des Hirngewebes Eine ursächliche Behandlung ist nicht möglich Hydrocephale Trias: • • • Kleinschrittiges Gangbild Neuropsychologische Veränderunge Dranginkontinenz Neuroradiologischer Befund • • • Erweiterung aller vier Ventrikel Subependymale Liquorresorptionszonen Schmale apikale Gyrierung Behandlung: Implantation eines Shuntsystems von den inneren Hirnwasserkammern über subcutan bis intraperitoneal Shuntsysteme • • • • • • • Differentialdruckventile, high, medium, low programmierbare Differentialdruckventile Differentialdruckventile mit Flussregulation Shunt mit/ohne Antisiphon Device ca. 200 verschiedene Modelle bis zu 20% Über- oder Unterdrainage bis zu 12% Infektionsrate - > 50% koagulase negativer Staphylokokkus aureus Programmierbare Shuntsysteme • • • • Fein oder grob abgestufte Einstellmöglichkeiten von 20 mmH2O bis 200 mmH20 Einstellmöglichkeit nicht invasiv transcutan vor allem Überdrainage kann so fast auf Null reduziert werden • MRT tauglich bis wenigstens 1,5T Imprägnierte Katheter gegen Infekt Rifampezin und Clindamycin vor allem gegen Hautkeime und gegen Biofilmbildung 11 Silberimprägnierung gegen direkte Keimbesiedlung Metaanlysen von Kohortenstudien zeigten bisher nur einen Trend zur Reduktion von Infekten bei der Verwendung von imprägnierten Shuntsystemen. Programmierbare imprägnierte Systeme Pro • • • individuelle Anpassung Verhinderung von Revisionen niedrigere Komplikationsrate Contra • • • • • höherer technischer Aufwand höhere Kosten Einzelfall Resistenzprobleme unterschiedliche Systeme Kontrolle nach MRT ratsam Baseler Abklärungsschema • • • Ganganalyse, MM vor dem Ablasstest Kontinuierlicher volumengesteuerter Ablasstest über 5 Tage Ganganalyse, MM während und nach dem Ablasstest Die präoperativen Abklärungen sollten nicht nur die Diagnose des NPH sichern, sondern auch richtungsweisend für die Ventilwahl sein. Ein Patient, der schon bei einem geringen Volumenverlust von bis zu 5ml/h eine Symptombesserung gezeigt hat, bedarf eher eines Ventils mit höherer Druckstufe. Ein Patient mit höherer Flussrate zur Symptombesserung gezeigt hat, bedarf eher eines Ventils mit Swiss Neurosurgery Update Neues und Wissenswertes aus der Neurochirurgie 12 Abstrakt vom 24. Januar 2014 am Universitätsspital Basel im ZLF Endovaskuläre Behandlung - Einsichten, Techniken und Indikationen Dr. D. Zumofen Basel NYC, USA Die Behandlung von Erkrankungen der Hirngefässe hat sich im Verlauf der letzten Dekade tiefgreifend verändert. Der klassische neurochirurgische Ansatz wird zunehmend durch neue, minimalinvasive Techniken ergänzt. Anhand einer Auswahl von konkreten Fallbeispielen wird ein Einblick in die faszinierende Welt der mikroneurochirurgischen und endovaskulären Spitzenmedizin in New York gegeben werden. In verständlicher Weise wird eine Auswahl dieser neuartigen minimalinvasiven Therapieansätze illustriert werden, insbesondere jene zur Behandlung von Hirnaneurysmata. Es werden sowohl deren sinnvolle Indikationen, als auch deren technischen Limite aufgezeigt und diskutiert. 13