Jahresbericht 2010

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Jahresbericht 2010
Hackhausen 5b · 42697 Solingen
Fon 0212 22201-0 · Fax 0212 22201-20
[email protected] · www.hackhauser-hof.de
Redaktion: Anja Franke, Elke Petrikat
Konzept und Design: Bosbach Kommunikation & Design
Inhalt
Vorstellung Evangelische Jugendbildungsstätte Hackhauser Hof e. V.
04
Karl Hesse
Von Haus und Hof
06
Jahresrückblick 2010
Anja Franke
Fünf gute Gründe für eine ganzheitliche Sexualpädagogik
10
Standpunkt der Evangelischen Jugendbildungsstätte Hackhauser Hof e. V.
Luise Pawlowsky
Feuer fangen für eine Idee 14
Hackhauser Hof on Tour mit dem Cafe ZeitReich
Dr. Wilfried Drews
Gruppen leiten lernen
16
Juleica Diversity mit Verbänden Junger MigrantInnen
Karl Hesse
Nicht hinnehmbare Langeweile
20
Konfirmandenarbeit und Gottesdienst
Dr. Wilfried Drews
Gepflanzt wie ein Baum ans Wasser
23
Erlebnispädagogik in der Konfirmandenarbeit: Arbeiten mit Metaphern
Luise Pawlowsky
Kurzzeitpädagogik konkret
27
Auszeit und Lernzeit für Kinder und jüngere Jugendliche
Karl Hesse
Tut mit leid – keine Zeit!
30
Erstes Hackhauser Kamingespräch mit Politikern und Jugendlichen ein voller Erfolg
Vorstellung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Hackhauser Hofs
32
4
Vorstellung
Evangelische Jugendbildungsstätte
Hackhauser Hof e. V.
Die Evangelische Jugendbildungsstätte Hackhau-
Die Angebote des Teams
ser Hof e. V. ist eine von der Evangelischen Kirche
des Hackhauser Hofes sind:
im Rheinland und dem Land NRW geförderte
Bildungsstätte und widmet sich besonders der
1.Team- und Gruppenseminare an Wochenen-
Förderung und Qualifizierung von Ehrenamtlichen
den für MitarbeiterInnen-Gruppen aus einer
im Bereich der Evangelischen Jugend im Rheinland.
Gemeinde oder einem Kirchenkreis.
2. Seminare zu jugendarbeitsrelevanten Themen.
Die Bildungsarbeit des Hackhauser Hofes wird
3. Grundkurse und Aufbaukurse für die Grup-
verantwortet von einem pädagogisch-theolo-
penarbeit in den Gemeinden (Juleica) sowie
gischen Team. Sie hat das Ziel,
>ehrenamtliche Jugendliche in der Arbeit mit
Kindern und Jugendlichen in den Gemeinden
zu qualifizieren, Erfahrungsaustausch über
Gemeinde- und Kirchenkreisgrenzen hinweg
anzuregen und Verbindungen zu knüpfen,
Kurse für Freizeitleitung.
4. Beratung und Entwicklung von Konzeptionen
in Gemeinden und Kirchenkreisen.
5. Gut Drauf Angebote zu Themen wie
Ernährung, Bewegung und Entspannung.
6. Kooperationen mit Schulen.
um eine Identität als Evangelische Jugend zu
fördern.
Die Angebote des Hackhauser Hofes werden
>hauptamtlichen Fachkräften ein Forum für
in einem Jahresprogramm veröffentlicht, das
Austausch, Reflexion und Anregung durch
jeweils im November des Vorjahres erscheint.
Studientage, Fortbildungen sowie durch
vielfältige Beratungsangebote zu bieten.
>Integrierte Fortbildung zu fördern durch Angebote für verschiedene mit Jugendarbeit oder
besonderen Projekten befasste ehrenamtliche
und hauptamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Gemeinden.
Vorstellung
Der Hackhauser Hof stellt sich vor
Die Evangelische Jugendbildungsstätte Hackhau-
Die Jugendbildungsstätte – ein altes Landhaus,
ser Hof e. V. arbeitet in der Rechtsform eines ein-
ein Gästehaus mit max. 78 Betten, ein Tagungs-
getragenen Vereins mit Mitgliederversammlung
haus und ein Andachtspavillon in einem weitläu-
und Vorstand. Zum Vorstand gehören:
figen Park – liegt in landschaftlich reizvoller Lage
in der Ohligser Heide und bietet sich an für
Rüdiger Maschwitz (Vorsitzender)
> Tagungen
Heinrich Fucks (stellvertretender Vorsitzender)
> Seminare und Studientage
Yvonne Göckemeyer (Schatzmeisterin)
> MitarbeiterInnen-Klausuren
Svenja Weitzig (weiteres Vorstandsmitglied)
> Freizeiten
> Schulklassentage und - wochen
Das Team für Jugendarbeit
Anja Franke
Leitung, Diplompädagogin, Sexualpädagogin
Schwerpunkte: Sexualpädagogik, inklusive Arbeit, aktuelle Jugendforschung,
systemische Beratung
Karl Hesse
Leitung, Landespfarrer für Jugendarbeit, Gemeindeberater, Organisationsentwickler
Schwerpunkte: Jugendkirche und Jugendgottesdienst, Lebenswelt –
Glaubenswelt – Mitmachwelt, Jungenarbeit / Genderfragen, Konzeptionsberatung
für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in Gemeinden
Dr. Wilfried Drews
Diplompädagoge, Religionspädagoge
Schwerpunkte: Rassismuskritische Bildung und Diversity Lernen,
Konfliktbearbeitung / Gewaltdeeskalation
Luise Pawlowsky
Sozialpädagogin
Schwerpunkte: Arbeit mit Mädchen und Frauen, musisch-kulturelle Bildung,
Arbeit mit Kindern, Jugendleitercard, lösungsorientierte Beratung
5
6
Jahresrückblick 2010
Von Haus und Hof – ein Jahresrückblick
Als ich ein kleiner Junge war, war es ein leich­-
Liebe Freunde, Förderer und Interessierte
tes und ein feines, in Spielzeugwelten einzutau-
unserer Evangelischen Jugendbildungsstätte
chen. So war das Plastik-Parkhaus mit integrierter
Hackhauser Hof,
Tank­­stelle, Hebebühne und Autofahrstuhl zweite
sich erinnern zu können, kann viel Freude berei-
Hei­mat für meine Matchbox-Autos und mich,
ten. Weil im Rückblick als Eindampfung langer
um als Spielleiter von allen Seiten zugegen zu
Prozesse in kurze Episoden deutlich wird, was
sein und zugleich en miniature in den veritablen
wichtig war und was weniger. Wo Veränderung
Rennern damaliger Zeit erstaunlichste Aben­teuer
geschah, und wo etwas blieb, wie es war.
zu erfahren und zu überleben.
Nun ist eine Lehrerin nicht typisch als Referentin
Allein eine Tatsache überschattete mein Herz:
unserer hauseigenen Seminare, aber es geht um
Wa­rum in Herrgotts Namen waren alle Autos
die Mitarbeitenden, die hier tätig sind und ein Le-
»Made in England« und kein eines aus Deutsch-
ben und Lernen am Hackhauser Hof ermöglichen.
land? Selbst die nicht, welche mit einem Stern,
Nun ist ein Plastik – Parkhaus keine Jugendbil-
einer Niere oder dem Wolfsburg-Emblem fuhren?!
dungsstätte, aber es geht um Räume und Orte,
in denen sich Leben und Lernen ereignet.
Merkwürdig, nicht? Da wird man in einem roten
Pfarrerhaushalt nach bestem Elterngewissen
Nun ist ein siebenjähriges Kind nicht unsere
antirassistisch, antichauvinistisch und superpazi-
Haupt­zielgruppe, aber es geht um Menschen-
fistisch erzogen, und ich undankbare Göre von
kinder, die unsere Räume und Orte aufsuchen,
sieben Jah­ren bin bis in die tiefste Seele betrübt,
um hier zu le­ben und spielerisch (spielend?) zu
dass Mat­chbox-Autos nicht »Made in Germany«
lernen.
sind, aber lassen wir das mal für dieses Vorwort
auf sich beruhen…
Denn wie dem auch sei, meine große Stunde
schlug, als die Stiefmutter, ihres Zeichens Lehrerin, von einer mehrtägigen Klassenfahrt zurückkam. Im Gepäck Geschenke für die drei Kleinen.
Für den einen Kleinen ein rechteckiger Karton.
Im Karton ein motorisiertes Gerät. Das Gerät
feuerrot. Zweigeschossig. Ein Doppeldecker-Bus.
Wunderschön. Ich fuhr direkt los. Und nach einer ersten erfolgreichen Spritztour kam der Bus,
wie es sich gehört, in die Inspektion. Auf die
Hebe­bühne. Unter dem Chassis stand: »Made in
London«.
Da seufzte ich glücklich und erleichtert, und
dachte mir: Endlich mal ein Fahrzeug, das in
einer deutschen Stadt gebaut wird.
Jahresrückblick 2010
Es geht um den Dreiklang von Menschen,
dende begrüßen konnten. Zum anderen orien-
Steinen und Bildung. Von ihnen handelt der
tierte sich Astrid Block im April beruflich neu.
Jahresbericht.
Nach einem langen Bewerbungsverfahren gelang
Und so ist von den Mitarbeitenden zu berichten:
es uns, in Reinhard Ullrich die vakante Verwal-
Auch weiterhin sind 20 Mitarbeitende in Haus-
tungsleiterstelle neu zu besetzen. Frau Block gilt
wirtschaft, Haustechnik, Verwaltung und als
unser herzlicher Dank für ihre akribische Arbeit
ReferentInnen für den Hackhauser Hof und die
und ihr aufwändiges Kümmern rund um die
Menschen, die ihn besuchen, tätig.
Belegung. In ihre Zeit fällt die für den Verein so
wichtige Phase der Schließung eines Koopera-
Jeweils zweifach ereignete sich dabei das folgende:
tionsvertrages mit der Evangelischen Kirche im
Ihre 10-jährigen Betriebsjubiläen begingen die
Rheinland sowie der Um– und Erweiterungsbau
Leiterinnen der Hauswirtschaft, Birgit Voos, und
der Bildungsstätte.
der Verwaltung, Astrid Block. Ihre 15-jährige Zu­gehörigkeit feierten Jasmin Schneiders aus der
In Reinhard Ullrich haben wir einen Nachfolger
Verwaltung und Meggi Ganser aus der Hauswirt-
gefunden, der 26 Jahre in der Verwaltung und
schaft. In den langen Betriebszugehörigkeiten
kommissarischen Leitung der Volkshochschule
sehen wir einen Hinweis auf das gute Arbeitskli-
Mettmann-Wülfrath tätig war. Er hat die erste
ma und die Verbundenheit der Mitarbeitenden zu
und zweite Verwaltungsprüfung absolviert, ist 53
unserem Haus.
Jahre alt, verheiratet und Vater einer Tochter. Seit
dem 01. Januar arbeitet er am Hackhauser Hof.
Personelle Veränderungen ergaben sich zum
Die Schnelligkeit, mit welcher er sich eingearbei-
einen dadurch, dass Mandy Fürst ihre Prüfung
tet hat, verblüfft und beglückt ebenso wie seine
zur Hauswirtschafterin erfolgreich abschloss –
freundliche, verbindliche, zielstrebige, humorvolle
sie arbeitet inzwischen auf einer vollen Stelle in
und loyale Herangehensweise an die zu erledi-
einem Mönchengladbacher Heim – und wir in
genden Aufgaben.
Miriam Schötz im August eine neue Auszubil-
Betriebsausflug nach Antwerpen
7
8
Jahresrückblick 2010
Alle Mitarbeitenden gemeinsam arbeiteten auf
Einem minimalen Plus auf 2.329 Verpflegungs-
einem Fortbildungstag zu den Möglichkeiten, sich
tage bei den hauseigenen Seminaren (plus
für die »Stiftung Hackhauser Hof« zu engagieren.
11) steht ein minimaler Rückgang auf 14.380
Beschlossen wurde auch das Wiederaufleben
Verpflegungstage insgesamt entgegen (minus
gemeinsamer, regelmäßig stattfindender Hausan-
54). Wie sich der Abschied vom Wehr- und
dachten.
Zivildienst und der neu geschaffene Freiwilligendienst auf unsere Belegungszahlen auswirken
Schließlich wurde auf einem zweitägigen Mitar-
werden, bleibt abzuwarten.
beiterausflug die Stadt Antwerpen gemeinsam
entdeckt.
Von der Bildung ist schließlich zu schreiben:
Die Bildungsarbeit im Jahr 2010 konnte mit 26
So ist vom Haus, den »Steinen«, zu berichten:
thematischen Seminaren (plus 14), 13 Team –
Frisch renoviert wurde der Freizeitbereich unter
und Gruppenseminaren (minus 1) einen deut-
einem unserer Gästehäuser im vergangenen
lichen Ausbau verzeichnen und erfolgreich ge­-
Sommer. Die Farbwahl nimmt das Hackhauser
staltet werden. Insgesamt fanden 75 (plus 8)
Grün auf, die Drei-Raum-Gestaltung folgt ihrer
vom Team verantwortete Bildungsmaßnahmen,
Funktion: Ein Bewegungsraum mit Zuschauer-
Arbeitstagungen und Fachgremien statt.
bänken, ein Spielcafe und ein Lounge-Bereich
mit Theke erwarten unsere Gäste.
Neben vielen bewährten Angeboten wie Kinderplanet, Juleica-Schulungen in ihren Ausfor-
Auch organisatorisch hat sich im Haus einiges
mungen und dem exemplarischen Arbeiten mit
getan. Neu aufgestellt hat sich die Verwaltung.
Schulen und Erzieherinnen war die Vorbereitung
Ihre sechs Mitarbeitenden bilden drei Duos,
des Jugendcamps der Evangelischen Jugend im
welche sich ergänzen, vertreten, miteinander
Rheinland prägend. Wie bei jedem Camp, war
arbeiten. Neben dem »Empfang« gibt es die
auch diesmal der Hackhauser Hof mit einem
Teams »Belegung und Referentensekretariat«
großen Team ehrenamtlicher Jugendlicher als
sowie »Finanzen und Personal«. Den Mitarbeite-
Café ZeitReich auf dem Jugendcamp.
rinnen gelang durch die gehörige Aufstockung
> siehe dazu auch den Bericht auf Seite 14
ihrer Arbeitszeiten sehr gut, die Vakanzzeit der
Verwaltungsleitung zu kompensieren. Mit der
Zudem scheinen sich neue Schwerpunkte un-
erfolgreichen Einführung des »Hausmanagers«
serer Bildungsarbeit herauszukristallisieren. Der
werden nun alle Arbeiten rund um die Belegung
theologische und religionspädagogische Bereich
elektronisch bearbeitet.
ist kräftig ausgebaut.
Komplett neu gestaltet wurde außerdem der
Neben der Juleica-Schulung mit dem Netzwerk
Internetauftritt unserer Bildungsstätte. Das
Jugendkirche wurde in Kooperation mit dem
Ergebnis lädt unter der bekannten Adresse
Päda­gogisch-Theologischen Institut in Bonn Bad-
»www.hackhauser-hof.de« zu Besichtigung
Godesberg zum ersten Mal eine Juleica-Schulung
und Gebrauch ein.
für Ehrenamtliche in der Konfirmandenarbeit
angeboten. Diese Schulung erfährt 2011 ihre
In einem für Tagungshäuser schwierigem Ge­
Wiederholung und im Seminar »Erlebnispädago-
schäfts­­jahr ist es uns gelungen, die Zahl der Ver­
gik in der Konfirmandenarbeit« eine erstmalige
pflegungs­tage nach einer deutlichen Steigerung
Ergänzung.
2009 (plus 1.399) nahezu konstant zu halten:
> siehe dazu auch den Bericht auf Seite 23
Jahresrückblick 2010
Auch fanden in Kooperation mit dem Hackhauser
Zum Ende ein kleiner Ausblick auf das
Hof mehrtägige Jugendgottesdienstwerkstätten
laufende 2011:
zu Jugendhausjubiläen, dem 400. Geburtstag
Strukturell beschäftigt ist der Verein mit dem durch
der Duisburger Generalsynode und als offenes
die Landeskirche initiierten Sparprozess, welcher alle
Seminar statt. Ein Werkstatttag an der KiHo
landeskirchlichen Einrichtungen einer Aufgabenkri-
Wuppertal gemeinsam mit dem Amt für Jugend-
tik mit dem Ziel unterzieht, bis 2022 insgesamt 10-
arbeit und den Arbeitsstellen für Gottesdienst und
bis max. 30 % an Kosten eingespart zu haben.
Kindergottesdienst unterstreichen den Befund
eines Aus­baus dieses Bereiches und die Wichtig-
In der inhaltlichen Ausrichtung der hauseigenen
keit, sich intensiv mit der Erarbeitung attraktiver
Seminarangebote und Gestaltung der Hausfüh-
Gottesdienstmodelle zu beschäftigen
rung wird ein Maßstab der sein, inwiefern unsere
> siehe dazu auch den Bericht auf Seite 20
Arbeit den Kriterien, missionarisch Volkskirche zu
sein, entspricht.
Stark gefragt ist auch, in Kooperation mit der
Inhaltlich wirft der Kirchentag in Dresden seine
Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Jugend Ehren­-
Schatten voraus. Nach einer erfolgreichen Bewer-
amtliche kleiner Verbände auszubilden: Die
bung um die Teilnahme am Zentrum für die Ju-
Kopten waren und sind zu Gast, die alevitische
gend nimmt unser Themencafé Café HerzSchlag
Jugend, der Bund orthodoxer Jugend sowie Kore-
Konturen an und Fahrt auf. Hilfreich wird hierbei
aner. Mit dieser Arbeit wird unsere Bildungsarbeit
unsere Erfahrung vom Jugendcamp 2010 mit dem
im interreligiösen und interkulturellen Kontext
Café HerzSchlag sein.
abermals akzentuiert.
> siehe dazu auch den Bericht auf Seite 16
Leben und lernen im Grünen. Dabei die Bewegung einer Ellipse mit zwei Brennpunkten aufneh-
Schließlich beschäftigt der Bereich »Sexualpä-
men, nämlich sowohl als Teil unserer Landeskirche
dagogik« zunehmend. Sexualität ist ein bestim-
»missionarische Volkskirche« sein, als auch als
mendes Thema im Kindes- und Jugendalter. Hinzu
außerschulische Bildungsstätte den Ideen und
kommt die mediale Präsens, hervorgerufen durch
Rahmenbedingungen des Kinder- und Jugend-
die Fälle sexueller Gewalt in öffentlichen Einrich-
planes entsprechen – das wird die Aufgabe der
tungen, und die sich anschließende Debatte, wie
Evangelischen Jugendbildungsstätte Hackhauser
die Evangelische Kirche und die Evangelische
Hof e. V. sein.
Jugend im Rheinland darauf rea­gieren wollen.
Karl Hesse
> siehe dazu auch den Bericht auf Seite 10
Mit Sorge bemerken wir lediglich, dass die Bereitschaft, sich als Ehrenamtliche speziell für das
Leiten und Begleiten von Freizeiten zu qualifizieren, sinkt. Zugleich bleibt die Anzahl an von
Gemeinden angebotenen Freizeiten gleich hoch;
ebenso der Betreuungsschlüssel der Teilnehmenden durch Ehrenamtliche. Die Kombination
beider Befunde legt die Vermutung nahe, dass
ein Qualitätsmerk­mal Evangelischer Jugendarbeit
bröckelt: die Kom­­bination aus gutem Betreuungsschlüssel mit qualifiziertem Personal.
9
10
Standpunkt
Standpunkt der Evangelischen Jugendbildungsstätte
Der öffentliche Diskurs zum Kindes- und Jugend­
Eine Sexualpädagogik, die sich im Schutzauftrag
schutz ist vor dem Hintergrund der Berichter-
vor sexuellen Grenzüberschreitungen erschöpft
stattung grenzüberschreitender Vorfälle gegen-
wird den Lebens- und Liebesthemen von Jungen
wärtig von einer erhöhten Sensibilisierung, aber
und Mädchen nicht gerecht. Sie gaukelt ledig-
auch einer tiefen Verunsicherung geprägt. In
lich trügerische Sicherheit vor. Wir müssen mehr
diesem Zusammenhang rückt das die professio-
leisten. Das bedeutet, auch die lebensbejahende,
nelle pädagogische Arbeit durchweg kennzeich-
persönlichkeitsfördernde Begleitung von psycho-
nende Spannungsfeld von Nähe und Distanz
sexuellen Themen in den Blick zu nehmen. Für
in den Fokus des öffentlichen, aber auch des
unseren Jugendverband und unsere Kirche liegt
fachspezifischen Interesses. Sich diesem Diskurs
die Chance folgerichtig in der Installation und Eta-
zu stellen, ist für die Kinder- und Jugendarbeit
blierung einer ganzheitlichen Sexualpädagogik,
unabdingbar. Es ist eine Herausforderung. Und
die Kinder und Jugendliche in der Balance von
es ist eine Chance.
Begleiten, Ermutigen und Schützen wahrnimmt.
Fünf gute Gründe für eine ganzheitliche
Sexualpädagogik
1.Die sexuelle Entwicklung von Kindern
und Jugendlichen ernst nehmen
Unsere Aufgabe ist es, diese Themen mit all den
Sexualpädagogisches Arbeiten liegt in der Tat-
Zwischentönen, Unsicherheiten, Widersprüchlich-
sache begründet, dass Kinder und Jugendliche
keiten und Unvollkommenheiten kommunizierbar
eine psychosexuelle Entwicklung durchlaufen,
zu machen, um eine Kultur zu etablieren, in der
während derer sie genau wie für andere Bereiche
über Sexualität gesprochen werden kann. 1 Denn
körperlichen, seelischen, geistigen, sozialen und
ein solch enttabuisiertes Feld wirkt präventiv.
spirituellen Wachstums, der Unterstützung und
Förderung durch Erwachsene bedürfen. Sexuali-
2.Missbrauchsprävention ist ohne
tät wird gelernt. Sexualität ist Lebensenergie und
Sexualpädagogik nicht möglich
in allen Phasen des Lebens aktiv.
Infrastrukturmaßnahmen wie Krisenmanagement und Entwicklung von Qualitätsstandards
Kinder und Jugendliche brauchen eine sexual-
sind notwendige und sinnvolle Reaktionen auf
freundliche Begleitung, die sie in ihren Erfah-
den momentanen Missbrauchsdiskurs. Präven-
rungen im Umgang mit Bedürfnissen, Sexualität,
tion kann nicht ohne Intervention stattfinden,
Körper, Sinnlichkeit, Zärtlichkeit, Beziehungen,
es bedarf einer Einbettung in Netzwerke und
Geschlechtlichkeit und unterschiedlich heftigen
Hilfsmaßnahmen. 2
Gefühlen wahrnimmt und ernst nimmt. Diese
Erfahrungen sind sexuelle Lernfelder, denn sie
Um die Nachhaltigkeit dieser Maßnahmen zu
schaffen ein bestimmtes Körper- und Lebensgefühl
gewährleisten, ist die Installation einer ganz-
und fördern die Beziehungs- und Liebesfähigkeit.
heitlichen Sexualpädagogik notwendig. Es geht
Sexualpädagogik
darum, eine Kultur von Aufmerksamkeit und
wertgefühls von Kindern und Jugendlichen zu
Kommunikation zu schaffen - eine Kultur des Hin­-
legen. Dabei ist eine kontinuierliche, altersange-
schauens und des Miteinandersprechens über Sex­-
messene und strukturell verankerte präventive
ualität in ihrer Vielschichtigkeit zu entwickeln. 3
Pädagogik notwendig.
Prävention ist eher eine pädagogische Haltung
als eine zeitlich begrenzte Maßnahme.
3.Theologische Überlegungen
Nach evangelischem Verständnis ist Sexualität
»Präventionskonzepte, die gegen sexuellen
eine gute Gabe Gottes und gehört zum Men-
Missbrauch arbeiten, aber ohne explizit sexuelle
schen in jeder Phase seines Lebens. In den Texten
Bezüge aufzuklären, erreichen alles Mögliche, aber
der Bibel wird der Mensch als Einheit von Körper,
keine erfolgreiche Präventionsarbeit gegen sexu-
Seele und Geist gesehen. Sexualität ist eine von
ellen Missbrauch. Deshalb sollte die Erfassung des
Gott geschenkte Lebenslust – eine Macht, die
Sexualwissens, die konkrete und korrekte Bezeich-
das Leben reicher, voller und schöner machen
nung der Genitalien ebenso Standard sein wie die
kann. Sie bietet eine kraftvolle Möglichkeit zur
kindliche Sexualität und Jugendsexualität.« 4
zwischenmenschlichen Beziehung. Sexualität
kann aber auch zum Instrument von Unterdrü-
Es geht darum, die sexuelle Selbstbestimmung von
ckung, Ausbeutung und Missbrauch werden. Zu
Kindern und Jugendlichen zu fördern, ihren verant-
einer erfüllenden Sexualität gehört immer auch
wortlichen Umgang mit sich selbst und anderen,
die Wahrnehmung von Verantwortung gegenü-
sie sprachfähig mit sexuellen Themen werden zu
ber sich selbst und dem anderen. Das Gebot Jesu
lassen, sie sexuell aufzuklären. Dies ist nicht nur im
»Liebe deinen nächsten wie dich selbst« ist der
Kontext zur Prävention von sexueller Gewalt von
Maßstab für verantwortlich gelebte Sexualität. 6
Bedeutung, sondern zielt gleichzeitig auf den Erwerb von Lebenskompetenz. Eine ganzheitliche Se-
Nach evangelischem Verständnis geht es in
xualpädagogik legt die Basis für diese Lernprozesse.
Konsequenz der theologischen und anthropo-
Sie spricht Sexualitätsthemen umfassend in ihren
logischen Voraussetzungen von Welt um die Frei-
Facetten an: die schönen und lustvollen und die
heit der Kinder Gottes und damit um den Geist
Schattenseiten. Sexualität als bloßes Schreckensfeld
der Liebe, der Freiheit und des Vertrauens. 7
und potentielle Gefahr darzustellen ist nicht nur
falsch und läuft den menschlichen Grundbedürfnis-
Aus diesem Grundverständnis ist es
sen zuwider, sondern wird Kinder und Jugendliche
unsere Aufgabe, Kinder und Jugendliche in
außerdem noch mehr verunsichern, als zu ihrem
einem ganzheitlichen Verständnis von Sexuali-
Schutz beitragen. Das Spannungsfeld von sexueller
tät, welches sowohl Körper, Geist und Seele als
Selbstbestimmung und gleichzeitigem Schutz vor
Einheit wahrnimmt, zu fördern und sie auf ihrem
Gefahren ist für die pädagogische Begleitung eine
Weg zu sexueller Selbstbestimmung und Verant-
besondere Herausforderung. Festzuhalten ist, dass
wortlichkeit zu begleiten und zu unterstützen.
keine noch so gute Missbrauchsprävention die Verantwortung für den Schutz an die Opfer delegieren
4.Sexuelle Rechte – eine Grundlage für
kann und darf. Kinder und Jugendliche sind Schutz-
Sexualpädagogik
befohlene. Die Verantwortung für die Verhinderung
Rechte und Schutz von Kindern und Jugendlichen
sexuellen Missbrauchs liegt einzig und allein bei den
Das Recht auf Selbstbestimmung ist im Grundge-
Erwachsenen. setz in Artikel 1 verankert. Das gilt auch für das
5
Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und Schutz
Unsere Aufgabe ist es, den Fokus auf die
vor Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestim-
Selbstwirksamkeit und die Stärkung des Selbst-
mung (StGB). Das Rechtsgut ist die ungestörte
11
12
Sexualpädagogik
sexuelle Entwicklung. In der Definition der sexu-
5. Sexualpädagogik: eine elementare
ellen Rechte der Weltgesundheitsorganisation
Aufgabe unseres Jugendverbandes und
(WHO) von 2006 ist auch das Recht auf Sexual-
unserer Kirche
aufklärung und -erziehung explizit benannt.
Außerschulische Bildungsorte sind von Kinder
und Jugendlichen mitgestaltete, freiwillig be-
Sexualerziehung ist in Deutschland Teil des schu-
suchte und gestaltungsoffene Räume. In ihnen
lischen Erziehungsauftrages und in allen Lehrplä-
treten Mädchen und Jungen aktiv in Beziehung:
nen fester Bestandteil (gesetzliche Grundlegung
Der erste Kuss auf einer Ferienfreizeit, der Aus-
1977). Heute bildet das Schwangeren- und Fa-
tausch mit den Freunden und Freundinnen über
milienhilfegesetz (SFHG) von 1992 die entschei-
sexuelle Themen, jenseits von elterlicher oder
dende gesetzliche Grundlage für schulische und
schulischer Aufklärungsinitiative, das Ausprobie-
außerschulische Sexualaufklärung.
ren der eigenen Geschlechterrolle und -identität.
Jugendverbände bieten wichtige Übungsfelder
»Sexualaufklärung … soll mehr sein als nur Wis-
für »Nähesuchen und Distanzfinden, für die Re-
sensvermittlung über biologische Vorgänge und
flexion über das, was einem in Partnerschaft und
die Technik der Verhütung, sie muss emotional
in der Sexualität wichtig ist« 10 und eignen sich in
ansprechend sein und die vielfältigen Bezie-
diesem Sinne hervorragend als selbstgestalteter
hungsaspekte, Lebensstile, Lebenssituationen
Raum für sexuelle Bildungsprozesse.
und Werthaltungen berücksichtigen. [ … ] Um
vielfältige und vielseitige personale Kommuni-
»So kann sexuelle Bildung als Selbsttätigkeit
kation zu praktizieren, bedarf es qualifizierter
begriffen werden, bei der Mädchen und Jungen
Multiplikatoren in den Kontaktfeldern der anzu-
einen wichtigen Teil ihrer Kernidentität entwi-
sprechenden Zielgruppen.« ckeln. Sie erfahren ihren Körper als kraftvoll,
8
üben sinnlichen Umgang mit sich selbst und
Im Unterschied zur Schule sind sexualpädago-
anderen, der das Selbstwertgefühl stärkt, sie
gische Bildungsangebote im Jugendverband kein
erfahren und setzen dabei zugleich Grenzen, bil-
eigenständiges öffentliches Erziehungsrecht. Das
den Resilienz, also Widerstandsfähigkeit aus. Mit
heißt, die Teilnahme an den Angeboten hängt
anderen Worten: Kinder bilden sich in diesem
von der Zustimmung der Eltern ab. Daraus ergibt
Sinne von Anfang an und legen die körperliche,
sich ein Konfliktpotential:
emotionale und soziale Basis für weitergehende
Als Jugendverband der sich der Selbstbestim-
Lernprozesse in und mit ihrer Umgebung.« 11
mung von und der Parteilichkeit für Jugendliche verpflichtet fühlt, stellt sich uns die Frage,
Dies gelingt durch fachliches Wissen und Fortbil-
warum es Jugendlichen ab 14 Jahren im Prinzip
dung, Selbstreflexion, Wissen um eigene Ängste,
gestattet ist, über ihre Sexualität frei zu verfü-
Unsicherheiten und Stärken als auch durch die
gen, über ihre Religionszugehörigkeit zu ent-
richtige Verschränkung von Nähe und Distanz.
scheiden sowie sie wegen eines Verstoßes gegen
Professionalität im Umgang mit Nähe und
das Strafgesetzbuch zu bestrafen, ihnen zugleich
Distanz kann und darf sich nicht einseitig auf
aber nicht zu gestatten, selbst zu entscheiden,
das Einhalten von Distanz beschränken, weil zu
ob und an welchem sexualpädagogischen Ange-
tragfähigen pädagogischen Beziehungen ebenso
bot sie teilnehmen möchten. 9
das sich Einlassen, sowie das Freilassen und das
reflektierte Abstandhalten gehören.
Unser Bildungsauftrag, verankert im Kinder- und
Jugendhilfe Gesetz (KJHG), bezieht ausdrücklich
Um diesen Bildungsauftrag wahrzunehmen, bedarf
auch das Recht auf sexuelle Bildung mit ein.
es einer Verankerung sexualpädagogischer Aus- und
Sexualpädagogik
Fortbildung für die haupt- und ehrenamtlich Täti-
Sexualpäd. Fortbildungen im Hackhauser
gen in der Kinder- und Jugendarbeit. Unsere Auf-
Hof 2011/2012
gabe ist es, Sexualpädagogik als elementaren
Auftrag in unserer Arbeit konzeptionell zu
für Hauptberufliche
verankern und durch Fortbildung zu sichern.
> 16. – 18. März 2011
Sexualpädagogik der Vielfalt
Anja Franke
> 19. Oktober 2011
Vom Hohen Lied der Liebe oder
Sexualpädagogik meets Theologie
> September 2012 bis März 2013
Sexualpädagogik in der Kinder- und
Jugendarbeit: eine mehrteilige
Basisqualifikation in Kooperation mit
dem isp (Institut für Sexualpädagogik)
Für Ehrenamtliche
> 21. – 23. Oktober 2011
Grabbelsack, Kondomführerschein & Co –
ein sexualpädagogisches Methodenseminar
> 10. – 12. Februar 2012
Kindeswohl – Kindesschutz
Literatur
>Barabas, Friedrich (2008): Jugendrecht und Sexualerziehung.
In: Schmidt, Renate-Berenike/Sielert, Uwe (Hrsg.):
Handbuch Sexualpädagogik und sexuelle Bildung.
Weinheim: Juventa-Verlag
>Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2010):
Jugendsexualität. Repräsentative Wiederholungsbefragung
von 14- bis 17-Jährigen und ihren Eltern, Köln
>Sielert, Uwe (2010): Kontrolle allein reicht nicht – vom Umgang
mit Nähe und Distanz, Macht und Erotik in pädagogischen Beziehungen.
>Thoss, Elke (2008): Sexuelle Rechte – eine Grundlage weltweiter
sexueller Bildung. In: Schmidt, Renate-Berenike/Sielert, Uwe (Hrsg.):
Handbuch Sexualpädagogik und sexuelle Bildung. Weinheim:
Juventa-Verlag
>Damrow, Miriam K. (2010): Was macht Prävention erfolgreich?
Zur Kritik klassischer Präventionsansätze und deren Überwindung.
In: BZgA Forum Sexualaufklärung und Familienplanung 3-2010.
Köln
>Wanzeck-Sielert, Christa (2009): Sexuelle Bildung und Erziehung
in der Grundschule.
In: BZgA Forum Sexualaufklärung und Familienplanung 3-2009. Köln
>Evangelische Kirche im Rheinland (2007):
Mit der Frau nicht gegen sie. Schwangerschaftskonfliktberatung,
Schwangerenberatung und Sexualpädagogik aus Evangelischer
Sicht. Düsseldorf
Fußnoten
>Gnielka, Martin (2011): Sexualpädagogik in der katholischen
Jugend(verbands)arbeit. Eine Standortbestimmung im Kontext
der neuen Missbrauchsdebatte. In: deutsche jugend 4-2011.
Weinheim: Juventa-Verlag
>Institut für Sexualpädagogik (2010): Standpunkt des Instituts
für Sexualpädagogik zur Debatte um den sexuellen Missbrauch.
Dortmund
>Keil, Siegfried (2008): Evangelische Sexualethik und sexuelle
Bildung. In: Schmidt, Renate-Berenike/Sielert, Uwe (Hrsg.):
Handbuch Sexualpädagogik und sexuelle Bildung.
Weinheim: Juventa-Verlag
>Sielert, Uwe (2005): Einführung in die Sexualpädagogik.
Weinheim und Basel: Beltz Verlag
Vgl.Gnielka (2011), S. 154
Die Evangelische Jugend hat hierzu einen Katalog für strukturelle
Maßnahmen entwickelt: Eindeutige Positionierung der Organisation gegen sexuelle Gewalt, Klare Regeln zum Umgang mit
Mädchen und Jungen (freiwillige Selbstverpflichtung), Leitlinien
zum Vorgehen im Verdachtsfall, Schulung und Fortbildung für alle
Mitarbeiter/innen, Beschwerdestrukturen, z. B. Ansprechstellen
(intern und extern).
3
vgl. Standpunkt des isp zur Debatte um den sexuellen
Missbrauch (2010)
4
Damrow (2010), S. 26.
5
vgl. Damrow (2010)
6
Evangelische Kirche im Rheinland (2007), S. 30
7
Keil (2008), S. 174
8
Ausführung durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom
28. Mai 1993 zum Paragrafen 218 StGB
9
vgl. Barabas (2008), S. 522
10
Gnielka (2011), S. 155
11
Wanzeck-Sielert (2009), S. 22
1
2
13
14
Jugendcamp in Idar-Oberstein
Feuer fangen für eine Idee – Hackhauser Hof on Tour
mit dem Cafe ZeitReich
Es war klar, dass der Hackhauser Hof beim Ju-
konkret wurde, sprudelten die Ideen: Zeitgärten
gendcamp in Idar Oberstein vom 3. – 6. Juni wie-
basteln und damit auf Gedankenreise gehen,
der ein Angebot macht. Seit dem ersten Camp in
Rhythmus- und Tanzworkshop, slow motion -
Altenkirchen haben wir immer ein Themencafe
Wanderungen bei Tag und bei Nacht, Material-
und darauf bezogene Aktionen gewählt. Gleich -
und Textcollagen zu verschiedenen Zeit-Themen
wie in den Jahren zuvor - war auch das Konzept,
und nicht zuletzt die chill-out-zone.
mit Ehrenamtlichen gemeinsam ein Team zu
bilden. Diese Kombination ermöglicht uns als
Mit den Zeit-Themen-Tafeln, die wir zum Ge-
Jugendbildungsstätte das, was unser Tagewerk
stalten an verschiedene Jugendgruppen wei-
ist, weiterzutragen und erlebbar zu machen,
tergaben, und die anschließend als Ausstellung
nämlich aufmerksame und zugewandte Gastge-
in unserem Cafe zusammenfanden, gab es die
berInnen eines Treffpunktes zu sein, Angebote
Chance zu kreativen O-Tönen aus dem Alltag
zu machen, bei denen Inhalte mit Methoden
von Jugendlichen (man findet sie jetzt im Trep-
verknüpft werden und so Ideen für die Praxis vor
penhaus und im Büroflur unseres Altbaus).
Ort zu multiplizieren.
Ein Super Team
Aller Anfang ist schwer
In Mönchengladbach, Heiligenhaus und Lever-
Für das im Programm ausgeschriebene Planungs-
kusen fanden wir dann ehrenamtliche Mitstrei-
seminar gab es kaum Anmeldungen. Deshalb
terInnen, die sich für die Idee begeisterten, ein
nutzte das Dreierteam Anja Franke, Karl Hesse
großes Zeit-Budget zur Verfügung stellten und
und Luise Pawlowsky das angesetzte Wochen-
ihre vielfältigen Talente mit in den Ring warfen.
ende für eine Ideenfindungs- und Organisations-
Einen Küchenbetrieb managen, eine Service-
werkstatt, um dann anschließend gezielt ehren­-
Kultur entwickeln, die musikalischen Talente in
amtliche MitstreiterInnen zu gewinnen und
Workshops und in einen Auftritt einbringen,
vorzubereiten.
kleine Themenwanderungen zu inszenieren, das
alles machte mit hoch motivierten, engagier-
Die Magie einer Idee
ten und belastbaren Jugendlichen und jungen
Das Motto des Camps »facettenreich und fel-
Erwachsenen viel Spaß.
senfest«, das dem Veranstaltungsort abgespürt
war, inspirierte uns nur insofern, dass wir den
Wir als Leitungsteam waren neben der Mitwir-
Facettenreichtum eines Themas durchspielen
kung in der Küche und der Workshopleitung für
wollten. Mit unserem Titel »Cafe ZeitReich«
Planung, Organisation, Logistik, Finanzen, Equip-
fanden wir ein Thema, das uns ermöglichte, von
ment, Einkauf und Dekoration zuständig – und
der Speisekarte über die Dekoration bis zu den
nicht zuletzt für das Unvorhersehbare.
Workshops einen Themenfaden zu spinnen. Die
Selbstreflexion und Inspiration im Umgang mit
Die Magie des Ortes
Zeit, war uns ein Anliegen, weil wir uns mit den
Was unseren Veranstaltungsort anging, klopften
sich verändernden Zeitbudgets von Jugendlichen
wir an viele Türen und fünf vor zwölf öffnete
als BesucherInnen und Mitwirkenden in der
sich dann doch noch das Bistro in der Mercator
Kinder- und Jugendarbeit ständig beschäftigen.
Veranstaltungshalle mit Terrasse. Das war eine
Slow food, fast food, Eiszeit, Brotzeit … wenn es
Top-Location und unser Glück. Günstige Lage in
Jugendcamp in Idar-Oberstein
der Nähe anderer Veranstaltungsorte des Camps,
wir ein »Cafe HerzSchlag« mit (fast) demselben
gut ausgestattet mit Küche, Geschirr und Möbeln.
Team anbieten werden.
Direkt am Waldrand – der Kontrast Betonstadt /
Zivilisation und Natur / Gebirge passte zu unse­
Natürlich haben wir den Umgang mit unseren
rem Anliegen, und prägt ja auch die Stadt Idar-
eigenen Zeitbudgets vor während und nach
Oberstein. Der Ort ist der dritte Lehrer – das ken-
Idar-Oberstein kritisch reflektiert. Ein Cafe
nen wir gut, und bei durchgehendem Sonnen-
ZeitReich war ein Zeitschlucker, nicht nur weil
schein erst recht.
es von 10:00 – 24:00 Uhr durchgehend geöffnet
war. Aber wenn so ein Laden erst mal läuft und
Fazit
angenommen wird, dann überwiegt das Gefühl
Das Konzept hat gegriffen, wir hatten viele,
von gewonnener Zeit. Und dieses Gefühl teilten
mehr als zufriedene BesucherInnen. Alle Work-
wir mit vielen unserer BesucherInnen.
shops fanden statt. Am Abschlussabend platzte
unser Cafe beim spontan organisierten Konzert
Hinweis
der Gruppe »Megamania« aus allen Nähten.
Die Methode: Mit »Zeitgärten« arbeiten,
kann man auf www.hackhauser-hof.de
Wir haben als Team eine Lektion in Sachen Pro-
unter Downloads nachlesen.
jektmanagement gelernt und werden das know
how beim Kirchentag in Dresden nutzen, wo
Luise Pawlowsky
15
16
Juleica Diversity
Gruppen leiten lernen – Juleica Diversity mit
Verbänden Junger MigrantInnen (VJM)
Der vorliegende Beitrag stellt in einem ersten Teil
die Sozialisation von Jungen und Mädchen zu
Erfahrungen mit Methoden aus der Juleica-Schu-
vergleichen. Sie ermöglicht andererseits die Ent-
lung mit Verbänden Junger MigrantInnen (VJM)
wicklungen von der Alterstufe im Grundschul-
vor. Reflektiert werden Erfahrungen, die sich auf
alter zur Vorpubertät und Pubertät (11 bis 14
Qualifikationsmaßnahmen der Evangelischen
Jahre) zu realisieren. Auf einer zweiten Ebe-
Jugendbildungsstätte Hackhauser Hof beziehen,
ne bietet die Methode die Chance, zwischen
an denen zu gleichen Teilen junge Ehrenamtliche
Jungen- und Mädchensozialisation, zwischen
der Evangelischen Jugend im Rheinland und an-
mit und ohne Migrationshintergrund, Vergleiche
gehende Imame des Verbands Islamischer Kultur-
anzustellen. Dabei können gleiche und unter-
zentren teilgenommen haben. Die Ausführungen
schiedliche Erfahrungen thematisiert, reflektiert
gehen weiterführend auf Juleica-Kurse von
und bewertet werden. In einem weiteren Schritt
Mitarbeitenden des orthodoxen Jugendbundes
setzen sich die Ehrenamtlichen dann mit der Ge-
und der Koptischen Jugend ein.
genüberstellung ihrer eigenen Kindheit und der
Wahrnehmung von Kindern und Jugendlichen
In einem zweiten Teil werden konzeptionelle
heute auseinander: »Was sagt ihr, wenn ihr an
Überlegungen angeführt, den Ansatz von
eure eigene Kindheit denkt und an die Kinder im
Juleica Diversity auf die Grundschulungen von
Alter von 6 bis 10 Jahren heute?« Die Leistung
Mitarbeitenden aus VJMs zu beziehen.
der Übung besteht in der Schulung eines differenzierten Blicks. Sinn der Übung ist es, Mitarbei-
Kinder- und Jugendgruppen im Blick
tende für die anvertrauten Zielgruppen zu sen-
Was habe ich als Mädchen im Alter von 6 bis 10
sibilisieren, um auf Kinder- und Jugendgruppen
Jahren gern gemacht? Was habe ich als Junge in
sowohl als soziale Größe als auch individuell auf
dem gleichen Alter gern gespielt? und weiter-
Einzelne eingehen zu können und eine aufmerk-
führend: Was habe ich von wem gebraucht? So
same zugewandte Haltung zu entwickeln.
lautet während des Juleica Grundkurses die Aufgabenstellung der Übung »Die Gruppe im Blick
Das Trainieren und Erproben, Gruppen zu mo-
haben und den / die TeilnehmerIn nicht aus dem
derieren, nämlich einen Ausflug gemeinsam mit
Auge verlieren« 1. Mit ihr reflektieren angehende
einer Gruppe planen oder ein Spiel anzuleiten,
GruppenleiterInnen einen eigenen Lebens-
gehört als Weiteres zum Übungsfeld der Juleica
abschnitt. Erlebnisse und Erfahrungen in der
Ausbildung. Ein Beispiel: Zwei Teilnehmende be-
Rückbesinnung noch einmal lebendig werden zu
kommen die Aufgabenstellung, mit einer Gruppe
lassen, beabsichtigt, eine empathische Haltung
eine Willkommensparty zu organisieren. Neben
gegenüber den altersspezifischen Bedürfnissen
der Herausforderung der Gesprächsstruktur
von Kindergruppen zu entwickeln. Sind die
geht es im Rollenspiel um die Berücksichtigung
Mitarbeitenden im Kontakt mit der eigenen
einzelner Interessen und deren Einflussnahme.
Kindheit, können sie sensibel wahrnehmen, was
In der Auswertung lernen die Teilnehmenden im
Kindern und Jugendlichen gut tut und was sie
Umgang mit dem Feedback, ihr eigenes Lei-
an Orientierung, Freiheit, Fürsorge, Geborgen-
tungsverhalten zu beurteilen.
heit, Selbstständigkeit, Zumutung, Beteiligung
und Mitbestimmung brauchen. Die Gegenüber-
Für Verbände Junger MigrantInnen (VJM) aus
stellung der Ergebnisse ermöglicht einerseits
dem Bereich der Koptischen Jugend sowie des
Juleica Diversity
Orthodoxen Jugendbundes sind Katechese
ganz besonderem Maße auch auf die ideelle Un-
und Gottesdienst in der Arbeit mit Kindern
terstützung der Priester und leitenden Gemein-
und Jugendlichen von großer Bedeutung. Im
demitglieder angewiesen. Das bedeutet, dass
Juleica-Grundkurs können die Mitarbeitenden
bei den Jugendlichen vor allem kommunikative
freizeitpädagogischen Fragestellungen, wie den
Kompetenzen gefragt sind, um Menschen zu ge-
kindlichen Bedürfnissen nach Erholung, Bewe-
winnen, die sie in ihrem Anliegen unterstützen.
gung und Ruhe sowie den Möglichkeiten von
Kommunikation in der Gruppenleitung macht
Partizipation und altersgemäßer Bildungsanre-
sich nicht nur auf die Bedingungen gelingenden
gung nachgehen. Umgangs mit Gruppen deutlich. Die Arbeits-
2
einheit vermittelt grundlegende Fähigkeiten
Aufgrund weitläufiger Einzugsbereiche der
der Gesprächsführung. Diese sind auch auf der
Gemeinden und erheblichen Entfernungen
strukturellen Ebene hilfreich. Schließlich geht es
zwischen einzelnen Standorten stehen die
darum, den Aufbau und die Etablierung eines
VJMs vor besonderen organisatorischen He-
Jugendverbands politisch zu realisieren. Auf
rausforderungen. Die praktische Jugendarbeit
gesellschaftspolitischer Ebene handelt es sich um
der Koptischen Jugend und des Orthodoxen
die Anerkennung als gleichberechtigter Jugend-
Jugendbundes konzentriert sich hauptsächlich
verband unter anderen Verbänden beispielsweise
auf Veranstaltungen am Wochenende und in
bei der Partizipation an finanziellen Mitteln.
den Ferien. Es gibt zweitägige Jugendtreffen und
Freizeitmaßnahmen. Hier sind eigene Konzepte
Was heißt Diversity in der Grundschulung
und Praxiselemente gefragt. Für die Gruppenlei-
von Ehrenamtlichen aus VJMs?
terInnenschulung bedeutet dies, die Aufgaben-
Bei dem hier vorliegenden Ansatz der Juleica Di-
stellung beispielsweise bei der Arbeitseinheit
versity geht es um eine Pädagogik der Anerken-
Programmplanung und -entwicklung entsprech-
nung, die man in Anlehnung an Paul Mecheril
end der Bedingungen der VJM im Sinne eines
als Pädagogik der kritischen Differenzsensibilität
eigenen Projektmanagements zu formulieren. 3
bezeichnen könnte. Als Kennzeichen einer sol-
Ein Beispiel lautet: Plant gemeinsam mit einer
chen Pädagogik wären eine Reflexive Pädagogik
Gruppe einen Grillabend mit Programm. der (nicht verhindernden) Mehrfachanerkennung
und eine Didaktik der Differenzsensibilität auf
Während in Juleica-Grundschulungen mit
dem Hintergrund eines Gleichheitsgrundsatz 4 zu
Teilnehmenden aus der evangelischen Jugend
benennen.
im Baustein Umgang mit schwierigen Situationen – Konfliktbearbeitung Fallbeispiele aus der
Dieser Ansatz einer Pädagogik der Sozio-Diver-
konkreten Praxis der Gruppenarbeit thematisiert
sität 5 verschränkt das Prinzip der Gleichheit mit
werden, geht es bei den sich im Aufbau befin-
dem der Unterschiedlichkeit. Die Verbindung
denden Verbänden um Klärung von schwierigen
beider Prinzipien ist reflexiv auf ihre Diskrimi-
Situationen im Bereich von Struktur, Organisati-
nierungs-, Ausgrenzungs- und Machtvertei-
on, Kommunikation und Finanzierung. Die Mit-
lungsaspekte zu untersuchen. So könnte die
arbeitenden müssen ohne Unterstützung durch
Frage lauten: Wie wird den Beteiligten Respekt
hauptberufliche Kräfte zurechtkommen. Alle
entgegengebracht, wie werden Autonomie,
Arbeiten, ob pädagogisch oder administrativ, lei-
Partizipation und Selbstachtung ermöglicht,
sten sie ehrenamtlich. Zudem sind die im Aufbau
wie verhindert? Weitergehend könnte sich die
befindlichen VJMs, was Ausstattung, Material
Frage anschließen: Welche Folgen ergeben sich
und Sachmittel betrifft, bislang finanziell sehr be-
daraus? Zudem lassen sich die Fragen person-
grenzt ausgestattet. Die Ehrenamtlichen sind in
ell, institutionell und gesellschaftsstrukturell
17
18
Juleica Diversity
durchdeklinieren. Es geht in der Analyse um die
verlaufen. Dies erfordert eine Grundhaltung der
Reflexion von Machtverhältnissen deren Repro-
Seminarleitung, die dies realisiert und im Blick
duktion und deren Konsequenzen. So kann der
hat. Strukturell sollte die Sozio-Diversität auch im
Grundsatz der Gleichheit in Ungleichheit um-
Leitungsteam vertreten sein, zum Beispiel Mann
schlagen, wenn eine Gleichbehandlung lediglich
und Frau, mit und ohne Migrationshintergrund.
einer Bestätigung bestehender Dominanzverhältnisse dient. Zum Beispiel: Alle bekommen das
Anstatt eines Fazits: Sozio-Diversity als
gleiche Essen, obwohl es in der Seminargruppe
Grundhaltung in der Seminarleitung und in
TeilnehmerInnen gibt, die aus religiösen Grün-
der Auswahl der Methoden.
den kein Schweinefleisch oder aus ethischen
Worauf es in der Leitung der Qualifikationsmaß-
Gründen kein Fleisch essen oder aus gesund-
nahme primär ankommt, ist die Selbstauseinan-
heitlichen Gründen eine andere Kost brauchen.
dersetzung und Reflexion der Seminarleitung.
»Gerechtigkeit … muss an eine Achtsamkeit für
Welche Einstellungen, Verhaltensweisen und
Unterschiede geknüpft sein, weil ansonsten jene
Erfahrungen beeinträchtigen oder verhindern
benachteiligt werden, die nicht der dominanten
eine differenzsensible Wahrnehmung der Semi-
Lebensform zugehören.« Gleichzeitig ist die
nargruppe, welche fördern sie? Ist der Gleich-
Sensibilität für Unterschiede auf den Gleich-
heitsgrundsatz gewahrt ohne abzuwerten oder
heitsgrundsatz angewiesen, um zu verhindern,
auszugrenzen? Es gilt eine rassismuskritische
dass unter Hinweis auf die Anerkennung von
Haltung 7 durch Selbst-Reflexion einzunehmen.
6
Vielfältigkeit gerade bestehende Ungerech-
Die Haltung bewährt sich in der Interaktion mit
tigkeiten gerechtfertigt werden. Zum Beispiel:
der Gruppe und dem/der Einzelnen. Sie hat für
Einige Mitarbeitende sind älter. Sie stehen mitten
die Gruppe Vorbildcharakter und kann in das
im Beruf und haben bereits längere Erfahrungen
Repertoire des Leitungsverhaltens der Ehrenamt-
in der Arbeit mit Gruppen gesammelt. Andere
lichen übernommen werden.
werden gerade 16 Jahre alt und gehen noch zur
Schule. Sie stehen auf dem Sprung, Gruppen zu
In der Zusammenarbeit mit der Koptischen Ju-
übernehmen, verfügen aber noch nicht über die
gend und dem Orthodoxen Jugendbund geht es
Erfahrungen, Gruppen zu moderieren und zu lei-
im Juleica Grundkurs auf personeller Ebene um
ten. Das Alter und die Erfahrungen prädestinie-
die Anerkennung der Person als Mann, Frau, or-
ren jedoch nicht von vornherein für die Leitung
thodox, StudentIn, Ärztin, Single, Ehefrau, Vater,
einer Gruppe. Unabhängig davon sind zudem
ehrenamtliche MitarbeiterIn, Mehrsprachigkeit,
andere Faktoren, die eine Rolle spielen können.
Bildungsstand und Milieuzugehörigkeit.
Beispielweise gibt es extrovertierte MitarbeiterInnen, denen es leicht fällt, auf Menschen ein-
Neben dem Verhalten der Seminarleitung tragen
zugehen und introvertierte, denen es nicht so
entsprechende didaktische Bausteine dazu
leicht fällt, Gruppen zu moderieren.
bei, die Anerkennung der Person zu fördern.
Dies realisiert sich im Seminar beispielsweise
Sensibilität bedeutet Wahrnehmung von Differ­
durch die Vereinbarung von Seminarregeln zum
enzlinien, die in Privilegierte und Nicht-Privile-
respektvollen Umgang. 8 Für die Einstiegsphase
gierte teilen. Diese Differenzlinien sind bei-
der Gruppe liegt bereits eine Reihe von metho-
spielsweise Alter, Aussehen, Milieu, arm / reich,
dischen Materialien vor, auf die zurückgegriffen
Gender, sexuelle Orientierung, Staatsangehö-
werden kann, um Sensibilität für Gleichheit und
rigkeit, Religion, Sprache, Behinderung / Nicht-
Einmaligkeit bereits in der Kennenlernphase zu
behinderung, Bildung und Intellekt. Zudem
fördern. 9 Bei allen anderen Themen der Juleica
können sie sich überlagern oder quer zueinander
Grundschulung lassen sich in der Planung wie
Juleica Diversity
in der Durchführung methodische Bausteine
Hinweis
daraufhin befragen, wie sie der Sozio-Diversität
Der Bericht wurde für die Arbeitsgemeinschaft
dienen beziehungsweise wie sie zu modifizieren
Evangelische Jugend Deutschland (aej) als Bei-
sind, um dem Ansatz gerecht zu werden.
trag zur Abschlusspublikation – Coaching-Projekt
mit evangelisch-ökumenischen-VJM erstellt.
Dr. Wilfried Drews
Fußnoten
Siehe Drews, W. Juleica Grundkurs Diversity: »Gruppen leiten &
Unterschiede (be-) achten«
In: Evangelische Jugend im Rheinland. (hrsg.) 2009. Vielfalt
bereichert. Juleica Diversity Arbeitshilfe., S. 14. Bezug Amt für
Jugendarbeit der EKiR, Graf-Recke-Str. 209, Düsseldorf.
2
Siehe UN-Kinderrechtskonvention insbesondere Artikel 29 – 31.
3
Siehe Drews, W. Juleica Grundkurs Diversity: »Gruppen leiten &
Unterschiede (be-) achten«.
A.a.O., S. 25. Die Übung »Programmentwicklung« ist dort
spezifisch für eine Seminargruppe erstellt worden, die paritätisch
aus Ehrenamtlichen der Evangelischen Jugend im Rheinland und
angehenden Imamen des Verbands Islamischer Kulturzentren
zusammengesetzt war.
4
Mecheril, P.: Pädagogik der Anerkennung. Eine programmatische
Kritik. In: Informations- und Dokumentationszentrums für Antirassismusarbeit in Nordrhein-Westfalen. (Hrsg.) Überblick. 16. Jg., Nr.
3., S. 8 – 12.
5
Der Begriff Sozio-Diversity wird hier eingeführt, um den vorgestellten Ansatz von Diversity Management Konzeptionen abzugrenzen,
bei denen es letztendlich um ökonomische Effizienz geht.
6
Ebd., S. 9.
1
Siehe Mecheril, P.: Vom antirassistischen zum rassismuskritischen
Ansatz. In: Ders. Einführung in die Migrationspädagogik.
o. Auf. 2004., S. 200-212. DGB-Bildungswerk Thüringen e.V.
(Hrsg.) Baustein zur nichtrassistischen Bildungsarbeit. O. Aufl.,
S.16.
8
Siehe beispielsweise Gewaltakademie im Amt für Jugendarbeit der
EKvW. Impulse und Übungen zur Thematisierung von Gewalt und
Rassismus, Schule und Bildungsarbeit Band 2. 2002., S.20 f.
9
Siehe beispielsweise: Handschuck, S., Klawe, W.: Interkulturelle
Verständigung in der Sozialen Arbeit.
3. Aufl. 2010. Arbeitskreis Interkulturelles Lernen, Diakonisches
Werk Württemberg (Hrsg.):Trainings- und Methodenhandbuch.
Bausteine zur interkulturellen Öffnung. 1. Auf. 2001.
Gilsdorf, R. Kistner, G.: Kooperative Abenteuerpädagogik.
5. korrigierte Auf. 1998. diese.: Kooperative Abenteuerspiele 2. 2.
Aufl. 2002.
7
19
20
Konfirmandenarbeit und Gottesdienst
Konfirmandenarbeit und Gottesdienst –
nicht hinnehmbare Langeweile
Hier abgedruckt ist die Originalversion eines
einladen will – und dieses Ziel hat die Konfirman­
Artikels, der in geänderter Fassung auch in der
denarbeit – muss Lern- und Erfahrungszusam-
von der Landessynode 2011 verabschiedeten
menhänge schaffen, in denen eigener Glauben
neuen Handreichung »Konfirmandenarbeit und
erfahren, reflektiert, gefeiert und bekräftigt wer­-
Konfirmation« erscheint.
den kann. Konfirmandenarbeit als Lernraum
bleibt ohne ihre Transformation in Gottesdienste
Einerseits ist in vielen Gemeinden der Besuch
als Lebens- und Erfahrungsraum auf halbem
des Gottesdienstes für Jugendliche verbindlicher
Weg stehen.
Bestandteil in der Konfirmandenzeit, andererseits
berücksichtigen die Gottesdienste in der Regel in
Entwicklungspsychologisch haben Jugendliche
Inhalt, Form, Sprache, Thema und Vollzug die Le-
Interesse an religiösen Themen und Fragestel­
bensbezüge von Jugendlichen dieses Alters nicht
lungen. Sie verabschieden sich von einem ma­-
genügend. Häufig stehen auch Konfirmanden­
gischen und mythischen Welt– und Glaubensver-
arbeit und Gottesdienst nebeneinander; lediglich
ständnis, um die Möglichkeiten eigener Verant-
der Vorstellungsgottesdienst wird als Chance
wortung, Abhängigkeit und eigenen Glaubens
begriffen, den Unterricht und seine Ergebnisse
neu auszuloten. Solche Veränderungen lassen
gottesdienstlich zu transformieren. So erstaunt es
Jugendliche Fragen stellen. Und die Antworten,
nicht, dass Jugendliche Gottesdienste langweilig
die sie erhalten, verweisen aus theologischer
finden und der Anteil derer, die dies nach Ablauf
Sicht auf eine Antwort (Gottes) auf ihre An-
der Unterrichtszeit äußern, sogar noch um 54 %
rede / Anfrage Gottes. Es ist sachgemäß, diese
auf über 60 % aller Jugendlichen steigt. Wird
Veränderungen, Fragen und Antworten im litur-
allerdings der durchschnittliche Sonntagsbesuch
gischen Zusammenhang deutlich zu machen.
1
von Gottesdiensten berücksichtigt (3,8% laut
EKD 2009), ist »das Problem, das Konfirmanden
Ermutigend ist außerdem der eindeutige Befund,
mit dem Gottesdienst haben, […] weniger ein
dass jugendgemäße Gestaltung und die Einbe-
Spezifikum der Konfirmanden als des Gottes-
ziehung Jugendlicher in die Vorbereitung von
dienstes insgesamt oder zumindest seiner öffent-
Gottesdiensten erheblich zu einer verbesserten
lichen Wahrnehmung als einer »langweiligen«
Wahrnehmung der Gottesdienste beitragen. 3
Veranstaltung«. 2
Mit Mut und Möglichkeiten gegen die
Es gibt gute Gründe, sich nicht damit abzufin-
Langeweile
den, dass die eigentlich zentrale Veranstaltung
Es gibt nicht den Königsweg, wie gottesdienst-
christlicher Gemeinden nur von einem kleinen
liches (Er)Leben so gestaltet werden kann, dass
Teil besucht wird.
sich Jugendliche und die Gemeinde angesprochen, ernst genommen und zugehörig fühlen und
Die Gründe sind theologischer Art: Gottesdienst
der Gottesdienst wieder zum eigenen Ort von
ist der Ort, um als Individuum und in Gemein-
Jugendlichen und der Gemeinde werden kann.
schaft mit anderen Glaubenden mit Gott in
Aber einige prinzipielle Überlegungen und
Zwiesprache zu treten und sich zu rüsten für
Fragen, die ein Gelingen von Gottesdiensten
das Leben und den Gottesdienst in der Welt.
wahrscheinlicher machen, markieren Handlungs-
Wer Menschen zum Glauben bekräftigen und
möglichkeiten.
Konfirmandenarbeit und Gottesdienst
>Eine Konzeption, die Konfirmandenarbeit und
>Jugendliche/ Menschen in der Vorbereitung,
Gottesdienstgestaltung verbindet: Unterrichts-
Planung und Durchführung wesentlicher Teile
themen werden durch die gemeinsame Vorbe-
des Gottesdienstes beteiligen. Das ist wegen
reitung und Durchführung eines Gottesdienstes
der Ergebnisse der Studie von Schweitzer (s.u.)
erarbeitet.
ein »Muss« und reicht über das Ablesen von
Kopien und/ oder vom Pfarrer geschriebenen
>Rahmenbedingungen für eine solche Konzep-
Texten weit hinaus, beinhaltet aber auch kleine
tion schaffen:
Lösungen für den alltäglichen Sonntag wie
1.Weg vom 45 – Minuten – Unterrichtsmodell
z. B. Begrüßen, Kollekte einsammeln, Fürbitten
hin zu längeren Unterrichtseinheiten.
2. Ein Team von ehrenamtlichen Jugend-
mitsprechen, Lieder aussuchen, Rollstuhlfahrer
begleiten.
lichen, die eine Brückenfunktion zwischen den jugendlichen und den gottesdienst -
>Talente entdecken, achten und ihnen Raum
lichen Lebensthemen und -welten haben.
geben. Das erfordert die Bereitschaft der
Verantwortlichen, Platz zu lassen und zu-
>Einen Jahresplan haben, der entlastet und
gleich präsent zu sein in der Begleitung von
durch seinen »Mix« Synergien nutzt: x Gottes
Menschen, die ihrem Glauben Gestalt und
dienste entstehen aus der Konfirmandenar-
Ausdruck geben wollen. So entsteht die Mög-
beit, y Gottesdienste werden als Jahreszeiten –
lichkeit zu persönlicher Entwicklung mit dem
und Festgottesdienste auch jugendgemäß
Ziel, ein Haus lebendiger Steine zu werden
gestaltet, z Jugendgottesdienste werden zu-
(vgl.1.Pet.2,4 ff.).
sätzlich angeboten. Um es noch einmal zu
betonen: Hier geht es ausdrücklich nicht
>Das Beachten der Zielgruppe. Ist mein Gottes-
um ein »Draufsatteln« von Arbeit, sondern
dienst einer, der im Rahmen von Konfirmanden-
darum, Arbeit, die sowieso ansteht, anders zu
arbeit gefeiert wird oder als Teil von Konfirman­
gestalten. Sogar ein weniger kann hier mehr
denarbeit für die Gesamtgemeinde oder einen
sein: 10 feste und sehr gute Angebote sind
Teilbereich von ihr vorbereitet und gefeiert wird?
besser als eine Vielzahl, die Vorbereitende
Hierzu gehört auch die Frage: Welche Milieus
und Eingeladene gleichermaßen strukturell
soll mein Gottesdienst vor allem ansprechen?
überfordern.
> Im Gottesdienst alle Sinne ansprechen.
>Der Blick über den Tellerrand: Kooperation mit
Kollegen und Nachbargemeinden. Mit den
>Der Mut und die Phantasie, immer wieder
Jugendlichen auf Reise gehen und dort einen
einmal überraschend anders zu sein in der
Gottesdienst besuchen, und Nachbarjugend-
Wahl der Musikstile, Präsentationen, Inter-
liche als Reisende empfangen. Eine Fahrt zu
pretationen, Verkündigungen. Nicht um des
einem anderen Gottesdienst zu organisieren
Selbstzwecks willen, sondern darum, weil das
ist weniger aufwändig, als alle Gottesdienste
Überraschende neugierig machen kann und
selber zu planen und durchzuführen. Zudem
wir es mit einem Gott zu tun haben, der im-
kommen die Jugendlichen so mit anderen
mer wieder überraschend anders ist und uns
Jugendlichen und Glaubensstilen in Kontakt.
sagen lässt: »Komm und sieh!« (Joh. 2, 46).
Das bereichert und hilft zudem, in anderen
Wenn sich die Variation eines Jugendgottes-
Gemeinden nach einem – biografisch wahr-
dienstes zum Predigtgottesdienst in einem An-
scheinlich irgendwann einmal anstehenden
spiel als Dialog erschöpft, ist im Kampf gegen
Umzug leichter heimisch zu werden.
die Langeweile auf Dauer nichts gewonnen.
21
22
Konfirmandenarbeit und Gottesdienst
>Sich nicht abfinden, sondern unzufrieden und
Gesamtgemeinde. Jugendkirchen als Jugend-
für Veränderung offen sein. Bei einer konzep-
gemeinden sind oft aus Jugendgottesdiensten
tionellen Neuausrichtung und ihrer exempla-
entstanden 4, um sich von einem auf Jugendliche
rischen Entfaltung bieten z. B. das PTI und
konzentrierten Angebot hin zu altersgemischten
die Ev. Jugendbildungsstätte Hackhauser Hof
Gemeinden zu entwickeln.
ihre Begleitung an. Wer sich an Neues wagt,
muss nicht alles alleine machen und können.
Das Leben einer Gemeinde kann sich konzen-
Mitstreiter können gesucht und gefunden,
trisch vom Gottesdienst aus entwickeln.
Jugendliche dazu ermutigt werden, neue
Erfahrungen an gemeindefremden Orten zu
Wenn man Jugendliche fragt, geht kein Weg an
sammeln. Und schließlich: Sich nicht entmu-
einer Neugestaltung bzw. Weiterentwicklung
tigen lassen. Fünf Jahre Zeit geben. Geduld
von interessanten Gottesdiensten vorbei. Schon
haben. Gelassenheit. Glaube, Hoffnung und
alleine darum – ganz ohne theoretische Diskussi-
Liebe.
on – weil die Jugendlichen es (noch) wollen und
es der ganzen Gemeinde gut tut.
Die Gestaltung neuer Gottesdienstformen birgt
eine große Chance für Jugendliche und die
Karl Hesse
Literatur
Bangert, Mechthild u. a.(Hg.), Werkstatt Jugendgottesdienst,
Gütersloh, Gütersloher Verlagshaus 1998
Schweitzer, Friedrich u. a., Konfirmandenarbeit in Deutschland,
Tübingen, Gütersloher Verlagshaus 2009
EKD 2009, aktuelle Statistik »Gottesdienstbesuch« im Internet
TRE 14, Gottesdienst, Studienausgabe Teil I, Berlin, de Gruyter 1993
Freitag, Michael, Innovation Jugendkirche, Hannover, Butzon &
Bercker 2006
U 27: Wie ticken Jugendliche, zur Sinus-Milieustudie,
in: Zeitschrift für Jugendarbeit »das baugerüst«, 1 / 2010
Kirche und Jugend – Lebenslagen, Begegnungsfelder, Perspektiven,
Eine Handreichung des Rates der EKD, Gütersloh 2010
Urban, Christoph u. a., Jugendgottesdienst 2.0,
Bochum, Biblioviel 2002
Lübking, Hans-Martin, Gottesdienste werden immer harmloser, in:
Urban, Christoph / Rieg, Timo, Kindergottesdienst und Jugendgottesdienst in Westfalen, Bochum, Biblioviel 2000, S. 24 – 34
Internet
Nicol, Martin, Einander ins Bild setzen, Erlangen,
Vandenhoeck & Ruprecht, 2005, 2. Aufl.
Nicol, Martin, Im Wechselschritt zur Kanzel, Nicol, Martin,
Erlangen, Vandenhoeck & Ruprecht, 2005
www.jugendgottesdienste.com
www.jugendkirchen.org, hier „Netzwerk Jugendkirchen Rheinland“
Fußnoten
vgl. Schweitzer, S. 141 ff.
Schweitzer, S. 145
vgl. Schweitzer, S. 143:
der Anteil zufriedener Jugendlicher steigt so von 28 % auf 63 %
4
vgl. Kirche und Jugend, S. 49
1
Rieg, Timo, Jugendgottesdienst Powerpack, Bochum, Biblioviel 2003
2
3
Sautter, Jens Martin, Spiritualität lernen, Beiträge zu Evangelisation
und Gemeindeentwicklung, Melbach, Neukirchener 2005
Konfirmandenarbeit und Erlebnispädagogik
Gepflanzt wie ein Baum ans Wasser –
Erlebnispädagogik in der Konfirmandenarbeit:
Arbeiten mit Metaphern
Konfirmandenarbeit als Lebensbegleitung junger
krete soziale Erfahrung der Übung auf bisherige
Menschen auf Zeit 1 kann gelingen, wenn Lernen
Erfahrungen zu beziehen und auf zukünftige
ganzheitlich geschieht. Dabei gilt: »Die Kommuni-
Situationen zu übertragen. Die Arbeitsformen
kation des Evangeliums kann sich jedoch nicht auf
ermöglichen es, eine vertrauensvolle Atmos­
Sprache in einem allein kognitiven Sinne beschrän-
phäre zu schaffen, in der sich Jugendliche dem
ken. Auch das Erleben spielt hier eine wichtige Rol-
Bildungskanon der Konfirmandenarbeit öffnen
le, etwa als Erleben von Gemeinschaft, das in Zeiten
und widmen können. Es geht um handlungso-
der Individualisierung nur vordergründig überflüssig
rientiertes Lernen, zum Beispiel sich als Gruppe
geworden ist, oder von Zuwendung, Solidarität und
zusammenzufinden und zusammenzuwachsen.
Respekt.« Von Bildung kann dann gesprochen
2
werden, wenn Erlebnisse, reflektiert und eigen-
Erlebnispädagogik in der KA
ständig in Sinnzusammenhänge eingeordnet, zu
Hat kirchliches Bildungshandeln den Anspruch,
Erfahrung werden. Konfirmandenarbeit, die einen
über religiöse Bildungsaufgaben hinauszuge-
nachhaltigen Bildungsanspruch hat, erfordert eine
hen,4 sollte dies auch für die Konfirmandenarbeit
Vielzahl von Methoden, die mehrdimensional einer-
gelten. Kooperative, kommunikative, problemlö-
seits den Verstand, wie die Sinne ansprechen und
sungsorientierte Methoden können dazu beitra-
anderseits Erfahrungshorizonte erweitern.
gen, eine atmosphärische Grundlage zu schaffen, um religiöse Bildungsaufgaben in den Alltag
In diesem Zusammenhang kann Erlebnispäda-
der Gruppe einzubinden. Für die KA liegt die
gogik ein didaktischer Baustein sein, um in der
besondere Qualität des pädagogischen Ansatzes
Konfirmandengruppe eine vertraute Gruppenat-
darin, dass er Konfirmandengruppen beispielhaft
mosphäre zu schaffen und die gemeinsame Zeit
ermöglicht, konkretes diakonisches Lernen 5 zu
lebendig zu gestalten.
erproben und einzuüben. Die Gemeinsamkeit
zwischen der KA und der Erlebnispädagogik liegt
Grundgedanken der Erlebnispädagogik
im Ansatz, junge Menschen mit Herz, Hand und
Der Erlebnispädagogik geht es dem Grundsatz
Verstand anzusprechen.
nach um eine »Entwicklung und Förderung
individueller und zwischenmenschlicher Ressour-
Beiden geht es um persönliches Wachstum, um
cen und Potentiale«. Sie verfügt über ent-
soziale Bildung, sowie um die Entwicklung der
sprechende methodische Zugänge des sozialen
Erlebnisfähigkeit. 6 Kooperative Abenteuerspiele
Lernens. Ihr Repertoire umfasst weitgehend
eignen sich grundsätzlich für die Anfangsphase
Übungen und Aktionen zu Kommunikation, Ver-
der Arbeit mit Katechumenen, wenn es darum
ständigung, Akzeptanz, Kooperation und Zusam-
geht, die Gruppe zusammenzubringen, eine gute
menhalt. In der Praxis stellt sich das so dar: Es
Lernatmosphäre zu schaffen und Zusammenhalt
werden Problemaufgaben gestellt, die Gruppen
untereinander zu entwickeln. Konfirmandenar-
herausfordern gemeinschaftlich Lösungen zu
beit geht über die konkrete soziale Dimension
finden. Im Anschluss an die Übung folgt in der
der Gruppe hinaus auf die Entdeckung der Welt
Regel eine Reflexion, in der die Erlebnisse ausge-
und nimmt zudem die vertikale Dimension der
wertet und beurteilt werden. Absicht ist es, kon-
Weltdeutung in den Blick.
3
23
24
Konfirmandenarbeit und Erlebnispädagogik
Nachfolgend sollen Überlegungen angestellt
habt maximal 30 Minuten Zeit, alle in Sicherheit
werden, wie Theologie und Erlebnispädagogik
zu bringen. Wie geht ihr vor?« 7 Die Geschichte
exemplarisch in Arbeit mit Metaphern an einem
dient als Hineinfinden in eine Aufgabe. Sie soll
Kreuzungspunkt zusammenkommen können.
einem Sinnzusammenhang herstellen.
Metaphern in biblischen Geschichten
Aufgabe der Erlebnispädagogik ist es nicht, »aus­-
In vielen biblischen Geschichten sind Metaphern
geklügelte Bilder zu entwerfen, sondern sensibel
ein bedeutsames Stilmittel, beispielweise in den
auf Bilder zu reagieren, die von den Teilnehmen­
Reich Gottes Gleichnissen. Kennzeichen der Me-
den ins Spiel gebracht werden.« 8 Das Erleben und
tapher ist, dass das, was kaum oder nicht sagbar
die Entstehung von inneren Bildern und ihre Über­-
ist, durch ein Bild zum Ausdruck gebracht wird.
setzung in äußere stehen im Vordergrund.
Metaphern sollen verständlich machen. Da das
Wort Reich Gottes kaum die Sache umfassend
Als zweites lassen sich in der Reflexionsphase
ausdrücken kann, wird das Bild als Hilfskon-
Gegenstände als Metapher nutzen. Eine Leiter,
struktion hinzugenommen. Metaphern übertra-
die zum Beispiel auf den Boden gelegt wird,
gen das Wort in ein Bild, um einen umfassenden
kann als Skala dienen. Zu den Auswertungs-
Sachverhalt unmittelbar verständlich zu ma-
fragen positionieren sich die Teilnehmenden je
chen: »Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein
nach Grad der Zustimmung. »Wie beurteilt ihr
Nadelöhr geht, als ein Reicher ins Reich Gottes.«
die gegenseitige Aufmerksamkeit während der
(Mat. 19.24)
Übung? Stellt euch entsprechend eurer Einschätzung zu den Leitersprossen.« Zum Dritten
Die Metapher stellt eine Ähnlichkeit zwischen
können Metaphern genutzt werden, um Erlebtes
Wort und Bild, eine Analogie, eine Entsprechung
während der Auswertung neu zum Ausdruck zu
her: »Das Reich der Himmel ist wie ein Senf-
bringen. Zum Beispiel: »Eine Lösung zu finden
korn« (Mt.13, 31 – 32) »Denn das Reich der Him-
war wie …« Die metaphorischen Bilder dienen
mel gleicht einem Hausherrn, der am Morgen
hier als Sprachfiguren. Das Erlebte entspricht in
früh ausging, um Arbeiter in seinen Weinberg
etwa dem Bild der gerade gemachten Erfahrung.
zu dingen.« (Mt. 20.1 – 16) Das Bild bietet dem
Die Metapher transportiert das Erleben so, dass
Verstand die Hilfestellung, die er braucht, um
alle Gruppenmitglieder eine Vorstellung davon
eine Vorstellung zu bekommen, wie das Wort zu
bekommen.
fassen ist, beziehungsweise was die Sache beinhaltet. Mit anderen Worten: Metaphern eignen
Metaphern in der Erlebnispädagogik
sich in besonderer Weise dazu, das Gesagte vor
und biblische Metaphern
Augen zu führen. Sie ist als Denkfigur ein Mittel
Erlebnispädagogik arbeitet erfahrungsorien-
der Erkenntnis.
tiert. Als pädagogische Suchbewegung agiert
sie prozessorientiert und ergebnisoffen. Lernen
Metaphern in der Erlebnispädagogik
geschieht durch ausprobieren, durch Versuch und
W ie arbeitet Erlebnispädagogik mit Metaphern?
Irrtum und durch learning by doing. Innere Bilder
Erstens besteht die Möglichkeit eine Koope-
werden in äußere transformiert. Biblische Meta-
rations- oder Problemlösungsaufgabe in eine
phern hingegen sind äußere, vorgegebene Bilder,
phantasievolle Rahmengeschichte, frontloading
theologische Ausdrucksformen, die in einem be-
genannt, zu setzen: »Stellt euch vor, ihr seid
stimmten kulturellen und geschichtlichen Kontext
ein im Hochgebirge verunglücktes Expeditions-
entstanden und verstanden worden sind. Sach­
team. Einige von euch sind durch Verletzungen
verhalte, die zu Zeiten Jesu allgemein geläufig
gehandicapt. Ein Unwetter zieht herauf und ihr
waren, sind heute nicht mehr ohne weiteres klar.
Konfirmandenarbeit und Erlebnispädagogik
Jungen Menschen bleiben diese Bilder mitunter
Religions- und Erlebnispädagogik lassen sich
unverständlich und lebensfern. In einer Welt von
beispielsweise auch auf folgende Art in Bezug
MP3, Laptop und Chat erscheinen archaische
setzen: Im Reich Gottes Gleichnis Die selbst
landwirtschaftliche Motive wie Sämann, Senfkorn
wachsenden Saat (Mk, 4,26 – 29) geht es um
oder verlorenes Schaf, ohne Lebensbezug zu sein.
Wachstum. Zunächst findet ein Nachsinnen auf
Sie entsprechen nicht den Alltagserfahrungen
die theologische Botschaft statt, die in der Meta-
von Jugendlichen. Folglich bedarf die Sache der
pher transportiert wird.
Bilder, das Anliegen, das sie transportieren, einer
jugendgemäßen Transformation. Zudem ist das
Weiterführend kann das Gleichnis als Inspiration
biblische Bild ein äußeres. Deshalb stellt sich die
genommen werden, sich mit Persönlichem und
Frage, wie sich biblische Bilder als frontlaoding
mit Wachstum der Gruppe auseinanderzusetzen.
eignen können, wenn die Übersetzung fehlt.
Gemeinsam werden Bedingungen und Verhal-
Entweder bleiben sie im Bild unverständlich oder
ten erörtert, die Wachstum in der konkreten
sie werden trivialisiert. Beides erscheint unange-
Konfirmandengruppe fördern. Diese Dimension
messen. Denn, zwischen der konkreten Erfah-
der praktischen hanglungsorientierten Lernmög-
rung eines Gehaltenwerdens durch die Gruppe
lichkeiten bietet beispielsweise die Kooperati-
in der Übung Der Vertrauensfall 9 und einem
onsaufgabe Der Wanderer. 10 Sie kann Wachstum
generellen Schluss auf eine Zuverlässigkeit Gottes
(in) der Gruppe als die zu bearbeitende Aufgabe
in der Auswertung, klafft eine Lücke. Nicht alle
während der Übung stellen. In der Übung selbst
Jugendlichen erleben sich als getragen, weder
werden Erfahrungen des Umgangs miteinander
von anderen Menschen noch von Gott. Deshalb
gemacht. Im anschließenden Rückblick können
bleibt eine Analogie zwischen erlebnispädago-
die Beziehung zwischen den Vorstellungen und
gischer Übung und theologischen Aussagen der
dem Erleben während der Bearbeitung der Auf-
Auswertungsphase problematisch.
gabe im Mittelpunkt stehen.
Wie können religionspädagogische Ansprü-
Eine erlebnispädagogische Aktion kann jedoch
che und erlebnispädagogische Aktivitäten
auch am Anfang stehen. Die Auswertung ge-
zusammenkommen?
schieht in drei Phasen. In der ersten geht es zu-
Zu einem Kreuzungspunkt kann es kommen,
nächst um Reflexion konkreter Erfahrungen in der
wenn das konkrete Erlebnis der Übung, das sich
Gruppe: Wie bist du von den anderen in der Grup-
einstellende innere Bild durch die Reflexion zu
pe wahrgenommen worden? Wie hast du die
einem eigenen äußeren Bild, in eine Metapher
anderen erlebt? Was brauchst du von den anderen,
übersetzt wird. Lebendig kann es werden, wenn
um Vertrauen in der Gruppe zu entwickeln?
die eigene Metapher in einen Austausch mit
den Bildern biblischer Geschichten kommt. Ein
In einer zweiten Phase wird die Vorstellung mit
Beispiel: In einer Auswertung thematisieren Kon-
dem Erleben in Austausch gebracht: Wie lässt
firmanden die Zeit, die ihnen für die Aufgabenlö-
sich die Erfahrung der Übung auf den Alltag
sung zur Verfügung stand. Dies kann aufgegriffen
wie Schule, Freizeit, Gemeinde und Gesellschaft
werden, um sich umfassender und weiterführen-
übertragen? Welches Bild würde dazu passen?
der mit dem Thema Zeit auseinanderzusetzen.
In einer dritten Phase kann die biblische Ge-
Erfahrungen aus der Übung sowie aus dem Alltag
schichte zur Auseinandersetzung hinzuge-
werden mit der Betrachtung des Prediger Salo-
nommen und für die eigene Lebensrelevanz
mons Alles hat seine Zeit (Prediger Salomon 3,
interpretiert werden: In welchen biblischen
1 – 7) zusammengebracht. Das Nachdenken über
Geschichten geht es um Vertrauen? Wie ist
die Zeit bekommt eine andere Dimension.
das Vertrauensverhältnis hier dargestellt? Was
25
26
Gepflanzt wie ein Baum ans Wasser
zeigen die Geschichten auf? In welchen Bildern
Zur Bandbreite: Biblische Metaphern brauchen
wird dies ausgedrückt? Hier kann in der Kon-
eine jugendgemäße Übertragung. Unter der
firmandenarbeit exemplarisch ein Bogen von
Berücksichtigung, dass es sich bei der Arbeit
konkreten Erfahrungen aus der Übung hin zur
mit Metaphern um Bilder und Begriffe handelt,
Elementarisierung von theologischen Grundfra-
die entweder von den KonfirmandInnen selbst
gen gespannt werden.
gewählt werden oder ihnen alltäglich verständlich sind, bieten Metaphern die Möglichkeit,
Fazit
eine erlebnisorientierte, kommunikative Konfir-
Als Resümee können zwei Aspekte festgehalten
mandenarbeit zu gestalten.
werden, nämlich eine Problemanzeige und eine
Bandbreite an didaktischer Vielfalt. Zur Probleman-
Hinweis
zeige: Metaphern kurzschlüssig, aus den konkreten
Zum Thema Schnittstelle KonfirmandInnen- und
erlebnispädagogischen Übu­ngen zum sozialen Ler-
Jugendarbeit findetet ein regelmäßiger Aus-
nen 1:1 in Analogie zu biblischen Weltdeutungen
tausch mit dem Fachbereich Konfirmandenarbeit
zu setzen, funktionalisiert Erlebnispädagogik auf
im PTI statt. Zum Thema Erlebnispädagogik in
unzulässige Weise, da ihr keine theologischen
der Konfirmanden- und Jugendarbeit findet vom
Implikationen zu Eigen sind. Die Bedeutungsband-
08.-10.07.2011 im Hackhauser Hof eine Fortbil-
breite und –tiefe biblischer Geschichten geht über
dungsmaßnahme statt.
soziales Verhalten hinaus und verweist auf größere
Deutungszusammenhänge.
Dr. Wilfried Drews
Fußnoten
Vgl. Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche im Rheinland
(Hrsg.). 2004. Bildung als Lebensbegleitung braucht
Bildungspartnerschaften. Argumente für den kirchlichen Beitrag.
S. 9 ff. u. 34 ff.
2
EKR. 2009. Kirche und Bildung. S.67.
3
Gilsdorf, R. 2004. Von der Erlebnispädagogik
zur Erlebnistheorie. S.11.
4
Vgl. EKD. 2009. a.a.O. S.49.
5
Vgl. EKD. 2009. a.a.O. S.50.
6
Vgl. Vgl. Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche
im Rheinland (Hrsg.). 2004. a.a.O. S.36f.
1
Übung Drama am Mount McConfidence in: Gilsdorf, R. Kistner, G.:
Kooperative Abenteuerspiele II. Eine Praxishilfe
für Schule und Jugendarbeit. 2. Aufl. 2002. S.141.
8
Gilsdorf, R., Kistner, G. Becker, K.: Tausend Bilder aus einer Nacht.
S. 186. In: Schödlbauer, C., Paffrath, F.H., Michl,
W. (Hrsg.): Metaphern – Schnellstraßen, Saumpfade und Sackgassen des Lernens. 1999. S.185-191.
9
Bei der anspruchsvollen Aktion lassen sich Personen von einem erhöhten Gegenstand in die ausgestreckten Arme der Gruppe fallen.
10
Gilsdorf, R., Kistner, G. 2002. a.a.O. S.74.
7
Kurzzeitpädagogik konkret
Kurzzeitpädagogik konkret – Auszeit und Lernzeit
für Kinder und jüngere Jugendliche
Rückblende 2010
wenn sie WiederholerInnen waren. Aber hier ist
Vom 23. – 25. April leiteten Anja Franke und
es das Team, das auf überwiegend unbekannte
Luise Pawlowsky gemeinsam mit Kolleginnen aus
Kinder stößt. Für alle neu ist das Thema.
ver­schiedenen Jugendzentren ein Erlebniswochenende für 12 – 14 jährige Mädchen aus Köln
Tuchfühlung und Orientierung –
Chorweiler mit dem Thema »frühlingsfit«.
Die Sorgfalt am Anfang
Viele Kinder und jüngere Jugendliche kennen
In den folgenden Ausführungen nehme ich
weder Freizeiten noch Seminare und wir wollen
gleichzeitig Bezug auf den Kinderplanet Nr. 19,
sie für außerschulisches »stationäres« Lernen ge-
der vom 15. – 25. Juli mit dem Thema »Verrückte
winnen. Also nähern wir uns den neuen Gege-
Zeiten im Grünen – Spiel, Spaß und Aktion
benheiten, Strukturen, Themen und Methoden
zwischen Sinn und Unsinn« stattfand. 8 Teame-
mit viel Ermutigung und Assistenz. Das Lernziel
rInnen wirkten mit und 32 Kinder im Alter von
Selbstständigkeit unterfüttern wir mit einer Lage
9 – 12 Jahren nahmen teil. Die Leitung hatten
Fürsorglichkeit in der Orientierungsphase.
Luise Pawlowsky und Stephanie Beier.
Für das Mädchenseminar Frühlingsfit hieß das:
> Entdecke die Möglichkeiten
Zutexten am Anfang ist nicht drin, eher Schritt
> Entdecke die Menschen
für Schritt organisiertes warm werden mit den
> Lass Dich zu Neuem herausfordern
Gegebenheiten. Ein Getränk, ein Namensschild,
>Freunde Dich mit Räumen und Gelände
eine sinnvolle Sitzordnung, ein Türschild malen
an Genieße das Essen
>Vertraue den Menschen, die Dich be­gleiten (bei Tag und bei Nacht)
>Sei entspannt und lasse die Eindrücke
auf Dich wirken
als erste Aktion der Wochenend-WG und die
Information über einen kleinen wichtigen Regelkatalog für das Zusammenleben. Die Zimmer
werden in Ruhe bezogen und es folgt die erste
gemeinsame Mahlzeit.
>Oder kurz – Du kannst hier offen,
vertrauensvoll und aktiv sein.
Wie werden hier meine Grundbedürfnisse gedeckt? Eine ganz wichtige Frage. Bekomme ich
Wie angespannt waren wohl die 40 Mädchen im
Antworten auf meine Fragen? Und dann gibt es
Alter von 12 – 14 Jahren aus Köln Chorweiler, die
noch die unterschiedlichsten Infos und Organisa-
mit ihren Begleiterinnen aus 6 Jugendzentren zu
tionsformen bei Tisch oder im Plenum, die einer
einem »frühlingsfit« – Wochenende anreisten?
Gruppe zwischen Ordnung und Chaos vor allem
Diesmal konnten die Kolleginnen die vielen Fragen
am Anfang Halt und Orientierung geben.
zu Haus und Hof und zum Ablauf schon vorher beantworten, denn es war das zweite Wochenende
Der Schnupperparcours jeweils am
dieser Art, und die Kolleginnen, alle Mitglieder des
ersten Tag, eine bewährte Methode für
trägerübergreifenden Mädchenarbeitskreises Köln
den Anfang bei beiden Maßnahmen
Nord, waren wieder an der Vorbereitung beteiligt.
Abgezählte 5er oder 7er Teams begeben sich
noch am ersten Tag in einen Mini-Workshop,
Auch die 32 Kinderplanet Kinder des Jahres 2010
der 10 Minuten dauert, mit dem Seminarthe-
kamen mit Zögern, wenn sie neu, mit Vorfreude,
ma zu tun hat, im Freien stattfindet und von
27
28
Kurzzeitpädagogik konkret
1 – 2 TeamerInnen angeboten wird. Nach je 10
begleiten den Lernprozess zielgerichteter als Eh-
Minuten wechseln die Gruppen gemeinsam
renamtliche, die wiederum eine andere wichtige
im Uhrzeigersinn zum nächsten Angebot. Die
Beziehungsqualität und einen (zweck)freieren
TeamerInnen wiederholen ihr Angebot noch
Zugang zu Themen haben.
fünfmal.
Aber ganz am Anfang stehen Lernziele, die ausFür die Teilnehmenden und die TeamerInnen bie-
gehend von der Lebenssituation der Zielgruppen
tet sich die Chance zum gegenseitigen Kennen-
9 – 12 jährige Jungen und Mädchen aus der Um-
lernen, der Thementisch wird gedeckt und das
gebung Solingens und 12 – 14 jährige Mädchen
Gelände wird erobert.
aus Köln Chorweiler bezogen auf die beiden
Themen in den Teams erarbeitet werden. »Früh-
Mädchenseminar Frühlingsfit
lingsfit« meinte Gesundheit, seelisch, körperlich
Quiz zum Thema riechen und schmecken, Seil-
und sozial und wir erweiterten es um das Thema
springen, Namensschilder basteln, Tanz, Kontrakt
Körperlichkeit und Sexualität. Erleben zwischen
zu Absprachen des Zusammenlebens
Sinn und Unsinn hieß für das Kinderplanet-Team
»Mutanfälle« in allen möglichen Bezügen zu
Kinderplanet
ermöglichen. »Sommerfit« sind wir draußen im
Kioskspiel zum Thema, Nonsenswortkombina-
Grünen mit all unseren Möglichkeiten sowieso.
tionen, Figuren schleudern, Riesenmikado und
Bettlaken mit den Füßen umdrehen
Aus Lernzielen werden unterschiedliche inhaltliche Projekte in Workshops, die altersgemäß
Auf den ersten Blick eine Freizeit, auf den
Lernschritte mit unterschiedlichen Methoden
zweiten Blick eine Bildungsmaßnahme
ermöglichen. Spielerisch, mit Einsatz von Körper
Der erste Einspruch auf diese Überschrift könnte
und Sinnen, partizipatorisch, prozess- und
lauten: Auch Freizeiten sind Bildungsmaßnah­
teilnehmerInnenorientiert, mit ansprechenden
men, denn soziales und kulturelles, den Horizont
Materialien in animierenden Räumen, drinnen
erweiterndes Lernen findet auch hier statt. Das
und draußen. Alter ist eine Kategorie, die bei
ist richtig. Nur fehlt in unserer Arbeit mit Kindern
beiden Maßnahmen sehr unterschiedlich zu wür-
die Beschreibung dessen, was eine Maßnahme
digen war. Verlässlich in beiden Fällen war aber
zu einer Bildungsveranstaltung macht, und diese
die geschwisterliche Klammer zwischen Jüngeren
Lücke möchte ich am Beispiel der beiden oben
und Älteren, aber auch der Bedarf und die päda-
erwähnten Maßnahmen zu füllen versuchen.
gogische Notwendigkeit in altersdifferenzierten
Schließlich fördert der Landesjugendplan Bildungs­
Gruppen zu arbeiten.
maßnahmen ab 6 Jahren, was wir im Falle vom
Mädchenseminar Frühlingsfit im Gegensatz zum
Wenn die Gleichzeitigkeit von Beziehung, Erleb-
Kinderplanet, in Anspruch genommen haben.
nis und Mitwirkung Kindern Sicherheit und eine
Entwicklungsplattform geben sollen, dann ist das
Ich beginne mit der Frage: Was macht ein
Timing, die Pausenkultur und das Wechselspiel
Motto zu einem (Seminar)thema? Es ist auf
von verpflichtender und freiwilliger Workshopzu-
jeden Fall mehr als altersgemäße Didaktik und
ordnung wichtig.
Methodik. Es sind die auf das Thema bezogene Herleitungen und Ziele. Ebenso spielt die
Die workshopgebundene Zeit sind fünf Zeitstun-
professionelle Umsetzung eine Rolle, die eine
den, was der Vorgabe des Landesjugendplanes
gezielte Balance zwischen Thema, Beziehung
entspricht. Das Loslösen von schulischen Rhyth-
und Beteiligung der Zielgruppe, darstellt. Profis
men ist dabei Chance und Herausforderung.
Kurzzeitpädagogik konkret
Zur Struktur von Kinderbildungsmaß-
Konzeptes, das beim Kinderplanet auch immer
nahmen gehören für mich zusätzlich:
die Wahl der Mottos und die Entscheidungen für
>eine sorgfältig gestaltete Orientierungs-,
Workshops betrifft. Hinzu kam die Integration
Kennenlern- und Zimmerbelegungskultur
> kurzweilig gestaltete Plenumssituationen
von 6 Mädchen und Jungen mit unterschiedlichen Behinderungen.
> spielerische Zwischenauswertungen
>Freispielphasen mit Animation durch
Wir denken die Maßnahmen vom Kind und den
Menschen, Natur, Spielmaterial und
Bedingungen unseres Hauses her und haben
Entspannungsmöglichkeiten
mit den jeweiligen Teams eine intensive Strecke
>organisierte Freizeitangebote: Spaziergänge,
der Vorbereitung. Der Dreiklang Bilden, Betreu-
Disco, Teamsportturniere, Spieleabend …
en, Erziehen - bildet das, was wir tun nicht gut
>entspannende und genussvolle gemeinsame
ab, weil Partizipation, Prozessorientierung und
Mahlzeiten
> Variationen in Sachen Gruppengröße,
3er Zimmer, 5er Teams…
>definierte kontinuierliche Zuständigkeit der
TeamerInnen für Teilgruppen
> musikalische Geselligkeit
Selbstwirksamkeit darin nicht gut aufgehoben
sind. Es ist die Mischung aus sozialpädagogischem Zugang, sport-, spiel- und kulturpädagogischen Anteilen, Sexualpädagogik, Öko- und
Erlebnispädagogik, jeweils altersgemäß angepasst. Letztendlich sind es strukturelle, inhaltliche
und methodische Mittel, sowie der Umgang mit
Als pädagogische Sonderstrecken galt es in dem
Zeitbudgets und nicht zuletzt Ziele, Haltungen
einen Fall ressourcenorientiert und geschlechts-
und Fachlichkeiten, die eine Maßnahme zu einer
spezifisch ausschließlich mit Mädchen aus einem
(Kinder)bildungsmaßnahme machen.
sozialen Brennpunkt zu arbeiten.
Lernen heißt für uns, ein Thema zu (er)leben
Beim Kinderplanet ermöglichten wir den Kindern
mit allen Sinnen, Körper und Geist in einem
diesmal auch als Mädchen- oder Jungengruppe
dynamischen sozialen Kontext.
und ebenso geschlechtergemischte Gruppenerfahrungen zu machen. Das ist Teil des Gender-
Luise Pawlowsky
29
30
Hackhauser Kamingespräch
Tut mit leid – keine Zeit!
Erstes Hackhauser Kamingespräch mit Politikern
und Jugendlichen ein voller Erfolg
Die folgende Reportage erinnert an eine Ver-
von Schul – und Studienreform Zeit und Geld ge-
anstaltung der „Stiftung Jugendbildung“ vom
spart werden, um Jugendlichen früher den Weg
16. März 2010, deren thematische Aktualität
in den Beruf zu ebnen. Mit der Folge drama-
ungebrochen ist.
tischer Arbeitsverdichtung, die immer weniger
Zeit für ehrenamtliches Engagement übrig lässt.
»Ich bin Jan aus Köln, Jahrgangsstufe 12. Ich
Andererseits wird gleichzeitig von Seiten der
musste mich entscheiden. Und da fiel mein
Politik die Bedeutung von bürgerschaftlichem
ehrenamtliches Engagement in der Schüler­
Engagement und Ehrenamt betont. Wie passt
vertretung weg zugunsten von Ehrenamt in
das zusammen?!
der Kirche. Weil: zehn Stunden Unterricht plus
Hausaufgaben plus beides, das ist zuviel.«
In der fast zwei Stunden währenden, konzentrierten Auseinandersetzung wurde deutlich: Es
Vier Sätze, kurz und knapp. Sie bildeten den
gibt nichts, was mehr Raum in der Lebenswelt
Auftakt vieler Meinungen, Einschätzungen und
von Jugendlichen einnimmt als Schule und
Fragen, die gut 50 in der kirchlichen Kinder– und
Studium. Betroffen, wütend und fachkompetent
Jugendarbeit engagierte Jugendliche auf einer
konnten sie ihre eigene Situation und die von
Podiumsdiskussion mit Politikern äußerten.
Kindern, denen sie als Ehrenamtliche begegnen,
schildern. Fähigkeit bewiesen die Jugendlichen
»Tut mir leid – keine Zeit« hieß die Veranstal-
darin, ihr je eigenes Erleben mit den Rahmen-
tung, die als »Hackhauser Kamingespräch«
bedingungen von Schule und Hochschule in
Premiere feierte. Dazu eingeladen hatte die
Beziehung zu setzen, um zu fragen: Wenn schon
»Stiftung Jugendbildung der Evangelischen
kürzere Schulzeit, die die wenigsten wollen,
Jugendbildungsstätte Hackhauser Hof«.
warum dann gleich bleibende Stundentafeln?
Und so begrüßte der Stiftungsvorsitzende, Hein-
Wenn schon Über–Mittag-Betreuung, warum
rich Fucks, neben den besagten 50 Jugendlichen
dann nicht gesundes, leckeres, kostenfreies
aus Solingen, Remscheid, Langenfeld, Köln,
Essen? Wenn schon Betreuung an der Schule,
Aachen und Hamminkeln aus der Politik: Walter
warum dann nicht mit qualifiziertem Personal?
Kern (CDU), Mitglied des Landtags; Tim Kurz-
Und wenn schon Ehrenamt, warum dann nicht
bach (SPD), Vorsitzender des Jugendhilfeaus-
Würdigung, Finanzierung und Freistellung dafür?
schusses der Stadt Solingen und Sven Lehmann
(Bündnis90/Die Grünen) aus dem Landesvor-
Neben den konturierten Fragen zeigten aber auch
stand. Die FDP war leider nicht erschienen.
die Politiker Kontur: Mit großer Glaubwürdigkeit
gingen sie auf die Argumente der Jugendlichen
Schnell entspann sich unter der Moderation von
ein. Erzählten von ihrer Sorge, wie sehr unsere
Nils Hille ein reges Gespräch zwischen den Poli-
Demokratie gefährdet sei, wenn das Ehrenamt
tikern und den Jugendlichen. Aus der Podiums-
weg bräche. Schilderten anschaulich das Ringen
diskussion wurde eine Saaldiskussion. »Tut mir
um Finanzmittel. Beschrieben selber die Defizite,
leid – keine Zeit« beschrieb dabei das Dilemma
die sie hinsichtlich von Partizipation, Mitbestim-
vieler Jugendlicher und junger Erwachsener in
mung und Miteinander von schulischer und
Begegnung mit Politik: Einerseits soll im Zuge
außerschulischer Bildung sähen. Die Politiker der
Hackhauser Kamingespräch
drei Parteien ließen ahnen: Ein Dissens besteht
»Wir müssen das fortführen« sagten sichtlich
weniger zwischen ihnen als Jugendpolitikern
gut gelaunte und von der Diskussion rotbackig
als zwischen ihnen und den auf Schule fixierten
gewordene Jugendliche und Politiker. Und das
Bildungspolitikern der je eigenen Parteien.
taten sie alle dann auch beim Ausklang des
Abends an Stehtischen mit Hintergrundmusik im
»Den Mut, eure Wut zu zeigen, nehme ich mit
Kaminzimmer; bevor sie aufbrachen - denn am
in die Partei«, sagte Sven Lehmann. »Nicht einen
nächsten Tag war Schule. »Tut mir leid – keine
Eindruck, sondern viele nehme ich mit.« notierte
Zeit?«. Für Diskussionen ja, zum Ausschlafen
Walter Kern. »Eure Fragen zur Bildungspolitik
leider nein.
transportiere ich nach Düsseldorf.« versprach
Tim Kurzbach.
Karl Hesse
31
32
Mitarbeitende im Hackhauser Hof
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen
des Hackhauser Hofes im Jahre 2010
Verwaltung
Astrid Block
Verwaltungsleiterin bis 31.05.2010
Christine Wiegand
Buchhalterin
Teilzeit
Elke Petrikat
Sekretärin
Teilzeit
Sigrid Labsch
Sekretärin
Teilzeit
Heide Jüngel
Sekretärin, Telefon, Empfang Teilzeit
Jasmin Schneiders
Sekretärin, Telefon, Empfang
Teilzeit
Hauswirtschaft
Birgit Voos
Hauswirtschaftsleiterin
Ewa Birkner
Hauswirtschafterin
Mechthild Ganser
Hauswirtschafterin
Mandy Fürst
Auszubildende bis 31.07.2010
Helena Figorski
Hauswirtschaftsgehilfin
Teilzeit
Tamara Gütt
Hauswirtschaftsgehilfin
Teilzeit
Renata Kot
Raumpflegerin
Teilzeit
Miriam Schötz
Auszubildende ab 01.08.2010
Hausmeister und Haustechnik
Bernd Thull-Dawid
Hausmeister & Haustechniker
Marco Bednarzik
Hausmeister Teilzeit
Julian Göpel
Hausmeistergehilfe
Teilzeit
Team für Jugendarbeit
Dr. Wilfried Drews
Diplompädagoge
Anja Franke
Diplompädagogin
Karl Hesse
Landespfarrer für Jugendarbeit
Luise Pawlowsky
Sozialpädagogin (grad.)
Leitung der Bildungsstätte
Anja Franke
Karl Hesse
Rubrik
Impressionen aus dem Hackhauser
Hof
33
34
Impressionen aus dem Hackhauser Hof
Impressionen aus dem Hackhauser Hof
35
Hackhausen 5b · 42697 Solingen
Fon 0212 22201-0 · Fax 0212 22201-20
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