Schwerstarbeit1 Neue Technik, neue Leiden – krank durch Bildschirmarbeit Das computerisierte Büro ist in der Dienstleistungsgesellschaft Dreh- und Angelpunkt des geschäftlichen Treibens. PC, Drucker und Internet vereinfachen die Arbeit und ermöglichen die globale Kommunikation. Doch das Arbeiten am Bildschirm bleibt nicht ohne Folgen: Während der Krankenstand im Produktionssektor kontinuierlich sinkt, stagniert er bei Büroangestellten oder steigt sogar. Der Grund: Verspannungen durch stundenlanges Arbeiten vor dem Monitor, unangenehmes Raumklima durch aus den Gerätschaften ausgasende Schadstoffe und die neue Hektik durch rascheren Informationsfluss stressen Arbeitnehmer an jenem Ort, wo sie immerhin 15 % ihres Lebens verbringen. Jeder Zweite arbeitet im Büro, 20 Millionen Menschen arbeiten am PC und fast in jedem zweiten deutschen Haushalt steht heute mindestens ein Computer. Kein eindeutiges Krankheitsbild Zwar gibt es bislang keine Berufskrankheiten, die monokausal auf Bildschirmarbeit zurückzuführen sind. Psychosoziale Faktoren wie das Betriebsklima und die Art der Tätigkeit spielen dabei 1 Moderne Informations- und Kommunikationsgeräte erleichtern heute zwar in fast jedem Büro den Alltag. Doch Arbeitsmediziner machen den Computer für neue Krankheitsbilder, neue Schadstoffe und zusätzlichen Stress im Büro verantwortlich. eine ebenso große Rolle. Doch Hautbeschwerden an Händen, zahlreiche wissenschaftliche Armen und Beinen. Untersuchungen belegen, dass die Arbeit vor dem Monitor je nach Veranlagung und Sensibilität eines Anwenders physische und psychische Beeinträchtigungen verschiedenster Art und in unterschiedlichster Intensität hervorruft. Nach Untersuchungen der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAUA, Dortmund) in zwei öffentlichen Verwaltungen klagten vier von fünf befragten Bildschirmarbeitskräften, dass bei ihnen während und nach der Arbeit Beschwerden auftreten. Die vorwiegend in der Programmierung, Sachbear-beitung, Textverarbeitung und Dateneingabe Beschäftigten saßen im Mittel 5,45 Stunden pro Tag vor dem Bildschirm. Rund zwei Drittel empfanden Schmerzen im Nacken-, Schulter- und Rückenbereich, jeder Zweite litt unter Kopfschmerzen und etwa 40 % gaben Augenprobleme an. Weitere Leiden waren Durchblutungsstörungen in den Beinen, Erschöpfungserscheinungen, Konzentrationsstörungen und innere Unruhe, Lustlosigkeit, Schlafstörungen, MagenDarm-Beschwerden bis hin zu Auszug aus ct – „magazin für computertechnik“ – Ausgabe 13/2000 Spitzenreiter in den Krankenstandsstatistiken sind denn auch die Rückenleiden; sie haben nach Angaben der BAUA besonders in den letzten Jahren epidemieartig zugenommen. Ursache ist chronischer Bewegungsmangel: Durch die vernetzten Computer werden die ohnehin schon geringen Bewegungsanteile in der Bürowelt weiter zurückgefahren. Keiner bewegt sich Musste man sich bis vor ein paar Jahren noch selbst in Bewegung setzen, um zum Aktenschrank zu gehen und einen Ordner herauszusuchen, den mit zusammengeknüllten Notizzetteln gefüllten Abfallkorb an die Mülltonne vors Gebäude hinaustragen oder die Briefpost zur Poststelle geben, erledigt dies heute ein Doppelklick am PC. 80 bis 85 Prozent der täglichen Arbeitszeit verbringt ein Bildschirmarbeiter sitzend vor dem Monitor. Dabei ist der Mensch nicht zum Sitzen geschaffen. Durch ständiges und meist noch falsches Sitzen wird die Bandscheibe der Lendenwirbelsäule doppelt so stark belastet wie beim Gehen oder Stehen. Folge: Die Krank durch Bildschirmarbeit Rumpfmuskulatur schrumpft und kann die Wirbelsäule nicht mehr optimal stützen, der Druck auf die Seite 2 Bandscheiben erhöht sich, was neben den Schmerzen auch Durchblutungsstörungen, Verdauungsprobleme und Herz-/ Kreislaufstörungen verursachen kann. Arbeitsmediziner raten deshalb, mindestens ein Viertel der täglichen Arbeitszeit in Bewegung zu verbringen. Anstatt dem Kollegen im Nachbarzimmer eine Nachricht zu mailen, kann man diese auch persönlich überbringen - was nebenbei auch die sozialen Kontakte im Büro stärkt. Oder man legt eine kleine Pause mit leichten gymnastischen Übungen ein. 'Dehnen und Strecken bringt den Kreislauf wieder in Schwung, Atmung und Stoffwechsel werden verbessert, die Muskulatur stärker durchblutet und die Bandscheiben entlastet', empfiehlt das nordrhein-westfälische Gesundheitsministerium. Augen-Leiden Auch die Augen leisten vor dem Monitor Schwerstarbeit. Sie verrichten zum Teil Tätigkeiten, für die das Auge nicht gemacht ist. Im Gegensatz zum normalen Sehen, wo der Blick umherschweift und die Belastungen ausgewogen sind, beschränkt sich der Fokussie-rungsabstand am Arbeitsplatz vornehmlich auf circa 30 bis 80 Zentimeter. Zudem erfordert die Arbeit vor dem Monitor eine ständig wechselnde Anpassung an unterschiedliche Helligkeiten und Kontraste: Spiegelungen und Lichtreflexe im Bildschirm verstärken die Überlastung zusätzlich. Nach Angaben der AOK Hamburg kommt es am Tag, je nachdem ob Dateneingabe oder Dialogtätigkeit im Vordergrund der Tätigkeit stehen, zu 12.000 bis 33.000 Kopf- und Blickbewegungen zwischen Bildschirm, Tastatur und Vorlage und 4.000 bis 17.000 Pupillenreaktionen. Bindehautreizung, verschwommenes Sehen. müde Augen und Augen- und Kopfschmerzen sind die Folge. Bereits nach zwei Stunden konzentrierter Dateneingabe am Bildschirm kann es zu Sehbeschwerden kommen. Wissenschaftler am Institut für Arbeitsmedizin an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main haben den Zusammenhang von Augenbeschwerden und Bildschirmarbeit näher untersucht. Sie kamen zu dem Ergebnis, dass .sich die Sehschärfe im mittleren Sehbereich durch das ständige scharfe Lesen von kleinen Zeichen in mittlerer Entfernung verschlechtert und die Sehbeschwerden mit der Dauer der Bildschirmtätigkeit zunehmen. Dabei sind ältere Beschäftigte ab einem Alter von 45 Jahren deutlich stärker betroffen als ihre jüngeren Kollegen. Ebenso nimmt die Häufigkeit des Lidschlags durch den ständig konzentrierten Blick auf den Monitor ab, die Hornhaut wird dadurch nicht mehr ausreichend befeuchtet und es kommt zu 'trockenen Augen'. Eine Klimaanlage und Rauchen im Büro begünstigen müde und gerötete Augen, die häufig brennen oder jucken, zusätzlich. 'In Deutschland sind schätzungsweise acht bis zwölf Millionen Menschen davon betroffen', glaubt Prof. Horst Brewitt, Oberarzt an der Augenklinik der Medizinischen Hochschule Hannover. Abhilfe schafft eine gute Lüftung und Befeuchtung der Büroräume, das Aufstellen des Monitors in Kopfhöhe oder im Zweifelsfall auch eine Tränenersatzflüssigkeit vom Augenarzt. Arbeitsmediziner empfehlen, den Augen regelmäßig eine Pause zu gönnen. Nach zwei Stunden Bildschirmarbeit braucht das Auge 15 Minuten. um sich zu regenerieren. Diese Pause steht jedem Bildschirmarbeiter laut Bildschirmarbeitsverordnung auch zu. Fehlsichtige sollten sich an Stelle ihrer Alltagsbrille eine Brille vom Augenarzt verschreiben lassen, die speziell für den Abstand zwischen Tastatur, Schreibvorlage und Monitor (meist 50 cm) angepasst wird. Computer-Arm Krank durch Bildschirmarbeit Seite 3 Nicht normalen Belastungen sind auch die Hände und Unterarme ausgesetzt. Arbeitsmediziner schätzen, dass ab 80 000 Tastaturanschlägen pro Tag die Gefahr einer RSI-Erkrankung -RSI steht für Repetitive Strain Injury - besteht. Das chronische Krankheitsbild, das in den USA für 60 Prozent aller Arbeitsausfälle verantwortlich sein soll und an dem in Großbritannien pro Jahr angeblich 200 000 Personen erkranken ist quasi der Tennisarm der Bildschirmarbeiter. 'Gelenke. Sehnen und Muskeln können durch schnelle, kurze und täglich zigtausendfach wiederholte Bewegungen so geschädigt werden, dass sie sich in nächtlichen Erholungsphasen nur un-zureichend regenerieren', erklärt Prof. Hardo Sogatz vom Institut für Psychologie der Technischen Universität Darmstadt. Prof. Sogatz untersuchte 1000 Bildschirmarbeiter und stellte dabei fest, dass RSI in vielen Fällen nur schwer zu heilen ist. Die Belastung beim Tippen, Nachdenken und Formulieren führe zu Anspannung und verminderter Durchblutung, was die Wahrscheinlichkeit von feinen Rissen an den Fingermuskeln erhöht, die dann später möglicherweise verkürzt zusammenwachsen. 'Die am nächsten Tag nicht vollständig reparierten Schäden summieren sich bei weiterer Bildschirmarbeit und im Verlauf eines mehrjährigen Berufslebens zu Schmerzen und Funktionseinschränkungen.' Der Betroffene merkt zunächst ein leichtes Ziehen in den Gelenken und Muskeln, später kommen starke Schmerzen und Taubheitsgefühle, Sensitivitätsverlust in den Fingern, Kraftverlust oder Missempfindungen dazu. Wer dagegen beim Arbeiten am Computer Pausen einlegt, sich neben dem Bildschirm alternative Anreize schafft und regelmäßiges Unterarmmuskeltraining betreibt, kann das RSl-Risiko erheblich herabsetzen. meint Sogatz. Vorbeugen können neben einer ergonomischen Tastatur auch Spezialbandagen aus dem Sanitätshaus oder der Apotheke. Der leichte Druck des Stretch-Gewebes massiert die Haut und verbessert so die Durchblutung. Schadstoff-Cocktail Dagegen wirken sich Schadstoffe in der Raumluft ganz anders aus: Entzündungen von Hals und Nase, Augentränen, Kopfschmerzen, Übelkeit und allergische Reaktionen der Haut sind die Symptome, mit denen inzwischen fast jeder zehnte Büroarbeiter zu tun hat und die man mit dem Begriff 'Sick Building Syndrom' umschreibt. Flüchtige organische Chemikalien aus dem Mobiliar, Bodenbelag, Anstrich, aber auch aus den Gehäusen von PC, Monitor und Drucker wie Weichmacher oder Flammschutzmittel mixen die Büroluft zu einem Schadstoff-Cocktail, der meist noch schlechter ist als die Außenluft. Tests von Laserdruckern deuteten auch in jüngster Zeit immer wieder auf erhöhte Konzentrationen der gesundheitsschädlichen Stoffe Styrol, Biphenyl oder des krebsverdächtigen Benzols. Dabei ist es meist nicht ein einzelner Stoff, sondern vielmehr deren Gemisch und Reaktionsprodukte, die zu den bekannten Symptomen führen. Doch organische Stoffe und Lösungsmittel sind möglicherweise nicht alleine verantwortlich für das Sick Building Syndrom. So ergab eine Untersuchung des Instituts für Wohngesundheit in Kopenhagen, dass wahrscheinlich erst die Reaktionsprodukte aus Ozon und den organischen Verbindungen für die ständige Mattheit, Übelkeit und Schleimhautreizungen verantwortlich sein könnten. Ozon entsteht im Sommer vor allem durch den Straßenverkehr. Entgegen großer Versprechungen der Druckerhersteller entsteht Ozon aber auch immer noch vor der Nase des Anwenders, nämlich durch Laserdrucker und Kopierer. Durch verschiedene Druckverfahren oder Aktivkohlefilter könnte die Menge minimiert werden, doch nicht alle Hersteller legen Wert auf saubere Druckerabgase. Neben Ozon pustet der LaserJet bei jedem Druckvorgang auch feinsten Tonerstaub in die Raumluft. Nicht ungefährlich, denn 'viele Tonerenthalten giftige und Krebs erregende Substanzen, sogar Nervengifte', so Prof. Michael Braungart, Leiter des Hamburger Umweltinstituts. Aus Preisgründen verzichten die Hersteller darauf, diese für den Druckprozess nicht notwendigen Giftstoffe bei der Produktion herauszufiltern. Ein Test der Landesgewerbeanstalt Bayern brachte bei 33 von 34 untersuchten Tonerproben für Laserdrucker Krebs erregende Stoffe zu Tage, darunter auch Toner von Markenherstellern wie Hewlett-Packard. Letztendlich lassen sich die gesundheitlichen Beeinträchtigungen nur reduzieren, indem man die Innenraumluft im Büro mit möglichst wenig Schadstoffen belastet und bekannte Schadstoffquellen eliminiert. Da eine gewisse Basiskonzentration jedoch immer vorhanden ist, hilft nur eins: öfter mal lüften. Strahlende Aussichten Beim Elektrosmog nützt diese Maßnahme dagegen nichts. Zwar hat die Weltgesundheitsorganisation (WHO) Computer-Strahlung als ungefährlich eingestuft - die von den Bildschirmen abgegebene Strahlung sei eindeutig schwächer als die des Tageslichts an einem Wintertag. Realität ist aber, dass wir uns heute mit Krank durch Bildschirmarbeit Seite 4 Computer, Monitor, Drucker, Kopierer, Scanner, Faxgerät, Handy, Beleuchtung und so weiter ständig mit zahlreichen Strahlenquellen umgeben. Sie durchdringen den menschlichen Körper und können, so jüngste Studien aus Schweden und Australien, das Immunsystem schwächen und die Zellteilung erhöhen. Durch die in den Industrieländern abgeschirmte Lebensweise ohne natürliche Umweltreize fehlt dem Immunsystem Training. Es überreagiert deshalb gegen jeden stärkeren Reiz. So berichtete die Fachzeitschrift 'ärztliche Praxis', dass schon jeder Zehnte auf Elektrosmog von Mobiltelefon, Computer oder Beleuchtungskörper mit Augenbrennen, Kopfschmerzen, Atemnot, Mattheit, Schlaflosigkeit, Nervosität, Herzrhythmusstörungen oder Ohrendruck allergisch reagiere. Die Behandlung sei schwierig, denn hinter der Allergie versteckten sich oft auch Probleme am Arbeitsplatz oder in der Familie. Der ganze elektrische Fuhrpark kann aber noch eine andere Gefahr bergen. Amerikanische Wissenschaftler an der University of North Carolina vermuten, dass schon niedrige elektromagnetische Felder von 50 bis 60 Hertz (Stromleitungen im Haus, alle elektrischen Geräte und somit auch PC, Monitor und so weiter erzeugen diese Felder) die Bildung des Hormons Melatonin stören könnten. Ein Melatonin-Defizit kann den Körper dazu veranlassen, eine zu große Menge des weiblichen Sexualhormons Östrogen freizusetzen, wodurch es zur Bildung von Brustkrebs kommen kann. Auch besteht der Verdacht, dass eine Melatonin-Störung Depressionen begünstigt. Als sicher gilt, dass Schlaflosigkeit, Nachtarbeit und der so genannte Jetlag die Produktion von Melatonin stören. Derzeit untersuchen amerikanische und finnische Wissenschaftler, ob das künstliche Licht die Melatonin-Produktion beeinträchtigt, denn blinde Frauen erkranken wesentlich seltener an Brustkrebs. Frust am PC Die Konzentration auf rein ergonomische Aspekte greift allerdings zu kurz. Neben den körperlichen Auswirkungen fördern die neuen Techniken auch psychische Belastungen. Nach einer Befragung von 2000 Arbeitnehmerinnen des nordrhein-westfälischen Sozialministeriums sind etwa ein Drittel bis die Hälfte der Erwerbstätigen immer oder häufig psychischen Belastungen ausgesetzt und Stress als Folge dieser Belastung schadet auf Dauer dem Organismus. Wissenschaftler sehen in den modernen Kommunikations- und Informationstechniken neue Stessfaktoren, die die Erwerbstätigen neben den bereits ohnehin vorhandenen Faktoren wie hohes Arbeitspensum, Termindruck, unzureichende Erholungsmöglichkeiten, geringe Entscheidungskompetenz und so weiter zusätzlich belasten. 'Die Arbeit hat sich durch den Computer stark verdichtet', erklärt Ahmed Cakir vom Ergonomic Institut in Berlin. 'Der intensive Arbeitsdruck mit wenig Mischarbeit beraubt die Arbeitnehmer um ausgleichende Belastungswechsel.' Hinzu kommt die zum Teil unergonomische Software, die entweder umständlich zu bedienen ist und somit noch mehr Konzentrationsaufwand vom Anwender fordert oder den Benutzer bei Fehlern alleine lässt. Das Ergebnis: Ärger, Frust, Stress, Zusatzaufwand und mehr Fehler durch schnelleres Ermüden. Auch 'die nicht oder dem Anwender nicht bekannte Individualisierbarkeit von Programmen ist ein schwerwiegendes Problem' kritisiert Cakir die vermeidbaren psychischen Belastungen selbst bei Standardsoftware. Ein Problem, das beispielsweise SAP im vergangenen Jahr zu einem reinen Ergonomie-Update veranlasste, denn 'ein Teil der Kreativität verpuffte oftmals bei der Bedienung der Maschine'. Immer erreichbar Glaubt man den Psychologen, dann hat sich auch die Kommunikation selbst zu einer potenziellen Stressquelle entwickelt. Die wesentliche Beschleunigung und Vergrößerung des Datenflusses fordert dem Anwender ein noch größeres Maß an Aufmerksamkeit und Konzentration ab. Hinzu kommt die bessere Erreichbarkeit: Eingehende E-Mails, Faxe oder Anrufe unterbrechen Arbeitsvorgänge und somit die Konzentration. Nach einer internationalen Studie des 'Institute for the Future', zu der Angestellte in vier Ländern befragt wurden, werden Beschäftigte im Durchschnitt alle zehn Minuten durch Telefon, Fax oder EMail in ihrer Arbeit unterbrochen. So bekommt ein britischer Angestellter im Schnitt 171 elektronische Briefe am Tag, in den USA sind es gar über 200. Krank durch Bildschirmarbeit Seite 5 Zwischen dem Spagat ständiger Erreichbarkeit auf der einen und der Notwendigkeit konzentrierter kontinuierlicher Arbeit auf der anderen Seite entsteht eine 'konflikthafte Anforderung, die auf Dauer belastet' meint das Psychologische Forum Offenbach. Zwar sparen die neuen Techniken durch schnellere Datenverarbeitung und Automatisierung viel Zeit ein. Doch weil sich viele Beschäftigte mit der Verarbeitung der Datenflut überfordert fühlen, gehe mehr Zeit verloren, als durch die Technik gewonnen werde. Stressquelle sind auch so genannte 'Regulationshindernisse' - beispielsweise ein zu langsames EDV-Netz oder ein träger Rechner, so die Offenbacher Psychologen. Nach einer von Compaq UK in Auftrag gegebenen Studie fühlte sich zudem jeder zweite Befragte durch häufige Computerabstürze gestresst. Die potenziellen Überwachungsmöglichkeiten durch vernetzte Computer belasten und verängstigen Angestellte zusätzlich. 'Durch Technisierung und anonymisierte Personalführung nehmen zwischenmenschliche Kontakte selbst in kleineren Firmen immer mehr ab', beklagt denn auch Peter Schmitt vom Verband der Verkaufsförderer. Manager als 'E-Mailende Technokraten' sind für ihn ein Grund dafür, dass das Klima in den Firmen zunehmend eisiger wird. Sparringspartner PC Wenns gut geht, wird der Stress in der Freizeit abgebaut, immer öfter krachts aber auch im Büro: Etwa die Hälfte der im Rahmen der Compaq-Studie befragten Angestellten deuteten an, dass sie sich in bestimmten Situationen mit Gewalt gegen den Computer zu Wehr setzen. In Wahrheit dürfte der Prozentsatz noch höher liegen, denn 80 Prozent der Befragten gaben an, sie hätten bereits Kollegen beobachtet, wie sie verbal oder mit Faustschlägen ihrer Wut freien Lauf gelassen hätten. Für den Konfliktforscher Robert Ehrmann zeigt sich in diesem Verhalten eine Angst vor der Technik, die sich in Wut symptomatisiert. Dabei müsste den Unternehmen die Leistungsfähigkeit ihrer Angestellten wichtig sein, denn Gesundheit ist ein großer Wettbewerbsvorteil. Nach Berechnungen der Bundesanstalt für Arbeit belasten Muskel- und Skeletterkrankungen die deutsche Wirtschaft jährlich mit rund 20 Milliarden Mark und verursachen mit 75 Millionen Fehltagen ein Drittel aller Fehlzeiten. 'Ein gut gestalteter Arbeitsplatz kostet fünf- bis sechstausend Mark', so Wilhelm Bauer vom Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation, 'ein krankgeschriebener Mitarbeiter indes schnell sehr viel mehr'. Erschreckend daher das Ergebnis einer Untersuchung des Karlsruher Instituts für Arbeits- und Sozialhygiene. Nur acht Prozent der 14.000 in deutschen Unternehmen untersuchten Bildschirmarbeitsplätze hatten arbeitsmedizinisch gesehen keine Mängel und entsprachen somit der Bildschirmarbeitsverordnung. An erster Stelle der Mängelliste rangierte übrigens ein leicht und günstig zu beseitigendes Problem: Der Monitor war falsch platziert. Gesundes Raumklima dank Zimmerpflanzen? Eine natürliche Möglichkeit zur Verbesserung der Luftqualität im Büro waren nach landläufiger Meinung bislang vor allem Topfpflanzen. Sie 'atmen' neben Kohlendioxid auch die Schadstoffe aus der Raumluft ein und wandeln diese mit Hilfe von Enzymen in harmlose Stoffe um. Grünlilien sollen das Krebs erregende Formaldehyd in Zucker und Aminosäuren zerlegen, Ficus und Efeu filtern die Umweltgifte Benzol oder Trichlorethylen. Krank durch Bildschirmarbeit Seite 6 In der Fachzeitschrift New Scientist haben nun Wissenschaftler der Murdoch University in Australien mit ihrer Untersuchung ernsthafte Zweifel an dieser Theorie angemeldet. Ihr Ergebnis: Schon für eine leichte Qualitätsverbesserung der Luft müsste man ein dicht bewachsenes Gewächshaus anlegen. So untersuchten Peter Dingle und seine Kollegen den angeblichen Filtereffekt von Pflanzen am Beispiel von Formaldehyd, das häufig als Raumgift auftritt. In dem acht Quadratmeter großen Testraum konnten die Forscher erst ab einer Menge von 20 Zimmerpflanzen die Konzentration des Formaldehyd um etwa zehn Prozent verringern. Deutlich effektiver war hier häufiges Lüften. Doch Pflanzen haben andere positive Eigenschaften: Neben der Wirkung auf die Psyche erhöhen sie die Luftfeuchtigkeit um bis zu zehn Prozent und halten diese konstant. Das hilft gegen trockene Augen, elektrostatische Aufladung, ist gut für Haut und Schleimhäute und schützt so vor Erkältungen. Außerdem wandeln sie den Kohlendioxid-Gehalt der Raumluft in Sauerstoff um und dienen somit quasi als Muntermacher Darauf sollten Sie achten Augen Monitor 50 bis 70 Zentimeter vom Auge entfernt aufstellen Licht sollte nur von der Seite auf den Monitor fallen eine leichte Blickneigung von 30 Grad nach unten wird als angenehm empfunden und fördert häufigeren Lidschlag auf ausreichend Luftfeuchtigkeit achten regelmäßig (alle 2 Stunden) Pausen einlegen und für Tätigkeitswechsel nutzen regelmäßig (alle 15 Minuten) ein entferntes Objekt fokussieren RSI o o o o Pausen einlegen und andere Tätigkeit ausüben Arbeitsablaufwenn möglich abwechslungsreicher gestalten ergonomische Tastatur verwenden Spczialbandage beim Arbeiten oder nachts anlegen o o o o Bildschirmpausen als Bewegungspausen verwenden Sitzhaltung während des Arbeitens öfter ändern Tastatur direkt und nicht seitlich vor den Monitor stellen Arbeitszeit vor dem Monitor gut einteilen o Laserdrucker und Kopierer niemals direkt auf den Schreibtisch stellen, am besten in einen separaten, gut belüfteten Raum nach dem Tonernachfüllen Hände waschen, vorher Schutzhandschuhe anziehen keinen Billigtoner kaufen direkte Berührungen mit Toner \ crmeiden Toner auf Haut oder Schleimhäuten mit viel Wasser abspülen geringe Tonerreste befinden sich auch auf Papier, nach größeren Drucksitzungen deshalb die Hände waschen Rücken Raumklima o o o o o Elektro-Smog o o o o Drucker, Kopierer und Fax in einem separaten, gut belüfteten Raum unterbringen elektrische Geräte abschalten, wenn sie nicht gebraucht werden nicht dauerhaft in der Nähe von eingeschalteten elektrischen Geräten authalten strahlungsarme Bildschirme mit automatischer Abschaltfunktion einsetzen Krank durch Bildschirmarbeit Seite 7