Aus dem Institut für Diagnostische Radiologie und Neuroradiologie (Direktor: Univ.- Prof. Dr. med. N. Hosten) der Universitätsmedizin der Ernst- Moritz-Arndt- Universität Greifswald CT-gestützte Perkutane Transthorakale Lungenbiopsien von Pulmonalen Tumoren Prädiktoren für Technischen Erfolg und Komplikationsrate Inaugural-Dissertation zur Erlangung des akademischen Grades Doktor der Medizin (Dr. med.) der Universitätsmedizin der Ernst- Moritz- Arndt- Universität Greifswald 2015 vorgelegt von: Stephan Otto geb. am: 28.01.1971 in: Oranienburg Dekan: Prof. Dr. rer. nat. M. Baur 1. Gutachter: Prof. Dr. med. J.-P. Kühn 2. Gutachter: Prof. Dr. med. Th. Bley Ort, Raum: Greifswald, Demonstrationsraum Neuroradiologie Tag der Disputation: 09. November 2015 Inhaltsverzeichnis 1. Einleitung ........................................................................................................................... 2 1.1. Bösartige Lungentumore........................................................................................................ 2 1.2. Bildgestützte Lungenpunktion .............................................................................................. 3 1.3. Alternative Verfahren zur Probengewinnung ..................................................................... 4 1.3.1. Feinnadelaspirationsbiopsie (FNAB) ................................................................................ 4 1.3.2. Pleurapunktion mit Zytologie ............................................................................................ 4 1.3.3. Transbronchiale Biopsie .................................................................................................... 5 1.4. 2. Fragestellung ........................................................................................................................... 5 Material und Methoden .................................................................................................... 7 2.1. Patientenkollektiv ................................................................................................................... 7 2.2. Durchführung der CT-gestützten Biopsie pulmonaler Herde ............................................ 8 2.2.1. Indikation .......................................................................................................................... 8 2.2.2. Zugangsplanung und –vorbereitung .................................................................................. 8 2.2.3. Prozedere der Biopsie........................................................................................................ 9 2.2.4. Nachsorge ........................................................................................................................ 11 2.3. Definitionen und Datenanalyse ............................................................................................ 11 2.4. Statistik .................................................................................................................................. 13 3. Ergebnisse ........................................................................................................................ 15 4. Diskussion ........................................................................................................................ 21 5. Literaturverzeichnis ........................................................................................................ 26 6. Abbildungs- und Tabellenverzeichnis ........................................................................... 31 7. Abkürzungsverzeichnis ................................................................................................... 32 8. Anlagen zur kumulativen Promotion ............................................................................ 33 9. 8.1. Zusammenfassung / Abstract .............................................................................................. 33 8.2. Originalarbeit........................................................................................................................ 34 Danksagung...................................................................................................................... 44 1. Einleitung Im Rahmen der Diagnosesicherung nimmt die histopathologische Aufarbeitung eines Gewebezylinders eine zentrale Position in der Bewertung der Dignität einer malignitätssuspekten Raumforderung ein. Sämtliche Therapieoptionen basieren auf dem Ergebnis dieser feingeweblichen Aufarbeitung. Nur durch die klare Bestimmung der Dignität einer suspekten Raumforderung kann die leitliniengerechte Behandlung mit Hilfe evidenzbasierter Behandlungsalgorithmen durchgeführt werden [1-4]. Die Materialgewinnung kann auf unterschiedliche Weise erfolgen. Der häufigste und meist auch einzige mögliche Weg, an eine Probe zu gelangen, ist die perkutane Lungenbiopsie. Insbesondere die Diagnostik pulmonaler Raumforderungen mit der diagnostischen perkutanen Punktion zur Materialgewinnung stellt eine Herausforderung für den interventionell tätigen Radiologen dar. 1.1. Bösartige Lungentumore Als primärer Lungentumor wird das Bronchialkarzinom angesehen. Es handelt sich um einen aggressiven Tumor. Valide Daten zur Prävalenz und Mortalität stehen von Seiten des Zentrums für Krebsregisterdaten des Robert-Koch-Institutes (RKI) zur Verfügung [5]. Bezugnehmend auf alle Krebserkrankungen ist das Bronchialkarzinom in Deutschland die häufigste Todesursache der Krebssterbefälle, bei Männern nach den aktuellen Daten von 2010 zu 24,9% und bei Frauen zu 13,6%. Die Inzidenz des Bronchialkarzinoms 2010 lag bei 13,9% bei Männern und bei 7,6% bei Frauen. Damit ist das Bronchialkarzinom bei Männern nach dem Prostatakarzinom (26,1%) die zweithäufigste Tumorlokalisation und bei Frauen nach dem Mammakarzinom (31,3%) und Darmkrebs (12,7%) die dritthäufigste Tumorlokalisation. Das Lebenszeitsterberisiko liegt für Männer bei 6,0%, bei Frauen bei 2,6% [6]. Die aktuellen Trendszenarien des RKI für Deutschland erwarten für 2020 einen Anstieg der Neuerkrankungszahlen für Frauen um 64% und für Männer von 2% [7]. Dennoch können bei früher Diagnosestellung die Heilungschancen erhöht werden. 2 Die Mehrzahl der malignen Lungenraumforderungen sind metastatische Absiedlungen lungenferner Primarien. Die Malignität eines Tumors wird wesentlich von der Fähigkeit zur Metastasierung bestimmt. Das Vorhandensein von Metastasen limitiert die Heilungswahrscheinlichkeit und senkt die Überlebensrate. Pulmonale Metastasen sind eine häufige Entität, da fast alle Tumoren diesen Metastasierungsweg zeigen können. Lungenmetastasen werden bei 25 bis 30% aller Tumorpatienten in der Autopsie gesichert [8]. Extrapulmonale Tumoren können eine hämatogene, lymphogene oder aerogene Zellstreuung aufweisen. Die Häufigkeit pulmonaler Metastasierung wird in einer retrospektiven Obduktionsgutanalyse für das kolorektale Karzinom mit 20-40%, Mammakarzinom mit 60%, Nierenzellkarzinom mit 50-70%, Sarkome mit 75%, für das maligne Melanom mit 60-80% und HNO-Tumoren mit 13-40% angegeben [9]. Das Lungenkarzinom metastasiert selbst zu 20-40% [9]. Es gilt als erwiesen, dass eine früh einsetzende Therapie das Überleben von malignen Lungentumoren erhöht. Dies setzt eine zeitnahe Diagnosestellung voraus. Durch den Einsatz der Computertomographie (CT) werden Lungentumore früher detektiert. Die Tumore sind im frühen Stadium relativ klein, was wiederum die diagnostische Herausforderung der perkutanen Lungenpunktionen erhöht. 1.2. Bildgestützte Lungenpunktion Stanzbiopsien mit histopathologischer Analyse sind der Goldstandard für die Bewertung pulmonaler Tumore [10]. Die bildgestützte Stanzbiopsie ist ein minimalinvasives Verfahren, welches potentiell mit Komplikationen behaftet sein kann. Die diagnostische Punktion wird meist mit Hilfe der CT durchgeführt. Sie ist indiziert, wenn weniger invasive Verfahren wie die transbronchiale Biopsie oder Bronchiallavagezytologie nicht durchführbar waren oder aber kein valides Ergebnis erbracht haben [11-13]. Bekannte Komplikationen der CT-gestützten Punktion sind pulmonale Blutungen, ein Pneumothorax und seltenere Komplikationen wie die Infektion oder Luftembolie [14]. Die 3 Durchführung der CT-gestützten Intervention setzt Erfahrungen des Interventionalisten voraus. Zumeist wird die CT-gestützte Lungenpunktion nur an größeren Instituten angeboten, welche das Setting zum Managen potentieller Komplikationen erlaubt. Durchführung: Die perkutane Probengewinnung erfolgt in unserem Institut mit Hilfe der Schneidnadelbiopsie (Cutting Needle Biopsy). Die Technik der perkutanen Lungenpunktion erfolgt nach einem festgelegten Standard [15]. Dabei wird unter Lokalanästhesie nach Stichinzision eine transkutan, transthorakal unter CT-Kontrolle eingebrachte Schneidbiopsienadel möglichst in den Randbereich der Raumforderung platziert und nach Auslösen halbautomatisch eine Probe im Inneren der Nadel geborgen. Diese wird zur weiteren histopathologischen Aufarbeitung in die Pathologie verbracht. 1.3. Alternative Verfahren zur Probengewinnung 1.3.1. Feinnadelaspirationsbiopsie (FNAB) Zugangswegplanung und Ablauf entsprechen dem Ablauf der Schneidbiopsie. Es werden mit fächerförmigen Bewegungen einer feinen Kanüle (Größe z.B. 23G) unter Sog gewonnene einzelne Zellverbände histopathologisch analysiert. 1.3.2. Pleurapunktion mit Zytologie Als diagnostisches Verfahren kann auch die sonographisch gestützte Pleurapunktion mit Gewinnung von Pleuraflüssigkeit und Zellmaterial zur zytologischen Analyse herangezogen werden [16]. Das gewonnene Punktat wird im Rahmen der Immunzytologie mit spezifischen Antikörpern dotiert [17, 18]. Zumeist ist die Pleurapunktion indiziert, um zu belegen, dass der Tumor bereits in einem fortgeschrittenen Pleurakarzinose). 4 Stadium vorliegt (maligner Erguss, 1.3.3. Transbronchiale Biopsie Ein weiterer Weg der feingeweblichen Sicherung ist die endobronchiale Probengewinnung. Dabei wird unter bronchoskopischer Sicht eine transbronchiale Probe gewonnen und histologisch aufgearbeitet. Zugänglich sind dabei vor allem mediastinale und zentral hiläre Lymphknoten. In über 80% ist die Diagnosesicherung erfolgreich [19-23]. Damit ist die Indikation für risikoreichere offen-invasive Methoden wie die Mediastinoskopie auf seltene Fälle beschränkt. Dennoch lassen sich mit der endobronchialen Gewebsgewinnung nicht alle Lungentumoren sicher klassifizieren, zum Beispiel peripher gelegene Tumore. 1.4. Fragestellung Die perkutane transthorakale Lungenstanzbiopsie ist ein weltweit klinisch akzeptiertes Verfahren [24, 25]. Das primäre Ziel ist die Gewinnung einer hinreichend großen Gewebeprobe ohne interventionsassoziierte Komplikationen. Um dieses Ziel zu erreichen, ist es hilfreich, potentielle Einflussfaktoren auf das postprozedurale Resultat der Methode zu kennen. Nur wenige Publikationen, zum Teil mit kontroversen Ergebnissen, patientenassoziierte haben Parameter dabei sowohl hinsichtlich des interventionsassoziierte als auch technischen und der Erfolges Komplikationsrate perkutaner Lungenstanzbiopsien pulmonaler Raumforderungen erfasst [26-29]. A) Das primäre Ziel dieser Arbeit war die Detektion der technischen Erfolgsrate und der Komplikationsrate von CT-gestützten Lungenherdbiopsien und die Auswirkungen von interventionsbezogenen und patientenbezogenen Prädiktoren auf das Interventionsergebnis. Viele Daten wurden bisher im Rahmen klinischer Studien erhoben, in deren Design standardisierte Abläufe festgelegt wurden, bei denen ein beziehungsweise zwei Interventionalisten die Probengewinnung durchführten [30]. Dies reflektiert jedoch nicht die 5 Alltagssituation einer medizinischen Einrichtung. Belastbare Daten des interventionalistenassoziierten technischen Erfolges und Komplikationsraten fehlen. B) Das sekundäre Ziel war die Untersuchung des Einflussfaktors „Interventionalist“ auf die technische Erfolgsrate und die Komplikationsrate. 6 2. Material und Methoden 2.1. Patientenkollektiv In dieser Arbeit wurden die Daten von CT-gesteuerten diagnostischen Lungenpunktionen untersucht, welche im Zeitraum von Januar 2008 bis Oktober 2009 im Institut für Diagnostische Radiologie und Neuroradiologie der Universitätsmedizin Greifswald durchgeführt wurden. Für diese retrospektive Auswertung lag ein positives Ethikvotum (Ethikkommission der Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald Aktenzeichen BB 007/15) vor. Alle in die Auswertung eingeschlossenen Patienten befanden sich am Klinikum der Ernst-Moritz-Arndt-Universität in stationärer Behandlung. Mindestens 24 Stunden vor der Intervention wurden die Patienten über die Intervention aufgeklärt. Hauptzuweiser waren die Abteilungen Pneumologie, Thoraxchirurgie und Gastroenterologie. Folgende Kriterien wurden zum Einschluss in die retrospektive Auswertung definiert: - Alter 21 bis 99 Jahre - vorhandene klinische Indikation zur Gewinnung einer Gewebeprobe mittels der perkutanen Lungenherdbiopsie. Die folgenden Kriterien führten zum Ausschluss von der Auswertung: - Vorhandensein eines Betreuungsverhältnisses/ fehlende Einwilligungsfähigkeit - allgemeine Kontraindikationen der Intervention: o erhöhte Blutungsneigung o auffälliger Gerinnungsstatus o Gesamtmorbidität lässt keine diagnostische Punktion zu. 7 2.2. Durchführung der CT-gestützten Biopsie pulmonaler Herde Die gezielte CT-gestützte Lungenbiopsie suspekter pulmonaler Herde erfolgte nach einem standardisierten Arbeitsablauf. Dieser wird im Folgenden beschrieben. 2.2.1. Indikation Für alle eingeschlossenen Patienten existierte eine klinische Indikation für die diagnostische Lungenbiopsie. Sie zeigten in der initialen Diagnostik unter anderem auffällige Befunde in der radiologischen Bildgebung. Die vordiagnostizierten Befunde wurden in einem interdisziplinären Tumorboard hinsichtlich differentialdiagnostischer Kriterien diskutiert und die Indikation zur Biopsie gestellt. Einschlusskriterien für die Biopsie waren die Bildmorphologie sowie größenprogediente oder therapierefraktäre Läsionen. Weiterhin wurde die Tumoranamnese berücksichtigt und eventuell vorhandene weitere metastasenverdächtige Läsionen außerhalb der Lunge in die Entscheidungsfindung einbezogen. Zudem wurde im interdisziplinären Austausch eine Risiko-/Nutzenbewertung der Lungenbiopsie durchgeführt. Das Tumorboard besteht aus Fachärzten der einzelnen Abteilungen. Im Rahmen dieser Konferenz wurde die Indikation zur diagnostischen Biopsie gestellt und die Machbarkeitsabschätzung interdisziplinär diskutiert. 2.2.2. Zugangsplanung und –vorbereitung Die Lungenpunktionen wurden von Ärzten der Fachabteilung Radiologie durchgeführt. Diese besaßen zum Zeitpunkt der Punktion jeweils einen unterschiedlichen Ausbildungsgrad. Im Falle, dass der Arzt sich in seiner Facharztausbildung befand, stand diesem ein Facharzt für Rückfragen zur Verfügung. Die Intervention wurde von einem Facharzt begleitet. 8 Patientenseitig sollten vor der Punktion möglichst normwertige Gerinnungsparameter vorliegen. In unserer klinischen Praxis haben sich die Schwellenwerte: INR 1,5, Thrombozytenzahlen von >50.000/µl bewährt. Gerinnungshemmende Medikamente wurden abgesetzt [31]. Die Interventionsplanung mit Planung des Zugangsweges der vordiagnostizierten Läsionen erfolgt mittels der vorhandenen Schnittbilddiagnostik. Diese Planung beinhaltete eine Abschätzung der Nadelgröße und die Länge der Biopsienadel. Der Patient wurde direkt vor der Untersuchung erneut über die Risiken und Komplikationen aufgeklärt und sein Einverständnis zur elektiven Intervention überprüft. Präinterventionell wurde ein peripher venöser Zugang sichergestellt, eine Messsonde zur Erfassung des Sauerstoffpartialdruckes und des Pulses platziert und gegebenenfalls eine Sauerstoffinsufflation angelegt. Die Lagerung des Patienten erfolgte in entspannter Position je nach Lokalisation des zu bioptierenden Areals in Seiten-, Rücken- oder Bauchlage. Bei der Auswahl entscheidend waren die Kürze des Zugangsweges, eine möglichst geringe Anzahl an Pleurapassagen, die Lage zu Bronchialbaum und Gefäßen sowie die individuelle Konstitution und Mobilität des Patienten. Dem Patienten wurde präinterventionell der Ablauf der Intervention mit Atemkommandos und Atemanhaltetechnik erläutert. 2.2.3. Prozedere der Biopsie Die Probeentnahme wurde durch 15 interventionelle Radiologen im Rahmen klinisch indizierter Diagnostik leitlinienadaptiert durchgeführt [14]. Geräteseitig kamen zwei Computertomographen, ein Lightspeed Ultra 8 (Softwareversion 07MW11.10_SP3-1-11.HP_P_G8_G_HPT GDAS8, General Electric Healthcare, Milwaukee, USA) und ein Somatom 16 (Softwareversion VB 30B, Siemens, Erlangen, Deutschland) zum Einsatz. Nach Anfertigung eines initialen CT-Scans der Region wurde die Interventionsplanung an die aktuellen Gegebenheiten angepasst. Die geplante Hauteintrittsstelle wurde auf den Patienten 9 durch Aufzeichnen übertragen. Es lagen sterile Kautelen vor. Nach Lokalanästhesie mittels 20 ml Lidocain 1% (Xylocitin, Jenapharm, Deutschland) erfolgte eine Hautstichinzision und die transkutane Platzierung der Biopsienadel unter mehrfacher CT-Kontrolle (3 Schichten/ 5mm Schichtdicke) jeweils in Inspirationsmittellage. Zur Biopsie wurden ausschließlich einhandtaugliche, halbautomatische, seitschneidende Hochgeschwindigkeitsbiopsiesysteme (Quick-Core Biopsy needle, Cook Medical, Bloomington, USA) mit einer 2 cm langen Probenkerbe benutzt. Dem interventionellen Radiologen oblag die Auswahl der Biopsienadelgröße. Es wurden Biopsienadeln von 14-18 Gauge verwendet. Die korrekte Nadellage in Relation zur zu bioptierenden Läsion wurde dokumentiert. Nach makroskopischer Sichtung der Probe auf Repräsentativität stand es dem Interventionalisten frei, weitere Proben zu entnehmen. Zum Ausschluss interventionsassoziierter Komplikationen wie Einblutung oder Pneumothorax wurde abschließend vor Umlagerung des Patienten ein Kontroll-CT durchgeführt. In Einzelfällen konnte eine dabei nachgewiesene schmale Pneumothoraxsichel präventiv [32] bereits während der Intervention abgesaugt oder eine Pleuradrainage mit assoziiertem Saugsystem eingebracht werden. Die Anlage einer Pleuradrainage oblag dem Interventionalisten, welcher in Abhängigkeit der Ausdehnung des Pneumothorax, der kurzfristigen Größenzunahme und vor allem der klinischen Situation des Patienten entschied [33]. Die gewonnenen Proben wurden in Formaldehydlösung fixiert und zur weiteren histopathologischen und gegebenenfalls immunhistochemischen Analyse an das Institut für Pathologie der Universitätsmedizin Greifswald versandt. In Einzelfällen wurde ein Teil der Gewebeproben für die mikrobiologische Untersuchung in Natriumchloridlösung eingebettet und an das Institut für Mikrobiologie weitergeleitet. 10 2.2.4. Nachsorge Das weitere Procedere nach Beendigung der Biopsie (Bettruhe für mindestens 4 Stunden, mindestens stündliche Kreislaufkontrolle, Kontrolle des Hämoglobinwertes nach 4 Stunden und gegebenenfalls Sauerstoffmonitoring) wurde im Befund und schriftlich fixiert. Der Patient selbst wurde ebenfalls für mögliche Symptome wie Schmerz, Luftnot oder Hämoptysen sensibilisiert. Asymptomatische Patienten wurden standardmäßig nach 4 Stunden Bettruhe zum Pneumothoraxausschluss zum Röntgen des Thorax in Exspiration in posterior-anteriorem Strahlengang im Stehen einbestellt. Bei Nichtvorliegen eines Pneumothorax, stabilen Vitalparametern und fehlender Symptomatik entfielen weitere Kontrolluntersuchungen. Symptomatische Patienten wurden im Falle eines Pneumothoraxnachweises engmaschiger Überwachung unterzogen. Bei geringem Pneumothoraxausmaß wurde in klinischer Korrelation im Konsens mit den Kollegen der Stationen ein konservatives Prozedere mit Sauerstoffgabe und Kontrolluntersuchungen favorisiert. Bei ausgedehnten Pneumothoraces waren teils eine Absaugung oder eine Drainageanlage indiziert [34]. Zusätzlich wurden Komplikationen registriert, welche direkt nach der Intervention und sofern möglich im Rahmen des weiteren stationären Aufenthaltes auftraten. 2.3. Definitionen und Datenanalyse Die Endpunkte dieser Studie wurden wie folgt definiert: a) Technischer Erfolg: Ein „technischer Erfolg“ war definiert als vollständig durchgeführte Biopsieprozedur mit histopathologischer Bestätigung einer malignen Läsion. 11 Im Falle, dass die histopathologische Analyse die Diagnose einer benignen Läsion ergab, wurde standardisiert eine Verlaufskontrolle nach 3 bis 6 Monaten durchgeführt. Bei dann nachgewiesener Größenkonstanz oder –regredienz war abschließend von einer benignen Läsion auszugehen. Im Falle einer negativen Biopsie und bildmorphologisch klaren Malignitätskriterien erfolgte nach erneutem Beschluss des interdisziplinären Tumorboards eine weitere Biopsie, Operation oder eine Verlaufskontrolle. In diese Auswertung wurde ausschließlich die primäre Biopsie eines Patienten einbezogen und Reinterventionen nicht berücksichtigt. b) Komplikationsrate: Die Komplikationen wurden nach den „Standards of Practice Committee Classification of Complications by Outcome“ der Society of Interventional Radiology (SIR) erfasst [14]. „Major-“ und „Minor-“ Komplikationen wurden während des Klinikaufenthaltes aufgezeichnet. Die häufigsten Komplikationen wie Pneumothoraces und/oder Einblutungen wurden mit der Kontroll-CT direkt nach der Biopsie oder im Rahmen der Röntgenuntersuchung des Thorax in Exspiration nach 4 Stunden diagnostiziert. Infekte wurden im Rahmen des Klinikaufenthaltes dokumentiert. - Minorkomplikation: interventionsassoziierte Komplikation, welche keiner weiteren Behandlung bedarf, zum Beispiel spontan resorbierter schmaler Pneumothorax. - Majorkomplikation: interventionsassoziierte Komplikation, welche eine weitere Behandlung und/oder einen verlängerten Krankenhausaufenthalt nach sich zieht, zum Beispiel perkutan drainierter Pneumothorax. Den technischen Erfolg und die Komplikationsrate beeinflussende Prädiktoren wurden wie folgt definiert: 12 - interventionsassoziiert: o Läsionsgröße (größter Durchmesser) o Länge des Zugangsweges (maximale Distanz von der Haut bis zum Zentrum der Läsion) o Nadelgröße (14-18 Gauge) o Anzahl der Pleurapassagen (eine oder mehr) - patientenassoziiert: o Alter o Geschlecht o strukturelle Lungenerkrankungen wie Emphysem, bildgebend definiert [35] - interventionalistenassoziiert: o Unterschiede im Ergebnis (technischer Erfolg und Komplikationen) zwischen den durchführenden Interventionalisten 2.4. Statistik Die demographischen Daten wurden als Mittelwert ± Standardabweichung angegeben. Die technische Erfolgsrate und die Komplikationen wurden als Prozentangabe dargestellt. Die Datenverteilung wurde als gruppierte Box-Plots visualisiert. Signifikante Differenzen zwischen den Gruppen wurden mittels Wilcoxon-Rangsummentest identifiziert. Zusätzlich wurden binäre und multinominale logistische Regressionsmodelle zur Bestimmung der Odds ratio mit 95% Konfidenzintervall zur Analyse des technischen Erfolges, der Komplikationsrate und möglicher Prädiktoren benutzt. 13 Die statistische Analyse erfolgte mittels SAS, Version 9.3 (SAS, Version 9.3, SAS Institute, Inc., Cary; NC, USA). 14 3. Im Ergebnisse angegebenen Studienzeitraum wurden insgesamt 138 Patienten mit einem malignitätssupekten pulmonalen Tumor einer CT-gestützten Biopsie zugeführt. Die Studienpopulation bestand aus 98 Männern und 40 Frauen. Alle Patienten zusammen hatten ein mittleres Alter von 66,6 ± 10,7 Jahre. Emphysematische Lungengerüstveränderungen wurden bei 71 Patienten (51,5%) nachgewiesen. Die histopathologische Diagnose war in 121 Fällen maligne, in 17 Fällen handelte es sich um eine benigne Läsion. Histopathologisch bestand der Datensatz aus Adenokarzinomen (n = 56, 40,6%), Plattenepithelkarzinomen (n = 19, 13,8%), kleinzelligen Karzinomen (n = 16, 11,6%), Metastasen (n = 20, 14,5%), jedoch auch Narben- oder Bindegeweben oder Nekrosen (n = 8, 5,8%), grosszelligen Karzinomen (n = 3, 2,2%), Sarkoidosen (n = 2, 1,4%) und floriden Entzündungen (n = 2, 1,4%), der Manifestationen eines B-Zell-Non-HodgkinLymphoms (n = 2, 1,4%), einem adenoidzystischen Karzinom (n = 1, 0,7%) sowie sonstige Entitäten wie Aspergillose, Anthrakose, Granulom, Leiomyom, Hamarthrochondrom, aber auch neuroendokrine Tumoren der Lunge (n = 9, 6,5%) waren nachweisbar (Abbildung 1). Die pulmonalen Tumoren hatten einen mittleren Durchmesser von 4,1 ± 2,5 cm mit einer Spannweite von 1,0 bis 11,5 cm. Die Länge des Zugangsweges war im Mittel 9,0 ± 2,2 cm mit einer Spannweite von 3,5 bis 15,0 cm. Es wurden folgende Nadelgrößen verwendet: 14 Gauge bei 17 Patienten (12,3%), 16 Gauge bei 69 Patienten (50,0%) und 18 Gauge bei 52 Patienten (37,7%). Die Anzahl der Pleurapassagen war 1 bei 68 Patienten, 2 bei 57 Patienten, 3 bei 10 Patienten und 4 oder mehr bei 3 Patienten. Ein gesamter technischer Erfolg, basierend auf der histopathologischen Diagnose, resultierte bei 116 Patienten (84,1%). Bei 22 Patienten führte die primäre Biopsie nicht zum diagnostischen Erfolg. In diesen Fällen wurde die Diagnose durch erneute Biopsie (n = 12) oder operativ (n = 8) oder durch Kontrolluntersuchung (n = 2) gestellt. 15 Histopathologische Ergebnisse Adenokarzinom Plattenepithelkarzinom 2 21 3 2 Kleinzelliges Lungenkarzinom 9 8 56 Metastasen (RCC, Mundboden-PECA, Colon,Mamma, Prostata) Bindegewebe, Narbe, Nekrose 20 Sonstige Großzelliges Karzinom Sarkoidose 16 19 Entzündung B-NHL adenoidzystisches Karzinom Abbildung 1: Aufstellung der Ergebnisse aller Lungenbiopsien. Die überwiegende Mehrzahl der anzutreffenden Entitäten (65,9%) entfällt auf Adenokarzinome, Plattenepithelzellkarzinome und kleinzellige Karzinome. Bei 83 Patienten traten insgesamt 91 Komplikationen auf (60,1%), davon 62 Minorkomplikationen (n = 54 Patienten; 39,1%) und 29 Majorkomplikationen (n = 29 Patienten; 21,0%). Diese Komplikationen waren in 21 Fällen (15,0%) Einblutungen, in 68 Fällen (49,3%) Pneumothoraces und Hämoptysen in 2 Fällen (1,5%). 43% (n = 29) der 16 Patienten mit Pneumothorax benötigten eine Pleurasaugdrainage, gerechnet auf die Gesamtanzahl der untersuchten Gruppe waren dies 21%. Hinsichtlich des Patientenalters, der Läsionsgröße, der Länge des Zugangsweges, der Biopsieanzahl pro Intervention und des Vorhandenseins von Emphysemzeichen fand sich kein Einfluss auf den technischen Erfolg (Tabelle 1, Abbildung 2). technischer Erfolg* OR p (95%-CI) Komplikationen* OR (95%CI) p Minorkomplikationen** Majorkomplikationen** OR (95%-CI) p OR (95%-CI) p 0.02 1.03 (0.99; 1.08) 0.15 Alter, pro Jahr 0.98 (0.94; 1.03) 0.45 1.04 (1.01; 0.02 1.08) 1.05 (1.01; 1.09) Durchmesser der bioptierte Läsion, in cm 0.96 (0.81; 1.15) 0.67 0.75 (0.64; <0.01 0.87) 0.76 (0.64; <0.01 0.90) 0.73 (0.59; <0.01 0.90) Zugangsweglänge vom Hautniveau zur Läsionsmitte, in cm 1.07 (0.87; 1.32) 0.53 1.24 (1.05; 0.01 1.46) 1.21 (1.01; 1.44) 0.04 1.29 (1.04; 1.60) 0.02 Emphysemzeichen 1.07 (0.43; 2.67) 0.88 1.04 (0.52; 0.92 2.05) 0.83 (0.39; 1.76) 0.63 1.58 (0.63; 3.95) 0.33 Wiederholung der Biopsie 1.60 (0.64; 4.04) 0.32 0.61 (0.31; 0.16 1.21) 0.77 (0.36; 1.65) 0.51 0.38 (0.15; 0.96) 0.04 Tabelle 1: Prädiktoren perkutaner transthorakaler Lungenbiopsien potentiell maligner pulmonaler Tumore: Odds ratio (OR) mit 95% Konfidenzintervall (CI) für technischen Erfolg und Komplikationen (Major- und Minorkomplikationen). 17 Abbildung 2: Technische Erfolgsrate CT-gesteuerter perkutaner transthorakaler Lungenbiopsien pulmonaler Tumore in Bezug auf das Patientenalter, den Läsionsdurchmesser und die Länge des Zugangsweges. Es wurden keine signifikanten Unterschiede detektiert. Das Patientenalter, der Läsionsdurchmesser und die Länge des Zugangsweges hatten einen signifikanten Einfluss auf das Auftreten von Komplikationen (Tabelle 1, Abbildung 3). Patienten mit Minorkomplikationen waren im Median 4 Jahre älter (Abbildung 3). 18 Abbildung 3: Prädiktoren der Komplikationsrate CT-gesteuerter perkutaner transthorakaler Biopsien potentiell maligner pulmonaler Tumore im Zusammenhang mit dem Patientenalter, dem Läsionsdurchmesser und der Zugangsweglänge (* p<0.05). Die Odds ratio der Komplikationen (zusammengefasst aus Minor- und Majorkomplikationen) stieg um 4% pro Lebensjahr (Tabelle 1). Weiterhin erhöhte ein längerer Weg bis zur Läsion die Odds ratio der Komplikationen um 24%. Die Läsionsdiameter waren 2 cm kleiner bei Patienten mit Komplikationen, dies zeigt sich in einer 25% reduzierten Odds ratio der Komplikationen pro cm zunehmenden Tumordurchmessers. Die Durchführung der Biopsie verteilte sich auf eine Gruppe von interventionell tätigen Radiologen. Es wurden ausschließlich die Interventionalisten in die Analyse einbezogen, welche mindestens 5 Biopsien im Studienzeitraum durchgeführt hatten. Insgesamt 135 Biopsien, verteilt auf 15 verschiedene interventionelle Radiologen, wurden in die Analyse eingeschlossen (Abbildung 4). 19 Abbildung 4: Technischer Erfolg (obere Hälfte) und Komplikationsrate (untere Hälfte) der verschiedenen interventionellen Radiologen. Nachweis von Unterschieden zwischen dem technischen Erfolg zwischen den interventionellen Radiologen. Dies legt nahe, dass der Interventionalist selbst ein Prädiktor für den Ausgang der zielgesteuerten CT-gestützten Lungenherdbiopsie ist. Die technische Erfolgsrate der einzelnen Interventionalisten reichte von 25% bis 100% (p < 0,01). Die Komplikationsrate schwankte zwischen 25% und 88%. Im Gegensatz zum technischen Erfolg konnten hier jedoch keine signifikanten interindividuellen Unterschiede detektiert werden (p = 0,52). 20 4. Diskussion In dieser Studie wurden Einflussgrößen auf den technischen Erfolg und die Komplikationsrate perkutaner transthorakaler Lungenbiopsien von malignitätssuspekten pulmonalen Tumoren untersucht. Patienten- oder interventionsassoziierte Prädiktoren hatten in unserer Studie keinen Einfluss auf den technischen Erfolg perkutaner Lungenbiopsien. Im Gegensatz dazu wurde die Komplikationsrate vom Patientenalter, von dem Läsionsdiameter und der Länge des Zugangsweges beeinflusst. In unserer Untersuchung zeigten sich signifikante interindividuelle Unterschiede der technischen Erfolgsrate zwischen den einzelnen, die Biopsie durchführenden interventionellen Radiologen. In Betrachtung der Komplikationsrate der Interventionalisten zeichnet sich ein Trend ab, der jedoch aufgrund der geringen Fallzahlen nicht signifikant differierte. Vorstudien belegen, dass perkutane transthorakale Lungenbiopsien von pulmonalen Läsionen eine hohe technische Erfolgsrate besitzen. In der Literatur werden technische Erfolgsraten von 88-97% beschrieben [10, 27, 36-40]. Die Erfolgsrate unseres untersuchten Kollektivs ist mit 84% mit den Vorstudien vergleichbar und liegt höher als die in den aktuellen Guidelines der Society of Interventional Radiology empfohlene Rate von 75% [14]. Die Läsionsgröße wird in der Literatur als möglicher Prädiktor des technischen Erfolges aufgeführt [22, 23]. Yuan DM et al. fanden eine signifikant höhere technische Erfolgsrate bei größeren Läsionen gegenüber kleineren Tumoren [43]. Soweit mit unseren Ergebnissen vergleichbar, wurde von Li et al. der technische Erfolg bei Feinnadelbiopsien (Aspirationstechnik) von Läsionen <1,5 cm (median 1,2 cm) versus Läsionen >1,5 cm (median 3,09 cm) untersucht [27]. Die Arbeitsgruppe fand eine signifikant geringere technische Erfolgsrate für Biopsien kleiner Läsionen (74% versus 97%, p<0,05) Dies konnten wir in unserer Studie nicht bestätigen [27]. In der Theorie lässt sich vermuten, dass je kleiner die zu punktierende Läsion ist, desto geringer Chance ist, sie zu treffen. Dennoch konnten wir anhand unserer Daten die Größe als Prädiktor für den technischen Erfolg nicht bestätigen. Dies kann daran liegen, dass wir im Rahmen des interdisziplinären Tumorboards die Indikation und die Machbarkeit jedes einzelnen Patienten kritisch diskutierten. 21 Weiterhin wird die Lage der Läsion als ein möglicher Prädiktor für den technischen Erfolg diskutiert [41]. Entgegen den Ergebnissen mancher anderer Arbeitsgruppen konnten in unserer Untersuchung weder interventionsbezogene noch patientenbezogene Faktoren den technischen Erfolg beeinflussen [41]. Miller et al. beschrieben neben spikulierter Kontur eine höhere Läsionstiefe als Prädiktor für den technischen Erfolg [42]. Eine Auswertung der Kontur erfolgte in unserer Studie nicht. Höhere Läsionstiefe und –grösse wurde auch in einer neueren Arbeit von Guimaraes et al. als Prädiktor des technischen Erfolges beschrieben [40]. Weiterhin konnten wir keinen Einfluss von Patientenalter und dem technischen Erfolg finden. Ebenso fanden wir keinen Zusammenhang zwischen dem technischen Erfolg und dem Emphysemstatus des Patienten. Sicherlich existieren weitere Faktoren, welche die technische Erfolgsrate beeinflussen. Diese müssen in weiteren prospektiven Studien evaluiert werden. Wir erhoben eine Gesamtkomplikationsrate von rund 60%. Die Rate der Komplikationen schwankt nach Literaturaussagen zwischen 19%-51% [43, 44]. Es bleibt zu berücksichtigen, dass die Definition der Komplikation selbst und die Art, wie diese detektiert wurde, in Abhängigkeit der Publikationen nicht einheitlich aufgeführt wurden. Als Komplikationen waren 15% Einblutungen, 2% Hämoptysen und 49% Pneumothoraces zu verzeichnen. Seltene Komplikationen wie Luftembolien wurden nicht beobachtet. Auch in der Literatur werden lediglich Einzelfälle mit Luftembolien beschrieben [45, 46]. Die aufgetretenen Einblutungen und Hämoptysen waren ausnahmslos Minorkomplikationen. Die Rate an pulmonalen Hämorrhagien ist vergleichbar mit der aktuellen Studienlage [47, 48]. Dort werden Raten von 14–42% beschrieben [47, 48]. Tiefer als 2 cm im Lungenparenchym gelegene Läsionen wurden mit vermehrtem Blutungsrisiko assoziiert beschrieben [49]. Diese Hypothese wurde anhand unserer Daten nicht überprüft. Die Pneumothoraces waren sowohl Minor- als auch Majorkomplikationen. Die interventionsbedingte Pneumothoraxrate differiert in der Literatur sehr stark. So wurde von Fink et al. noch eine Rate von 64,3% angegeben [50]. Die Arbeitsgruppe von Klein et al. berichtet von einer Pneumothoraxrate nach Lungenbiopsien von 54% [47]. In den aktuellen „Quality Improvement Guidelines for Percutaneous Needle Biopsy“ der Society of Interventional Radiology von 2010 werden Pneumothoraxraten von 12-45% beschrieben [14]. An anderer Stelle wird in einer Metaanalyse verschiedener Quellen eine Pneumothoraxrate 22 zwischen 26-54% erhoben [15]. Die in der Literatur beschriebene Pneumothoraxrate ist mit unseren Daten vergleichbar. Spätpneumothoraces wurden in unseren Daten keine gefunden, diese wurden in der Literatur jedoch in zwei Fällen berichtet [51]. In unserer Studienpopulation benötigten 43% der Pneumothoraxgruppe eine Pleuradrainage. In der Literatur variiert auch dieser Wert zwischen 2-15%, [14] beziehungsweise 1,6-18% [15]. Aus den Publikationen wird jedoch nicht ersichtlich ob die versorgte Pneumothoraxrate sich auf die Gesamtpopulation oder auf die Patienten bezieht, welche bereits nach der Intervention einen Pneumothorax hatten. Bezogen auf die gesamte Studienpopulation wären unsere Ergebnisse (21%) vergleichbar. Die Pleuradrainagenanlage im Falle eines Pneumothorax ließe sich sicherlich durch die häufigere Verwendung einer temporären Absaugung reduzieren. Dies wird von Yamagami et al. eindrucksvoll beschrieben [32]. Hierfür sind weitere Studien erforderlich. Anderson et al. detektierten die Läsionsgröße und den Hautabstand sowie die Anzahl an Pleurapassagen als Prädiktor für das Auftreten eines iatrogenen Pneumothorax [52]. Als mögliches modulierendes Element werden in der Literatur bei Gohari et al. die oft nötige Umpositionierung der Biopsienadel und die verlängerte Interventionsdauer bei tiefen und kleinen Läsionen angeführt [53]. Kazerooni et al. berichten von einem Zusammenhang zwischen der Anzahl der Pleurapassagen und der Pneumothoraxinzidenz [28]. Dies wurde durch die Arbeit von Poe et al. gestützt [54]. Die Läsionsgröße als Prädiktor für Pneumothoraces wird ebenfalls kontrovers diskutiert. Wenige Studien kommen wie wir zu dem Ergebnis, dass die Tumorgröße keinen Einflussfaktor darstellt [55]. Unsere Daten zeigen, dass bezogen auf die generellen Komplikationsraten, die Rate der Komplikationen, darunter der Pneumothorax, für kleinere Lungenläsionen erhöht ist. Die Läsionstiefe wurde von Yeow et al. als Einflussgröße für Pneumothoraces beschrieben [49]. Yeow et al. zeigte eine größeres Pneumothoraxrisiko für Läsionen mit einem Pleuraabstand von weniger als 2 cm. Dem folgend wurde für pleuranahe Läsionen ein längerer transparenchymaler Biopsieweg empfohlen. Konträr zu dieser Aussage steht die Analyse von Cox et al., welche eine größere Läsionstiefe mit einem geringeren 23 Pneumothoraxrisiko verbindet [29]. Wir konnten in unseren Ergebnissen zeigen, dass die Rate der Komplikationen für Patienten mit längerem Punktionsweg größer ist. Die Nadelgröße wurde in unserer Untersuchung nicht als Prädiktor für Komplikationen identifiziert. Dies deckt sich mit den Ergebnissen in der Literatur [56]. Allerdings haben Geraghty et al. nachweisen können, dass einer Reduktion der Nadelgröße von 18 G auf 19 G zu einer 50 % niedrigeren Pneumothoraxrate führte [55]. Eine 19 G- Biopsienadel kommt in unserem Institut nicht zur Anwendung. Wir erheben in unserer Arbeit weitere Prädiktoren, welche Einfluss auf die Komplikationsrate besitzen, wie das Patientenalter (Minorkomplikationen). In der Literatur wird dies von Geragthy et al. beschrieben [55], wohingegen Guimaraes et al. keinen Zusammenhang nachweisen konnten [40]. Ebenfalls zeigte die Anzahl der Pleurapassagen einen Effekt auf die Majorkomplikationsrate, hier allerdings als protektiver Faktor. Wir können uns das nur so erklären, dass die Läsionen, welche mehrfach punktiert wurden, oberflächliche pleuraständige große Herdebefunde sind, welche bezogen auf die Gesamtkohorte sicherlich weniger Komplikationen verursachten. Insgesamt wird an der aktuellen, zum Teil kontroversen Studienlage zu den Prädiktoren von Lungenbiopsien deutlich, dass weitere Prädiktoren existieren müssen, welche die Inhomogenität der Daten erklären. Wir denken, dass der Interventionalist den größten Einfluss auf die technische Erfolgsrate und auch auf die Komplikationsrate besitzt. Trotz der niedrigen Fallzahlen konnten wir diese Hypothese bereits für die technische Erfolgsrate bestätigen. Dennoch sind weitere Studien erforderlich, welche die Fähigkeiten des Interventionalisten als Prädiktor der perkutanen Lungenbiopsie suspekter Tumore hinsichtlich technischer Erfolgsrate und Komplikationen weiterführend untersuchen. Unsere Untersuchung besitzt folgende Limitationen: Erstens liegt eine retrospektive Betrachtung mit einer noch geringen Fallzahl vor. Zweitens wurden, im Gegensatz zu anderen Publikationen, die perkutane transthorakale Lungenbiopsie durch eine hohe Anzahl verschiedener interventioneller Radiologen durchgeführt. Genau dieser Faktor macht jedoch den Neuheitsgrad unserer Untersuchung aus. Dennoch sind wahrscheinlich die Fallzahlen zu gering, um statistisch belastbare Ableitungen über die Fähigkeiten interventionell tätiger 24 Radiologen zu erhalten. Hierfür ist eine weitere Studie geplant, möglicherweise mit prospektivem Studiendesign. Zusammenfassend wird das Resultat der perkutanen transthorakalen Lungenbiopsie malignitätssuspekter pulmonaler Tumore, speziell der technische Erfolg, durch den interventionellen Radiologen beeinflusst. Weiterhin bestätigten wir den Läsionsdiameter und die Länge des Zugangsweges als relevante Komplikationsrate. 25 Prädiktoren im Hinblick auf die 5. 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Abbildung 3: Prädiktoren der Komplikationsrate CT-gesteuerter perkutaner transthorakaler Biopsien potentiell maligner pulmonaler Tumore im Zusammenhang mit dem Patientenalter, dem Läsionsdurchmesser und der Zungangsweglänge (*p<0.05). Abbildung 4: Technischer Erfolg (obere Hälfte) und Komplikationsrate (untere Hälfte) der verschiedenen interventionellen Radiologen. Nachweis von Unterschieden zwischen dem technischem Erfolg zwischen den interventionellen Radiologen. Dies legt nahe, dass der Interventionalist selbst einen Prädikator für den Ausgang der zielgesteuerten CT-gestützten Lungenherdbiopsie ist. Tabelle 1: Prädiktoren perkutaner transthorakaler Lungenbiopsien potentiell maligner pulmonaler Tumore: Odds ratio (OR) mit 95% Konfidenzintervall (CI) für technischen Erfolg und Komplikationen (Major- und Minorkomplikationen). 31 7. Abkürzungsverzeichnis B-NHL B-Zell-Non Hodgkin Lymphom CI Konfidenzintervall CT Computertomographie INR International Normalized Ratio NET Neuroendokriner Tumor OR Odds ratio PECA Plattenepithelkarzinom RCC Renalzellkarzinom RKI Robert-Koch-Institut, Nordufer 20, 13353 Berlin DRG Deutsche Röntgengesellschaft DeGIR Deutsche Gesellschaft für interventionelle Radiologie CIRSE Cardiovascular and Interventional Radiological Society of Europe RSNA Radiological Society of North America 32 8. Anlagen zur kumulativen Promotion 8.1. Zusammenfassung / Abstract PLoS One. 2015 Apr 9;10(4):e0124947. doi: 10.1371/journal.pone.0124947. Predictors of technical success and rate of complications of image-guided percutaneous transthoracic lung needle biopsy of pulmonary tumors. Otto S(1), Mensel B(1), Friedrich N(2), Schäfer S(1), Mahlke C(1), von Bernstorff W(3), Bock K(1), Hosten N(1), Kühn JP(1). (1)Department of Diagnostic Radiology and Neuroradiology, University Medicine Greifswald, Greifswald, Germany. (2)Institute of Clinical Chemistry and Laboratory Medicine, University Medicine Greifswald, Greifswald, Germany. (3)Department of Surgery, Division of General, Visceral, Thoracic and Vascular Surgery, University Medicine Greifswald, Greifswald, Germany. PURPOSE: To investigate predictors of technical success and complications of computed tomography (CT)-guided percutaneous transthoracic needle biopsy of potentially malignant pulmonary tumors. MATERIAL AND METHODS: From 2008 to 2009, technical success and rate of complications of CT-guided percutaneous transthoracic lung needle biopsies of patients with suspicious pulmonary tumors were retrospectively evaluated. The influence on technical success and rate of complications was assessed for intervention-related predictors (lesion diameter, length of biopsy pathway, number of pleural transgressions, and needle size) and patient-related predictors (age, gender, reduced lung function). In addition, technical success and rate of complications were compared between different interventional radiologists. RESULTS: One hundred thirty-eight patients underwent biopsies by 15 interventional radiologists. The overall technical success rate was 84.1% and was significantly different between interventional radiologists (range 25%-100%; p<0.01). Intervention-related and patient-related predictors did not influence the technical success rate. The overall complication rate was 60,1% with 39.1% minor complications and 21.0% major complications. The rate of complications was influenced by lesion diameter and distance of biopsy pathway. Interventional radiologist-related rates of complications were not statistically different. CONCLUSIONS: Technical success of percutaneous, transthoracic lung needle biopsies of pulmonary tumors is probably dependent on the interventional radiologist. In addition, lesion diameter and length of biopsy pathway are predictors of the rate of complications. PMCID: PMC4391827; PMID: 25855983 33 8.2. Originalarbeit 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 9. Danksagung Mein vorrangiger Dank gilt meinen Eltern für die wohlwollende, fördernde Begleitung meines Weges, meiner Frau Mareile Otto für Ihre liebevolle Unterstützung und meinem Sohn Matthes Fritz Otto für sein selbstloses Verständnis. Mein besonderer Dank gilt Herrn Univ.-Prof. Dr. med. Norbert Hosten für die geduldige Einführung in die wissenschaftliche Arbeitsweise, Herrn Prof. Dr. med. Jens-Peter Kühn für die konstruktiv-kollegialen Anregungen, wertvollen Tipps und kritischen Überarbeitungshinweise sowie Herrn PD Dr. med. Sönke Langner für die strukturellen Hinweise und zielgerichteten Anmerkungen. Zusätzlich danke ich allen weiteren Kollegen, welche bei der Idee und Umsetzung des Projektes mitgewirkt haben. 44