Mathematische Methoden der Physik I

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Mathematische Methoden der Physik I
Urs Wenger
Albert Einstein Center für fundamentale Physik
Institut für theoretische Physik
Universität Bern
Herbstsemester 2017
Das vorliegende Manuskript basiert auf einem Skript von Prof. Jürg Gasser
und Prof. Christoph Greub, mit einigen Änderungen und Ergänzungen von
Prof. Thomas Becher und mir.
Urs Wenger
Bern, September 2017
Vorbemerkung:
Die Physik ist eine quantitative Wissenschaft, deren Ergebnisse mathematisch formuliert werden können. Allein die Tatsache, dass dies überhaupt
möglich ist, macht die Physik zu einer sehr faszinierenden Wissenschaft. In
der Tat ist die Mathematik die Sprache, in der die Naturgesetze geschrieben sind. So wie die Beschäftigung mit anderen Kulturen das Erlernen von
Fremdsprachen erfordert, erfordert das Studium der Physik das Erlernen
der Sprache der Mathematik. Dass diese Sprache ausserordentlich präzise,
enorm aussagekräftig und zudem widerspruchsfrei ist, lernen Sie im Detail
in den Mathematikvorlesungen. Dort wird aus guten Gründen grosser Wert
auf mathematische Strenge gelegt. Physikstudierende lernen auf diese Weise
eine Form des logischen Denkens, die auch in der Physik selbst extrem hilfreich ist. Allerdings wollen wir nicht mit dem Studium der Physik warten
müssen bis die Grundausbildung in Mathematik abgeschlossen ist. Deshalb
konzentrieren wir uns hier vor allem auf das Erlernen von Techniken und
deren Anwendungen. Auf diese Weise können wir uns möglichst früh sinnvoll
mit den Problemen der klassischen Mechanik beschäftigen. Dabei verzichten
wir notgedrungen auf mathematische Strenge in den Herleitungen, wie sie in
den mathematischen Vorlesungen angeboten wird. Die vorliegende Veranstaltung kann und will die mathematischen Vorlesungen auf keinen Fall ersetzen,
sondern sinnvoll ergänzen. Auf diese Weise können wir uns von Beginn des
Studiums an über Physik in der angemessenen Sprache der Mathematik unterhalten.
Literatur:
• S. Grossmann, Mathematischer Einführungskurs für die Physik, Teubner Verlag, 2000.
• J.E. Marsden, A.J. Tromba, Vector Calculus, Freeman and Company, New York, 2003. In englischer Sprache.
• H. Schulz, Physik mit Bleistift, Springer Verlag, 2006.
• L. Papula, Mathematik für Ingenieure, Aus der Reihe: Viewegs Fachbücher der Technik, Vieweg Verlag, 2001.
Inhaltsverzeichnis
1 Elementare Vektorrechnung
1.1 Systematik . . . . . . . . . . . . . . .
1.2 Vektoren . . . . . . . . . . . . . . . .
1.3 Addition, Subtraktion, Multiplikation
1.4 Rechenregeln . . . . . . . . . . . . .
1.5 Linearkombinationen . . . . . . . . .
1.6 Das Skalarprodukt . . . . . . . . . .
1.7 Das Vektorprodukt . . . . . . . . . .
1.8 Orthonormale Basis . . . . . . . . . .
1.9 Komponentenschreibweise . . . . . .
1.10 Mehrfachprodukte von Vektoren . . .
1.11 Ortsvektoren, Koordinaten . . . . . .
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1
1
2
4
5
6
7
8
10
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12
2 Vektorfunktionen
2.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Die erste Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2.1 Rechenregeln für die Ableitung von Vektorfunktionen
2.3 Die zweite Ableitung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.4 Bewegung eines Punktes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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13
13
14
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17
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mit Skalaren
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3 Taylor–Entwicklung
19
3.1 Taylor–Entwicklung 1. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
3.2 Taylor-Entwicklung 2. Ordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . 20
3.3 Taylor-Entwicklung beliebiger Ordnung . . . . . . . . . . . . . 22
4 Ergänzungen
4.1 Matrizen . . . . . . . . . . . . . . . . .
4.1.1 Beispiele . . . . . . . . . . . . .
4.1.2 Eigenschaften und Rechenregeln
4.1.3 Multiplikation von Matrizen . .
4.1.4 Determinanten . . . . . . . . .
4.2 Komplexe Zahlen . . . . . . . . . . . .
4.3 Die Exponentialfunktion . . . . . . . .
5 Hinweise zur Integration
5.1 Das unbestimmte Integral
5.2 Das bestimmte Integral . .
5.3 Grenzen im Unendlichen .
5.4 Pole (Beispiele) . . . . . .
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5.5
5.6
5.7
5.8
5.9
Unbestimmtes Integral: Substitution
Bestimmtes Integral: Substitution . .
Partielle Integration (unbestimmt) .
Partielle Integration (bestimmt) . . .
Ableiten nach Parameter . . . . . . .
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6 Differentialgleichungen
6.1 Beispiele und Klassifikation . . . . . . . . . . . . . . . .
6.2 Lineare Differentialgleichungen . . . . . . . . . . . . . . .
6.2.1 Lineare Differentialgleichung erster Ordnung . . .
6.2.2 Allgemeine Lösung der linearen DG 1. Ordnung .
6.2.3 Lineare Gleichungen mit konstanten Koeffizienten
6.3 Separation der Variablen . . . . . . . . . . . . . . . . . .
6.4 Numerische Lösung: Schrittweise Integration . . . . . . .
6.5 Lösen von Differentialgleichungen mit MAPLE . . . . . .
6.6 Literatur zu gewöhnlichen Differentialgleichungen . . . .
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7 Funktionen von 2 oder mehr Variablen
7.1 F (x, y) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7.1.1 Partielle Ableitungen (nach x) . . . . .
7.1.2 F (x, y). Taylorentwicklung 1. Ordnung
7.1.3 Totale Ableitung, Kettenregel . . . . .
7.1.4 Höhere partielle Ableitungen . . . . . .
7.1.5 F (x, y). Taylorentwicklung 2. Ordnung
7.1.6 Der Gradient (2-dim.) . . . . . . . . .
7.2 Funktionen von drei (oder mehr) Variablen . .
7.3 Kugelsymmetrische Felder . . . . . . . . . . .
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8 Skalare Felder, Vektorfelder
63
9 Linienintegrale
9.1 Einführung am Beispiel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.2 Berechnung im einfachsten Spezialfall . . . . . . . . . . . . . .
9.3 Berechnung im allgemeinen Fall . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.4 Eigenschaften von Linienintegralen . . . . . . . . . . . . . . .
9.5 Beispiele für das Auftreten von Linienintegralen in der Physik
9.5.1 Mechanik: Arbeit . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
9.5.2 Mechanik: kinetische Energie . . . . . . . . . . . . . .
9.5.3 Magnetostatik: Gesetz von Ampère . . . . . . . . . . .
9.6 Linienintegrale in Gradientfeldern . . . . . . . . . . . . . . . .
9.7 Umkehrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
65
65
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66
68
69
69
69
70
70
72
ii
9.8 Weitere Integrale längs einer Kurve C . . . . . . . . . . . . . . 74
10 Doppelintegrale
75
10.1 Rechteckiges Integrationsgebiet . . . . . . . . . . . . . . . . . 75
10.2 Beliebige Integrationsgrenzen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 77
11 Flächenintegrale
78
11.1 Flächenvektoren
R . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 78
11.2 Definition von Σ d~σ · ~ω (~x) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 79
11.3 Beschreibung von Flächen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
11.3.1 Kurven im Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 80
11.3.2 Flächen. Beispiele . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 81
11.3.3 Flächen allgemein . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 82
11.3.4 Flächenelement . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 83
11.4 Berechnung von Flächenintegralen mittels Parameterdarstellung 84
11.5 Beispiele von Flächenintegralen in der Physik . . . . . . . . . 86
11.6 Weitere Flächenintegrale . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87
11.7 Anwendung: Variablentransformation bei Doppelintegralen . . 88
12 Volumenintegrale
12.1 Definition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
12.2 Berechnung in kartesischen Koordinaten . . . . . . . .
12.3 Variablentransformation . . . . . . . . . . . . . . . . .
12.3.1 Häufig verwendete Koordinatentransformationen
13 Die
13.1
13.2
13.3
13.4
13.5
13.6
13.7
13.8
Divergenz
Definition . . . . . . . . . . . . . . . . .
Der Satz von Gauss . . . . . . . . . . . .
Beweis . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
13.3.1 G = Quader k Koordinatenachsen
13.3.2 “Beliebiges” Volumen . . . . . . .
~ · ~ω . . . . . . . . .
Interpretation von ∇
~ · ~ω als Quelldichte .
Interpretation von ∇
Die Kontinuitätsgleichung . . . . . . . .
Die skalaren Maxwellgleichungen . . . .
Divergenz kugelsymmetrischer Felder . .
iii
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1
Elementare Vektorrechnung
1.1
Systematik
Wir unterscheiden zwischen Skalare, Vektoren und Tensoren.
(a) Skalare: viele physikalische Grössen werden durch eine Zahl (und evtl. einer entsprechenden Masseinheit) charakterisiert.
Beispiele:
- Anzahl Teilchen in einem Volumen
- Masse eines Teilchens
- Temperatur
- Stromstärke
- Zeitdauer zwischen zwei Ereignissen
- Distanz zwischen zwei Orten
(b) Vektoren: es gibt physikalische Grössen, welche durch eine Zahl nicht
genügend charakterisiert sind.
(c) Tensoren: gewisse physikalische Grössen wie z.B. Drehungen eines Körpers
können durch Tensoren beschrieben werden.
Im Folgenden befassen wir uns vor allem mit Skalaren und Vektoren.
1.2
Vektoren
Vektoren sind gerichtete Grössen:
- Geschwindigkeit
- Beschleunigung
- elektrische Feldstärke
- Gradient des Luftdrucks
Vektoren haben eine Länge und eine Richtung. Physikalische Anwendungen
spielen sich oft in d = 3 Dimensionen ab. Beispiele und Übungen oft in d = 2
Dimensionen.
1
Gebundener Vektor:
geordnetes Punktepaar (A, E).
−→
→ Vektor AE
−→
Länge |AE| ≥ 0.
−→
AE heisst auch “Ortsvektor von E bezüglich A”.
A
E
~
AE
Freier Vektor:
Länge und Richtung gegeben. Zusammenfassung zur Äquivalenzklasse ~a.
Notation: ~a :“Vektor” ; a = |~a| : Länge, Betrag
a = 1 : Einheitsvektor (oft ~e)
a = 0 : Nullvektor (~0 oder 0).
~a
Definition von −~a: gleicher Betrag wie ~a, aber entgegengesetzte
Richtung.
~a
~a
Gleichheit zweier Vektoren: ~a = ~b, genau dann wenn ~a und ~b gleichen Betrag
und gleiche Richtung haben.
1.3
Addition, Subtraktion, Multiplikation mit Skalaren
Definition der Summe von ~a und ~b:
~c = ~a + ~b
Eigenschaften:
~b
~a
1. ~a + (−~a) = 0
~
2. |~a + ~b| ≤ a + b
3. (~a + ~b) + ~c = ~a + (~b + ~c)
4. ~a + ~b = ~b + ~a
5. ~a + ~b = 0 =⇒ ~a = −~b ,
~b = −~a.
2
Definition der Differenz:
.
~a − ~b = ~a + (−~b)
~a
~b
~b
~b
~a
~a
~b
Übungen:
~x =?
a) Gesucht: ~x in der Figur.
~a
b) begründe: −(~a − ~b) = ~b − ~a
c) begründe: ~a − ~b = 0 =⇒ ~a = ~b
Multiplikation mit einem Skalar:
Skalar α: Vorläufig reelle Zahl, später u. U. komplex
~b = α ~a. Der Vektor ~b hat folgende Eigenschaften:
1. |~b| = |α| · |~a|
2. α > 0;
~b ↑↑ ~a
3. α = 0;
~b = 0
4. α < 0;
~b ↑↓ ~a
Beispiele: α = 2, α = 1, α = − 21 .
3
~b
1.4
Rechenregeln
Aus den obigen Definitionen folgt:
(a) ~a, ~b gegeben. Dann ist ~a + ~b definiert.
(b) ~a + ~b = ~b + ~a
(~a + ~b) + ~c = ~a + (~b + ~c)
(c) Es existiert ein neutrales Element: ~a + ~0 = ~a
(d) Es existiert ein inverses Element: ~a + (−~a) = ~0
(e) Multiplikation mit Skalar definiert: α ~a
α(β ~a) = (αβ) ~a
(f ) (α + β) ~a = α ~a + β ~a
(g) α (~a + ~b) = α ~a + α ~b
(h) 1 · ~a = ~a
Algebraische Strukturen, welche die Eigenschaften (a)–(d) aufweisen, heissen
kommutative Gruppen. Strukturen, die alle Eigenschaften (a)–(h) aufweisen,
heissen Vektorräume (VR).
Wir betrachten im folgenden endlich dimensionale Vektorräume, meistens
d = 2, 3, 4. Daneben gibt es VR mit beliebiger Dimension (siehe lineare
Algebra) und auch ∞-dim. VR.
Es existieren beliebig viele Realisierungen eines Vektorraumes. Die freien
Vektoren sind ein Beispiel. Ein anderes, etwas abstrakteres Beispiel ist das
folgende:
Beispiel: Betrachte alle möglichen Polynome in der reellen Variablen τ . x1 (τ )
und x2 (τ ) seien 2 solche Polynome (mit Grad 2 zur Illustration ):
x1 (τ ) = α1 + β1 τ + γ1 τ 2
x2 (τ ) = α2 + β2 τ + γ2 τ 2 ,
wobei αi , βi , γi ∈ R (i = 1, 2)
.
Addition: (x1 + x2 )(τ ) = x1 (τ ) + x2 (τ ) , explizit:
(x1 + x2 )(τ ) = (α1 + α2 ) + (β1 + β2 ) τ + (γ1 + γ2 ) τ 2 .
4
Multiplikation mit Skalar ρ ∈ R:
.
(ρ x)(τ ) = ρ x(τ ), explizit:
(ρ x1 )(τ ) = (ρα1 ) + (ρβ1 ) τ + (ργ1 ) τ 2 .
Übung: Die Menge dieser Polynome ist ein Vektorraum. Die Elemente dieses
Vektorraumes x(τ ) werden ohne Pfeile geschrieben.
Übung: Betrachte die Menge C der auf dem Intervall −1 ≤ τ ≤ 1 stetigen
Funktionen f (τ ) der Variablen τ . Addition? Multiplikation mit Skalaren?
Vektorraum?
1.5
Linearkombinationen
αi : Folge von Skalaren
~ai : Folge von Vektoren
i = 1, ..., N
Linearkombination (LK): ~b =
N
X
αi ~ai
i=1
Beispiele:
1. Mittel von 4 Geschwindigkeiten
2. ~a = a1 ~e1 + a2 ~e2 + a3 ~e3
(~e1 , ~e2 , ~e3 Basis)
Übungen:
(1) Dreieck. Gegeben: ~a, ~b und die Mitte M der dritten Seite. ~x =?
~a
M
~x ~b
(2) Gegeben: ~a, ~b in d = 2.
a) Diskutiere für variable α, β: ~x(α, β) = α ~a + β ~b
b) ~x(α) = α ~a + ~b
(3) Wie (2), aber in d = 3 Dimensionen.
(4) Beweise, dass sich die Seitenhalbierenden eines Dreiecks in einem Punkt
schneiden, und zwar im Verhältnis 1:2.
5
1.6
Das Skalarprodukt
Jedem Vektorpaar wird eine reelle Zahl ~a ·~b (“Skalarprodukt“) wie folgt zugeordnet:
~a · ~b = |~a| |~b| cos γ
Eigenschaften:
~a
~b
1. ~a · ~b = ~b · ~a
2. (α~a) · ~b = α(~a · ~b)
3. ~a · (~b + ~c) = ~a · ~b + ~a · ~c
Beweis: Am Einfachsten in Komponentenschreibweise, siehe Abschnitt
1.9.
4. ~a · ~a ≥ 0 ;
~a · ~a = 0 ↔ |~a| = 0.
Weitere Eigenschaften:
i) γ = π2 : ~a · ~b = 0
ii) γ = 0: ~a · ~b = |~a| |~b|
iii) γ = π: ~a · ~b = −|~a| |~b|
iv) ~a · ~b invariant gegenüber simultanen Drehungen von ~a und ~b.
v) Schwarz’sche Ungleichung: |~a · ~b| ≤ |~a| |~b|
Betragsquadrat eines Vektors:
.
~a2 = ~a · ~a = |~a| |~a| cos 0 = |~a|2
√
→ |~a| =
~a2
Anwendung Cosinussatz: Gegeben: ~a, ~b; Gesucht: |~a + ~b|.
(~a + ~b)2 = (~a + ~b) · (~a + ~b)
= (~a + ~b) · ~a + (~a + ~b) · ~b
Speziell: γ ′ =
π
2
~2
2
= ~a + 2ab cos γ + b
= ~a2 − 2ab cos γ ′ + ~b2
(Pythagoras)
6
~b
~a
0
~a + ~b
Beispiel einer Anwendung des Skalarproduktes in der Physik:
Verschiebung eines Massenpunktes um den Weg ∆~x, Kraft
F~ . Welche Arbeit ∆A leistet dabei die Kraft F~ ?
F~
′
Definition: ∆A = |∆~x| F = |∆~x| |F~ | cos γ = ∆~x · F~ .
~x
1.7
F'
Das Vektorprodukt
Das Vektorprodukt stellt (neben dem Skalarprodukt) eine weitere Möglichkeit dar, ein Produkt ~c = ~a ×~b von zwei gegebenen Vektoren ~a und ~b zu definieren:
(i) ~c ⊥ ~a, ~b
~
(ii) |~c| = |~a| |~b| sin γ (0 ≤ γ < π)
~b
(iii) ~a, ~b, ~c bilden ein Rechtssystem: blickt man in Richtung ~c, so lässt sich ~a mit einer Rechtsdrehung
0 ≤ γ < π in ~b drehen.
~a
Eigenschaften
(i) ~c = ~a × ~b
ist ein Vektor
(ii) ~a × ~a = 0
(iii) Bei festen Beträgen a und b: ~a × ~b ist maximal für γ = π2 .
(iv) ~a × ~b = −~b × ~a
(v) (α ~a) × ~b = α (~a × ~b)
(vi) ~a × (~b + ~c) = ~a × ~b + ~a × ~c
(vii) ~a × (~b × ~c) 6= (~a × ~b) × ~c
im allgemeinen. Beispiel: ~b = ~c.
(iix) |~a × ~b| = Fläche des von ~a und ~b aufgespannten Parallelogrammes.
~ = ~a × ~b: “Flächenvektor”
Σ
~
~b
~a
7
~;
(ix) Lorentzkraft F~ = q ~v × B
~;
F~ ⊥ ~v , B
F~
q
F = q v B sin γ
~
B
+
~v
Die bisherigen Definitionen und Beziehungen haben kein Koordinatensystem,
resp. keine Basis vorausgesetzt.
1.8
Orthonormale Basis
“Basis” ~e1 , ~e2 , ~e3
• |~ei | = 1
• ~ei · ~ek = 0
e~3
für i = 1, 2, 3
für i 6= k
e~2
• In der Reihenfolge ~e1 , ~e2 , ~e3 bilden die Basisvektoren
ein Rechtssystem: ~e1 ×~e2 = ~e3 , ~e2 ×~e3 = ~e1 , ~e3 ×~e1 =
~e2 .
e~1
Einführen des Kroneckersymbols δik :
~ei · ~ek =

1 i=k
0 i=
6 k
 
.
= δik

δ11 δ12 δ13
1 0 0
 δ21 δ22 δ23  =  0 1 0 
δ31 δ32 δ33
0 0 1
Einführen des total antisymmetrischen Tensors 3. Stufe (ε–Tensor):


 +1 (i, j, k) zyklische Permutation zu (1,2,3)

.
−1 (i, j, k) anti-zyklische Permutation zu (1,2,3)
~ei · (~ej × ~ek ) =
= εijk


0 (i, j, k) sonstwie (z.B. i = j, i = k oder j = k)
8
“Orthonormalsystem ~e1 , ~e2 , ~e3 ”
Die drei Vektoren ~e1 , ~e2 , ~e3 bilden (im 3 dimensionalen Raum) ein vollständiges System,
d.h. jeder Vektor ~a lässt sich als Linearkombination von ~e1 , ~e2 , ~e3 schreiben:
~a = a1 ~e1 + a2 ~e2 + a3 ~e3 =
3
X
ai ~ei
i=1
~ durch
Begründung: Definiere ∆
~
~a = (~a · ~e3 ) ~e3 + (~a · ~e2 ) ~e2 + ∆
Dann gilt:
~ · ~e3 = ∆
~ · ~e2 = 0
∆
~ ist parallel zu ~e1 ,
=⇒ ∆
~ = x ~e1
=⇒ ∆
| · ~e1
~ · ~e1 = x = [~a − (~a · ~e3 ) ~e3 − (~a · ~e2 ) ~e2 ] · ~e1 =⇒ x = ~a · ~e1
∆
⇒ ~a = (~a · ~e1 ) ~e1 + (~a · ~e2 ) ~e2 + (~a · ~e3 ) ~e3
⇒ ~a als LK von ~e1 , ~e2 , ~e3 dargestellt. Also zusammengefasst:
~a = a1 ~e1 + a2 ~e2 + a3 ~e3 =
3
X
ai ~ei
i=1
Die reellen Zahlen ak heissen Komponenten von ~a (bezüglich ~e1 , ~e2 , ~e3 ). Die
Zerlegung ist eindeutig: Sei
~a = a1 ~e1 + a2 ~e2 + a3 ~e3
~a · ~ek = ak | · ~ek
Für gegebene Basis ~e1 , ~e2 , ~e3 :




~a
(a1 , a2 , a3 )
 Basisunabhängiges  ←→ 

“Darstellung von ~a”
Objekt
bezüglich gegebener Basis
Studiere folgende andere Schreibweise der obigen Rechnung:
X
~a =
ai~ei | · ~ek
i
~a · ~ek =
=
X
i
X
i
9
ai (~ei · ~ek )
ai δik = ak
(1.1)
1.9
Komponentenschreibweise
Oft schreibt man Vektoren in der Form


a1
~a =  a2 
a3
oder
~a = (a1 , a2 , a3 ) .
Nach dem oben Gesagten sind die Zahlen a1 , a2 , a3 durch den Vektor ~a eindeutig festgelegt. (Bemerkung: Falls nicht explizite vermerkt, so verwenden
wir immer ein Orthonormalsystem als Basis).
Elementare Operationen in Komponenten
1. ~c = ~a + ~b
:
ci = ai + bi
2. ~c = λ ~a
:
ci = λ ai
3.
~a · ~b = (a1 ~e1 + a2 ~e2 + a3 ~e3 ) · (b1 ~e1 + b2 ~e2 + b3 ~e3 )
= a1 b1 + a2 b2 + a3 b3 =
X
=
ai bi
i
Oder:
~a · ~b =
=
X
i
X
ai ~ei ·
X
bk ~ek
k
ai bk δik
i,k
=
X
ai bi = a1 b1 + a2 b2 + a3 b3
i
4.
~a × ~b = (a1 ~e1 + a2 ~e2 + a3 ~e3 ) × (b1 ~e1 + b2 ~e2 + b3 ~e3 )
= ~e1 (a2 b3 − a3 b2 ) +
~e2 (a3 b1 − a1 b3 ) +
~e3 (a1 b2 − a2 b1 )
{z
}
|
Komponenten
Oder anders geschrieben:
10
(~a × ~b)1 = a2 b3 − a3 b2
(~a × ~b)2 = a3 b1 − a1 b3
(~a × ~b)3 = a1 b2 − a2 b1 ,
beziehungsweise mit Hilfe des ε–Tensors
X
εijk aj bk .
(~a × ~b)i =
j,k
1.10
Mehrfachprodukte von Vektoren
Verschiedene Produkte von drei Vektoren:
~a (~b · ~c)
| {z }
Skalar
| {z }
a)
;
(~a · ~b) ~c
| {z }
Vektor in Richtung ~c
Vektor in Richtung ~a
~a × (~b × ~c)
b)
Vektor ⊥ ~b × ~c, demzufolge in der Ebene ~b, ~c.
Satz:
~a × (~b × ~c) = (~a · ~c) ~b − (~a · ~b) ~c .
Beweis: Übung
c) ~a · (~b × ~c)
- Skalar
- Geometrische Bedeutung: Volumen V des Parallelepipedes ~a, ~b, ~c.
~b ~
~a
'
~
~b
V =
~a
~
~b
|~b × ~c| |~a| cos ϕ = |~a · (~b × ~c)|
| {z } | {z }
Grundfläche Höhe
11
Bemerkungen:
1) Mit der Definition V = ~a · (~b ×~c) kann V positiv oder negativ sein.
2) Falls ~a, ~b, ~c in einer Ebene: ~a · (~b × ~c) = 0.
3) Es gilt:
~a · (~b × ~c) = ~c · (~a × ~b) = ~b · (~c × ~a)
= −~a · (~c × ~b) = −~c · (~b × ~a) = −~b · (~a × ~c)
4) In Komponenten:
X
~a · (~b × ~c) =
i
ai (~b × ~c)i =
X
εijk ai bj ck .
i,j,k
d) Hinweise zu 4-fachen Produkten:
~ = (~a · ~c) (~b · d)
~ − (~a · d)
~ (~b · ~c)
(~a × ~b) · (~c × d)
e) (~a × ~b)2 : Setze ~c = ~a, d~ = ~b in d).
(~a × ~b)2 = ~a2 ~b2 − (~a · ~b)2
1.11
Ortsvektoren, Koordinaten
Gegeben: Ursprung O, Basis ~e1 , ~e2 , ~e3 .
x3
~x
P
e~3
e~1
0
x2
e~2
x1
P
0
Punkt P : definiert den Ortsvektor ~x:
X
~x =
xi ~ei
i
xi = “Komponenten von ~x” oder
xi = “Koordinaten von P ” bezüglich Basis ~e1 , ~e2 , ~e3 und Ursprung O.
(x1 , x2 , x3 ) ←→ P
Ursprung O fest; P , ~x variabel.
12
2
2.1
Vektorfunktionen
Definition
u: reell; jedem Wert von u ∈ [ua , ub ] ist ein Vektor ω
~ (u) zugeordnet:
~ω = ~ω (u) .
Explizite Zuordnung z.B. durch Wahl einer Basis und Angabe der Komponentenfunktionen:
~ω = ~ω (u) = (ω1 (u), ω2(u), ω3(u)) .
Beispiel 1: ~ω (u) → ~x(t), wobei ~x(t) der Ort eines Massenpunktes zur Zeit t
ist. ~x(t) = (x1 (t), x2 (t), x3 (t))
x2
()
~
x t
( + t)
~
x t
x1
Abbildung 2.1: Zu Beispiel 1.
~ (u) → ~v (t). Geschwindigkeit ~v (t) einer Rakete zum Zeitpunkt t.
Beispiel 2: ω
x2
v2
~
v (t)
()
~
v t
( + t)
~
v t
x1
v1
Abbildung 2.2: Zu Beispiel 2.
Stetigkeit: ~ω (u) heisst stetig in u = u0 , wenn alle Komponenten stetig sind
in u = u0 .
Graphik: Trägt man ~ω (u) von einem festen Punkt aus auf, so beschreibt die
Spitze von ~ω eine Kurve im Raum.
13
Ein- und dieselbe Kurve kann verschieden parametrisiert
sein. Beispiel:
x2
~x
a)
~x(ϕ) = (cos ϕ, sin ϕ, 0)
b)
~x(t) = (cos(at2 ), sin(at2 ), 0)
'
x1
Interpretation:
b) t=Zeit: Bewegungsablauf.
a) “Parameterdarstellung der Bahn (Kurve)”. Hier ist der Winkel ϕ als
Parameter gewählt. Ein anderer denkbarer Parameter wäre z.B. u = x2 :
√
~x(u) = ( 1 − u2 , u, 0)
Bem.: Auch b) ist eine Parameterdarstellung der Bahn. Parameter ist die
Zeit t.
2.2
Die erste Ableitung
Sei ~ω (u) = (ω1 (u), ω2(u), ω3(u)) gegeben. Bilde
dω1 dω2 dω3
′
= (ω1′ , ω2′ , w3′ )
,
,
ω
~ (u) =
du du du
ω1 (u + ∆u) − ω1 (u)
~ω (u + ∆u) − ω
~ (u)
= lim
, ... = lim
∆u→0
∆u→0
∆u
∆u
∆~ω . d~ω
= lim
=
.
∆u→0 ∆u
du
Bedeutung:
w
~ (u)
0
1. u wählen (fest)
2. ∆u wählen,
∆~
ω
∆u
w~
bilden
3. ∆u kleiner werden lassen, Grenzwert ∆u → 0
ω
ω
→ d~
= ~ω ′(u).
bilden; ∆~
∆u
du
4. ω
~ ′ (u) definiert die Tangente.
14
w
~ (u)
w
~ (u + u)
Bemerkungen:
1. ω
~ ′ (u) = (ω1′ , ω2′ , ω3′ ) ist definiert, falls die Ableitungen ωk′ (u) existieren.
x
2. In der Situation ω
~ (u) → ~x(t) heisst d~
die Geschwindigkeit; Ableitundt
gen nach der Zeit werden üblicherweise mit einem Punkt abgekürzt:
d~x
= ~x˙ (t) = (ẋ1 (t), ẋ2 (t), ẋ3 (t)) .
dt
Beispiele
x3
1.
~x(t) =
1
0, 0, − g t2
2
~x˙ (t) = (0, 0, −g t)
~x(u) = ~a + u ~b ;
′
~x (u) = ~b
2.
3.
~
x(t)
_ (t)
~
x
~a, ~b konstant
~x(ϕ) = (R cos ϕ, R sin ϕ, 0)
′
~x (ϕ) = (−R sin ϕ, R cos ϕ, 0)
4. Gleichförmige Kreisbewegung
Gleichförmige Zunahme des Winkels ϕ im Beispiel
2:
ϕ = ω t , ω konstant
~x(t) = (R cos(ω t), R sin(ω t), 0)
~x˙ (t) = (−R ω sin(ω t), R ω cos(ω t), 0)
= R ω (− sin(ω t), cos(ω t), 0)
Eigenschaften:
a) ~x · ~x˙ = 0
b) |~x| = R ,
c)
dϕ
dt
=ω :
|~x˙ | = ω R
“Winkelgeschwindigkeit”, “Kreisfrequenz”
d) Umlaufszeit T : ω T = 2π → T =
e) Frequenz ν: ν =
1
T
=
ω
2π
15
2π
.
ω
x1;2
2.2.1
Rechenregeln für die Ableitung von Vektorfunktionen
Es gelten folgende Beziehungen, die sich via Komponentenschreibweise leicht beweisen lassen:
i
d h
′
~a(u) + ~b(u) = ~a + ~b′
du
i
d h
′
~a(u) · ~b(u) = ~a · ~b + ~a · ~b′
du
i
d h
′
~a(u) × ~b(u) = ~a × ~b + ~a × ~b′
du
d
′
[λ(u) ~a(u)] = λ′ ~a + λ ~a
du
Anwendung: Massenpunkt bewege sich auf einer festen Kugelfläche vom Radius R. ~x(t) bezeichne den Ortsvektor:
~x2 (t) = R2 ; Diese Gleichung nach t abgeleitet ergibt:
d 2
~x (t) = 0
dt
~x · ~x˙ + ~x˙ · ~x = 0
2 ~x · ~x˙ = 0 → ~x˙ ⊥ ~x .
Übung: Bewegung eines Massenpunktes m mit der Ladung q im Magnetfeld
~ x). Die Geschwindigkeit ~v (t) erfüllt die Newtonsche Gleichung
B(~
~ (~x(t))
m~v˙ (t) = q ~v (t) × B
|
{z
}
Lorentzkraft
Zeige hieraus, dass die kinetische Energie konstant bleibt, d.h.,
d 1
2
m ~v = 0.
dt 2
2.3
Die zweite Ableitung
Sei ~ω (u) gegeben. In 2.2 haben wir die erste Ableitung ω
~ ′ (u) = (ω1′ , ω2′ , ω3′ )
gebildet. Die zweite Ableitung ist wie folgt definiert:
d2 ~ω
d ′
d
=
~ω (u) =
(ω1′ , ω2′ , ω3′ )
2
du
du
du
2
d ω1 d 2 ω2 d 2 ω3
′′
′′
′′
,
,
.
= (ω1 , ω2 , ω3 ) =
du2 du2 du2
~ ′′ (u) =
ω
16
Beispiel:
x2
~ω (u) → ~x(ϕ) = R (cos ϕ, sin ϕ, 0)
′
~x (ϕ) = R (− sin ϕ, cos ϕ, 0)
′′
~x (ϕ) = −R (cos ϕ, sin ϕ, 0) .
2.4
~x
0
~x
00
'
Bewegung eines Punktes
~ω (u) → ~x(t);
Ort als Funktion der Zeit t.
~x(t) = (x1 (t), x2 (t), x3 (t))
Definition der Geschwindigkeit:
~v (t) =
d~x
= ~x˙ (t) = (ẋ1 (t), ẋ2 (t), ẋ3 (t)) = (v1 (t), v2 (t), v3 (t))
dt
Die Geschwindigkeit ist die Veränderung des Ortes pro Zeit:
~v (t) = lim
∆t→0
~x(t + ∆t) − ~x(t)
∆~x
= lim
.
∆t→0 ∆t
∆t
Definition der Beschleunigung:
d~v
= ~v˙ (t) = (v̇1 (t), v̇2 (t), v̇3 (t))
dt
d2~x ¨
= ~x(t) = (ẍ1 (t), ẍ2 (t), ẍ3 (t))
=
dt2
~a(t) =
Die Beschleunigung ist die Veränderung der Geschwindigkeit pro Zeit:
~a(t) = lim
∆t→0
~v(t + ∆t) − ~v (t)
∆~v
= lim
.
∆t→0 ∆t
∆t
Ort, Geschwindigkeit und Beschleunigung sind Vektoren.
Beispiel 1:
1 2
~x(t) =
v01 t, v02 t − g t , 0
2
~x˙ (t) = (v01 , v02 − g t, 0)
~x¨(t) = (0, −g, 0)
17
x1
~x
Beispiel 2:
~x(t) = ~x0 + ~v0 t = (x01 + v01 t, x02 + v02 t, x03 + v03 t)
~x˙ (t) = ~v0
~x¨(t) = 0
Beispiel 3:
~x(t) = ~x0 + ~v0 t +
~x˙ (t) = ~v0 + ~a0 t
~x¨(t) = ~a0
1
~a0 t2
2
→ Gleichmässig beschleunigte Bewegung.
Beispiel 4:
~x_ ?~x
~x(t) = R (cos(ω t), sin(ω t), 0)
~x˙ (t) = R ω (− sin(ω t), cos(ω t), 0)
~x¨(t) = −R ω 2 (cos(ω t), sin(ω t), 0)
x2
~x_
~x
'
x1
Für die gleichmässige Kreisbewegung gilt also:
~x
~x¨(t) = −ω 2 ~x(t)
|~x¨| = R ω 2
|~x˙ | = R ω
Beispiel 5:
~x(t) = R (cos ϕ(t), sin ϕ(t), 0)
ϕ(t) = λ t3 .
Spezialfälle:
1. Richtung von ~v (t) konstant: ∆~v k ~v , ~v˙ k ~v . → Geradlinige Bewegung.
Der Betrag von ~v kann sich verändern:
~+B
~ h(t) ;
~x(t) = A
~ B
~
A,
konstant.
2. Betrag von ~v (t) konstant:
d 2
(~v ) = 0 ;
dt
→ ~v · ~v˙ = 0 ;
Bsp.: Bewegung im Magnetfeld.
18
→ ~v˙ ⊥ ~v .
3
3.1
Taylor–Entwicklung
Taylor–Entwicklung 1. Ordnung
Wir betrachten eine Funktion w,
w(u) : IR → IR,
und vergleichen ihren Wert an der Stelle u0 mit demjenigen an der Stelle
u0 + ∆u. Insbesondere setzen wir
ω(u0 + ∆u) = ω(u0) + ∆ω ,
wobei ∆ω den Zuwachs des Funktionswertes bezeichnet, siehe die Figur.
Näherungsweise hat man
w(u0 + ∆u) = ω(u0) + ω ′ (u0 ) · ∆u ,
(3.1)
wobei ω ′ (u0 ) · ∆u eine Näherung für den Zuwachs ist. Vergleiche mit der
Figur. Für viele Zwecke handelt es sich in (3.1) um eine hinreichend gute
w
g w (u0)u
0
u0
u
u 0 + u
w
u
Abbildung 3.1: Definition des Zuwachses ∆ω.
Näherung. Sie entspricht der Approximation des exakten Verlaufes von ω(u)
in der Umgebung von u = u0 durch eine lineare Funktion ω1 (u):
ω1 (u) = ω(u0) + ω ′ (u0) (u − u0 ) .
ω1 (u) heisst “Taylorentwicklung 1. Ordnung” (T.E.1.O.) der Funktion ω(u)
um die Stelle u0 und ist eine Funktion 1. Grades in u, welche an der Stelle
u0 in der nullten und ersten Ableitung mit ω(u) überesintimmt:
ω1 (u0 ) = ω(u0)
ω1′ (u0 ) = ω ′(u0 )
19
Die Approximation ω(u) ≃ ω1 (u)
ω(u) ≃ ω1 (u) = ω(u0) + ω ′ (u0 ) (u − u0 )
heisst “Taylor–Näherung 1. Ordung” (T.N.1.O.). Sie bezieht sich auf eine
bestimmte Entwicklungsstelle u0 .
Beispiele:
1. ω(u) = u , u0 = 1
Exakt: ω(1 + ∆u) = 1 + ∆u
T.E.1.O: ω1 (1 + ∆u) = 1 + ∆u
Stimmt mit exaktem Wert überein.
2. ω(u) = u2 , u0 = 1
Exakt: ω(1 + ∆u) = (1 + ∆u)2 = 1 + 2 ∆u + ∆u2
T.E.1.O: ω1 (1 + ∆u) = 1 + 2 ∆u
∆u Zuwachs ω(u) − 1 ω1 (u) − 1
0.01 0.0201
0.0200
0.1 0.21
0.20
Tabelle 3.1: Numerischer Vergleich
rel. Fehler im Zuwachs
0.005
0.05
von ω(u) und ω1 (u).
Die Bedeutung der T.N.1.O. liegt darin, dass der relative Fehler für den
Zuwachs mit ∆u → 0 beliebig klein wird.
√
√
Übung: ω(u) = u in der Umgebung von u0 = 2. 2 + ∆u =?
3.2
ω1 (u) :
Taylor-Entwicklung 2. Ordnung
Funktion ersten Grades in u, welche in u0 in der nullten und in der
ersten Ableitung mit ω(u) übereinstimmt.
Analog:
Funktion zweiten Grades in u, welche in u0 bis zur zweiten Ableiω2 (u) :
tung mit ω(u) übereinstimmt.
1
ω2 (u) = ω(u0) + ω ′ (u0 ) (u − u0 ) + ω ′′ (u0 ) (u − u0 )2
2
Wie leicht zu sehen ist, gilt tatsächlich:
ω2 (u0) = ω(u0)
ω2′ (u0) = ω ′ (u0 )
ω2′′ (u0) = ω ′′ (u0 )
20
ω1 (u) hat in u0 die richtige Steigung. ω2 (u) hat in u0 sowohl die richtige
w(u)
w2(u)
w
w1(u)
u0
u
Abbildung 3.2: Taylor Approximationen w1 (u), w2(u) an die Funktion w(u).
Steigung, als auch die richtige Krümmung.
Die Approximation ω(u) ≃ ω2 (u):
1
ω(u) ≃ ω(u0) + ω ′ (u0 ) (u − u0 ) + ω ′′ (u0 ) (u − u0 )2
2
heisst “Taylor–Näherung 2. Ordnung” (T.N.2.O.) in u = u0 .
Numerisches Beispiel: ω(u) → F (x) = sin x
(x statt u; F statt ω.)
Entwicklung um x0 = π/4:
π π
′ π
+F
x−
,
F1 (x) = F
4
4
4
π π π
1 ′′ π π 2
′
+F
x−
+ F
x−
,
F2 (x) = F
4
4
4
2
4
4
wobei
√
π √2
π √2
π π 2
′ π
′′ π
= sin
=
= cos
=
= − sin
=−
; F
; F
.
F
4
4
2
4
4
2
4
4
2
Somit gilt:
√ h
2
π i
F1 (x) =
1+ x−
.
4
√ 2
2
π 1 π 2
1+ x−
−
x−
F2 (x) =
2
4
2
4
21
Abbildung 3.3: F1 (x): gestrichelt; F2 (x): gestrichpunktet; F (x): ausgezogen.
Die vertikale Linie ist bei x = π/4.
3.3
Taylor-Entwicklung beliebiger Ordnung
ωN (u) =
N
X
1 (k)
ω (u0 ) (u − u0)k ;
k!
k=0
. dk ω(u)
ω (k) (u) =
duk
stimmt an der Stelle u = u0 bis zur N-ten Ableitung mit ω(u) überein.
“Taylor–Entwicklung N-ter Ordnung” um u0 .
Die Approximation ω(u) ≃ ωN (u) heisst “Taylor–Näherung N-ter Ordnung”.
Unter bestimmten Voraussetzungen existiert ω∞ (u) und stellt die ursprüngliche Funktion ω(u) in einer Umgebung von u0 exakt dar:
∞
X
1 (k)
ω(u) =
ω (u0 ) (u − u0 )k .
k!
k=0
Diese Entwicklung heisst “Taylor–Reihe” von ω(u) in u0 .
Besonders bekannt sind die Entwicklungen um u0 = 0 (Potenzreihen) [siehe
Formeln und Tafeln]:
x2 x3 x4
+
+
+···
2!
3!
4!
x2 x4 x6
+
−
±···
cos x = 1 −
2!
4!
6!
x3 x5 x7
sin x = x −
+
−
±···
3!
5!
7!
ex = 1 + x +
22
4
4.1
Ergänzungen
Matrizen
Skalare: Objekte, deren Komponenten keinen Index tragen, z.B. a, b, c, . . .
Vektoren: Objekte, deren Komponenten einen Index tragen, z.B.


b1
a1
~a =
, ~b =  b2  .
a2
b3
Matrizen: Objekte, deren Komponenten zwei Indizes tragen, z.B.




b11 b12 b13
c11 c12
a11 a12
, B =  b21 b22 b23  , C =  c21 c22  .
A=
a21 a22
b31 b32 b33
c31 c32
Tensoren: Objekte, deren Komponenten n Indizes tragen, werden üblicherweise Tensoren n-ter Stufe genannt, z.B.
εijk : (Pseudo-)Tensor 3. Stufe.
Demnach gilt:
Skalare ⇔ Tensoren 0. Stufe
Vektoren ⇔ Tensoren 1. Stufe
Matrizen ⇔ Tensoren 2. Stufe
Definition: Unter einer Matrix A verstehen wir ein Schema


a11 a12 . . . a1n
 a21 a22 . . . a2n 


A = (aij ) = 

 . . . . . . ... . . . 
am1 am2 . . . amn
von m × n Zahlen, bestehend aus m Zeilen und n Spalten. Der erste Index
i = 1, . . . , m bezeichnet die Zeilen, der zweite Index j = 1, . . . , n die Spalten:
Matrix vom Typ m × n .
In der Physik haben Matrizen zweierlei Anwendungen. Erstens gibt es
physikalische Grössen, die sich in einem gegebenen Koordinatensystem durch
23
eine Matrix darstellen lassen. Ein Beispiel für einen solchen Tensor ist der
Trägheitstensor, welcher den Drehimpuls eines um eine bestimmte Achse
rotierenden Körpers beschreibt.
Zweitens können Matrizen lineare Abbildungen von Vektoren beschreiben. Sie können zum Beispiel dazu benutzt werden, die Komponenten eines
Vektors in einem neuen Bezugssystem auszurechnen.
4.1.1
Beispiele
1) Kroneckersymbol δij :
Matrix vom Typ n × n (bisher

δ11 δ12
δij =  δ21 δ22
δ31 δ32
n = 2 oder 3)
 

δ13
1 0 0
δ23  =  0 1 0  .
δ33
0 0 1
2) Lineare Transformationen von Vektoren (z.B. Drehungen, Streckungen):
Es seien zwei Basissysteme {~e1 , ~e2 } und {d~1 , d~2} gegeben,
1
1
1
−1
0
1
, d~2 = √
.
und d~1 = √
, ~e2 =
~e1 =
1
1
0
2 1
2
Eine Abbildung ~e1 → d~1 und ~e2 → d~2 ist nun durch die Matrix R
definiert,
!
√1
√1
−
2
2
R=
.
√1
√1
2
2
Übung: Überprüfe R · ~e1 = d~1 und R · ~e2 = d~2 .
Allgemein wird jeder beliebige Vektor im Basissystem {~e1 , ~e2 } durch
Multiplikation mit R−1 auf das Basissystem {d~1 , d~2 } abgebildet.
3) Volumen eines Parallelepipeds:


a1 b1 c1
V (~a, ~b, ~c) = ~a · ~b × ~c = det  a2 b2 c2  .
a3 b3 c3
24
4.1.2
Eigenschaften und Rechenregeln
1) Gleichheit zweier Matrizen A und B:
A=B
⇐⇒
aij = bij ∀ i, j
Beachte: A und B müssen gleichen Typs m × n sein.
2) Summe zweier Matrizen A und B:
C =A+B
⇐⇒
cij = aij + bij ∀ i, j
Beachte: A und B müssen gleichen Typs m × n sein. Die Addition ist
kommutativ.
3) Die Nullmatrix besteht aus lauter Nullen:


0 ··· 0


0 =  ... . . . ...  .
0 ··· 0
4) Die Einheitsmatrix ist immer

1

 0
11 = 

vom Typ n × n, also quadratisch:

0
..

.
1

 = δij .
.. ..
.
. 0 
0 1
5) Multiplikation mit einem Skalar α:

αa11 αa12 · · · αa1n
 αa21 αa22 · · · αa2n

α · A =  ..
..
..
..
 .
.
.
.
αam1 αam2 · · · αamn
6) Transponierung einer Matrix: Sei

a11 a21
 a12 a22

AT =  ..
..
 .
.
a1n a2n


 = (α · aij ) .

A = (aij ) vom Typ m × n. Dann ist

· · · am1
· · · am2 

..  = (aji )
..
.
. 
· · · amn
die transponierte Matrix vom Typ n × m.
25

4.1.3
Multiplikation von Matrizen
Definition: Sei A = (aij ) eine mA × nA -Matrix und B = (bij ) eine mB × nB Matrix. Wenn nA = mB , dann ist das Produkt C = A · B definiert durch
C = (cik ) =
nAX
=mB
aij bjk
j=1
und vom Typ mA × nB .
Beachte, dass im allgemeinen A · B 6= B · A.
Beispiele:
1)
A=
2)
A=
3)
4.1.4
A=
1 2
3 4
1 2
1 2
,
,
,
B=
5
6
⇒A·B =
B=
3
4
⇒A·B =
B=
3
4
⇒B·A=
17
39
11
3 6
4 8
Determinanten
Definition: Sei A = (aij ) eine quadratische n × n Matrix. Dann ist
det A = |A| =
n
X
i,j,k,...=1
εijk... · a1i a2j a3k . . .
die Determinante von A, wobei εijk... das Vorzeichen der Permutation (123 . . .) →
(ijk . . .) darstellt.
Beispiele:
1) A = (aij ) vom Typ 1 × 1: det A = a11
2) A = (aij ) vom Typ 2 × 2:
a
a
det A = 11 12
a21 a22
26
= a11 · a22 − a12 · a21
3) A = (aij ) vom Typ 3 × 3:
a11 a12 a13 det A = a21 a22 a23 a31 a32 a33 = a11 · a22 · a33 + a12 · a23 · a31 + a21 · a32 · a13
−a13 · a22 · a31 − a12 · a21 · a33 − a23 · a32 · a11
Eigenschaften:
1) Determinante ist homogen bezüglich der Multiplikation einer
einem Skalar:
a11 a12 · · · a1n
a11 a12 · · · a1n .
.
..
..
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
.
=λ·
ai1 ai2 · · · ain
λai1 λai2 · · · λain .
.
..
..
.
.
..
..
.. ..
.
.
2) Analog für die Multiplikation einer Spalte mit einem Skalar.
Zeile mit
3) Vorzeichenwechsel unter Vertauschung zweier beliebiger Zeilen:
..
.. ..
.. ..
..
.
.
.
. .
. ai1 ai2 · · · ain aj1 aj2 · · · ajn .
..
.. = − ..
..
.. ..
.
. .
. .
a
j1 aj2 · · · ajn ai1 ai2 · · · ain .
.
..
.. ..
.. ..
..
.
.
.
.
4) Analog für die Vertauschung zweier beliebiger Spalten.
5) AT = |A|
6) |A · B| = |A| · |B|
27
4.2
Komplexe Zahlen
Komplexe Zahlen spielen in der Physik eine herausragende Rolle. Im Folgenden wird davon ausgegangen, dass im bisherigen Unterricht komplexe
Zahlen eingeführt wurden. Interessierte finden bei www.wikipedia.org unter
dem Stichwort Komplexe Zahlen eine gut lesbare Darstellung. Hier werden
nur wichtige Eigenschaften kurz diskutiert.
1) Definition: Als komplexe Zahlen bezeichnet man Objekte der Form
z = α + iβ ,
wobei α, β beliebige reelle Zahlen sind. Man nennt α (β) den Realteil
(Imaginärteil) der komplexen Zahl z. Die imaginäre Einheit i ist ein
Objekt mit der Eigenschaft i2 = −1.
2) Gauss’sche Zahlenebene: Definiere die komplexe Zahl α + iβ als Punkt
(α, β) in der Ebene IR2 .
Die Teilmenge der reellen Zahlen (β = 0) bildet die waagrechte Achse,
diejenige der rein imaginären komplexen Zahlen (α = 0) die senkrechte
Achse.
Der Addition zweier komplexer Zahlen z1 , z2 entspricht in der Gauss’schen
Zahlenebene die komponentenweise Addition von Vektoren mit den
Komponenten (α1 , β1 ), (α2 , β2 ).
3) Addition: Die Summe zweier komplexer Zahlen z1 = α1 + iβ1 , z2 =
α2 + iβ2 ist definiert durch
z1 + z2 = (α1 + α2 ) + i(β1 + β2 ) .
4) Multiplikation: Das Produkt zweier komplexer Zahlen z1 , z2 ist definiert
durch
z1 z2 = (α1 α2 − β1 β2 ) + i(α1 β2 + α2 β1 ).
5) Komplexe Konjugation: Die zu z = α + iβ komplex konjugierte Zahl
ist definiert durch
z̄ = z ∗ = α − iβ .
28
Im z
4
z=4+3i = 5 e
iφ
3
=
ge
2
en
La
1
−3
−2
5
φ
Re z
0
−1
−1
1
2
3
4
5
−2
z=4−3i = 5 e
−3
−iφ
Abbildung 4.1: Die Gauss’sche Zahlenebene.
6) Betrag: Der Betrag einer komplexen Zahl ist definiert durch
|z| = (α2 + β 2 )1/2 .
Der Betrag |z| ist eine reelle Zahl und gleich der Länge des entsprechenden Vektors (α, β) in der komplexen Zahlenebene.
7) Die Menge der komplexen Zahlen wird im folgenden mit C bezeichnet.
8) Exponentialform
Die Exponentialdarstellung von komplexen Zahlen ist äusserst nützlich
für Rechnungen. Sie lautet
z = ρeiφ = ρ(cos φ + i sin φ) ; ρ = |z| .
Die Exponentialfunktion wird im Abschnitt 4.3 kurz diskutiert. In Abbildung 4.1 ist tan φ = 3/4 ⇒ φ = 36.7◦ , im Bogenmass φ = 36.7
π=
180
0.643.
Die Multiplikation erscheint in dieser Darstellung besonders einfach.
Mit z1 = ρ1 eiφ1 und z2 = ρ2 eiφ2 haben wir
z1 z2 = ρ1 ρ2 ei(φ1 +φ2 ) .
29
4.3
Die Exponentialfunktion
Die Exponentialfunktion kann auf verschiedensten Wegen eingeführt werden.
Hier definieren wie sie durch
∞
. X zn
e =
, zǫC
n!
n=0
z
Dabei haben wir das Symbol n! = 1 · 2 · 3 · · · n benutzt (ausgesprochen als
“n Fakultät”). Die Reihe ist konvergent ∀ z ∈ C.
Eigenschaften der Exponentialfunktion
ez ew = ez+w
eiϕ = cos ϕ + i sin ϕ, ϕ ǫ R
ex > 0, x ǫ R; ez 6= 0, z ǫ C
e0 = 1; e1 = 2.71828...; eiπ = −1
(ex )
′
= ex
′
f (x) = f (x) 7→ f (x) = C ex , C konstant
Bemerkung: Die Notation cis φ = cos φ + i sin φ wird nirgends benutzt.
Logarithmusfunktion
Exponentialfunktion:
Umkehrfunktion:
ex : R → R+
ln x : R+ → R
eln x = x, x > 0
Eigenschaften der Logarithmusfunktion
ln (x · y) = ln x + ln y
d
1
ln x =
dx
x
30
(4.1)
5
5.1
Hinweise zur Integration
Das unbestimmte Integral
Gegeben: Funktion f (x)
Gesucht: Funktionen F (x), mit der Eigenschaft, dass
dF (x)
= f (x) .
dx
Symbolik:
F (x) =
Z
dx f (x) .
F heisst “unbestimmtes Integral” oder “Stammfunktion” von f .
Beispiel:
f (x) = x ;
F (x) =
Z
dx x =
1 2
x +C.
2
F enthält eine Integrationskonstante C, welche durch die Definition von F
nicht festgelegt ist.
Die unbestimmte Integration ist die Umkehrung der Differentiation:
R
f (x) dx
F (x) ←—————– f (x) ,
ableiten
F (x) —————–→ f (x) .
Tafeln: Gradshteyn and Ryzhik, Table of Integrals, Series and Products, Academic Press (Bibliothek).
Ebenfalls Computerprogramme (REDUCE, MATHEMATICA, MAPLE, etc.).
5.2
Das bestimmte Integral
Gegeben: f (x); a, b.
Gesucht: Fläche unter der Kurve?
Z b
I=
dx f (x)
“bestimmtes Integral”
a
31
f (x)
x
i
x0 x1 x2
xi
xn
a
Definition:
x
b
I = lim
∆x→0
n
X
.
∆xi f (xi ) =
i=1
Z
b
dx f (x) .
a
Mit ∆x → 0 ist gemeint, dass alle ∆xi gegen 0 streben sollen und somit
n → ∞. Für eine grosse Klasse von Funktionen f (x) existiert der Grenzwert
unabhängig von der Einteilung ∆xi ; siehe Mathematikvorlesungen.
Hauptsatz der Differential- und Integralrechnung: Wenn f (x) im Intervall J
stetig ist, so gilt für jede Stammfunktion F (x) von f (x) und für beliebige
a, b ∈ J
Z
b
I=
a
dx f (x) = F (b) − F (a) ≡ F (x)|ba .
Kommentare zum Satz:
1. Enorm nützlich.
2. Die Berechnung bestimmter Integrale stetiger Funktionen ist auf die
Bestimmung von Stammfunktionen zurückgeführt.
3. Beispiel:
f (x) = x2 ;
a = 0,b = 1.
4. Die additive Konstante C in F (x) fällt bei der Berechnung von I weg.
5. Die Fläche I exisitert nicht immer. Typische Problemfälle:
(a) f (x) pathologisch, z.B. Pol: f (x) = 1/x .
(b) Grenzen im Unendlichen (I = ∞ ?)
6. Flächenstücke unter der x–Achse werden negativ gezählt.
32
Satz: Eine in einem Intervall J stetige Funktion f (x) besitzt dort eine Stammfunktion, z.B.
Z x
F (x) =
dξ f (ξ) ; a ∈ J .
(5.1)
a
Bemerkungen:
a) Die Stammfunktion F (x) in Gl. (5.1) besitzt in J eine Nullstelle (bei
x = a).
b) Jede andere Stammfunktion unterscheidet sich von (5.1) lediglich um
eine Konstante.
Rx
c) f (x) stetig =⇒ 0 dξ f (ξ) differenzierbar: “Integration glättet”.
5.3
Grenzen im Unendlichen
Z
a) Def.:
∞
b) Def.:
R∞
1
b→∞
a
Existiert nicht immer.
Bsp. 1: Z ∞
1
dx 2 =
x
1
Bsp. 2:
f (x) dx = lim
Z
Z
b
f (x) dx
a
b
dx
lim
= lim
b→∞ 1 x2
b→∞
1
= lim 1 −
=1
b→∞
b
dx
x
b )
1 − x 1
(
(unproblematisch)
existiert nicht (Fläche zu gross).
Z
Z ∞
f (x) dx = lim lim
−∞
a→−∞ b→∞
b
f (x) dx
a
Es sind auch andere Definitionen denkbar, wie zum Beispiel
Z A
Z ∞
dx f (x) dx
f (x) dx = lim
Bsp. 1:
Z
−∞
A→∞
∞
−A
dx
= lim lim atan(x)|ba
2
a→−∞ b→∞
−∞ 1 + x
π π
= π.
= lim lim {atan(b) − atan(a)} = − −
a→−∞
2
2
Z ∞ b→∞
b
1
dx · x
Bsp. 2:
= lim lim
ln(1 + x2 )a
2
a→−∞ b→∞
2
−∞ 1 + x
R A dx·x
exisitiert nicht. Beachte, dass limA→∞ −A 1+x2 = 0, weil der Integrand ungerade ist.
33
5.4
Mit
Pole (Beispiele)
(
Z
b
a
dx
= lim
ǫ→0
x
Z
−|ǫ|
dx
+
x
a
Z
b
+|ǫ|
dx
x
)
Z b
≡P
a
dx
x
(a < 0, b > 0) definiert man den Hauptwert des Integrales über einen Pol.
Z b
dx
b
−→ P
= ln
(Übung)
x
|a|
a
5.5
Unbestimmtes Integral: Substitution
Die Substitution ist eine Methode, eine Integration (eventuell) zu bewältigen.
Prinzip: Suche die geeignete Variable.
Beispiel
R
2
I = dx x · e−x
z = x√2
x= z
1
= dz √
dx = dz dx
R dz 1 √ 2 −zz
I = dz 2 √z z e
I = − 21 e−z
2
I = − 21 e−x
allgemein
R
I = f (x) dx
z = g(x)
x = h(z) [= g −1 (z)]
dx = dz dx
= dz · h′ (z)
R dz ′
I = dz h (z) f [h(z)]
I = s(z)
I = s(g(x)) = ŝ(x)
Kontrolle: differenzieren!
5.6
Bsp. 1:
Bestimmtes Integral: Substitution
I=
Z
1
2
dx x · e−x
2
Methode a): unbestimmtes Integral nach Substitutionsmethode (−→ ŝ(x),
siehe oben); dann Grenzen von x einsetzen:
Z 2
1 −x2 x=2
1
1
−x2
I=
dx x · e
=− e = − e−4 + e−1 .
2
2
2
x=1
1
Methode b): unbestimmtes Integral nach Substitutionsmethode in der Variablen z (−→ s(z), siehe oben); dann Grenzen von z einsetzen:
Z 2
Z 4
z=4
1
1
−x2
I=
dx x · e
=
dz e−z = − e−z z=1 = ......
2
2
1
1
34
.
I =
Bsp. 2:
Z
∞
dx e−A x
Z−∞
∞
2 +B
x
B
2
(A > 0)
Z ∞
B 2
B2
=
dx e−A(x− 2 A ) e 4 A
dx e−A(x − A x)
−∞
−∞
z
B
=√
x−
Neue Variable:
2A
A
B
1
z
x=
+ √ ; dx = √ dz
2A
A
A
Z ∞
1
2
2
I=√
dz e−z · eB /(4 A)
A −∞
Unter Verwendung von
Z ∞
√
2
dz e−z = π
(ohne Beweis)
=
erhält man somit
−∞
I=
Z
∞
−A x2 +B x
dx e
=
−∞
r
π 1
e4
A
B2
A
.
Gilt auch für komplexe A, B, sofern ReA > 0.
5.7
Partielle Integration (unbestimmt)
u = u(x), v = v(x) seien beliebige (differenzierbare) Funktionen.
d
(u v) = u′ v + u v ′
dx
Z
Z
d
(u v) dx =
(u′ v + u v ′) dx
=⇒
dx
Z
Z
′
uv +C =
u v dx +
u v ′ dx
Z
Z
′
=⇒
u v dx = C + u v −
u′ v dx
Beispiel:
Z
dx |{z}
x · |{z}
e−x ;
u
v′
Z
−x
xe
Kontrolle: differenzieren!
u = x ; v ′ = e−x ; u′ = 1 ; v = −e−x .
dx = C − x e
−x
+
Z
dx · 1 · e−x
C − x e−x − e−x
35
(5.2)
5.8
Partielle Integration (bestimmt)
Z
b
Z
∞
(u v)|ba
′
dx (u v ) =
a
Beispiel:
Z
∞
0
2 −x2
dx x e
=
0
b
dx u′ v .
a
1
2
dx − x · −2 x e−x
2
{z
}
| {z } |
′
v
u
1√
π
4
= ...Übung =
5.9
−
Z
unter Verwendung von Gl. (5.2).
Ableiten nach Parameter
F (A) =
Z
b
dF
=?
dA
dx g(x, A) ;
a
In sehr vielen Fällen (für genaue Voraussetzungen siehe Mathematikvorlesungen) darf man Integration und Differentiation vertauschen, d.h.,
dF
=
dA
Z
b
dx
a
∂g(x, A)
.
∂A
Oft ist es günstig, einen Parameter (künstlich) einzuführen, nach diesem
abzuleiten, und ihn am Schluss wieder wegzunehmen. Ein Beispiel dazu ist
das folgende:
Z
I=
∞
−∞
2
dx x2 · e−x .
Um dieses Integral zu lösen, betrachten wir
Z ∞
Z ∞
d
2
.
2 −A x2
IA =
dx x e
=
dx −
e−A x
dA
−∞
−∞
Z ∞
1
d
2
dx e−A x ;
x= √ u
= −
dA −∞
A
√
π
d 1 √
√ · π=
= −
dA A
2 A3/2
√
π
.
=⇒ I = IA=1 =
2
36
Durch fortgesetztes Differenzieren nach dem Parameter λ lassen sich die folgenden Formeln gewinnen:
Z ∞
dx xn e−λx = n! λ−(n+1) ;
n = 0, 1, 2, 3, ....; λ > 0
0
r
Z ∞
π
1
·
3
·
5...
·
(2n
−
1)
2
;
λ > 0 ; n = 0, 1, 2, 3, ...
dx x2n e−λx =
n
2 (2 λ)
λ
0
Z ∞
n!
2
;
λ > 0 ; n = 0, 1, 2, 3, ...
dx x2n+1 e−λx =
2 λn+1
0
6
Differentialgleichungen
Eine Gleichung, welche neben einer unbekannten Funktion auch Ableitungen
dieser Funktion enthält, heisst Differentialgleichung. Falls die unbekannte
Funktion nur von einer einzigen Variablen abhängt, so spricht man von einer gewöhnlichen Differentialgleichung; hängt die unbekannte Funktion von
mehreren Variablen ab, und kommen in der Gleichung diese Funktion und
ihre partiellen Ableitungen vor, so spricht man von einer partiellen Differentialgleichung.
Ein weiteres Merkmal ist die Ordnung der Differentialgleichung. Darunter
versteht man die höchste Ordnung der vorkommenden Ableitungen.
Differentialgleichungen sind ein ausserordentlich wichtiges mathematisches Instrument in allen Gebieten der Physik. Viele Probleme der klassischen
Physik lassen sich auf das Lösen von Differentialgleichungen zurückführen.
Es gibt eine grosse mathematische Literatur zum Thema Differentialgleichungen, in der Regel lassen sich aber nur die wenigsten Gleichungen analytisch
lösen. In diesem Kapitel werden wir die Lösung für eine Klasse von einfachen,
aber für die Physik wichtigen Gleichungen herleiten. Ausserdem besprechen
wir ein einfaches Verfahren, mit dem sich Differentialgleichungen numerisch
lösen lassen.
6.1
Beispiele und Klassifikation
Beispiele:
1. y ′ (x) = 0 ⇒ y(x) = c.
Randbedingung y(x0 ) = y0 legt c = y0 fest.
37
y
g
x
l
Φ
m
Abbildung 6.1: Das Pendel im Gravitationsfeld ~g
2. y ′ (x) = βx ⇒ y(x) = 1/2βx2 + c.
Randbedingung y(x0 ) = y0 legt c = y0 − 1/2βx20 fest:
1 2
1 2
y(x) = βx + y0 − βx0
2
2
3. y ′ (x) = −γy(x); eine ähnliche Gleichung beschreibt z.B. die Bewegung
eines Massenpunktes, der im homogenen Gravitationsfeld fällt,
v̇(t) + γv(t) = g
v̇(t) :
γv(t) :
g:
Beschleunigung des Massenpunktes
durch Atmosphäre (Reibung) erzeugte Bremsbeschleunigung
Erdbeschleunigung
4. Newtonsche Bewegungsgleichungen für Massenpunkte sind gewöhnliche Differentialgleichungen für die Koordinaten der Massenpunkte (als
Funktion der Zeit). Beispiel Pendel, siehe obige Figur, und Skript Experimentalphysik I, S.53:
d2 φ(t)
+ ω 2 φ(t) = 0 ;
dt2
ω2 =
|~g |
.
l
Dies ist eine gewöhnliche Dgl. für den Auslenkungswinkel φ(t). Die
gesuchte Funktion hängt nur von einer Variablen ab, der Zeit t.
38
y(x,t)
x
−L
L
0
Abbildung 6.2: Die schwingende Saite, eingespannt bei x = ±L.
5. Die einfachste Newtonsche Bewegungsgleichung ist die gleichförmig beschleunigte Bewegung: ÿ(t) = a
1. Integration: ẏ(t) = at + c1
2
2. Integration: y(t) = at2 + c1 t + c2
2 Randbedingungen: sowohl der Anfangsort, wie auch die Anfangsgeschwindigkeit müssen vorgegeben werden: c1 = v(0), c2 = y(0).
6. Gleichung einer schwingenden Saite. y(x, t) bedeute die Auslenkung der
Saite an der Stelle x, zur Zeit t, siehe obige Figur und Skript Experimentalphysik I, S. 181:
∂ 2 y(x, t) ∂ 2 y(x, t)
−
= 0 (“Wellengleichung”).
v 2 ∂t2
∂x2
Dies ist ein Beispiel einer partiellen Differentialgleichung: Die gesuchte Funktion y(x, t) hängt von 2 Variablen ab (Zeit t und Ort x). Der
Parameter v ist vorgegeben (materialabhängig) und bedeutet die Fortpflanzungsgeschwindigkeit der Welle.
Klassifikation:
Eine Differentialgleichung (z.B. in v(t)) beschreiben wir häufig mit folgenden
Begriffen:
gewöhnlich:
partiell:
n-ter Ordnung:
linear:
homogen:
Gesuchte Funktion v(t) hängt nur von einer Variablen
ab (hier t),
Funktion hängt von mehreren Variablen ab,
vorkommende Ableitungen haben höchstens
Ordnung n,
Funktion v(t) und ihre Ableitungen erscheinen nur linear,
v = 0 ist eine Lösung der Gleichung.
Wir betrachten im ersten Teil dieser Vorlesung ausschliesslich gewöhnliche
Differentialgleichungen. Im zweiten Teil werden wir uns auch partielle Differentialgleichungen anschauen, z.B. die Wellengleichung.
39
6.2
Lineare Differentialgleichungen
Die allgemeine lineare Differentialgleichung n-ter Ordnung für eine Funktion
y(t) hat die Form
dn y(t)
dn−1 y(t)
dy(t)
+
A
(t)
+ · · · + A1 (t)
+ A0 (t) y(t) = f (t) .
n−1
n
n−1
dt
dt
dt
(6.1)
Falls f (t) = 0 ist die Gleichung homogen. Die Gleichung, die man erhält,
wenn man bei einer gegebenen Gleichung f (t) = 0 setzt, nennt man die
zugehörige homogene Gleichung.
Falls y1 (t) und y2 (t) Lösungen der homogenen Gleichung sind, so ist auch
die Linearkombination y(t) = αy1(t) + βy2 (t) eine Lösung der homogenen
Gleichung, weil die Ableitung eine lineare Operation ist:
dm y(t)
dm y1 (t)
dm y2 (t)
=
α
+
β
.
dtm
dtm
dtm
6.2.1
(6.2)
Lineare Differentialgleichung erster Ordnung
Als Beispiel einer linearen Gleichung betrachten wir einen Massenpunkt, der
im Gravitationsfeld der Erde nach unten fällt (nahe der Erdoberfläche, Gravitationsfeld konstant). Der Massenpunkt erfährt eine Reibungskraft durch
die Atmosphäre und wir nehmen der Einfachheit halber an, dass diese Kraft
proportional zur Geschwindigkeit ist. Für eine eindimensionale Bewegung
lautet die Differentialgleichung für die Geschwindigkeit
v̇(t) + γv(t) = g .
(6.3)
Dabei ist g ≃ 9.8 ms−2 die Erdbeschleunigung, und die durch die Atmosphäre
erzeugte Reibung wird durch die Konstante γ beschrieben. Die physikalische
Fragestellung lautet: Wie verhält sich die Geschwindigkeit v(t) als Funktion
der Zeit? In anderen Worten, wie muss die Funktion v(t) beschaffen sein,
damit sie die Differentialgleichung (6.3) erfüllt?
Für die folgende Diskussion ist es günstig, das Problem in einer allgemeineren Form zu schreiben und zuzulassen, dass γ, g auch zeitabhängig sind,
v̇(t) + α(t)v(t) = β(t) .
Es gilt der folgende
40
(6.4)
Satz D1 : Die Funktionen α(t), β(t) seien stetig. Zu vorgegebenen Werten
von t0 , v0 gibt es genau eine Lösung der Differentialgleichung (6.4) mit der
Eigenschaft
v(t0 ) = v0 .
(6.5)
Offenbar gibt es nicht nur eine Lösung zu (6.4), sonst könnten wir den
Wert der Geschwindigkeit zur Zeit t0 nicht beliebig vorgeben. Andererseits
ist die Lösungsschar auch nicht beliebig gross: Es genügt, den Wert der Geschwindigkeit zu einem Zeitpunkt t0 vorzuschreiben, um alles festzulegen.
Man sagt, es liege eine eindimensionale Lösungsschar vor. Wir werden weiter unten diesen Satz beweisen, indem wir die allgemeine Lösung von (6.4)
explizit herleiten. Die Bedingung (6.5) heisst die zur Dgl. (6.4) gehörende Anfangsbedingung. Ein analoger Satz zu D1 gilt für Gleichungen n-ter Ordnung:
in diesem Fall benötigt man nicht nur eine, sondern n Anfangsbedingungen,
um die Lösung eindeutig festzulegen.
Wir kehren wieder zum ursprünglichen Problem (6.3) zurück. Ausserdem
setzen wir der Einfachheit halber in der Bedingung (6.5) t0 = 0.
i) Es sei γ = g = 0. Dann lautet die Dgl.
v̇ = 0 .
(6.6)
Die Geschwindigkeit ist in diesem Fall unabhängig von der Zeit, und
die Lösung der Dgl. lautet offenbar
v = c = konstant .
(6.7)
Der Satz D1 ist richtig in diesem Fall: Wir wählen c = v0 . Dann ist die
Bedingung (6.5) erfüllt und die Lösung ist eindeutig festgelegt. Die oben
erwähnte eindimensionale Schar von Lösungen ist hier parametrisiert
durch die Konstante c (ein Parameter).
ii) Es sei g = 0, γ 6= 0. Dann lautet die Dgl.
v̇ + γv = 0 .
(6.8)
Wir stellen fest, dass jede Funktion
v(t) = c e−γt
(6.9)
für beliebige Werte der Konstanten c eine Lösung darstellt. Die Differentialgleichung (6.8) hat also zumindest eine 1-parametrige Schar von
41
Lösungen. Gibt es neben der Lösungsschar (6.9) weitere Lösungen der
Differentialgleichung (6.8), die sich nicht in der Form (6.9) schreiben
lassen? Dass dies nicht der Fall ist, lässt sich folgendermassen einsehen.
Es sei v̄(t) irgendeine Lösung der Dgl. (6.8). Bilde h(t) = eγt v̄(t). Dann
gilt
˙
ḣ(t) = γh(t) + eγt v̄(t)
= γh(t) − γh(t) = 0 .
(6.10)
Die Funktion h(t) ist also unabhängig von t, h(t)= konst. Daraus folgt
v̄(t) = he−γt . Mit anderen Worten, jede Lösung der Dgl. (6.8) ist von
der Form (6.9).
Die Konstante c lässt sich bestimmen aus dem Wert der Geschwindigkeit zur Zeit t = 0.
Wir schliessen, dass der Satz D1 auch in diesem Fall richtig ist.
iii) Wir betrachten nun den allgemeinen Fall (6.3), mit γ, g 6= 0. Zum
Auffinden der Lösung stellen wir vorerst folgendes fest. Es seien mit
vp , v1 zwei Lösungen vorgegeben. Wir bilden die Differenz
∆ = v1 − vp .
(6.11)
Durch Differenzieren finden wir, dass ∆ die homogene Dgl.
˙ + γ∆ = 0
∆
(6.12)
erfüllt und stellen fest, dass wir diese Gleichung eben gelöst haben. Mit
anderen Worten: Wenn wir irgendeine Lösung vp (t) der inhomogenen
Gleichung (6.3) finden, so lässt sich jede andere Lösung v1 darstellen
als
v1 (t) = ∆(t) + vp (t)
= ce−γt + vp (t) .
(6.13)
Und was hilft dies hier? Wir stellen fest, dass v = g/γ eine Lösung der Dgl.
(6.3) ist. Die Geschwindigkeit ist eine Konstante für diese Lösung - sicher
nicht der allgemeingültige Fall! Aber nach dem eben Gesagten lässt sich jede
andere Lösung schreiben als
v(t) = ce−γt + g/γ .
(6.14)
Wie wir sehen, ist der Satz D1 auch hier richtig: Wenn wir c = v0 − g/γ
wählen, so ist die Anfangsbedingung (6.5) offensichtlich erfüllt, und die Lösung
eindeutig, weil die Konstante c festgelegt ist.
Dazu nochmals etwas Nomenklatur:
42
i) Die Funktion v(t) in (6.14) heisst allgemeine Lösung der Dgl. (6.3).
Man hat diesen Namen gewählt, weil sich jede Lösung so darstellen
lässt, mit einer geeigneten Konstanten c. Diese Konstante heisst Integrationskonstante.
ii) Die Lösung (6.9) heisst allgemeine Lösung der zur Dgl. (6.3) gehörenden homogenen Dgl. (6.8).
iii) Die spezielle Lösung vp = g/γ heisst partikuläre Lösung.
Wir können das Resultat (6.14) folgendermassen zusammenfassen: Die
allgemeine Lösung der Dgl. (6.3) ist die Summe der allgemeinen Lösung der
homogenen Gleichung (6.8), plus einer partikulären Lösung der Dgl. (6.3).
Die Prozedur, mit der wir die Lösung erhalten haben ist, kann auch bei anderen linearen Gleichungen angewendet werden. Man löst lineare Gleichungen,
indem man zuerst die allgemeine Lösung der homogenen Gleichung herleitet
und dazu noch eine partikuläre Lösung der inhomogenen Gleichung findet. Es
gibt spezielle Techniken, um eine partikuläre Lösung zu konstruieren, diese
laufen etwa unter dem etwas unglücklichen Namen “Variation der Konstanten”.
6.2.2
Allgemeine Lösung der linearen DG 1. Ordnung
Wir lösen nun die Gleichung
y ′ (x) + α(x)y(x) = β(x) ,
(6.15)
explizit, für beliebige, stetige Funktionen α(x) und β(x). Als Vorbereitung,
definieren wir dazu zunächst die Funktion
Z
A(x) = dx α(x) + C1 ,
mit einer Integrationskonstanten C1 , weil die Stammfunktion von α(x) nicht
eindeutig ist. Danach multiplizieren die Gleichung (6.15) mit eA(x)
eA(x) y ′(x) + eA(x) α(x)y(x) = eA(x) β(x) ,
d y(x)eA(x) = eA(x) β(x) .
dx
Die Grösse eA(x) heisst auch ein integrierender Faktor, weil es uns damit
gelungen ist, die Gleichung in einer Form zu schreiben, dass wir sie direkt
43
integrieren können. Durch Integration auf beiden Seiten erhält man
Z
A(x)
y(x)e
=
dx β(x)eA(x) + C2 ,
nZ
o
−A(x)
y(x) = e
dx β(x)eA(x) + C2
Damit haben wir die allgemeine Lösung explizit konstruiert. Es scheint allerdings, dass diese zwei Integrationskonstante C1 und C2 aufweist. Durch
explizites Auswerten sieht man aber, dass die Lösung nur von einer Kombination abhängt:
Z
o
n
−Â(x)
y(x) = e
C + dx β(x)eÂ(x) ,
wobei C = e−C1 C2 und Â(x) die Stammfunktion mit C1 = 0 ist. Man kann
also ohne Einschränkung der Allgemeinheit C1 = 0 setzen.
Beispiel: Für die Gleichung
v̇(t) + γv(t) = g .
welche wir im letzten Kapitel diskutiert hatten ist α(t) = γ und β(t) = g
Z
A(t) =
dtγ = γt ,
Z
γt
−γt
= Ce−γt + g/γ .
C + dt ge
v(t) = e
Wir reproduzieren also unser früheres Resultat (6.14).
6.2.3
Lineare Gleichungen mit konstanten Koeffizienten
Wir lösen nun die allgemeine homogene lineare Gleichung (6.1) im einfachen
Fall, wo die Koeffizienten konstant sind:
dn y(t)
dn−1 y(t)
dy(t)
+
A
+ · · · + A1
+ A0 y(t) = 0 .
n−1
n
n−1
dt
dt
dt
(6.16)
Die Gleichung n-ter Ordnung hat eine Lösungsschar mit n Parametern, d.h.
n Integrationskonstanten.
44
Man kann die verschiedenen Lösungen mit dem Anstatz y(t) = Ceαt
gewinnen. Wenn man diesen Ansatz in obige Gleichung einsetzt, erhält man
die Bedingung
αn + An−1 αn−1 + · · · + A1 α + A0 = 0 .
(6.17)
Das Lösen der Gleichung läuft darauf hinaus, die Nullstellen in einem Polynom n-ter Ordnung zu finden. Für reelle α’s kann es passieren, dass das
Polynom weniger als n Nullstellen hat. In diesem Fall gibt es Lösungen der
Differentialgleichung (6.16), die nicht die Form des Ansatzes haben.
An dieser Stelle lohnt es sich zunächst komplexe Lösungen zu betrachten.
Das Fundamentaltheorem der Algebra besagt, dass es ein Polynom n-ter Ordnung immer n Nullstellen im Komplexen hat. Es kann höchstens passieren,
dass die gleiche Nullstelle mehrfach auftritt, z.B. bei (z − 5)2 . Diesen Fall
diskutieren wir weiter unten. Für den Fall, dass jede Nullstelle nur einmal
auftritt, liefert der Ansatz
z(t) = Ceαt
(6.18)
mit komplexem C und α die vollständige Lösung der Gleichung (6.16). Diese
Lösung erhält man indem man zuerst die n Nullstellen α1 , α2 , . . . , αn des
Polynoms (6.17) bestimmt und dann die Linearkombination
z(t) =
n
X
Ci eαi t
(6.19)
i=1
bildet. Die n Integrationskonstanten Ci legen die Lösung eindeutig fest.
In einem zweiten Schritt konstruieren wir nun daraus die allgemeine reelle Lösung. Für reelle Koeffizienten Ai ist mit z(t) automatisch auch z ∗ (t)
eine Lösung: Die komplex konjugierte Varable erfüllt die komplex konjugierte Gleichung, die aber aufgrund der reellen Koeffizienten identisch mit der
ursprünglichen Gleichung ist. Da die Gleichung linear ist, sind damit auch
Re[z] =
1
[z(t) + z ∗ (t)] ,
2
Im[z] =
1
[z(t) − z ∗ (t)] ,
2
(6.20)
Lösungen. Die reellen Lösungen lassen sich also als Realteil der komplexen
Lösung erhalten.
Die in der Physik wichtigste Gleichung in dieser Kategorie, ist die Bewegungsgleichung für den harmonischen Oszillator
ÿ(t) + κ2 y(t) = 0
45
wobei κ2 = D/m durch die Masse m und die Federkonstante D gegeben ist.
Wir setzen nun den Ansatz (6.18) in die Gleichung ein und erhalten
α2 + κ2 = 0
→
α = ±iκ .
Die allgemeine komplexe Lösung ist eine Linearkombination der beiden Lösungen, also
z(t) = C1 eiκt + C2 e−iκt .
Die allgemeine reelle Lösung lässt sich nun mittels
eiκt = cos(κt) + i sin(κt)
(6.21)
aus dem Realteil gewinnen und lautet
y(t) = A cos(ωt) + B sin(ωt) .
Für diesen einfachen Fall lässt natürlich die reelle Lösung auch leicht direkt
konstruieren, aber selbst beim nur leicht komplizierteren Fall einer gedämpften Schwingung, lohnt es sich zunächst im Komplexen zu arbeiten.
Was ist die Bedeutung der beiden Integrationskonstanten A und B? Man
erhält
y0 = y(t = 0) = A
v0 = ẏ(t = 0) = ωB
Die Lösung ist also vollständig festgelegt durch Angabe des Anfagsorts und
der Anfangsgeschwindigkeit.
Zum Abschluss betrachten wir noch den Fall, wo eine Nullstelle mehrfach
auftritt. Ein Beispiel ist die Gleichung
ÿ(t) − 2ẏ(t) + y(t) = 0
(6.22)
Der Ansatz (6.18) liefert
(α − 1)2 = 0
Damit ist z1 (t) = C1 et eine Lösung. Die zweite Lösung lautet
z2 (t) = C2 t et ,
wie man leicht überprüft. Falls eine Nullstelle α m-mal Auftritt, lauten die
m zugehörigen Lösungen
zk (t) = Ck tk eαt , mit k = 0 . . . m − 1 .
46
(6.23)
Das lässt sich am leichtesten überprüfen, indem man die Gleichung in OperatorNotation schreibt, also z.B. die Gleichung (6.22) in der Form
Dt2 y(t) − 2Dt y(t) + y(t) = (Dt − 1)2 y(t) = 0
schreibt, wo Dt den Ableitungsoperator bezeichnet, welcher die Ableitung einer Funktion ergibt, wenn er auf diese angewendet wird. Wenn eine Nullstelle
α m-mal Auftritt, heisst dies, das der Ableitungsoperator der Gleichung einen
Faktor (Dt − α)m enthält. Wenn man dies auf den Ansatz (6.23) anwendet
erhält man
(Dt − α)m tk eαt =
=
=
=
=
(Dt − α)m−1 k tk−1 eαt
(Dt − α)m−2 k(k − 1) tk−2 eαt
...
k · (k − 1) . . . 2 · 1 (Dt − α)m−k eαt
0 für m > k .
Mit jeder Anwendung von (Dt − α) reduziert sich also die Potenz von t um
eins und der Vorfaktor tk ist nach k Anwendungen weg. Für k < m erfolgt
danach aber noch mindestens eine weitere Anwendung von (Dt − α) und
damit gilt (Dt − α)m tk eαt = 0 in diesem Fall.
Damit haben wir nun die allgemeine Lösung der homogenen linearen Gleichung mit konstanten Koeffizienten konstruiert. Techniken, um eine partikuläre Lösung der inhomogenen Gleichung zu konstruieren, werden im dritten Teil der Vorlesung behandelt werden.
6.3
Separation der Variablen
Eine weitere Klasse von Differentialgleichungen, die analytisch lösbar sind,
sind Gleichungen erster Ordnung, bei denen die Variablen separiert sind, d.h.
Gleichungen der Form
y ′(x) = f [y(x)]g(x) .
(6.24)
Beispiele einer solchen Gleichung dieser Form sind etwa
y ′(x) = cos2 (y(x)) ,
y(x)2 y ′(x) − x3 = 0 .
Im ersten Fall ist f (y) = cos2 (y), g(x) = 1. Im zweiten Beispiel ist f (y) =
1/y 2 und g(x) = x3
47
Die Lösung erhält man, indem man die Gleichung durch f (y) dividiert
und beide Seiten integriert:
Z
Z
dy 1
dx
= dx g(x) + C .
dx f (y)
Es genügt dabei eine Integrationskonstante einzuführen, denn was zählt ist
die Differenz zwischen den Integrationskonstanten auf beiden Seiten. Auf der
linken Seite wechselt man nun die Integrationsvariable von x auf y(x). Der
Variablenwechsel bringt das Integral auf die Form
Z
Z
dx dy 1
dy
=
dx g(x) + C ,
dy dx f (y)
Z
Z
1
=⇒ dy
=
dx g(x) + C .
(6.25)
f (y)
Nach der Bestimmung der Stammfunktion muss man die Gleichung nach y
auflösen, um die Lösung zu erhalten.
Eine Methode sich zu merken, welches Integral man ausrechnen muss,
dy
ist die Ableitung y ′ (x) = dx
als Bruch dy dividiert durch dx zu lesen und
Gleichung (6.24) in der Form
dy
= dx g(x)
f (y)
zu schreiben und dann links und rechts ein Integralzeichen hinzusetzen. Mathematisch macht das wenig Sinn, aber diese Eselsbrücke liefert das korrekte
Integral (6.25).
Beispiele:
i) Für y ′(x) = cos2 [y(x)] lautet
Z
1
dy
cos2 (y)
tan(y)
y
das Integral
Z
=
dx + C = x + C ,
= x+C,
= arctan(x + c)
ii) Für y ′(x) = f (x)y lautet das Integral
Z
Z
1
=
dx f (x) + C = F (x) + C ,
dy
y
ln(y) = F (x) + C ,
y = eF (x)+C
48
iii) Statt mit Stammfunktionen kann man mit bestimmten Integralen arbeiten, um direkt die Lösung zu einer Randbedingung, etwa y(0) = y0 ,
zu erhalten. Für y ′ (x) = −xy lautet dann das Integral
Z
y(x)
y0
1
dỹ
= −
ỹ
Z
x
dx̃ x̃ ,
0
2
x
,
2
2
y(x) = y0 e−x /2
ln(y(x)) − ln(y0) = −
6.4
Numerische Lösung: Schrittweise Integration
Die bisherigen Lösungsverfahren funktionieren nur für spezielle Klassen von
Differentialgleichungen (z.B. linear, separierbar). Wir besprechen nun ein allgemeines Verfahren, welches es erlaubt beliebige Gleichungen numerisch zu
lösen. Wir werden das Verfahren an einem einfachen Bespiel illustrieren indem wir die Differentialgleichung v̇(t) = −γv(t) zum Anfangswert v(0) = v0
durch schrittweise Integration lösen. Wir teilen das Intervall [0, t] der t-Achse
in n Intervalle ∆t = t/n ein:
0
0
0
1
t
k
k
Bezeichnungen: tk = k ∆t
,
t
+1
(k + 1) t
t
k
n
n
vk = v(tk ).
Aus der Differentialgleichung ergibt sich der Übergang tk → tk+1 näherungsweise wie folgt (1 Integrationsschritt ) :
v(tk + ∆t) ≈ v(tk ) + ∆t v̇(tk )
≈ v(tk ) − γ ∆t v(tk ) ,
vk+1 ≈ vk (1 − γ ∆t) .
49
(6.26)
t
Über n Integrationsschritte hinweg findet man analog
vn ≈ v0 (1 − γ ∆t)n ,
n
γt
.
v(t) ≈ v0 1 −
n
(6.27)
Die exakte Lösung erwartet man für festen Wert t in der Grenze n → ∞,
bzw. ∆t → 0 :
n
γt
v(t) = lim v0 1 −
= v0 e−γt .
(6.28)
n→∞
n
Zur Genauigkeit in Abhängigkeit von der Schrittzahl (γ = 1, v0 = 1, t = 1) :
n
v(t)
10
0.349
100
0.366
∞
0.368 (exakt)
Für unser einfaches Beispiel konnten wir das Resultat nach n Schritten
analytisch angeben. Für eine kompliziertere Gleichung ist dies nicht mehr
möglich, man kann jedoch leicht einen Computer Code schreiben, der einen
Schritt nach dem anderen berechnet und einem die Lösung nach n Schritten
angibt. Es ist auch leicht, Gleichungen zweiter Ordnung (also etwa Newtonsche Bewegungsgleichungen) mit diesem Verfahren zu integrieren. Dazu
schreibt man diese einfach als System von zwei Gleichungen erster Ordnung.
Die Gleichung mẍ(t) = F (ẋ(t), x(t), t) lässt sich als
ẋ(t) = v(t) ,
mv̇(t) = F (v(t), x(t), t) ,
schreiben. Der Integrationsschritt lautet dann
x(tk + ∆t) ≈ x(tk ) + ∆t v(tk ) ,
v(tk + ∆t) ≈ v(tk ) + ∆t F (v(tk ), x(tk ), tk )/m .
Damit lassen sich beliebige Bewegungsgleichungen numerisch lösen. In der
Praxis verwendet man raffiniertere Verfahren, die die Resultate früherer Integrationsschritte benutzen, um bessere Genauigkeit bei der Bestimmung des
Resultats im nächsten Schritt erreichen. Eine Familie von solchen Verfahren
sind die Runge-Kutta Methoden. Das oben Beschriebene Verfahren ist die
Euler-Methode und entspricht Runge-Kutta 1. Ordnung.
50
6.5
Lösen von Differentialgleichungen mit MAPLE
Programmsysteme wie MAPLE oder MATHEMATICA unterstützen symbolische, numerische und grafische Arbeiten am Computer. In dieser Umgebung
formuliert man die Probleme - zum Beispiel Differentialgleichungen - ohne
dass man sich um den Lösungsalgorithmus kümmern muss. Die folgenden
Beispiele sind als Illustration zu verstehen und nicht mit Anleitungen zu
verwechseln.
(1) Symbolische Lösung einer gewöhnlichen Differentialgleichung erster Ordnung (MAPLE). Im Ausdruck ODE wird die Dgl. spezifiziert.
ODE:=diff(f(t),t)+2*t*f(t);
Das Resultat erscheint in der folgenden Form:
/d
\
|-- f(t)| + 2 t f(t)
\dt
/
Um die Dgl. zu lösen, kann das Prozedere dsolve benutzt werden:
dsolve(ODE,f(t));
Das Resultat erscheint in der folgenden Form:
f(t) = C1 exp(-t^2)
Die Integrationskonstante wurde von MAPLE mit C1 bezeichnet.
(2) In der Prozedur dsolve können auch Anfangsbedingungen angegeben
werden: dsolve({ODE,f(0)=1},f(t));
Das Resultat erscheint in der folgenden Form:
f(t) = exp(-t^2)
(3) Numerische Lösung der Differentialgleichung. Man gibt in dsolve einfach die Vorschrift numeric ein. Die grafische Darstellung kann mit dem
Befehl odeplot erreicht werden - die unten dargestellte Figur 1 erscheint
auf dem Bildschirm (beim Aufruf mit xmaple).
51
sol:=dsolve({ODE,f(0)=1},f(t),numeric);
with(plots): odeplot(sol,[t,f(t)],0...2);
Beachte, dass die Anfangsbedingungen angegeben werden müssen sonst ist keine numerische Auswertung möglich!
(4) Weitere Möglichkeiten, Lösungen aus numerischen Rechnungen grafisch
darzustellen, werden in den Übungen besprochen.
1
0.8
0.6
0.4
0.2
0
0.5
1
1.5
2
Fig. 1. Numerische Lösung der Dgl. f˙ + 2tf = 0 mit MAPLE.
6.6
Literatur zu gewöhnlichen Differentialgleichungen
Es gibt in erster Näherung unendlich viele Bücher über gewöhnliche Differentialgleichungen - ein Blick in die Bibliothek lohnt sich auf jeden Fall.
In
A. Jeffrey, Linear Algebra and ordinary Differential equations, Blackwell
Scientific Publications, Boston, 1990, ISBN 0-86542-114-5
wird im Kapitel 4.7 die Existenz und Eindeutigkeit der Lösungen auf
einfache Art und Weise diskutiert. Erhältlich in der Bibliothek der exakten
Wissenschaften, Signatur GLA 165.
52
7
Funktionen von 2 oder mehr Variablen
F (x1 , x2 ); T (x, t); T (r, ϕ); T (~x, t).
Hier: Alle Variablen und Funktionswerte reell.
7.1
F (x, y)
x, y und F haben beliebige Bedeutung. Jedem Punkt
des Definitionsbereichs G ist ein Wert F eindeutig zugey
ordnet.
(x, y)
G
Graphik:
a) In der x − y Ebene: Kurven mit konstanten Werten von
F (Beispiel: Isobaren)
x
b) 3-D Darstellung
1
z
3
0
2
-1
0
y
1
1
x
2
30
7.1.1
Partielle Ableitungen (nach x)
Betrachte eine Funktion F (x, y), halte y fest, d.h. y = y0 , und lasse x variabel.
=⇒ F ist vorübergehend reduziert auf eine Funktion von
y
einer Variablen, nämlich x.
G
Ableitung nach x:
d
∂F (x, y)
F (x, yfest) ≡
dx
∂x
∂F (x,y)
∂x
y0
x
heisst “partielle Ableitung von F (x, y) nach x” und bedeutet die Änderung von F (x, y) bezüglich Variation von x, d.h. entlang der x-Richtung.
53
Bsp.:
F (x, y) = x2 + y 2
∂F (x, y)
= 2x
∂x
∂F (x, y)
= y cos(xy) .
∂x
;
F (x, y) = sin(xy) ;
Bemerkungen:
a) vollständige Bezeichnung:
∂F (x, y)
∂x
;
∂x F (x, y)
;
(y = konstant implizit)
∂F Fx (x, y) ;
∂x y
b) Kurzschreibweise: ∂F
∂x
restliche Information im Kopf behalten: F = F (x, y), y =konstant.
c) Wert der Ableitung in einem bestimmten Punkt (x0 , y0 ):
∂F (x, y) ; Fx (x0 , y0 ) ; ∂x F (x0 , y0 ) .
∂x x=x0;y=y0
d) Im Gegensatz zur partiellen Ableitung ergibt die totale Ableitung
d
∂F (x, y) ∂F (x, y) dy
F (x, y) =
+
.
dx
∂x
∂y
dx
Der erste Term beschreibt die explizite Abhängigkeit von x, während
der zweite Term zusätzlich die implizite Abhängigkeit der Funktion F
von x via y(x) angibt.
e) Analog zur partiellen Ableitung nach x: partielle Ableitung nach y.
Bsp.:
F (x, y) = x2 y
;
Fx (x, y) = 2xy
;
Fy (x, y) = x2 .
∂
f) Die Operation ∂x
ist ohne Angabe der festgehaltenen Variablen nicht
eindeutig. Das folgende Beispiel soll dies illustrieren.
54
Bsp.: Temperatur über einer Ebene
T = f (x, y) oder T = f (x, r)
konkretes Bsp.: f (x, y) = x (x2 + y 2 ) = x r 2
∂T ∂T 6=
∂x y
∂x r
3x2 + y 2 6= r 2
7.1.2
F (x, y). Taylorentwicklung 1. Ordnung
1 Variable: Funktion ω(u).
ω1 (u) = ω(u0) + ω ′ (u0 ) (u − u0 )
linear in u
ω1 (u) heisst “Taylorentwicklung 1. Ordnung”
w
ω(u) ∼ ω1 (u) heisst “Taylor-Näherung 1. Ordnung”
w1
ω1 (u) : Näherung durch Tangente, siehe Kapitel 3.2.
u
2 Variablen: Funktion F (x, y)
F1 (x, y) = F (x0 , y0) + Fx (x0 , y0 ) (x − x0 ) + Fy (x0 , y0 ) (y − y0 )
(7.1)
F1 (x, y) ist linear in x und in y.
F1 (x, y) heisst “Taylorentwicklung 1. Ordnung”.
F (x, y) ∼ F1 (x, y) heisst “Taylor-Näherung 1. Ordnung”.
F1 (x, y) stimmt mit F (x, y) in (x0 , y0) im Funktionswert und in den ersten Ableitungen überein.
F
F1 liegt in Tangentialebene an die Fläche z =
F (x, y) (ohne Beweis).
Werte von z = F (x, y) approximiert durch die
Werte in der Tangentialebene.
55
x0; y0
F1
F
y
x
7.1.3
Totale Ableitung, Kettenregel
Situation:
~x
T
~x
H(t)
dH
dt
Satz:
=
=
=
=
(x1 , x2 )
T (~x)
Temperaturfeld
~x(t) = (x1 (t), x2 (t))
Bewegung
T (x1 (t), x2 (t))
= ?
dH
∂T dx1
∂T dx2
=
·
+
·
dt
∂x1 dt
∂x2 dt
Zur Begründung:
H(t + ∆t) − H(t) = T [x1 (t + ∆t), x2 (t + ∆t)] − T [x1 (t), x2 (t)]
= T [x1 + ∆x1 , x2 + ∆x2 ] − T [x1 , x2 ]
∂T
∂T
≃
· ∆x1 +
· ∆x2
∂x1
∂x2
H(t + ∆t) − H(t)
∆t
∂T
∂x1
∂T
———-→
∆t→0
∂x1
≃
∆x1
∂T ∆x2
·
+
∆t
∂x2 ∆t
dx1
∂T dx2
·
+
·
dt
∂x2 dt
·
(strenger Beweis in Mathematikvorlesungen).
q
Beispiel:
T =
x21 + x22 = |~x|
dT
dt
=
x1
x2
~x · ~x˙
ẋ1 +
ẋ2 =
T
T
|~x|
Einschub: Formen der Kettenregel
1.
dF (x) dx(t)
d
F [x(t)] =
·
= F ′ · ẋ
dt
dx
dt
Beispiel:
d
d sin t
e
= ex(t) = esin t cos t
dt
dt
56
2.
2
X ∂F dxk
d
·
F [x1 (t), x2 (t)] =
dt
∂x
dt
k
k=1
Beispiel:
d 2
[~x (t)] = ..... = 2~x · ~x˙
dt
3.
dF ∂g(~x)
∂
F [g(x1 , x2 )] =
·
∂xk
dg
∂xk
Beispiel:
F =
q
x21 + x22
;
F =
√
g
;
g = x21 + x22
1
∂F
x1
=
√ · 2 x1 = p 2
∂x1
2 g
x1 + x22
1
x2
∂F
=
√ · 2 x2 = p 2
∂x2
2 g
x1 + x22
4. Allgemeiner Fall
2
X ∂F ∂xk
∂
F [x1 (u1 , u2 ), x2 (u1 , u2 )] =
∂ui
∂xk ∂ui
k=1
∂
: uk konstant gehalten für k 6= i
∂ui
∂
: xi konstant gehalten für i 6= k
∂xk
7.1.4
Höhere partielle Ableitungen
~x = (x1 , x2 ) = (x, y)
F = F (x, y)
Es gibt folgende zweite partielle Ableitungen:
a)
.
. ∂ 2 F (x, y) .
∂x ∂x F (x, y) = ∂x2 F (x, y) =
= Fxx
| {z }
∂x2
Fkt. von x,y
“zweite (partielle) Ableitung nach x”
57
b) analog
. ∂ 2 F (x, y) .
∂y ∂y F (x, y) =
= Fyy
∂y 2
c)
. ∂ 2 F (x, y) .
∂x ∂y F (x, y) =
= Fyx
| {z }
∂x ∂y
Fkt. von x,y
“gemischte partielle Ableitung”
d)
.
∂y ∂x F (x, y) = Fxy
Beispiel:
F = x · sin y
Fx = sin y ,
Fxy = cos y ,
Fy = x cos y
Fyx = cos y
Satz: Für eine grosse Klasse von Funktionen gilt
∂y ∂x F = ∂x ∂y F ,
d.h., die Reihenfolge der Ableitungen spielt keine Rolle (ohne Beweis).
7.1.5
F (x, y). Taylorentwicklung 2. Ordnung
Rep. 7.1.2: Die Taylorentwicklung 1. Ordnung (F1 ) stimmt mit F in (x0 , y0)
im Funktionswert und in den ersten Ableitungen überein. F1 ist linear in
den Variablen x, y. Krümmungseigenschaften von F sind demzufolge nicht
berücksichtigt.
Bessere Approximation von F in der Umgebung von (x0 , y0 ) durch eine Funktion F2 (x, y), welche zweiten Grades in x, y ist und welche in (x0 , y0) mit F
in den folgenden Grössen übereinstimmt:
F = F2 ; Fx = ∂x F2 ; Fxx = ∂x2 F2 ;
Fxy = ∂x ∂y F2 (= ∂y ∂x F2 )
Fy = ∂y F2 ;
Fyy = ∂y2 F2 ;
Resultat für F2 : (Verfikation als Übung)
F2 (x, y) = F (x0 , y0 ) + Fx (x0 , y0) (x − x0 ) + Fy (x0 , y0 ) (y − y0 ) +
1
1
Fxx (x0 , y0 ) (x − x0 )2 + Fyy (x0 , y0 ) (y − y0 )2 +
2
2
Fxy (x0 , y0) (x − x0 ) (y − y0 ) .
58
F2 (x, y) heisst “Taylorentwicklung 2. Ordnung”.
F ∼ F2 heisst “Taylor-Näherung 2. Ordnung”.
7.1.6
Der Gradient (2-dim.)
Sei F = F (x1 , x2 ) = F (~x) gegeben.
Definition:
~ F (~x) =
grad F = ∇
∂F ∂F
,
∂x1 ∂x2
.
Aus einem skalaren Feld wird also durch Differentiation ein Vektorfeld gebildet.
Beipiele zur Illustration:
x2
Bsp. 1:
1 2
x + x2
4 1
1
~
∇F
=
x1 , 1
2
F =
1
x1
1
Bsp. 2:
x2
1 2
F =
x1 + x22
4
1
1
~
∇F =
x1 , x2
2
2
1
x1
Bsp. 3: Taylor-Näherung des Feldes F (~x) im Punkt ~x (siehe Gl. (7.1)):
−
→
∂F
∂F
δx1 +
δx2
F (~x + δx) ≃ F (~x) +
∂x1
∂x2
→
~ (~x) · −
= F (~x) + ∇F
δx
−
→
Bei festem Betrag |δx|:
~
Æx
~
• stärkste Zunahme in Richtung ∇F
~ .
• keine Änderung in Richtung ⊥ ∇F
~ .
• stärkste Abnahme in Richtung −∇F
59
~
Æx
~
Æx
~
Æx
~
x
r~ F
Bsp. 4: F (x1 , x2 ) vorgegeben. F (x1 , x2 ) = K (konstant) legt eine Kurve fest in der x1 , x2 Ebene.
F (~x) = α (x21 + x22 )
Beispiel:
x2
r
~ F
x(t) durchlaufe diese Kurve.
F
~xt
x1
~ steht senkrecht auf der Kurve F = K im
Satz: ∇F
Punkt ~x (d.h. senkrecht auf der Tangente ~x˙ (t)).
Beweis:
d
∂F
a)
b) ∂F
c)
~ · ~x˙
F [~x(t)] = 0 =
ẋ1 +
ẋ2 = ∇F
dt
∂x1
∂x2
~ .
a) da F =konstant ; b) Kettenregel ; c) Definition von ∇F
Im Beispiel:
~ = (2α x1 , 2α x2 ) = 2α ~x .
∇F
Bsp. 5: F (~x) = a1 x1 + a2 x2 = ~a · ~x ;
x2
~ = ~a .
∇F
~
a
~
x
x1
~
a ~
x
Bsp. 6:
=
konst:
F (~x) = G(x) ; x ≡ |~x|
∂F ∂F
∂F
dG ∂x
dG x1
~
∇F =
;
,
=
·
=
·
∂x1 ∂x2
∂x1
dx ∂x1
dx |~x|
dG ~x
~
·
∇F
=
dx |~x|
~ x)
Bsp. 7: Das elektrische Feld E(~
~ x) =
E(~
~x
Q
·
2
4πε0 x x
lässt sich als Gradient eines Potenzials schreiben:
~ x) = −∇
~ φ(~x) ;
E(~
=
φ(~x) =
Q 1
4πε0 x
60
~ .
“Potenzial von E”
konst:
7.2
Funktionen von drei (oder mehr) Variablen
~x = (x, y) = (x1 , x2 ) −→ ~x = (x1 , x2 , x3 )
F (~x) = F (x1 , x2 ) −→ F (~x) = F (x1 , x2 , x3 )
Verallgemeinerung von 7.1 unproblematisch:
• partielle Ableitung
∂F (x1 , x2 , x3 )
∂F ≡ ∂x1 F ≡ ∂1 F
=
∂x1
∂x1 x2 ,x3
∂F ∂F ∂F
~
; Gradient
,
,
∇F =
∂x1 ∂x2 ∂x3
•
~
skalares Feld F −→ Vektorfeld ∇F
Bsp.:
F = α ~x2
~
∇F
= 2α ~x
p
F = konst. =⇒ α ~x2 = konst. =⇒ Kugelfläche mit Radius konst./α
~ F steht senkrecht auf der Kugelfläche .
∇
• Taylorentwicklung 1. Ordnung:
−
→
F (~x0 + δx) = F (x01 + δx1 , x02 + δx2 , x03 + δx3 )
3
X
∂F
≃ F (~x0 ) +
(~x0 ) δxi
∂x
i
i=1
−
→
~
= F (~x0 ) + ∇F (~x0 ) · δx
~ zeigt die Richtung an, in welcher F am schnellsten zunimmt.
∇F
~ steht senkrecht zu den Flächen mit F =konst. [genauer: ∇F
~ steht
• ∇F
senkrecht auf den Tangentialebenen an F =konst.]
• Kettenregel: Vergleiche Kapitel 7.1.3.
3
X ∂F dxi
d
~ · ~x˙
F [~x(t)] =
= ∇F
dt
∂x
dt
i
i=1
61
~ ist unabhängig
• Wichtige Eigenschaft des Gradienten: Der Vektor ∇F
von der Wahl der Drehlage des Koordinatensystems.
~ ist durch die Flächen F =konst. auch ohne Einführung
Begründung: ∇F
~ ⊥ F =konst.
eines Koordinatensystems festgelegt: ∇F
r
~ F
F
7.3
=
konst:
Kugelsymmetrische Felder
Ein skalares Feld der Form F = F (x), x = |~x|, heisst kugelsymmetrisch.
Ein Vektorfeld der Form ~v (~x) = G(x) ~xx , x = |~x|, heisst kugelsymmetrisch.
Satz: Der Gradient eines kugelsymmetrischen Feldes ist kugelsymmetrisch.
q
F = F (x) , x = |~x| = x21 + x22 + x23
dF x1
dF ∂x
dF
x1
∂
p
=
F [x(~x)] =
=
2
2
2
∂x1
dx ∂x1
dx x1 + x2 + x3
dx x
~ (x) = dF ~x
∇F
dx x
Beispiel: Zwischen dem elektrischen Feld
~ x) =
E(~
Q ~x
4πε0 x2 x
und seinem Potenzial
Q
4πǫ0 x
~ x) = −∇φ(~
~ x) (“E
~ ist ein Potenzialfeld”).
gilt die Beziehung E(~
φ(~x) =
62
8
Skalare Felder, Vektorfelder
Ein skalares Feld φ(~x) liegt dann vor, wenn jedem Punkt ~x eines Gebietes G
des Ortsraums eine Grösse φ zugeordnet ist.
Häufig spricht man nur dann von einem skalaren Feld, wenn die Grösse φ
nicht von der Wahl des Koordinatensystems abhängt. Beispiel: Druck p(~x).
Gegenbeispiel: eine bestimmte Komponente des elektrischen Feldes.
Vektorfeld ~ω (~x): In jedem Punkt ~x eines Gebietes G des Ortsraums ist ein
Vektor ~ω definiert.
2-dim:
~ω (~x) = (ω1 (x1 , x2 ), ω2 (x1 , x2 ))
3-dim:
ω
~ (~x) = (ω1 (x1 , x2 , x3 ), ω2 (x1 , x2 , x3 ), ω3 (x1 , x2 , x3 ))
= (ω1 (~x), ω2(~x), ω3 (~x))
Wir nehmen im folgenden an, dass die alle partiellen Ableitungen der Komponentenfunktionen wk (~x) existieren.
Beispiele
x3
~ x) einer Punktla1.)
Elektrisches Feld E(~
dung Q, welche sich bei ~x = 0 befindet:
~ x) =
E(~
Q 1 ~x
;
4 π ε0 x2 x
x = |~x| .
E~
Q
E~
~x
x2
x1
~ x) ist ein kugelsymmetrisches Feld, welches
E(~
bei ~x = 0 singulär ist.
~ ein Vektorfeld.
2.)
Sei T (~x) ein skalares Feld. Dann ist ∇T
3.)
~ x) eines Stromes in der 3. Achse. Stromstärke I.
Magnetfeld B(~
.
ρ =
I
1
ρ
= 0
~ ∼
|B|
B3
x3
q
x21 + x22
x1
63
B~
~x
B~
B~
x2
~ x) = B(x
~ 1 , x2 , x3 ) = µ0 I ×
B(~
2πρ
x2 x1
− , ,0
ρ ρ
{z
}
|
Einheitsvektor ⊥ (x1 , x2 , 0)
Zylindersymmetrisch, singulär auf 3. Achse.
4.)
Kraftfeld F~ (~x): Kraft auf Massenpunkt, als
Funktion seines Ortes ~x.
Bsp.: F~ (~x) = −D ~x
[ideale Feder.]
5.)
Momentanes Geschwindigkeitsfeld ~v (~x)
einer Gas- oder Flüssigkeitsströmung.
~x
stationär: ~v = ~v (~x)
~v (~x)
allgemein: ~v = ~vt (~x), d.h. zeitabhängig.
Definition: Eine Kurve, deren Tangente in jedem Punkt mit der dortigen Feldrichtung übereinstimmt, heisst Feldlinie.
~ x), sind die Feldlinien die Kurven senkBei Gradientfeldern, ω
~ (~x) = −∇φ(~
recht zu den Flächen mit φ = konst..
Bsp.: Wetterkarte mit Isobarenlinien (Linien mit konstantem Druck):
~ x)
~v (~x) = −∇p(~
Windrichtung ⊥ zu Isobaren, Feldlinien entlang der Windrichtung.
Kommende Themen zu Vektorfeldern:
• Integration: Linienintegrale, Flächenintegrale, seltener auch Volumenintegrale.
• Differentiation: ∂i ωk (~x), Divergenz (div), Rotation (rot).
64
9
9.1
Linienintegrale
Einführung am Beispiel
Gegeben sei ein Kraftfeld F~ (~x) (allgemein: Vektorfeld ~ω (~x)) und eine Kurve
C von ~xa nach ~xb .
Welche Arbeit leistet die Kraft F~ (~x) an
einem Punkt, welcher längs der Kurve C
~xb
von ~xa nach ~xb verschoben wird?
~x
Kurve in kleine Intervalle unterteilen:
F~ (~x)
~xa
~xn
n
n
1
~xn+1 n + 1
~xn
F~ (~xn)
F~ (~xn+1)
An ≃ ∆~xn · F~ (~xn )
X
A~xa ,~xb =
lim
∆~xn · F~ (~xn )
|∆~
x|→0
n
| {z }
alle |∆~
xn | → 0
=
Z
C
~
xb
| ~xa
.
d~x · F~ (~x) = A(~xa , ~xb )
{z
}
Linienintegral
Im allgemeinen hängt A(~xa , ~xb ) ab von: F~ (~x), ~xa , ~xb und der Kurve C.
Zum Vorzeichen:
A>0:
F~ vorwiegend in Richtung von ∆~x
A<0:
F~ vorwiegend entgegengesetzt zu ∆~x
speziell: Geschlossene Kurve C als Integrationsweg
I
d~x · F~ (~x)
C
~xb = ~xa
65
9.2
Berechnung im einfachsten Spezialfall
F~ (~x) = F~ = konst., d.h., homogenes Feld.
∆An = F~ · ∆~xn
X
A =
F~ · ∆~xn
~xn
n
= F~ ·
X
~xa
∆~xn
~xb
C
F~ (~x)
n
= F~ · (~xb − ~xa ) .
Unabhängig vom Verlauf des Weges C zwischen den festen Punkten ~xa und
~xb .
Übung: Worauf kommt es an, ob das Vorzeichen von A in diesem Fall positiv
oder negativ ist?
9.3
Berechnung im allgemeinen Fall
F~ = F~ (~x) gegeben, beliebig.
C : gegeben durch ~x = ~x(u). Man sagt, u parametrisiere die Kurve C. Anfangspunkt: ~xa = ~x(ua ); Endpunkt: ~xb = ~x(ub ); ~xn = ~x(un ).
~xb
~xn
~xn
~xa
F~ (~x)
ua
un
ub
un
∆~xn = ~x(un + ∆un ) − ~x(un )
∆un = ∆u : alle gleich
X
X
∆~xn ~
A = lim
∆~xn · F~ [~x(un )] = lim
∆u
· F [~x(un )]
∆u→0
∆u→0
}
|∆u {z
n
n
f (un , ∆u)
66
Betrachte f (un , ∆u) im Limes ∆u → 0:


 d~x(u)

d~x ~
∆u→0

~ [~x(u)]
f (un , ∆u) ————-→
·
F
[~
x
(u
)]
=
·
F
n
 du

du u = un
|
{z
}
φ(u)
u=un
wobei φ(u) eine skalare Funktion ist. Zusammengefasst:
X
A = lim
∆u φ(un ) :
Riemann-Summe!
∆u→0
A =
Z
n
ub
du φ(u) =
ua
Z
ub
du
ua
d~x(u) ~
· F [~x(u)] .
du
Das Linienintegral ist somit zurückgeführt auf ein bestimmtes Integral über
einen Parameter u (“Kurvenparameter”).
Beispiel: F~ (~x) = (0, −x1 , 0).
C:
Viertelkreis
x21 + x22 = 1
x3 = 0 .
Parameterdarstellung von C:
x2
~xb
C
~x
u
~xa
~x(u) = (cos u, sin u, 0)
d~x
= (− sin u, cos u, 0)
du
F~ [~x(u)] = (0, − cos u, 0)
φ(u) =
d~x ~
· F [~x(u)] = (− sin u, cos u, 0) · (0, − cos u, 0) = − cos2 u
du
Z ~xb
Z π/2
π
~
d~x · F (~x) =
du (− cos2 u) = − .
4
~
xa
0
67
x1
9.4
Eigenschaften von Linienintegralen
(a) C13 = C12 + C23
C23
C12
3
2
1
Z
C13
1
(b)
Z
3
C12
Z
2
C23
3
d~x · ~ω (~x) =
d~x · ~ω (~x) +
d~x · ω
~ (~x)
1
2
Z 1
Z 2
C′
C
d~x · ~ω (~x) = −
d~x · ~ω (~x)
2
1
C
C
2
0
1
(c) Sei ~ω (~x), ~xa , ~xb gegeben. Das Linienintegral von ~xa nach ~xb hängt i.a.
von der Wahl des Weges C ab.
Beispiel:
~xb
2
~xa
Weg 1
Weg 2
1
:
:
~xa → 1 → ~xb
~xa → 2 → ~xb
~ x)
(d) Andererseits sind Linienintegrale in Gradientfeldern ω
~ (~x) = −∇φ(~
unabhängig von der Wahl des Weges C von ~xa nach ~xb . Dies folgt aus
dem Satz, den wir in Abschnitt 9.6 beweisen werden:
Z ~xb
~ x) = φ(~xb ) − φ(~xa ) .
d~x · ∇φ(~
~
xa
68
9.5
9.5.1
Beispiele für das Auftreten von Linienintegralen in
der Physik
Mechanik: Arbeit
Ein Massenpunkt wird längs C von ~xa nach ~xb geführt. Die Arbeit A, welche
ein Kraftfeld F~ (~x) am Massenpunkt verrichtet, ist gegeben durch
A=
Z
~
xb
~
xa
d~x · F~ (~x)
Definition der Arbeit.
Beispiel 1: Ein Kran zieht eine Last m = 100 kg auf eine Höhe H = 10 m. Die
Arbeit AK , welche der Kranmotor leistet, beträgt AK = m g H = +9810 J.
Beispiel 2: Gleiche Bewegung wie in Beispiel 1. Welche Arbeit AG leistet die
Gravitation an der Last? AG = −9810 J.
9.5.2
Mechanik: kinetische Energie
Ein Massenpunkt bewegt sich unter dem Einfluss der Kraft F~tot (~x) gemäss
der Newtonschen Bewegungsgleichung
m~x¨(t) = F~tot [~x(t)] .
~xa
C
d~x
F~tot
~xb
Betrachte die Zeitableitung der kinetischen Energie T = m2 ~x˙ 2 :
Z tb
d h m ˙ 2i
d
T =
~x = m~x˙ · ~x¨ = ~x˙ · F~tot Gleichung
dt...
dt
dt 2
ta
Z tb
Z tb
dT
dt
Tb − Ta =
dt ~x˙ · F~tot [~x(t)]
=
dt
ta
ta
Z ~xb
=
d~x · F~tot .
~
xa
Die Arbeit, welche die resultierende Kraft F~tot leistet, geht über in kinetische
Energie.
69
9.5.3
Magnetostatik: Gesetz von Ampère
~ x).
Draht, darin Strom der Stärke I → Magnetfeld B(~
Σ : Fläche (mit Rand C), welche vom Draht
durchstossen wird.
Ampère’sches Gesetz:
I
C
~ x) = µ0 I .
d~x · B(~
C
(allg.: I totaler Strom durch Σ).
d~x
9.6 Linienintegrale in Gradientfeldern
Situation: Es sei ~ω (~x) ein Gradientfeld, d.h.,
~ x) ,
~ω (~x) = −∇φ(~
φ(~x) gegeben.
Beispiel:
φ(~x) = −
GM m
;
x
x = |~x|
~ x) = − G M m ~x .
F~ (~x) = −∇φ(~
x2 x
F~ (~x) : Kraftfeld, erzeugt durch die Masse M in ~x = 0, Kraftwirkung auf m.
Satz I:
Z
C
~
xb
~
xa
C1
~ = φ(~xb ) − φ(~xa )
d~x · ∇φ
unabhängig von der Wahl von C zwischen den gege- x~a
benen Punkten ~xa und ~xb .
Z ~xb
Z ~xb
C1
C2
~ =
~ .
d~x · ∇φ
d~x · ∇φ
~
xa
x~b
C2
~
xa
Falls also zu einem Vektorfeld ~ω (~x) ein Potenzial φ(~x) existiert, so dass ω
~ =
~
−∇φ, dann lässt sich das Linienintegral durch das Potenzial ausdrücken.
70
Beweis von Satz I: Weg C parametrisieren: ~x = ~x(u)
d
φ[~x(u)]
du
∂φ dx1
∂φ dx2
∂φ dx3
+
+
∂x1 du
∂x2 du
∂x3 du
d~
x
~ ·
∇φ
du
K.R.
=
=
Z
~
xb
~
xa
Z
Z ub
d~
x
dφ
~
~ x(u)] =
du · ∇φ[~
d~x · ∇φ
=
du
du
du
ua
ua
= φ[~x(ub )] − φ[~x(ua )] = φ[~xb ] − φ[~xa ]
ub
.
Anwendungen in der Mechanik:
1. Das Kraftfeld F~ (~x) sei ein Gradientfeld:
~ (~x) .
F~ (~x) = −∇V
Die Arbeit längs eines Weges C lässt sich dann in der Potenzialdifferenz
ausdrücken:
Z ~xb
d~x · F~ [~x] = − [V (~xb ) − V (~xa )] : wegunabhängig
~
xa
Das Minuszeichen vor der eckigen Klammer auf der rechten Seite ist
~ .
eine Folge des Minuszeichens in der Relation F~ = −∇V
Vorzeichen: Kraftfeld leistet positive Arbeit bei Verschiebung in Richtung des abnehmenden Potenzials.
F
V ( x)
2. Bewegung unter dem Einfluss eines Gradientfeldes:
~ (~x)
m~x¨ = F~tot (~x) = −∇V
71
Betrachte Bahnkurve in diesem Kraftfeld:
x~b
Bahnkurve
C
F~tot(~x)
x~a
m~x¨ = F~tot
Z
xb
~
~
xa
d~x · F~tot
=⇒ Tb + Vb
Satz II:
folgt unmittelbar aus Satz I.
9.7
S.71
längs C.
S.69
=
− [V (~xb ) − V (~xa )] = Tb − Ta
=
Ta + Va :
I
Energieerhaltung.
~ x) = 0
d~x · ∇φ(~
Umkehrung
Voraussetzung: Sei ~ω (~x) in einem Gebiet G definiert; seien die Integrale
Z ~xb
d~x · ~ω (~x)
~
xa
zwischen jedem Punktepaar ~xa und ~xb in G unabhängig vom Integrationsweg C, und zwar für
beliebige Wege C, die ganz in G verlaufen:
Z ~xb
Z ~xb
C2
C1
d~x · ~ω ; ∀(~xa , ~xb ) ; ∀C .
d~x · ~ω =
~
xa
C1
~
xa
Satz III: In diesem Fall ∃ φ(~x), so dass
~ x) ,
~ω (~x) = −∇φ(~
φ(~x) heisst “skalares Potenzial” zu ~ω (~x).
72
G
x~a
~x ∈ G .
x~b
C2
Beweis:
Bilde die Funktion (~a sei festgehalten)
Z ~x
.
φ(~x) = −
d~x′ · ω
~ (~x′ ) .
~x
C
~a
~x
φ(~x) hängt nach Voraussetzung nicht vom Verlauf des Weges C ab. [Abhängigkeit von ~a ist
unterdrückt in der Notation.]
Wir beweisen nun, dass φ(~x) die Beziehung
0
~a
~ x) = ~ω (~x)
−∇φ(~
erfüllt. Dazu berechnen wir
∂
φ(~x).
∂x1
2
~
x
~
x
+
~
x
= ( 1 0 0)
~
x
x ;
;
~
a
1
∂φ(~x)
=
∂x1
φ(~x + ∆~x) − φ(~x)
1
lim
= lim −
∆x1 →0
∆x1 →0
∆x1
∆x1
Z
~
x+∆~
x
~
x
d~x′ · ω
~ (~x′ )
d~x′
= du · (1, 0, 0)
x1 ≤ u ≤ x1 + ∆x1 ;
d~x′ = du
du
Z x1 +∆x1
∂φ(~x)
1
du w1(u, x2 , x3 ) .
= − lim
∆x1 →0 ∆x1
∂x1
x1
~x′ = (u, x2 , x3 ) ;
Ableitung eines gewöhnlichen Integrals nach seiner oberen Grenze:
Z x+∆x
Z x
Z x
1
d
dt f (t) = lim
dt f (t) −
dt f (t)
∆x→0 ∆x
dx a
a
a
Z x+∆x
1
= lim
dt f (t) = f (x) .
∆x→0 ∆x x
Deshalb:
∂φ(~x)
= −ω1 (x1 , x2 , x3 ) = −ω1 (~x)
∂x1
und analog für die anderen Komponenten. 73
Satz IV: Sei ~ω (~x) in einem Gebiet G definiert; falls alle geschlossenen Linienintegrale verschwinden
I
d~x · ~ω (~x) = 0
(für alle geschlossenen Wege, die ganz in G verlaufen), so gilt ebenfalls
~ x)
• ∃ φ(~x) mit ~ω (~x) = −∇φ(~
• Linienintegrale wegunabhängig
Beweis von Satz IV: Einfache Zurückführung auf Satz III.
Ausblick:
Wie sieht man einem Vektorfeld ~ω (~x) an, ob alle Linienintegrale wegun~
abhängig sind, d.h., ob ein Potenzial φ(~x) existiert, so dass ω
~ = −∇φ?
Wir
werden sehen:
~ ⇔ (∂2 ω3 − ∂3 ω2 , ∂3 ω1 − ∂1 ω3 , ∂1 ω2 − ∂2 ω1 ) = 0 überall in G
~ω = −∇φ
[G muss gewisse Bedingungen erfüllen, die wir später spezifizieren werden].
~ ⇔∇
~ × ~ω = 0 .
~ω = −∇φ
9.8
Weitere Integrale längs einer Kurve C
Analog zum obigen Linienintegral sind folgende Integrale definiert:
~ =
A
Z
C
~b
~a
~b
Z
d~x φ(~x) =
Z
ub
du
ua
Z
d~x
φ[~x(u)]
du
ub
d~x
× ~ω [~x(u)]
du
ua
~a
Z ~b
Z ub
d~x C
du φ[~x(u)] .
D =
|d~x| φ(~x) =
du
ua
~a
~ =
B
C
d~x × ~ω (~x) =
du
Dabei ist eine Parameterdarstellung des Integrationsweges C vorausgesetzt:
C:
~x = ~x(u) ;
ua ≤ u ≤ ub
~x(ua ) = ~a ; ~x(ub ) = ~b .
74
~ B
~ sind komponentenweise zu verstehen:
A,
Z ub
dx1
du
A1 =
φ[~x(u)] analog A2 und A3
du
ua
Z ub dx2
dx3
du
B1 =
ω3 [~x(u)] −
ω2 [~x(u)]
analog B2 und B3
du
du
ua
Das wichtigste Linienintegral ist aber jenes vom Typ
Z ~b
C
d~x · ~ω (~x) .
~a
10
10.1
Doppelintegrale
Rechteckiges Integrationsgebiet
Gegeben sei eine Funktion von 2 Variablen, φ(x, y), ferner der Rechtecksbereich x′ < x < x′′ , y ′ < y < y ′′. Wir denken uns das Rechteck in schmale
Streifen geteilt:
y
00
yk+1
yk
y
111
000
000
111
000
111
000
111
k
y2
y y1
0
x
x1 x2
x
xi
0
i
xi+1
x
00
Die Fläche F des Rechtecks lässt sich (unabhängig von der Einteilung) als
Summe über die Elemente ∆σik schreiben:
F =
X
i,k
∆σik = ∆xi · ∆yk
XX
∆xi · ∆yk = (x′′ − x′ ) (y ′′ − y ′ ) .
∆σik =
i
k
Wir gewichten nun jedes Flächenelement ∆σik mit dem lokalen Wert der
Funktion φ und bilden
X
I = lim
∆σik φ(xi , yk ) .
∆σ→0
i,k
75
∆σ → 0 bedeutet, dass die Einteilung beliebig fein gemacht werden soll
(∆xi → 0, ∆yk → 0). Das Resultat dieses Prozesses heisst “Doppelintegral
von φ über dem gegebenen rechteckigen Gebiet”.
Berechnung:
I =
X
lim
∆y→0
∆yk ∆xi φ(xi , yk )
∆x→0 k,i
= lim
∆y→0
X
∆yk
lim
∆x→0
X
∆xi φ(xi , yk )
i
|
{z
}
Teilsumme längs horiz. Streifen
Z x′′
dx φ(x, yk ) = J(yk )
=
k
x′
= lim
∆y→0
=
Z
y ′′
X
y′
k
dy
y′
Funktion von yk
Z y′′
∆yk J(yk ) =
dy J(y)
Z
x′′
dx φ(x, y) .
x′
Kommentare
• Für eine grosse Klasse von Funktionen φ spielt die Art der Einteilung
keine Rolle, wenn nur alle ∆yk und alle ∆xi gegen null streben.
• Für eine grosse Klasse von Funktionen φ spielt es auch keine Rolle, ob
man zuerst über horizontale oder zuerst über vertikale Streifen summiert (resp. integriert):
Z x′′
Z y′′
Z y′′
Z x′′
dx φ(x, y) =
dy φ(x, y) .
dy
dx
x′
y′
y′
x′
|
{z
}
|
{z
}
g(y)
f (x)
• Beispiel
I =
=
=
Z
Z
Z
1
dy
−1
1
−1
1
−1
Z
1
dx (x2 + y 2)
−1
x=+1
1 3
2 x + xy dy
3
x=−1
y=+1
8
2
2
2 3 2
=
dy
+2y =
y+ y 3
3
3
3
y=−1
76
• Wichtige Spezialfälle:
I=
Z
+∞
dy
−∞
10.2
Z
+∞
dx φ(x, y) .
−∞
Beliebige Integrationsgrenzen
Gegeben: Funktion φ(x, y).
Gebiet G, durch x′ (y)
Rand
x′′ (y)
y ′ < y < y ′′
y
y
y
00
Wiederum:
• G in beliebig kleine Elemente teilen: α =
1, 2, 3, ...; ∆σα
• Bilde dann
I = lim
∆σ→0
X
x (y )
x (y )
G
0
00
y
y
11
00
00
11
00
11
0
x
x
∆σα φ(xα , yα) .
α
(∆σ → 0 : “Durchmesser” jedes Elementes → 0).
Durchführung: Z.B. zuerst über horizontale Streifen
summieren
Z y′′
Z x′′ (y)
I=
dy
dx φ(x, y)
y′
x′ (y)
{z
}
|
Funktion von y
y
x (y )
0
x (y )
00
Beispiel: G: Kreis, definiert durch x2 +y 2 ≤ 1; φ = 1:
I ist somit der Flächeninhalt des Einheitskreises.
Z 1
Z √1−y2
Z 1
p
I =
dy √
dx · 1 = 2
dy 1 − y 2
2
−1
−
1−y
−1
dy
y = cos ϕ ,
= − sin ϕ
dϕ
Z 0
Z
I = 2
dϕ sin ϕ (− sin ϕ) = 2
π
0
77
π
dϕ
1 − cos(2ϕ)
= π.
2
x
11
Flächenintegrale
Die hier besprochenen Flächenintegrale beziehen sich auf eine gegebene (i.a.
gekrümmte) Fläche Σ im 3-dimensionalen Raum. Beispiele von Grössen, welche durch Flächenintegrale dargestellt sind:
- Flächeninhalt von Σ.
- Gegeben sei das momentane Geschwindigkeitsfeld ~v(~x) einer strömenden Flüssigkeit. Welches Flüssigkeitsvolumen fliesst pro Zeit durch die
(gedachte) Fläche Σ?
11.1
Flächenvektoren
~ wie folgt zugeordnet:
Einem ebenen Flächenstück ist ein Flächenvektor Σ
~
~ ⊥ Flächenstück
- Σ
~ = Flächeninhalt (in m2 )
- |Σ|
Parallelogramm
~ = ~a ~b
~b
~a
Ein genügend kleines Stück einer gekrümmten Fläche Σ lässt sich i.a. durch ein ebenes
Flächenelement ∆~σ approximieren (∆~σ ⊥ Fläche,
|∆~σ | = Flächeninhalt). Das Vorzeichen von ~σ ist
nicht durch eine allgemeine Konvention festgelegt.
Bei geschlossenen Flächen Σ wählt man ∆~σ i.a. nach
aussen zeigend.
78
~
11111
00000
00000
11111
00000
11111
~
1
0
0
1
0
1
11.2
Definition von
R
σ
Σ d~
· ~ω (~x)
Gegeben sei eine Fläche Σ und ein Vektorfeld ~ω (~x). In dieser Situation ist
ein Flächenintegral wie folgt definiert:
(a) Fläche in kleine Elemente ∆~σk aufteilen (k = 1, 2, 3, ....). Alle ∆~σk sollen auf die gleiche Seite zeigen (Problem: Möbiusband).
w
~ (~xk )
~k
k
~xk
(b) In jedem Teilstück bilden wir das
Skalarprodukt mit dem lokalen Wert
des gegebenen Vektorfeldes ~ω (~x):
∆Ik = ∆~σk · ~ω (~xk ) .
(c) Bilde die Summe über alle Elemente, dann den Grenzwert zu beliebig
feiner Einteilung:
X
.
∆~σk · ~ω (~xk )
I = lim
∆~
σ →0
.
I =
Z
Σ
k
d~σ · ~ω (~x) .
Kommentare:
1. I ist ein Skalar.
2. I ist unabhängig von der Wahl der Koordinaten.
3. Im Grenzprozess ∆~σ → 0 muss jede Ausdehnung der Flächenelemente
gegen Null gehen:
o.k.
niht erlaubt
4. ∆~σk und ~ω (~xk ) sind hier nicht absolut präzise definiert. Dies wird aber
durch den Grenzprozess irrelevant. Siehe später.
5. Bei geschlossenen Flächen Σ schreibt man
I
d~σ · ~ω (~x) ;
(d~σ nach aussen.)
79
Beispiel 1: Σ eben, ω
~ (~x) = ~ω = konst.
Z
I =
d~σ · ~ω
~
~!
Σ
~ · ~ω .
= Σ
Σ = Kugeloberfläche.
ω
~ (~x) = ~ω = konst.
I
d~σ · ~ω = 0 .
Beispiel 2:
Linienintegral: Zurückgeführt auf gewöhnliches, 1-dim. Integral.
Flächenintegral: Zurückführen auf gewöhnliches, 2-dim. Integral.
11.3
Beschreibung von Flächen
11.3.1
Kurven im Raum
Kreis in (x, y) Ebene:
x2 + y 2 = R2 .
Ellipse in (x, y) Ebene:
x2 y 2
+ 2 = 1.
a2
b
Allgemein:
A x2 + 2B x y + C y 2 + 2D x + 2E y + F = 0 .
→ Allgemeine Kegelschnitte: Kreis, Ellipse, Parabel, Hyperbel.
Zur Berechnung von Linienintegralen muss man die Kurve in eine Parameterdarstellung
bringen:
~x(u) = (x1 (u), x2 (u), x3 (u)) .
x3
ua
ub
~x(u)
u
C
x2
x1
80
Obiger Kreis:
11.3.2
~x(u) = (R cos u, R sin u, 0) ;
0 ≤ u ≤ 2π .
Flächen. Beispiele
Kugeloberfläche : x2 + y 2 + z 2 = R2
x2 y 2 z 2
Ellipsoid : 2 + 2 + 2 = 1
a
b
c
Ebene : a x + b y + c z = konst.
Velopneu, Oberfläche?
x3
x2
x1
Wie bei den Linienintegralen muss man die Fläche in Form einer Parameterdarstellung vorliegen haben, um Flächenintegrale auf gewöhnliche Integrale
(Doppelintegrale) zurückführen zu können.
Kugeloberfläche: Wir lassen den Ortvektor ~x auf der
Kugeloberfläche wandern.
x3
~x = (x1 , x2 , x3 ) ; 3 Parameter x1 , x2 , x3
1 Einschränkung:
x21 + x22 + x23 = R2
u
~x
v
x1
x2
Also 3 − 1 = 2 Parameter nötig für die Beschreibung der Kugeloberfläche.
Behauptung:
~x = (R sin u cos v, R sin u sin v, R cos u) .
Wenn wir u und v variieren, dann wandert ~x auf der Kugeloberfläche.
81
Beweis: x21 + x22 + x23 = .... = R2 , o.k.
0 ≤ u ≤ π,
0 ≤ v < 2π → ~x überstreicht ganze Kugeloberfläche.
Wir schreiben dies als
~x(u, v) ≡ (x1 (u, v), x2 (u, v), x3(u, v)) .
11.3.3
Flächen allgemein
Es sei ein Koordinatensystem mit Ursprung 0 vorgegeben. Fläche im 3-dim.
Raum wird beschrieben durch die Menge aller Punkte, deren Ortsvektoren
gegeben sind durch
~x(u, v) = (x1 (u, v), x2(u, v), x3(u, v)) ,
wobei die Parameter u, v ein Gebiet im R2 überstreichen (siehe Figur).
v
G
v = v1
v = v0
u
u = u2
u = u1
u = u0
82
~
xu
~
xv
~
xv (u0 ; v0 )
P (u0 ; v0 )
v=v
v = v1 2
v = v0 Koordinatenlinie
~
xu (u0 ; v0 )
u = u0
u = u1
z
~
x(u0 ; v0 )
y
x
Koordinatenlinien:
~x(u0 , v), wobei u0 festgehalten wird und v variabel ist, beschreibt eine Kurve
auf der Fläche. Analog beschreibt ~x(u, v0) eine Kurve auf der Fläche. Diese
Kurven heissen Koordinatenlinien.
Tangentialvektoren an Koordinatenlinien:
∂~x
(u, v) :
∂u
∂~x
(u, v) :
∂v
Tangente an ~x(u, v); v fest
Tangente an ~x(u, v); u fest
∂~x
∂~x
, ~xv ≡
heissen Tangentialvektoren. I.a. gilt: ~xu · ~xv 6= 0
∂u
∂v
Betrachte
~n(u, v) = ~xu × ~xv
~n · ~xu = ~n · ~xv = 0 . ~n ist ⊥ zur Fläche (nach Def.)
~xu ≡
11.3.4
Flächenelement
∂~x
= ∆u ~xu
∂u
∂~x
= ~x(u, v + ∆v) − ~x(u, v) ≃ ∆v
= ∆v ~xv
∂v
∆~xu = ~x(u + ∆u, v) − ~x(u, v) ≃ ∆u
∆~xv
83
wobei ≃ bedeutet, dass wir eine Taylornäherung 1. Ordnung gemacht haben.
P (u; v + v )
~
~xv
~xu
~x(u; v )
P (u + u; v )
Das Flächenelement ∆Σ ist dann
∆Σ ≃ ∆u ∆v |~xu × ~xv | .
Die Approximation wird umso besser, je kleiner ∆u, ∆v sind.
Für den Vektor
.
∆~σ = ∆u ∆v (~xu × ~xv ) = ∆u ∆v
gilt
∂~x ∂~x
×
∂u ∂v
i) ⊥ auf Fläche ∆Σ,
ii) |∆~σ | ≃ ∆Σ,
iii) im Limes ∆u ∆v → 0:
11.4
∆~σ → d~σ = du dv
∂~
x
∂u
×
∂~
x
∂v
.
Berechnung von Flächenintegralen mittels Parameterdarstellung
I =
Z
Σ
=
.
d~σ · ω
~ (~x) =
lim
∆u,∆v→0
X
lim
∆u,∆v→0
X
∂~x ∂~x
∆u ∆v
·ω
~ [~x(u, v)]
×
∂u ∂v
{z
}
|
∆u ∆v K(u, v) =
K(u,v)
Z
G
84
du dv K(u, v) .
Gewöhnliches Doppelintegral über dem Gebiet G des Parameterraumes (u, v)
[G ↔ Σ]. Siehe Diskussion der Doppelintegrale in Kap.10.
Flächenintegral ↔ Doppelintegral
Linienintegral ↔ Einfaches Integral .
Beispiel: Σ: Halbkugel, Radius R, Zentrum (0, 0, 0), x3 ≥ 0, d~σ nach aussen
gerichtet.
.
~ω (~x) = (0, 0, x3) ; geg. Vektorfeld.
~! (~x)
3
d~
R u ~x
2
(a) Wir wählen die auf S. 81 angegebene Parametrisierung der Kugeloberfläche:
~x(u, v) = R(sin u cos v, sin u sin v, cos u)
∂~x
= R(cos u cos v, cos u sin v, − sin u)
∂u
∂~x
= R(− sin u sin v, sin u cos v, 0)
∂v
(b)
∂~x ∂~x
×
= R2 (sin2 u cos v, sin2 u sin v, sin u cos u) (= R sin u ~x(u, v))
∂u ∂v
(zeigt nach aussen).
(c)
ω
~ [~x(u, v)] = (0, 0, R cos u) = ~ω [u, v] .
(d)
I=
Z
π/2
du
0
Z
2π
dvR3 sin u cos2 u =
0
85
2π 3
R .
3
Anmerkungen
1. Die Integrationsfläche (Halbkugel) entspricht dem Parameterbereich
0≤u≤
π
,
2
0 ≤ v < 2π .
2. Die gewählte Reihenfolge der Faktoren in ~xu × ~xv ergibt einen nach
aussen zeigenden Vektor.
3.
|d~σ | = du dv R2 sin u .
11.5
Beispiele von Flächenintegralen in der Physik
Beispiel 1:
~v (~x) : momentanes Geschwindigkeitsfeld eines Gases
Σ : Flächenstück (virtuell)
Welches Gasvolumen tritt pro Zeit durch Σ hindurch?
Betrachte das Element d~σ, und das in der Zeit ∆t durchtretende Gas :
~v(~x)
~x
d~
~` = ~vt
∆V(dσ) = ∆ℓ |d~σ| cos α = ∆~ℓ · d~σ = ∆t ~v · d~σ
Durch Σ tritt in der Zeit ∆t das Volumen
Z
∆VΣ = ∆t
d~σ · ~v (~x)
Σ
Z
dVΣ
=
d~σ · ~v (~x) .
dt
Σ
86
Pro Zeit durchfliessende Masse (ρ=Dichte)
Z
dMΣ
=
d~σ · ~v (~x) ρ(~x) .
dt
Σ
Beispiel 2: skalare Maxwellgleichungen.
Σ : geschlossene Fläche (d~σ nach aussen)
~ x) : elektrisches Feld, erzeugt durch irgendeine Ladungsverteilung
E(~
QΣ : Durch Σ eingeschlossene elektrische Ladung
~ x) : Magnetfeld
B(~
I
I
~ x) =
d~σ · E(~
1
QΣ
ǫ0
~ x) = 0 .
d~σ · B(~
Dies sind physikalische Gesetze des elektromagnetischen Feldes, zu deren
Begründung hier nichts gesagt ist.
Zur Illustration der ersten Gleichung betrachte man z.B. die folgende Situation:
Ladung Q in ~x = 0; Σ: Kugeloberfläche mit Zentrum ~x = 0.
~ x) = Q 1 ~x .
E(~
4πǫ0 x2 x
11.6
Weitere Flächenintegrale
Das bisher besprochene Integral
Z
ZZ
∂~x ∂~x
I=
d~σ · ~ω (~x) =
dudv
· ~ω [~x(u, v)]
×
∂u ∂v
Σ
G
ist zwar das häufigst auftretende, aber nicht das einzig denkbare Flächenintegral.
Zu einem vorgegebenen Vektorfeld ~ω (~x) oder einem skalaren Feld φ(~x) lassen
87
sich mit evidenter Definition folgende Integrale bilden:
Z
ZZ
∂~x ∂~x
(a)
d~σ × ~ω (~x) =
dudv
× ~ω [~x(u, v)]
×
∂u ∂v
Σ
G
Z
ZZ
∂~x ∂~x ~ω [~x(u, v)]
(b)
|d~σ| ~ω (~x) =
dudv ×
∂u
∂v
ZΣ
Z ZG
∂~x ∂~x φ[~x(u, v)]
(c)
|d~σ| φ(~x) =
dudv ×
∂u
∂v
ZΣ
ZZ G
∂~x ∂~x
φ[~x(u, v)] .
×
dudv
(d)
d~σ φ(~x) =
∂u ∂v
Σ
G
Beachte, dass einige dieser Integrale Skalare, andere aber Vektoren sind.
Bem.: Falls man in (c) φ = 1 setzt, erhält man den Flächeninhalt von Σ.
11.7
Anwendung: Variablentransformation bei Doppelintegralen
Bei Integration über eine einzige Variable lässt sich oft eine geeignete neue
Variable so einführen, dass das Integral gelöst werden kann. Dies ist auch bei
Doppelintegralen möglich.
Z ∞ Z ∞
1
2
dx
; Substitution: u = x + y ; v = x − y .
dy e−(x+y)
1 + (x − y)2
−∞
−∞
1 Variable:
I =
=
Der Faktor
dh
dz
Z
Z
f (x)dx ;
dz
z = g(x) ,
x = h(z)
dh
f [h(z)] = s(z) = s[g(x)]
dz
wird durch die Substitution erzeugt.
Ein analoger Faktor tritt auf bei mehrfacher Integration. Allgemein lautet die Aufgabe (vgl. S. 76)
I=
Z
y ′′
y′
dy
Z
y
00
y
0
x′′ (y)
dx φ(x, y) .
x′ (y)
y
x (y )
0
88
x (y )
00
x
Dieses Integral lässt sich als Flächenintegral schreiben:
Z
I=
d~σ ·(0, 0, φ(x, y)) .
{z
}
|
Σ
z
y
~
d
ω (~
~
x)
x
Mit einer Parametrisierung von Σ lassen sich neue Variablen u, v einführen
und diese zur Berechnung von I verwenden.
u
v
v
= u(x; y)
= v(x; y)
x
y
= x(u; v)
= y(u; v)
y
G
u
x
x = r cos ϕ , y = r sin ϕ
(Polarkoordinaten).
Beispiel:
Die Berechnung von I in dieser Parametrisierung lautet:
ZZ
∂~x ∂~x
· (0, 0, φ[x(u, v), y(u, v)])
×
I = ±
dudv
∂u ∂v
G
ZZ
∂~x ∂~x
×
= ±
dudv
φ[x(u, v), y(u, v)]
∂u ∂v 3
G
|
{z
}
∂~x ∂~x
∂x ∂y ∂x ∂y
∂(x, y)
=
×
−
≡
≡ D.
∂u ∂v 3 ∂u ∂v ∂v ∂u
∂(u, v)
∂x ∂y ∂u
∂u heisst Funktionaldeterminante.
D = ∂x
∂y ∂v
∂v
Somit kann I geschrieben werden als
Z
I = ± dudv D(u, v) φ[x(u, v), y(u, v)]
G
Mit detaillierten Integrationsgrenzen:
I =±
Z
v′′
dv
v′
Z
u′′ (v)
du D φ .
u′ (v)
89
Schliesslich ist das Vorzeichen wie folgt festgelegt (sei x′′ > x′ , y ′′ > y ′,
u′′ > u′, v ′′ > v ′ ):
Z y′′ Z x′′
I=
dy dx φ ; Vorzeichen von I durch Vorzeichen von φ bestimmt.
| {z }
y′
x′
>0
Daher lautet die Schlussformel:
Z v′′ Z u′′ (v)
dv
du |D(u, v)| φ[x(u, v), y(u, v)] .
I=
v′
u′ (v)
Kommentare
1. Bei 1-dim. Integration steht in Analogie zu D der Faktor
dx
.
du
2. Leitgedanken bei der Wahl von u, v:
(a) Vereinfachung des Integranden
(b) die neuen Grenzen sollten auch einfach werden
3.
∂(x, y) ∂(u, v)
=1
∂(u, v) ∂(x, y)
4.
(x, y) → (u, v) → (x, y) .
∂(x, y)
∂(x, y) ∂(ξ, η)
=
.
∂(ξ, η) ∂(u, v)
∂(u, v)
(x, y) → (ξ, η) → (u, v) .
Bsp. 1: Polarkoordinaten in der Ebene
x = r cos ϕ , y = r sin ϕ
∂(x, y)
D =
= ... = r .
∂(r, ϕ)
Beispiel:
I =
y
Z
dx dy Q(x, y)
Σ
Z r 2 Z ϕ2
dϕ r Q[x(r, ϕ), y(r, ϕ)]
dr
=
ϕ1
r1
Z ϕ2
Z r2
dϕ Q̂(r, ϕ)
dr r
=
r1
y
ϕ1
90
r
'
x
'2
r1 r2
'1
x
Bsp. 2:
I=
ZZ
y
−(x+y)2
dxdy e
=?
y=1
Σ
v=
Neue Variablen u und v einführen:
u = x+y, v = x−y
Z 1 Z ∞ 1 1 2
I = dv
du 21 21 e−u
−
−1
−∞
2
2
1
I=
2
12
Z
1
dv
−1
Z
∞
2
du e−u =
−∞
u
1
x=1
v=1
x
v
√
1 √
2 π= π
2
(Vorz. o.k.)
Volumenintegrale
Formen:
I =
Z
dV φ(~x)
(häufig)
dV ~ω (~x)
(seltener)
G
I~ =
Z
G
12.1
Definition
G: Gebiet des 3-dim. Raumes, z.B. das Innere einer Kugel.
φ(~x) skalares Feld
~x = (x, y, z) kartesische Koordinaten
G in kleine Teile vom Volumen ∆Vk zerlegen (∆Vk ↔ Ort ~xk )
Definition
I = lim
∆Vk →0
X
k
∆Vk φ(~xk ) ≡
Z
dV φ(~x)
G
Beispiel: Masse eines Körpers, welcher das Gebiet G ausfüllt, und dessen
Dichte ρ(~x) eventuell vom Ort ~x abhängt:
Z
MG =
dV ρ(~x) .
G
91
12.2
Berechnung in kartesischen Koordinaten
Erläuterung am Beispiel: Dichteverteilung ρ(~x) gegeben. Bestimme Masse im
Gebiet G in der Figur.
z
V = xyz
x2 + z2 = a2
z
`
G
x2 + y2 = a2
Quader Q
y
x
i
x
y
k
Infinitesimales Volumenelement: ∆V = ∆x ∆y ∆z
z
y x
Masse in ∆V : ∆x ∆y ∆z ρ(xi , yk , zℓ )
Masse in Quader Q für festes xi und yk :
X
∆V ρ(xi , yk , zℓ ) .
ℓ
Unterteilung feiner machen:
lim
∆z→0
X
∆x ∆y ∆z ρ(xi , yk , zℓ ) = ∆x ∆y
ℓ
Z √a2 −x2i
|
= ∆x ∆y f (xi , yk )
0
dz ρ(xi , yk , z)
{z
}
f (xi ,yk )
Masse in allen Quadern für festes xi :
Z √a2 −x2i
X
∆x ∆y f (xi , yk ) = ∆x
lim
dy f (xi , y) = ∆x g(xi ) .
∆y→0
0
k
Masse in allen Scheiben:
Z
X
lim
∆x g(xi ) =
∆x→0
0
i
92
a
dx g(x) ≡ MG .
xi
Insgesamt:
MG =
Anmerkungen
Z
a
dx
0
Z
√
a2 −x2
dy
0
Z
√
a2 −x2
dz ρ(x, y, z) .
0
1. Reihenfolge beliebig (mit geeigneter Beschreibung der Grenzen)
2. Gebräuchliche Schreibweisen:
Z
ZZZ
I =
dV ρ(~x) ≡
dx dy dz ρ(~x)
G
G
Z
ZZZ
3
=
d x ρ(~x) ≡
d3 xρ(~x)
G
G
Z x2 Z y2 (x) Z z2 (x,y)
dx
=
dy
dz ρ(x, y, z)
x1
y1 (x)
z1 (x,y)
3. Bei der Integration über einen Quader (Kanten parallel zu den Koordinatenachsen) sind die Grenzen besonders einfach
z2 (x, y) → z2
konstant, etc.
4. Bei anderen Grenzen (z.B. Integration über eine Kugel) empfiehlt sich
die Einführung von angepassten neuen Variablen (siehe nächsten Abschnitt).
5.
I~ =
Z
dV ~ω (~x) :
Ik =
G
12.3
Z
dV ωk (~x) ;
k = 1, 2, 3.
G
Variablentransformation
Nicht-kartesische Koordinaten sind für die Integration
eignet:
- Symmetrie des Integranden
- Symmetrie des Integrationsgebietes
Beispiele von krummlinigen Koordinaten:
93
R
dV... oft besser ge-
Kugelkoordinaten (r, θ, ϕ)
x1 = r sin θ cos ϕ
x2 = r sin θ sin ϕ
x3 = r cos θ
0 ≤ r < ∞; 0 ≤ θ ≤ π;
x3
r
s
x21 + x22 + x23
P
r
~
x
P0
x1
x3
x2
r sin
'
0 ≤ ϕ < 2π .
Zylinderkoordinaten (r, ϕ, z)
x1 = r cos ϕ
x2 = r sin ϕ
x3 = z
0 ≤ r < ∞;
=
s
r = x21 + x22
r
P
~x
0 ≤ ϕ < 2π ; −∞ < z < ∞ .
'
x1
P
Satz:
Z
ZZZ
∂(x , x , x ) 1
2
3
I =
d3 x φ(~x) =
du dv dw φ[~x(u, v, w)]
∂(u, v, w) G
G′
|
{z
}
D(u,v,w) mit der Funktionaldeterminante
 ∂x1
Beweis:
D = det 
∂u
∂x1
∂v
∂x1
∂w
∂x2
∂u
∂x2
∂v
∂x2
∂w
∂x3
∂u
∂x3
∂v
∂x3
∂w

 = D(u, v, w)
x3
w
Quader
Koordinatenlinien
P arallelepiped
w
v u
V
(
~
x u; v; w
v
x1
u
Das Parallelepiped ist durch die Vektoren
∂~x
∆u ,
∂u
)
∂~x
∆v ,
∂v
94
∂~x
∆w
∂w
x2
x2
z
0
aufgespannt (vergleiche analoge Überlegungen in Abschnitt 11.3.4), 2-dim.
Fall).
Volumen des Parallelepipeds:
∂~x
∂~
x
∂~
x
∆V = ∆u ×
∆v ·
∆w ∂u
∂v
∂w
I =
lim
∆V →0
X
∆Vk φ(~xk )
k
X ∂~x ∂~x
∂~
x
∆u ∆v ∆w φ[~x(u, v, w)]
=
lim
·
×
∂u ∂v
∆u,∆v,∆w→0
∂w
k
{z
}
|
≡D
ZZZ
=
du dv dw |D(u, v, w)| φ[~x(u, v, w)] G′
D ist also das Spatprodukt von
12.3.1
∂~
x ∂~
, x
∂u ∂v
und
∂~
x
.
∂w
Häufig verwendete Koordinatentransformationen
d = 2 Polarkoordinaten
ZZ
dx dy... →
Z
dr r
Z
dϕ...
d = 3 Kugelkoordinaten
Z
Z
ZZZ
Z
2
dθ sin θ dϕ...
dx dy dz... → dr r
d = 3 Zylinderkoordinaten
ZZZ
Z
Z
Z
dx dy dz... → dr r dϕ dz...
In diesen Beispielen sind die Koordinatenlinien zueinander orthogonal: “Orthogonale krummlinige Koordinaten”.
95
13
Die Divergenz
Motivation: Wie erkennt man, ob ein gegebenes Vektorfeld das momentane
Geschwindigkeitsfeld einer inkompressiblen Flüssigkeit sein könnte?
ja
I
Kriterium:
Σ
nein
d~σ · ~v (~x) = 0 ,
∀Σ .
Was ist der Grund für diese Gleichung?
Lokales Kriterium? Wir werden unten finden, dass die sog. Divergenz
∂v2
∂v3
∂v1
~ · ~v
+
+
≡∇
∂x1 ∂x2 ∂x3
solcher Felder überall verschwindet.
13.1
Definition
Sei ~ω (~x) ein Vektorfeld im Gebiet G. Die Ableitungen ∂i ωk sollen überall in
G definiert sein.
~ · ~ω (~x) ≡ div ~ω (~x) ≡ ∂ω1 + ∂ω2 + ∂ω3
∇
Definition:
∂x1
∂x2
∂x3
heisst Divergenz von ~ω (~x).
~ · ~ω (~x)
Vektorfeld ~ω (~x) → skalares Feld ∇
Beispiele
1.
2.
~ · ~ω (~x) = 0
~ω (~x) = ω
~ 0 = konst =⇒ ∇
~ · ~ω (~x) = 2 x2
~ω (~x) = (sin x2 , x22 , 0) =⇒ ∇
96
3.
~ · ~ω (~x) = 3
~ω (~x) = ~x = (x1 , x2 , x3 ) =⇒ ∇
4.
~ω (~x) =
~x
~ · ~ω (~x) = 0 , ~x 6= 0
=⇒ ∇
|~x|3
Siehe Übungen. Dies ist das einzige divergenzfreie kugelsymmetrische
Feld.
5.
13.2
~ · ~ω = 0
~ω (~x) = ~a × ~x , ~a = konst =⇒ ∇
Der Satz von Gauss
G : Gebiet des 3-dimensionalen Raumes, mit einer geschlossenen Oberfläche
Σ(G).
~ω (~x) : Vektorfeld, ∂i ωk existieren in G.
d~
(G)
G
Satz von Gauss:
I
Σ(G)
d~σ · ω
~ (~x) =
Z
G
~ ·ω
d3 x ∇
~ (~x) .
13.3
Beweis
13.3.1
G = Quader k Koordinatenachsen
Siehe Zeichnung unten.
Z
Z
Z
Z
3 ~
3
1
3
2
d x∇·~ω =
d x ∂x ω (x, y, z) + d x ∂y ω (x, y, z) + d3 x ∂z ω 3 (x, y, z)
G
|G
{z
} |G
{z
} |G
{z
}
I1
I2
97
I3
Betrachte I1 . Zuerst über x integrieren:
Z
Z z 1 Z y1 Z x 1
3
1
d x ∂x ω (x, y, z) =
dz
dy
dx ∂x ω 1 (x, y, z)
V
x0
Zz0z1 Z y1 y0
1
=
dz dy ω (x1 , y, z) − ω 1 (x0 , y, z)
Z z 1 Z y1
Z z 0 y0
dz dy ω 1 (x1 , y, z) =
d~σ1 · ~ω (x, y, z)
ΣV
z0
y0
Z z 1 Z y1
Z
1
dz dy ω (x0 , y, z) =
d~σ1 · ω
~ (x, y, z)
z0
ΣH
y0
I2 , I3 analog.
=⇒
Z
3~
G
dx ∇ · ω
~ =
z
I
Σ(G)
d~σ · ~ω
für Quader.
z = z1
x = x0
y = y0
y = y1
x = x1
y
z = z0
x
d~3(O )
z
(L)
d~2
d~2(R)
d~1(V )
d~3(U )
y
x
d~1(H )
d~1 = (1; 0; 0)y z
d~2 = (0; 1; 0)xz
d~3 = (0; 0; 1)xy
98
13.3.2
“Beliebiges” Volumen
G
V2
V1
Volumen approximieren durch Quader:
Z
Z
3 ~
~ · ~ω + ....
d3 x∇
d x∇ · ~ω +
V2
V1
Z
Z
d~σ · ~ω + ....
d~σ · ~ω +
=
Σ2
Σ1
Beiträge der gemeinsamen Flächen fallen weg. =⇒ Nur Oberfläche von Σ(G)
zählt. Im Limes, wo die Quadervolumen Vi → 0, erhält man
I
Z
3 ~
d x∇ · ~ω =
d~σ · ~ω
Σ(G)
G
Kommentar
1. Form: 3-fache Integration über eine Ableitung → eine Integration kann
ausgeführt werden. Vergleiche dazu:
Z b
dxf ′ (x) = f (b) − f (a) .
a
2. Der Satz gilt auch, wenn G Löcher hat.
d~
99
~ · ~ω im ganzen Gebiet G definiert ist.
3. Der Satz setzt voraus, dass ∇
Gegenbeispiel:
G
R
~ω (~x) =
~x
|~x|3
~ · ~ω = 0 , ~x 6= 0
∇
Übungen.
Mit d~σ = ~x R sin u du dv (S. 85) bekommt man
I
Z
~ · ~ω = 0
d~σ · ~ω = 4π 6=
d3 x∇
Etwas ging schief.
Σ
G
~ · ~ω nicht exisitiert.
Satz gilt nicht, weil für ~x = 0 ∈ G die Divergenz ∇
Hingegen gilt der Satz über dem Gebiet G: 0 < R1 ≤ |~x| ≤ R2 .
13.4
~ · ~ω
Interpretation von ∇
Betrachte die Divergenz von ~ω (~x) in einem Punkt ~x0 . Satz von Gauss auf
eine kleine Umgebung G von ~x0 anwenden .
Z
I
~ · ~ω =
d x∇
d~σ · ~ω
G
Σ(G)
Z
I
1
1
3 ~
d x∇ · ~ω =
d~σ · ~ω .
VG G
VG Σ(G)
3
0
x~0
G
~
~
Gebiet G auf den Punkt ~x0 zusammenziehen: G d x∇ · ~ω ≃ VG ∇ · ω
~ (~x)
~ · ~ω =⇒ ∇
~
x=~
x0
1
VG →0 VG
= lim
R
I
Σ(G)
3
~
x=~
x0
d~σ · ω
~ (~x) .
Witz der Sache: Die rechte Seite hängt nicht von der Drehlage der Koordi~ · ~ω .
natenachsen ab. Dasselbe gilt also für ∇
100
Divergenz: lokale skalare Eigenschaft des Vektorfeldes ~ω .
In anderen Worten: wählt man ein anderes Koordinatensystem, so gilt
X
X
′
~ω =
ωk (x1 , x2 , x3 )~ek =
ωk′ (x′1 , x′2 , x′3 )~ek
k
k
ωk′ 6= wk , aber
13.5
X ∂ω ′ (x′ , x′ , x′ )
k
k
1
2
3
∂x′k
=
X ∂ωk (x1 , x2 , x3 )
k
∂xk
.
~ · ~ω als Quelldichte
Interpretation von ∇
~v (~x) : momentanes Geschwindigkeitsfeld eines Materials (z.B. Luftströmung).
ρ(~x) : momentane Dichte.
Beispiel: Luft wird erwärmt und dehnt sich aus.
~v · d~σ : durch das Flächenelement pro Zeit strömendes Volumen
(S. 86)
d~
~x
ρ(~x) ~v(~x) · d~σ :
Durchströmende Masse pro Zeit
.
~j(~x) =
ρ(~x) ~v(~x) :
I
Σ
~v (~x)
Massenstromdichte [Einheit: kg m−2 s−1 ]
d~σ · ~j(~x) : netto pro Zeit aus Σ herausfliessende Masse
(positive und negative Beiträge möglich)
101
Bsp. 1
Bsp. 2
~
d
~
d
~
d
~
d
~j
~j
In beiden Beispielen ist
H
~j
~j
d~σ · ~j > 0.
Betrachte nun die pro Volumen von G netto aus G ausströmende Masse:
I
1
d~σ · ~j(~x)
V (G) Σ(G)
Für G → 0 (S. 100) gilt dann
I
1
~
~
~
.
d~σ · j(~x) = ∇ · j(~x)
lim
G→0 V (G) Σ(G)
~
x=~
x0
x~0
G
~ · ~j(~x) als die pro Zeit und pro Volumen aus der (infiniteSomit lässt sich ∇
simalen) Umgebung von ~x netto abfliessende Masse interpretieren.
~ · ~j(~x) in diesem Zusammenhang als Quelldichte der MasMan bezeichnet ∇
~
senstromdichte j(~x).
Die Herkunft der netto ausströmenden Masse,
I
~ · ~j > 0 ,
d~σ · ~j > 0 , oder ∇
kann verschiedener Art sein:
- Auf Kosten der abnehmenden Dichte ρ in G.
- Echte Produktion des betreffenden Materials, z. B. Schaffung von CO2
durch Verbrennung.
Beispiele
(1)
(Feld ~j(~x)):
~j = konst
~ · ~j = 0 ,
∇
I
d~σ · ~j = 0
102
(1)
I
(2)
d~σ · ~j > 0
~ · ~j > 0
∇
Beispiel : ~j = λ~x ; λ > 0 .
(3)
I
(2)
d~σ · ~j > 0 ,
Beispiel
~ · ~j > 0
∇
: ~j = (λx1 , 0, 0) ; λ > 0 .
(3)
(4) Wirbel zylindersymmetrisch
~j(~x) = (−x2 , x1 , 0) F (ρ)
ρ
q
x21 + x22
ρ =
I
~
~
∇·j = 0,
d~σ · ~j = 0 .
(5)
(6)
~j(~x) = (α x2 , 0, 0)
I
~ · ~j = 0 ,
∇
d~σ · ~j = 0 .
(5)
~j(~x) = (∂2 a3 − ∂3 a2 , ∂3 a1 − ∂1 a3 , ∂1 a2 − ∂2 a1 )
ergibt mit beliebigen Funktionen ak (~x) (k = 1, 2, 3), ein divergenzfreies Vek~ · ~j = 0.
torfeld, d.h., ∇
13.6
Die Kontinuitätsgleichung
Strömendes Medium:
~v (~x, t)
Geschwindigkeit, ev. zeitabhängig
ρ(~x, t)
Dichte, ev. zeitabhängig
~j(~x, t) = ρ(~x, t) ~v(~x, t)
Massenstromdichte
Wir setzen nun voraus, die Masse sei erhalten: das Wegströmen der Masse
aus einem Gebiet G bedingt die Abnahme der sich in G befindlichen Masse.
Z
I
d
~
d3 x ρ(~x, t)
(Σ fest)
d~σ · j(~x, t) = −
dt G
Σ(G)
I
Z
1
d 1
~
d~σ · j(~x, t) = −
d3 x ρ(~x, t)
V (G) Σ
dt V (G) G
103
Limes G → 0 durchführen:
~ · ~j(~x, t)
∇
∂
ρ(~x0 , t)
oder
∂t
~
x=~
x0
~ · ~j(~x, t) + ∂ρ(~x, t) = 0
oder kurz
∇
∂t
~ · ~j + ρ̇ = 0
∇
Kontinuitätsgleichung
=−
~ · ~j + ρ̇ = 0 ist eine Folge der Massenerhaltung.
Die Kontinuitätsgleichung ∇
Kommentare zur Kontinuitätsgleichung
1. Die Masse eines Stoffes ist nicht immer erhalten (z.B. kann CO2 durch
Verbrennung entstehen). Dann gilt die Kontinuitätsgleichung nicht.
2. Spezialfall: inkompressible Flüssigkeit
ρ(~x, t) = ρ = konst
~ · ~j(~x, t) = 0 ,
~ · ~v (~x, t) = 0 .
=⇒ ∇
∇
3. Spezialfall: stationäre Strömung
~v(~x, t) , ρ(~x, t) , ~j(~x, t) → ~v (~x) , ρ(~x) , ~j(~x)
~ · ~j = 0
~ · ~v 6= 0)
=⇒ ∇
(i.a. ∇
4. Die elektrische Ladung ist immer erhalten. Auch hier gilt eine Kontinuitätsgleichung:
ρe (~x, t)
Ladungsdichte (Ladung/Volumen)
~ve (~x, t)
Geschwindigkeit der Elektronen
.
~je (~x, t) = ρe (~x, t) ~ve (~x, t)
Stromdichte (Einheit: Am−2 , Cb s−1 m−2 )
Mit der analogen Herleitung (siehe oben) erhält man
~ · ~je (~x, t) + ∂ρe (~x, t) = 0 .
∇
∂t
Kontinuitätsgleichung der elektrischen Ladung.
13.7
Die skalaren Maxwellgleichungen
Die Divergenz von Vektorfeldern tritt in der Physik an zahlreichen Stellen
auf, z.B. auch bei der Formulierung von Gesetzen zum elektromagnetischen
Feld:
104
a)
~ · B(~
~ x, t) = 0
∇
(→
Magnetfelder sind divergenzfrei.
I
~ = 0)
d~σ · B
Magnetfelder wie in nebenstehender Figur gibt es nicht.
b)
~ · E(~
~ x, t) = ρe (~x, t)
ǫ0 ∇
ǫ0 = 8.854 · 10−12 A s V−1 m−1
Mit dem Satz von Gauss folgt hieraus (siehe Übungen)
I
~ = QΣ ,
ǫ0 d~σ · E
Σ
wobei
R 3 QΣ die im Gebiet G vorhandene Ladung QΣ =
d xρe bezeichnet.
G
d~
G
Q
Beispiel: Coulombfeld einer Punktladung Q im Punkt ~x = 0. Die elektrische
Feldstärke
~ x) = Q ~x
E(~
4πǫ0 |~x|3
erfüllt die Gleichung
ǫ0
I
Σ
~ = QΣ .
d~σ · E
~ (Quelldichte ρe /ǫ0 ).
“Ladungen sind Quellen von E”
13.8
Divergenz kugelsymmetrischer Felder
Kugelsymmetrische Vektorfelder haben die Form
~ω (~x) = F (x)
~x
x
;
x = |~x| .
~ · ~ω (~x) =?
D(x) = ∇
Methode 1: x = (x21 + x22 + x23 )1/2 differenzieren.
105
Methode 2:
G
Z
Gauss:
3
d xD(x) =
(d~σ = (S. 85) = ~x R sin θ dθ dϕ)
d
2
2
dx x 4π D(x) = 4πR F (R)
dR
0
d 4πR2 F (R)
4πR2 D(R) =
dR
1 d 2
D(R) = 2
R F (R)
R dR
2
D(R) = F (R) + F ′ (R)
R
G
Z R
oder
I
x
x=R
Σ
d~σ · ~ω (~x)
2
~
x
1 d 2
~ · F (x)
∇
= 2
x F (x) = F (x) + F ′ (x) .
x
x dx
x
Anwendung: Gesucht sei ein kugelsymmetrisches Vektorfeld
~x
,
x
welches einen vorgegebenen Verlauf D(x) der Divergenz hat.
1 d 2
x F (x) = D(x)
2
x dx
d 2
x F (x) = x2 D(x)
dx
Z
~ω (~x) = F (x)
x2 F (x) =
dx x2 D(x)
1
F (x) = 2
x
Z
(unbestimmtes Integral)
dx x2 D(x) .
Aufgabe: In einem Bereich 0 < x1 < x < x2 sei
~
x
~ · F (x)
∇
= 0 ; F (x) =?
x
106
1 d 2
x F (x) = 0
2
x dx
d 2
x F (x) = 0
dx
x2 F (x) = C , konst
C
=⇒ F (x) = 2
0 < x1 < x < x2 .
x
Dabei ist C eine beliebige Konstante.
107
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