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IP/08/524
Brüssel, 3. April 2008
Rauchergene?
Europäische
Wissenschaftler
entdecken
ersten
Fall
genetisch
bedingter
Nikotinabhängigkeit
Wissenschaftler einer von der EU geförderten Arbeitsgemeinschaft haben
herausgefunden, dass eine Mutation eines menschlichen Gens zu
Nikotinabhängigkeit führt. In ihren Untersuchungen hat sich gezeigt, dass
sich eine bestimmte Variante eines Gens, das als Nikotinrezeptor
funktioniert, auf das Rauchverhalten auswirkt, was wiederum das
Lungekrebsrisiko um 30 % und die Gefahr, an der peripheren arteriellen
Verschlusskrankheit (einer Verengung der Gefäße in den Beinen, auch als
„Raucherbein“ bekannt) zu erkranken, um 20 % erhöht. Etwa die Hälfte der
Menschen europäischer Abstammung verfügt über mindestens eine Kopie
dieser genetischen Variante, die zwar keinen Einfluss darauf hat, ob die
Person anfängt zu rauchen, das Aufhören jedoch erschwert. Die Ergebnisse
entstammen
dem
europäischen
Projekt
GENADDICT
(Genomik,
Mechanismen und Behandlung von Sucht), das aus Mitteln des 6. EUForschungsrahmenprogramms und des U.S. National Institutes of Health mit
insgesamt 8,1 Mio. EUR unterstützt wird.
„Dieser Durchbruch ist dem Fachwissen und dem Engagement der europäischen
Wissenschaftler zu verdanken, aber auch deren zunehmender Zusammenarbeit. Die
Europäische Union unterstützt die Gesundheitsforschung seit über 20 Jahren und
wir sehen jetzt klar den Nutzen dieser Zusammenarbeit. Dadurch werden weitere
entsprechende Maßnahmen in diesem Zusammenhang ergänzt, die von der
Europäischen Kommission im Bereich der öffentlichen Gesundheit gefördert
werden“, so das für Wissenschaft und Forschung zuständige Mitglied der
Kommission, Janez Potočnik.
Rauchen ist eines der größten Probleme im Bereich der öffentlichen Gesundheit.
Rauchen verursacht mit über 500.000 Todesfällen jährlich mit Abstand die meisten
vermeidbaren Todesfälle in der Europäischen Union. Schätzungsweise 25 % aller
tödlichen Krebserkrankungen und 15 % aller Todesfälle in der Europäischen Union
sind auf Tabakkonsum zurückzuführen. Die gesundheitlichen Risiken des Rauchens
sind allgemein bekannt. Weitaus weniger bekannt ist hingegen, weshalb manche
Menschen leichter nikotinabhängig werden und somit stärker gefährdet sind,
Lungenkrebs oder andere Krankheiten zu bekommen.
Nikotinabhängigkeit gilt als der Hauptgrund dafür, dass es Rauchern so schwerfällt,
das Rauchen aufzugeben. GENADDICT hat sich das Ziel gesetzt, die Gene zu
identifizieren, die bei dieser und bei anderen Formen der Sucht beteiligt sind, indem
es die Arbeit der führenden europäischen öffentlichen und privaten
Forschungseinrichtungen zusammenführt. Es ist ein integriertes multidisziplinäres
Projekt, das die humangenetische Forschung bei Suchtpatienten mit genomischen
Untersuchungen bei Mäusen verbindet.
Bei GENADDICT arbeiten zwölf Arbeitsgruppen aus sieben europäischen Ländern
zusammen, darunter zwei der neuen EU-Mitgliedstaaten (Polen und Ungarn) und ein
assoziierter Staat (Island). Die Arbeitsgemeinschaft umfasst auch ein KMU, das aus
Forschungserfolgen einer der Partner hervorging. Die Arbeitsgruppen gehören den
folgenden Organisationen an: Universität Surrey (GB, Koordinator), Universität
Pompeu Fabra (ES), CNRS (FR), INSERM (FR), Life & Brain GmbH (DE), die
Polnische Akademie der Wissenschaften (PL), die Ungarische Akademie der
Wissenschaften (HU) und deCODE genetics (IS), das zu den heute vorgestellten
Ergebnissen den größten Beitrag geleistet hat.
Die Mutation, die die Nikotinabhängigkeit beeinflusst, findet sich auf dem
Chromosom 15q24 und beeinflusst einen Nikotin-Acetylcholinrezeptor im Gehirn.
Eine Untersuchung von 11.000 isländischen Rauchern, die an der Studie
teilgenommen haben, hat ergeben, dass diese Mutation bei starken Rauchern weiter
verbreitet ist als bei Rauchern im Allgemeinen und in der Gesamtbevölkerung. Somit
wurde auch eine Verbindung hergestellt zwischen dieser Mutation und der klinischen
Wahrscheinlichkeit einer Nikotinabhängigkeit. Vergleiche zwischen Rauchern und
früheren Rauchern haben gezeigt, dass Menschen mit dieser Variante dazu neigen,
immer mehr zu rauchen, und dass ihnen dass Aufhören schwerer fällt. Interessant
ist, dass diese Variante bei Rauchern, die weniger als 10 Zigaretten am Tag
rauchen, weniger verbreitet ist als bei Nichtrauchern, was die Vermutung bestätigt,
dass die Mutation keinen Einfluss darauf hat, ob die entsprechende Person anfängt,
zu rauchen, sondern dass bei diesen Personen die Gefahr einer Nikotinabhängigkeit
erheblich höher ist, wenn sie mit dem Rauchen anfangen. Das Gen wurde daraufhin
bei 32.000 Personen aus Island, Neuseeland, Österreich, Schweden, Italien, den
Niederlanden und Spanien analysiert, die an Lungenkrebs und Raucherbein leiden.
Die Ergebnisse, die heute in der wissenschaftlichen Fachzeitschrift Nature
veröffentlicht werden, sind ein Meilenstein für die Identifizierung genetischer
Risikofaktoren und der Gene, die an Suchterkrankungen beteiligt sind. Sucht ist eine
Erkrankung des Gehirns, die in Europa weit verbreitet ist. Dennoch gab es in den
letzten 20 Jahren keine nennenswerten Fortschritte bei der medikamentösen
Behandlung von Suchterkrankungen. Zusätzlich zu den Untersuchungen zur
Nikotinabhängigkeit führt das GENADDICT-Konsortium auch Studien zu Alkoholund Drogenabhängigkeit durch.
Sucht kann in vielen verschiedenen Formen auftreten. Einige Menschen werden von
einem bestimmten Stoff abhängig, wie etwa von Tabak, Alkohol, Medikamenten oder
illegalen Betäubungsmitteln wie Heroin oder Kokain. Andere Menschen hingegen
leiden an einer Verhaltenssucht, die nicht stoffgebunden ist, wie etwa Spielsucht,
Essstörungen oder Zwangsstörungen. Auch wenn die Bedeutung von Genen bei
Suchterkrankungen schon lange bekannt ist, ist es nicht einfach, die entsprechenden
Gene zu ermitteln. Zum Teil liegt dies daran, dass die Sucht an sich stark variiert und
von familiären und Umwelteinflüssen verstärkt werden kann, was die Identifizierung
der verantwortlichen Gene zu einer großen Herausforderung macht.
Indem die Studien von GENADDICT die Rolle der Gene bei Suchterkrankungen
aufzeigen, geben sie neue Einblicke in deren biologische Grundlagen von
Suchterkrankungen und die Funktionsstörungen des Gehirns eines süchtigen
Menschen. Somit kann die Entwicklung neuer Behandlungsformen und Strategien
gegen diese schweren Erkrankungen vorangetrieben werden.
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