Powered by Seiten-Adresse: https://www.gesundheitsindustriebw.de/de/fachbeitrag/aktuell/fuer-eine-impfung-gegenhautkrebs/ Für eine Impfung gegen Hautkrebs Papillomviren stehen im Verdacht, in Verbindung mit UV-Strahlung weißen Hautkrebs zu induzieren, besonders bei Patienten mit unterdrückter Immunabwehr. Forscher vom DKFZ und der Charité Berlin haben einen Impfstoff entwickelt, der im Mausmodell vollständig vor solchen Hauttumoren schützt - selbst dann, wenn die Tiere schon vor der Impfung mit den Viren infiziert waren und ihre eigene Immunabwehr unterdrückt wurde. Die Befunde bieten eine Basis für die Entwicklung von Impfstoffen gegen Papillomvirus-induzierten Hautkrebs. In den 1980er Jahren erbrachte Professor Harald zur Hausen, der langjährige Vorsitzende des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ), überzeugende Beweise dafür, dass Viren beim Menschen Krebs auslösen können. Er zeigte, dass bestimmte Typen von humanen Papillomviren (HPV) - vor allem die durch sexuellen Kontakt übertragenen Viren HPV16 und HPV18 - Gebärmutterhalskrebs verursachen. Zur Hausens Lebenswerk, für das er 2008 den Nobelpreis erhielt, wurde mit der Entwicklung von Impfstoffen zur Prävention von Gebärmutterhalskrebs gekrönt, der ersten erfolgreichen Krebsimpfung weltweit (s. „Krebserregende humane Papillomviren", Link rechts). Seitdem hat sich unter den Krebsforschern allmählich die Einsicht durchgesetzt, dass eine virusinduzierte Karzinogenese kein exotischer Spezialfall, sondern ein weit verbreitetes Prinzip ist; auch Harald zur Hausen wird nicht müde, weitere Belege und Indizien für eine virusinduzierte Karzinogenese zu sammeln. Die Schwierigkeit liegt darin, dass viele Faktoren zum Prozess der Krebsentstehung zusammenkommen müssen und meist Jahre vergehen, bevor man ihn beim Menschen nachweisen kann. Die Beiträge der einzelnen Faktoren sind schwer abzuschätzen, geschweige denn zu kontrollieren. Man benötigt daher Modellsysteme, die der Situation beim Menschen möglichst nahe kommen. Ein Tiermodell für virusinduzierten Hautkrebs Mit der Vielzitzenmaus Mastomys coucha haben Professor Frank Rösl, Leiter der Abteilung für Virale Transformationsmechanismen am DKFZ, und seine Mitarbeiter ein ausgezeichnetes Tiermodell zur Untersuchung der Rolle von Papillomviren bei der Entstehung von Hauttumoren. Die am DKFZ gehaltene Mäusekolonie ist - wie die meisten Menschen auch natürlicherweise mit Papillomviren infiziert. Bei der Maus sind das Viren vom Typ MnPV (Mastomys natalensis Papillomavirus), die den menschlichen HPV-Typen sehr ähnlich sind. Die 1 Die Vielzitzenmaus Mastomys coucha © F. Rösl, DKFZ Infektion von Mastomys mit MnPV erfolgt sehr früh nach der Geburt. In den meisten Fällen verursachen die Viren in der Haut der Vielzitzenmaus keinen bösartigen Krebs, sondern Warzen (Papillome) und benigne (gutartige) Tumoren (Keratoakanthome). Diese können aber – ebenso wie beim Menschen - Vorstufen eines malignen (bösartigen) Tumors sein, der auch als weißer Hautkrebs bezeichnet wird (non-melanoma skin cancer, NMSC, im Gegensatz zu dem äußerst gefährlichen Melanom oder schwarzen Hautkrebs). Bei Mastomys kann die Transformation in maligne Hauttumoren auch experimentell sehr effizient erzeugt werden, indem man ein Karzinogen und anschließend mehrfach einen sogenannten TumorPromotor (der das Tumorwachstum fördert, aber selbst nicht karzinogen ist) gibt. Querschnitt eines bösartigen Hauttumors in Mastomys coucha. Die sich teilenden Tumorzellen sind rot eingefärbt. © H-J. Gröne, DKFZ Beim Menschen gehört weißer Hautkrebs nicht nur zu den häufigsten Krebsarten überhaupt, seine Häufigkeit nimmt auch weltweit rasant zu. In Deutschland beispielsweise haben sich die 2 Fallzahlen im letzten Jahrzehnt verdoppelt. Glücklicherweise kann weißer Hautkrebs wegen seiner exponierten Lage an der Hautoberfläche frühzeitig erkannt werden; er hat nur eine geringe Tendenz zur Metastasierung und ist im Frühstadium gut heilbar. Da die Krebszellen aber das ganze Gewebe durchwachsen und bei der Operation große Bereiche entfernt werden müssen, können die Folgen durch entstellende Narben dennoch verheerend sein, erklärt Prof. Dr. Petra Boukamp, die Leiterin der Abteilung Genetik der Hautkarzinogenese am DKFZ. Als Hauptrisikofaktor für die Entstehung von weißem Hautkrebs gilt UV-Strahlung; extensives Sonnenbaden und übermäßige Benutzung von Solarien haben einen wesentlichen Anteil an der Zunahme des weißen Hautkrebses in Deutschland. Schutz auch bei unterdrücktem Immunsystem Besonders auffällig ist die hohe Inzidenz von auffälligen Warzen und weißem Hautkrebs bei Menschen, deren Immunsystem chronisch unterdrückt ist. Nach einer landesweiten Studie in Schweden waren davon beispielsweise 56 Prozent aller Patienten betroffen, die als Empfänger von Organtransplantaten über längere Zeit immunsuppressive Medikamente einnehmen mussten. Bei ihnen war das Risiko, an NMSC zu erkranken, 250-mal höher als in der allgemeinen Bevölkerung. Für Rösl und seine Mitarbeiter war der Zusammenhang offensichtlich, dass Papillomviren das Tumorrisiko durch UV-Strahlung verstärken, dass aber in der Regel das Immunsystem die Viren abwehren kann. „Und weil sich der Kontakt mit UVLicht aufgrund der Sonneneinstrahlung nicht vollständig vermeiden lässt, war unser Ansatz klar: Wir wollten eine Impfung gegen die HPV-Typen in der Haut entwickeln“, sagt Rösl. Als experimentelles System für die Impfstoffentwicklung bot sich den Wissenschaftlern die Maus Mastomys coucha an. Prof. Frank Rösl und Nobelpreisträger Prof. Harald zur Hausen. Zwischen ihnen Prof. Nguyen Tran Hien vom National Institute of Hygiene and Epidemiology in Hanoi, Vietnam, mit dem 2011 eine Forschungskooperation über HautPapillomviren vereinbart worden ist. © DKFZ Zur Immunisierung der Mäuse verwendeten die Forscher sogenannte virusähnliche Partikel („virus-like particles“, VLP), die aus den Hüllen der Papillomviren bestehen, aber kein infektiöses Erbgut enthalten. Als Immunantwort auf die Impfung entwickelten die Tiere Antikörper gegen die Virushüllen, die im Blut nachgewiesen werden konnten. „Wenn diese Antikörper mit vollständigen, infektiösen Viren in Kontakt kommen, kann das Immunsystem 3 die Eindringlinge bekämpfen“, erklärte Dr. Sabrina E. Vinzón, Erstautorin der jetzt veröffentlichten präklinischen Studie in Kooperation mit der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Ingo Nindl an der Berliner Charité. Unter allen geimpften Mäusen wurden keine Hauttumoren gefunden – weder gutartige noch bösartige. Dass dieser beobachtete Schutz tatsächlich auf den durch die Impfung erzeugten VLP-Antikörpern beruht, welche die zur Tumorbildung erforderlichen Viren langfristig neutralisierten, konnte durch verschiedene experimentelle Ansätze belegt werden. Rösl und seine Mitarbeiter haben am DKFZ auch eine von MnPV komplett freie MastomysKolonie aufgebaut. Infizierte man diese unter sterilen Bedingungen gehaltenen Mäusen mit MnPV, so entstanden wie bei den natürlich infizierten Tieren benigne und maligne Tumoren. Gab man den virusfreien Mäusen jedoch erst den VLP-Impfstoff und infizierte sie anschließend mit MnPV, entwickelten sich keine Tumoren. Die spezifische Wirkung des Impfstoffs zeigte sich eindrücklich in Experimenten mit Tieren, deren eigenes Immunsystem unterdrückt wurde. Eine chronische Immunsuppression erzielten die Forscher bei den Mäusen durch Behandlung mit Cyclosporin A. Diese Tiere entwickelten gutartige und bösartige Tumoren in ihrer Haut – vergleichbar der Situation von immunsupprimierten Patienten, die Organtransplantate erhalten. Wenn man die immunsupprimierten Mäuse aber mit der Vakzine gegen die Virushüllen von MnPV impfte, war der Schutz vor vrusinduzierten Hauttumoren - unabhängig vom Status der Infektion zum Zeitpunkt der Impfung - ebenso vollständig wie bei geimpften Mäusen mit intaktem Immunsystem. Das sind aufregende und ermutigende Ergebnisse. Sie belegen nicht nur überzeugend die Rolle von Papillomviren bei der Entstehung von weißem Hautkrebs, sondern bilden auch eine solide Grundlage für die klinische Entwicklung von Impfstrategien, die einen wirksamen Schutz vor HPV-induzierten Hautläsionen und Hautkrebs bieten – besonders auch bei immunsupprimierten Empfängern von Organtransplantaten. Wann eine solche Impfung zur Verfügung steht, ist gegenwärtig jedoch noch nicht abzusehen. Originalpublikation: Vinzón SE, Braspenning-Wesch B, Müller M, Geissler EK, Nindl I, Gröne H-J, Schäfer K, Rösl F: Protective Vaccination against Papillomavirus-Induced Skin Tumors under Immunocompetent and Immunosuppressive Conditions: A Preclinical Study Using a Natural Outbred Animal Model PLoS Pathog 10(2): e1003924.doi:10.1371/journal.ppat.10003924 4 Fachbeitrag 24.03.2014 EJ BioRN © BIOPRO Baden-Württemberg GmbH Der Fachbeitrag ist Teil folgender Dossiers Neue Trends in der Immunologie Rekrutierung des Immunsystems zur Vorbeugung und Behandlung von Krebs 5