Jahresbericht 2010 Hackhausen 5b · 42697 Solingen Fon 0212 22201-0 · Fax 0212 22201-20 [email protected] · www.hackhauser-hof.de Redaktion: Anja Franke, Elke Petrikat Konzept und Design: Bosbach Kommunikation & Design Inhalt Vorstellung Evangelische Jugendbildungsstätte Hackhauser Hof e. V. 04 Karl Hesse Von Haus und Hof 06 Jahresrückblick 2010 Anja Franke Fünf gute Gründe für eine ganzheitliche Sexualpädagogik 10 Standpunkt der Evangelischen Jugendbildungsstätte Hackhauser Hof e. V. Luise Pawlowsky Feuer fangen für eine Idee 14 Hackhauser Hof on Tour mit dem Cafe ZeitReich Dr. Wilfried Drews Gruppen leiten lernen 16 Juleica Diversity mit Verbänden Junger MigrantInnen Karl Hesse Nicht hinnehmbare Langeweile 20 Konfirmandenarbeit und Gottesdienst Dr. Wilfried Drews Gepflanzt wie ein Baum ans Wasser 23 Erlebnispädagogik in der Konfirmandenarbeit: Arbeiten mit Metaphern Luise Pawlowsky Kurzzeitpädagogik konkret 27 Auszeit und Lernzeit für Kinder und jüngere Jugendliche Karl Hesse Tut mit leid – keine Zeit! 30 Erstes Hackhauser Kamingespräch mit Politikern und Jugendlichen ein voller Erfolg Vorstellung der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Hackhauser Hofs 32 4 Vorstellung Evangelische Jugendbildungsstätte Hackhauser Hof e. V. Die Evangelische Jugendbildungsstätte Hackhau- Die Angebote des Teams ser Hof e. V. ist eine von der Evangelischen Kirche des Hackhauser Hofes sind: im Rheinland und dem Land NRW geförderte Bildungsstätte und widmet sich besonders der 1.Team- und Gruppenseminare an Wochenen- Förderung und Qualifizierung von Ehrenamtlichen den für MitarbeiterInnen-Gruppen aus einer im Bereich der Evangelischen Jugend im Rheinland. Gemeinde oder einem Kirchenkreis. 2. Seminare zu jugendarbeitsrelevanten Themen. Die Bildungsarbeit des Hackhauser Hofes wird 3. Grundkurse und Aufbaukurse für die Grup- verantwortet von einem pädagogisch-theolo- penarbeit in den Gemeinden (Juleica) sowie gischen Team. Sie hat das Ziel, >ehrenamtliche Jugendliche in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in den Gemeinden zu qualifizieren, Erfahrungsaustausch über Gemeinde- und Kirchenkreisgrenzen hinweg anzuregen und Verbindungen zu knüpfen, Kurse für Freizeitleitung. 4. Beratung und Entwicklung von Konzeptionen in Gemeinden und Kirchenkreisen. 5. Gut Drauf Angebote zu Themen wie Ernährung, Bewegung und Entspannung. 6. Kooperationen mit Schulen. um eine Identität als Evangelische Jugend zu fördern. Die Angebote des Hackhauser Hofes werden >hauptamtlichen Fachkräften ein Forum für in einem Jahresprogramm veröffentlicht, das Austausch, Reflexion und Anregung durch jeweils im November des Vorjahres erscheint. Studientage, Fortbildungen sowie durch vielfältige Beratungsangebote zu bieten. >Integrierte Fortbildung zu fördern durch Angebote für verschiedene mit Jugendarbeit oder besonderen Projekten befasste ehrenamtliche und hauptamtliche Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in den Gemeinden. Vorstellung Der Hackhauser Hof stellt sich vor Die Evangelische Jugendbildungsstätte Hackhau- Die Jugendbildungsstätte – ein altes Landhaus, ser Hof e. V. arbeitet in der Rechtsform eines ein- ein Gästehaus mit max. 78 Betten, ein Tagungs- getragenen Vereins mit Mitgliederversammlung haus und ein Andachtspavillon in einem weitläu- und Vorstand. Zum Vorstand gehören: figen Park – liegt in landschaftlich reizvoller Lage in der Ohligser Heide und bietet sich an für Rüdiger Maschwitz (Vorsitzender) > Tagungen Heinrich Fucks (stellvertretender Vorsitzender) > Seminare und Studientage Yvonne Göckemeyer (Schatzmeisterin) > MitarbeiterInnen-Klausuren Svenja Weitzig (weiteres Vorstandsmitglied) > Freizeiten > Schulklassentage und - wochen Das Team für Jugendarbeit Anja Franke Leitung, Diplompädagogin, Sexualpädagogin Schwerpunkte: Sexualpädagogik, inklusive Arbeit, aktuelle Jugendforschung, systemische Beratung Karl Hesse Leitung, Landespfarrer für Jugendarbeit, Gemeindeberater, Organisationsentwickler Schwerpunkte: Jugendkirche und Jugendgottesdienst, Lebenswelt – Glaubenswelt – Mitmachwelt, Jungenarbeit / Genderfragen, Konzeptionsberatung für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen in Gemeinden Dr. Wilfried Drews Diplompädagoge, Religionspädagoge Schwerpunkte: Rassismuskritische Bildung und Diversity Lernen, Konfliktbearbeitung / Gewaltdeeskalation Luise Pawlowsky Sozialpädagogin Schwerpunkte: Arbeit mit Mädchen und Frauen, musisch-kulturelle Bildung, Arbeit mit Kindern, Jugendleitercard, lösungsorientierte Beratung 5 6 Jahresrückblick 2010 Von Haus und Hof – ein Jahresrückblick Als ich ein kleiner Junge war, war es ein leich­- Liebe Freunde, Förderer und Interessierte tes und ein feines, in Spielzeugwelten einzutau- unserer Evangelischen Jugendbildungsstätte chen. So war das Plastik-Parkhaus mit integrierter Hackhauser Hof, Tank­­stelle, Hebebühne und Autofahrstuhl zweite sich erinnern zu können, kann viel Freude berei- Hei­mat für meine Matchbox-Autos und mich, ten. Weil im Rückblick als Eindampfung langer um als Spielleiter von allen Seiten zugegen zu Prozesse in kurze Episoden deutlich wird, was sein und zugleich en miniature in den veritablen wichtig war und was weniger. Wo Veränderung Rennern damaliger Zeit erstaunlichste Aben­teuer geschah, und wo etwas blieb, wie es war. zu erfahren und zu überleben. Nun ist eine Lehrerin nicht typisch als Referentin Allein eine Tatsache überschattete mein Herz: unserer hauseigenen Seminare, aber es geht um Wa­rum in Herrgotts Namen waren alle Autos die Mitarbeitenden, die hier tätig sind und ein Le- »Made in England« und kein eines aus Deutsch- ben und Lernen am Hackhauser Hof ermöglichen. land? Selbst die nicht, welche mit einem Stern, Nun ist ein Plastik – Parkhaus keine Jugendbil- einer Niere oder dem Wolfsburg-Emblem fuhren?! dungsstätte, aber es geht um Räume und Orte, in denen sich Leben und Lernen ereignet. Merkwürdig, nicht? Da wird man in einem roten Pfarrerhaushalt nach bestem Elterngewissen Nun ist ein siebenjähriges Kind nicht unsere antirassistisch, antichauvinistisch und superpazi- Haupt­zielgruppe, aber es geht um Menschen- fistisch erzogen, und ich undankbare Göre von kinder, die unsere Räume und Orte aufsuchen, sieben Jah­ren bin bis in die tiefste Seele betrübt, um hier zu le­ben und spielerisch (spielend?) zu dass Mat­chbox-Autos nicht »Made in Germany« lernen. sind, aber lassen wir das mal für dieses Vorwort auf sich beruhen… Denn wie dem auch sei, meine große Stunde schlug, als die Stiefmutter, ihres Zeichens Lehrerin, von einer mehrtägigen Klassenfahrt zurückkam. Im Gepäck Geschenke für die drei Kleinen. Für den einen Kleinen ein rechteckiger Karton. Im Karton ein motorisiertes Gerät. Das Gerät feuerrot. Zweigeschossig. Ein Doppeldecker-Bus. Wunderschön. Ich fuhr direkt los. Und nach einer ersten erfolgreichen Spritztour kam der Bus, wie es sich gehört, in die Inspektion. Auf die Hebe­bühne. Unter dem Chassis stand: »Made in London«. Da seufzte ich glücklich und erleichtert, und dachte mir: Endlich mal ein Fahrzeug, das in einer deutschen Stadt gebaut wird. Jahresrückblick 2010 Es geht um den Dreiklang von Menschen, dende begrüßen konnten. Zum anderen orien- Steinen und Bildung. Von ihnen handelt der tierte sich Astrid Block im April beruflich neu. Jahresbericht. Nach einem langen Bewerbungsverfahren gelang Und so ist von den Mitarbeitenden zu berichten: es uns, in Reinhard Ullrich die vakante Verwal- Auch weiterhin sind 20 Mitarbeitende in Haus- tungsleiterstelle neu zu besetzen. Frau Block gilt wirtschaft, Haustechnik, Verwaltung und als unser herzlicher Dank für ihre akribische Arbeit ReferentInnen für den Hackhauser Hof und die und ihr aufwändiges Kümmern rund um die Menschen, die ihn besuchen, tätig. Belegung. In ihre Zeit fällt die für den Verein so wichtige Phase der Schließung eines Koopera- Jeweils zweifach ereignete sich dabei das folgende: tionsvertrages mit der Evangelischen Kirche im Ihre 10-jährigen Betriebsjubiläen begingen die Rheinland sowie der Um– und Erweiterungsbau Leiterinnen der Hauswirtschaft, Birgit Voos, und der Bildungsstätte. der Verwaltung, Astrid Block. Ihre 15-jährige Zu­gehörigkeit feierten Jasmin Schneiders aus der In Reinhard Ullrich haben wir einen Nachfolger Verwaltung und Meggi Ganser aus der Hauswirt- gefunden, der 26 Jahre in der Verwaltung und schaft. In den langen Betriebszugehörigkeiten kommissarischen Leitung der Volkshochschule sehen wir einen Hinweis auf das gute Arbeitskli- Mettmann-Wülfrath tätig war. Er hat die erste ma und die Verbundenheit der Mitarbeitenden zu und zweite Verwaltungsprüfung absolviert, ist 53 unserem Haus. Jahre alt, verheiratet und Vater einer Tochter. Seit dem 01. Januar arbeitet er am Hackhauser Hof. Personelle Veränderungen ergaben sich zum Die Schnelligkeit, mit welcher er sich eingearbei- einen dadurch, dass Mandy Fürst ihre Prüfung tet hat, verblüfft und beglückt ebenso wie seine zur Hauswirtschafterin erfolgreich abschloss – freundliche, verbindliche, zielstrebige, humorvolle sie arbeitet inzwischen auf einer vollen Stelle in und loyale Herangehensweise an die zu erledi- einem Mönchengladbacher Heim – und wir in genden Aufgaben. Miriam Schötz im August eine neue Auszubil- Betriebsausflug nach Antwerpen 7 8 Jahresrückblick 2010 Alle Mitarbeitenden gemeinsam arbeiteten auf Einem minimalen Plus auf 2.329 Verpflegungs- einem Fortbildungstag zu den Möglichkeiten, sich tage bei den hauseigenen Seminaren (plus für die »Stiftung Hackhauser Hof« zu engagieren. 11) steht ein minimaler Rückgang auf 14.380 Beschlossen wurde auch das Wiederaufleben Verpflegungstage insgesamt entgegen (minus gemeinsamer, regelmäßig stattfindender Hausan- 54). Wie sich der Abschied vom Wehr- und dachten. Zivildienst und der neu geschaffene Freiwilligendienst auf unsere Belegungszahlen auswirken Schließlich wurde auf einem zweitägigen Mitar- werden, bleibt abzuwarten. beiterausflug die Stadt Antwerpen gemeinsam entdeckt. Von der Bildung ist schließlich zu schreiben: Die Bildungsarbeit im Jahr 2010 konnte mit 26 So ist vom Haus, den »Steinen«, zu berichten: thematischen Seminaren (plus 14), 13 Team – Frisch renoviert wurde der Freizeitbereich unter und Gruppenseminaren (minus 1) einen deut- einem unserer Gästehäuser im vergangenen lichen Ausbau verzeichnen und erfolgreich ge­- Sommer. Die Farbwahl nimmt das Hackhauser staltet werden. Insgesamt fanden 75 (plus 8) Grün auf, die Drei-Raum-Gestaltung folgt ihrer vom Team verantwortete Bildungsmaßnahmen, Funktion: Ein Bewegungsraum mit Zuschauer- Arbeitstagungen und Fachgremien statt. bänken, ein Spielcafe und ein Lounge-Bereich mit Theke erwarten unsere Gäste. Neben vielen bewährten Angeboten wie Kinderplanet, Juleica-Schulungen in ihren Ausfor- Auch organisatorisch hat sich im Haus einiges mungen und dem exemplarischen Arbeiten mit getan. Neu aufgestellt hat sich die Verwaltung. Schulen und Erzieherinnen war die Vorbereitung Ihre sechs Mitarbeitenden bilden drei Duos, des Jugendcamps der Evangelischen Jugend im welche sich ergänzen, vertreten, miteinander Rheinland prägend. Wie bei jedem Camp, war arbeiten. Neben dem »Empfang« gibt es die auch diesmal der Hackhauser Hof mit einem Teams »Belegung und Referentensekretariat« großen Team ehrenamtlicher Jugendlicher als sowie »Finanzen und Personal«. Den Mitarbeite- Café ZeitReich auf dem Jugendcamp. rinnen gelang durch die gehörige Aufstockung > siehe dazu auch den Bericht auf Seite 14 ihrer Arbeitszeiten sehr gut, die Vakanzzeit der Verwaltungsleitung zu kompensieren. Mit der Zudem scheinen sich neue Schwerpunkte un- erfolgreichen Einführung des »Hausmanagers« serer Bildungsarbeit herauszukristallisieren. Der werden nun alle Arbeiten rund um die Belegung theologische und religionspädagogische Bereich elektronisch bearbeitet. ist kräftig ausgebaut. Komplett neu gestaltet wurde außerdem der Neben der Juleica-Schulung mit dem Netzwerk Internetauftritt unserer Bildungsstätte. Das Jugendkirche wurde in Kooperation mit dem Ergebnis lädt unter der bekannten Adresse Päda­gogisch-Theologischen Institut in Bonn Bad- »www.hackhauser-hof.de« zu Besichtigung Godesberg zum ersten Mal eine Juleica-Schulung und Gebrauch ein. für Ehrenamtliche in der Konfirmandenarbeit angeboten. Diese Schulung erfährt 2011 ihre In einem für Tagungshäuser schwierigem Ge­ Wiederholung und im Seminar »Erlebnispädago- schäfts­­jahr ist es uns gelungen, die Zahl der Ver­ gik in der Konfirmandenarbeit« eine erstmalige pflegungs­tage nach einer deutlichen Steigerung Ergänzung. 2009 (plus 1.399) nahezu konstant zu halten: > siehe dazu auch den Bericht auf Seite 23 Jahresrückblick 2010 Auch fanden in Kooperation mit dem Hackhauser Zum Ende ein kleiner Ausblick auf das Hof mehrtägige Jugendgottesdienstwerkstätten laufende 2011: zu Jugendhausjubiläen, dem 400. Geburtstag Strukturell beschäftigt ist der Verein mit dem durch der Duisburger Generalsynode und als offenes die Landeskirche initiierten Sparprozess, welcher alle Seminar statt. Ein Werkstatttag an der KiHo landeskirchlichen Einrichtungen einer Aufgabenkri- Wuppertal gemeinsam mit dem Amt für Jugend- tik mit dem Ziel unterzieht, bis 2022 insgesamt 10- arbeit und den Arbeitsstellen für Gottesdienst und bis max. 30 % an Kosten eingespart zu haben. Kindergottesdienst unterstreichen den Befund eines Aus­baus dieses Bereiches und die Wichtig- In der inhaltlichen Ausrichtung der hauseigenen keit, sich intensiv mit der Erarbeitung attraktiver Seminarangebote und Gestaltung der Hausfüh- Gottesdienstmodelle zu beschäftigen rung wird ein Maßstab der sein, inwiefern unsere > siehe dazu auch den Bericht auf Seite 20 Arbeit den Kriterien, missionarisch Volkskirche zu sein, entspricht. Stark gefragt ist auch, in Kooperation mit der Inhaltlich wirft der Kirchentag in Dresden seine Arbeitsgemeinschaft Evangelischer Jugend Ehren­- Schatten voraus. Nach einer erfolgreichen Bewer- amtliche kleiner Verbände auszubilden: Die bung um die Teilnahme am Zentrum für die Ju- Kopten waren und sind zu Gast, die alevitische gend nimmt unser Themencafé Café HerzSchlag Jugend, der Bund orthodoxer Jugend sowie Kore- Konturen an und Fahrt auf. Hilfreich wird hierbei aner. Mit dieser Arbeit wird unsere Bildungsarbeit unsere Erfahrung vom Jugendcamp 2010 mit dem im interreligiösen und interkulturellen Kontext Café HerzSchlag sein. abermals akzentuiert. > siehe dazu auch den Bericht auf Seite 16 Leben und lernen im Grünen. Dabei die Bewegung einer Ellipse mit zwei Brennpunkten aufneh- Schließlich beschäftigt der Bereich »Sexualpä- men, nämlich sowohl als Teil unserer Landeskirche dagogik« zunehmend. Sexualität ist ein bestim- »missionarische Volkskirche« sein, als auch als mendes Thema im Kindes- und Jugendalter. Hinzu außerschulische Bildungsstätte den Ideen und kommt die mediale Präsens, hervorgerufen durch Rahmenbedingungen des Kinder- und Jugend- die Fälle sexueller Gewalt in öffentlichen Einrich- planes entsprechen – das wird die Aufgabe der tungen, und die sich anschließende Debatte, wie Evangelischen Jugendbildungsstätte Hackhauser die Evangelische Kirche und die Evangelische Hof e. V. sein. Jugend im Rheinland darauf rea­gieren wollen. Karl Hesse > siehe dazu auch den Bericht auf Seite 10 Mit Sorge bemerken wir lediglich, dass die Bereitschaft, sich als Ehrenamtliche speziell für das Leiten und Begleiten von Freizeiten zu qualifizieren, sinkt. Zugleich bleibt die Anzahl an von Gemeinden angebotenen Freizeiten gleich hoch; ebenso der Betreuungsschlüssel der Teilnehmenden durch Ehrenamtliche. Die Kombination beider Befunde legt die Vermutung nahe, dass ein Qualitätsmerk­mal Evangelischer Jugendarbeit bröckelt: die Kom­­bination aus gutem Betreuungsschlüssel mit qualifiziertem Personal. 9 10 Standpunkt Standpunkt der Evangelischen Jugendbildungsstätte Der öffentliche Diskurs zum Kindes- und Jugend­ Eine Sexualpädagogik, die sich im Schutzauftrag schutz ist vor dem Hintergrund der Berichter- vor sexuellen Grenzüberschreitungen erschöpft stattung grenzüberschreitender Vorfälle gegen- wird den Lebens- und Liebesthemen von Jungen wärtig von einer erhöhten Sensibilisierung, aber und Mädchen nicht gerecht. Sie gaukelt ledig- auch einer tiefen Verunsicherung geprägt. In lich trügerische Sicherheit vor. Wir müssen mehr diesem Zusammenhang rückt das die professio- leisten. Das bedeutet, auch die lebensbejahende, nelle pädagogische Arbeit durchweg kennzeich- persönlichkeitsfördernde Begleitung von psycho- nende Spannungsfeld von Nähe und Distanz sexuellen Themen in den Blick zu nehmen. Für in den Fokus des öffentlichen, aber auch des unseren Jugendverband und unsere Kirche liegt fachspezifischen Interesses. Sich diesem Diskurs die Chance folgerichtig in der Installation und Eta- zu stellen, ist für die Kinder- und Jugendarbeit blierung einer ganzheitlichen Sexualpädagogik, unabdingbar. Es ist eine Herausforderung. Und die Kinder und Jugendliche in der Balance von es ist eine Chance. Begleiten, Ermutigen und Schützen wahrnimmt. Fünf gute Gründe für eine ganzheitliche Sexualpädagogik 1.Die sexuelle Entwicklung von Kindern und Jugendlichen ernst nehmen Unsere Aufgabe ist es, diese Themen mit all den Sexualpädagogisches Arbeiten liegt in der Tat- Zwischentönen, Unsicherheiten, Widersprüchlich- sache begründet, dass Kinder und Jugendliche keiten und Unvollkommenheiten kommunizierbar eine psychosexuelle Entwicklung durchlaufen, zu machen, um eine Kultur zu etablieren, in der während derer sie genau wie für andere Bereiche über Sexualität gesprochen werden kann. 1 Denn körperlichen, seelischen, geistigen, sozialen und ein solch enttabuisiertes Feld wirkt präventiv. spirituellen Wachstums, der Unterstützung und Förderung durch Erwachsene bedürfen. Sexuali- 2.Missbrauchsprävention ist ohne tät wird gelernt. Sexualität ist Lebensenergie und Sexualpädagogik nicht möglich in allen Phasen des Lebens aktiv. Infrastrukturmaßnahmen wie Krisenmanagement und Entwicklung von Qualitätsstandards Kinder und Jugendliche brauchen eine sexual- sind notwendige und sinnvolle Reaktionen auf freundliche Begleitung, die sie in ihren Erfah- den momentanen Missbrauchsdiskurs. Präven- rungen im Umgang mit Bedürfnissen, Sexualität, tion kann nicht ohne Intervention stattfinden, Körper, Sinnlichkeit, Zärtlichkeit, Beziehungen, es bedarf einer Einbettung in Netzwerke und Geschlechtlichkeit und unterschiedlich heftigen Hilfsmaßnahmen. 2 Gefühlen wahrnimmt und ernst nimmt. Diese Erfahrungen sind sexuelle Lernfelder, denn sie Um die Nachhaltigkeit dieser Maßnahmen zu schaffen ein bestimmtes Körper- und Lebensgefühl gewährleisten, ist die Installation einer ganz- und fördern die Beziehungs- und Liebesfähigkeit. heitlichen Sexualpädagogik notwendig. Es geht Sexualpädagogik darum, eine Kultur von Aufmerksamkeit und wertgefühls von Kindern und Jugendlichen zu Kommunikation zu schaffen - eine Kultur des Hin­- legen. Dabei ist eine kontinuierliche, altersange- schauens und des Miteinandersprechens über Sex­- messene und strukturell verankerte präventive ualität in ihrer Vielschichtigkeit zu entwickeln. 3 Pädagogik notwendig. Prävention ist eher eine pädagogische Haltung als eine zeitlich begrenzte Maßnahme. 3.Theologische Überlegungen Nach evangelischem Verständnis ist Sexualität »Präventionskonzepte, die gegen sexuellen eine gute Gabe Gottes und gehört zum Men- Missbrauch arbeiten, aber ohne explizit sexuelle schen in jeder Phase seines Lebens. In den Texten Bezüge aufzuklären, erreichen alles Mögliche, aber der Bibel wird der Mensch als Einheit von Körper, keine erfolgreiche Präventionsarbeit gegen sexu- Seele und Geist gesehen. Sexualität ist eine von ellen Missbrauch. Deshalb sollte die Erfassung des Gott geschenkte Lebenslust – eine Macht, die Sexualwissens, die konkrete und korrekte Bezeich- das Leben reicher, voller und schöner machen nung der Genitalien ebenso Standard sein wie die kann. Sie bietet eine kraftvolle Möglichkeit zur kindliche Sexualität und Jugendsexualität.« 4 zwischenmenschlichen Beziehung. Sexualität kann aber auch zum Instrument von Unterdrü- Es geht darum, die sexuelle Selbstbestimmung von ckung, Ausbeutung und Missbrauch werden. Zu Kindern und Jugendlichen zu fördern, ihren verant- einer erfüllenden Sexualität gehört immer auch wortlichen Umgang mit sich selbst und anderen, die Wahrnehmung von Verantwortung gegenü- sie sprachfähig mit sexuellen Themen werden zu ber sich selbst und dem anderen. Das Gebot Jesu lassen, sie sexuell aufzuklären. Dies ist nicht nur im »Liebe deinen nächsten wie dich selbst« ist der Kontext zur Prävention von sexueller Gewalt von Maßstab für verantwortlich gelebte Sexualität. 6 Bedeutung, sondern zielt gleichzeitig auf den Erwerb von Lebenskompetenz. Eine ganzheitliche Se- Nach evangelischem Verständnis geht es in xualpädagogik legt die Basis für diese Lernprozesse. Konsequenz der theologischen und anthropo- Sie spricht Sexualitätsthemen umfassend in ihren logischen Voraussetzungen von Welt um die Frei- Facetten an: die schönen und lustvollen und die heit der Kinder Gottes und damit um den Geist Schattenseiten. Sexualität als bloßes Schreckensfeld der Liebe, der Freiheit und des Vertrauens. 7 und potentielle Gefahr darzustellen ist nicht nur falsch und läuft den menschlichen Grundbedürfnis- Aus diesem Grundverständnis ist es sen zuwider, sondern wird Kinder und Jugendliche unsere Aufgabe, Kinder und Jugendliche in außerdem noch mehr verunsichern, als zu ihrem einem ganzheitlichen Verständnis von Sexuali- Schutz beitragen. Das Spannungsfeld von sexueller tät, welches sowohl Körper, Geist und Seele als Selbstbestimmung und gleichzeitigem Schutz vor Einheit wahrnimmt, zu fördern und sie auf ihrem Gefahren ist für die pädagogische Begleitung eine Weg zu sexueller Selbstbestimmung und Verant- besondere Herausforderung. Festzuhalten ist, dass wortlichkeit zu begleiten und zu unterstützen. keine noch so gute Missbrauchsprävention die Verantwortung für den Schutz an die Opfer delegieren 4.Sexuelle Rechte – eine Grundlage für kann und darf. Kinder und Jugendliche sind Schutz- Sexualpädagogik befohlene. Die Verantwortung für die Verhinderung Rechte und Schutz von Kindern und Jugendlichen sexuellen Missbrauchs liegt einzig und allein bei den Das Recht auf Selbstbestimmung ist im Grundge- Erwachsenen. setz in Artikel 1 verankert. Das gilt auch für das 5 Recht auf sexuelle Selbstbestimmung und Schutz Unsere Aufgabe ist es, den Fokus auf die vor Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestim- Selbstwirksamkeit und die Stärkung des Selbst- mung (StGB). Das Rechtsgut ist die ungestörte 11 12 Sexualpädagogik sexuelle Entwicklung. In der Definition der sexu- 5. Sexualpädagogik: eine elementare ellen Rechte der Weltgesundheitsorganisation Aufgabe unseres Jugendverbandes und (WHO) von 2006 ist auch das Recht auf Sexual- unserer Kirche aufklärung und -erziehung explizit benannt. Außerschulische Bildungsorte sind von Kinder und Jugendlichen mitgestaltete, freiwillig be- Sexualerziehung ist in Deutschland Teil des schu- suchte und gestaltungsoffene Räume. In ihnen lischen Erziehungsauftrages und in allen Lehrplä- treten Mädchen und Jungen aktiv in Beziehung: nen fester Bestandteil (gesetzliche Grundlegung Der erste Kuss auf einer Ferienfreizeit, der Aus- 1977). Heute bildet das Schwangeren- und Fa- tausch mit den Freunden und Freundinnen über milienhilfegesetz (SFHG) von 1992 die entschei- sexuelle Themen, jenseits von elterlicher oder dende gesetzliche Grundlage für schulische und schulischer Aufklärungsinitiative, das Ausprobie- außerschulische Sexualaufklärung. ren der eigenen Geschlechterrolle und -identität. Jugendverbände bieten wichtige Übungsfelder »Sexualaufklärung … soll mehr sein als nur Wis- für »Nähesuchen und Distanzfinden, für die Re- sensvermittlung über biologische Vorgänge und flexion über das, was einem in Partnerschaft und die Technik der Verhütung, sie muss emotional in der Sexualität wichtig ist« 10 und eignen sich in ansprechend sein und die vielfältigen Bezie- diesem Sinne hervorragend als selbstgestalteter hungsaspekte, Lebensstile, Lebenssituationen Raum für sexuelle Bildungsprozesse. und Werthaltungen berücksichtigen. [ … ] Um vielfältige und vielseitige personale Kommuni- »So kann sexuelle Bildung als Selbsttätigkeit kation zu praktizieren, bedarf es qualifizierter begriffen werden, bei der Mädchen und Jungen Multiplikatoren in den Kontaktfeldern der anzu- einen wichtigen Teil ihrer Kernidentität entwi- sprechenden Zielgruppen.« ckeln. Sie erfahren ihren Körper als kraftvoll, 8 üben sinnlichen Umgang mit sich selbst und Im Unterschied zur Schule sind sexualpädago- anderen, der das Selbstwertgefühl stärkt, sie gische Bildungsangebote im Jugendverband kein erfahren und setzen dabei zugleich Grenzen, bil- eigenständiges öffentliches Erziehungsrecht. Das den Resilienz, also Widerstandsfähigkeit aus. Mit heißt, die Teilnahme an den Angeboten hängt anderen Worten: Kinder bilden sich in diesem von der Zustimmung der Eltern ab. Daraus ergibt Sinne von Anfang an und legen die körperliche, sich ein Konfliktpotential: emotionale und soziale Basis für weitergehende Als Jugendverband der sich der Selbstbestim- Lernprozesse in und mit ihrer Umgebung.« 11 mung von und der Parteilichkeit für Jugendliche verpflichtet fühlt, stellt sich uns die Frage, Dies gelingt durch fachliches Wissen und Fortbil- warum es Jugendlichen ab 14 Jahren im Prinzip dung, Selbstreflexion, Wissen um eigene Ängste, gestattet ist, über ihre Sexualität frei zu verfü- Unsicherheiten und Stärken als auch durch die gen, über ihre Religionszugehörigkeit zu ent- richtige Verschränkung von Nähe und Distanz. scheiden sowie sie wegen eines Verstoßes gegen Professionalität im Umgang mit Nähe und das Strafgesetzbuch zu bestrafen, ihnen zugleich Distanz kann und darf sich nicht einseitig auf aber nicht zu gestatten, selbst zu entscheiden, das Einhalten von Distanz beschränken, weil zu ob und an welchem sexualpädagogischen Ange- tragfähigen pädagogischen Beziehungen ebenso bot sie teilnehmen möchten. 9 das sich Einlassen, sowie das Freilassen und das reflektierte Abstandhalten gehören. Unser Bildungsauftrag, verankert im Kinder- und Jugendhilfe Gesetz (KJHG), bezieht ausdrücklich Um diesen Bildungsauftrag wahrzunehmen, bedarf auch das Recht auf sexuelle Bildung mit ein. es einer Verankerung sexualpädagogischer Aus- und Sexualpädagogik Fortbildung für die haupt- und ehrenamtlich Täti- Sexualpäd. Fortbildungen im Hackhauser gen in der Kinder- und Jugendarbeit. Unsere Auf- Hof 2011/2012 gabe ist es, Sexualpädagogik als elementaren Auftrag in unserer Arbeit konzeptionell zu für Hauptberufliche verankern und durch Fortbildung zu sichern. > 16. – 18. März 2011 Sexualpädagogik der Vielfalt Anja Franke > 19. Oktober 2011 Vom Hohen Lied der Liebe oder Sexualpädagogik meets Theologie > September 2012 bis März 2013 Sexualpädagogik in der Kinder- und Jugendarbeit: eine mehrteilige Basisqualifikation in Kooperation mit dem isp (Institut für Sexualpädagogik) Für Ehrenamtliche > 21. – 23. Oktober 2011 Grabbelsack, Kondomführerschein & Co – ein sexualpädagogisches Methodenseminar > 10. – 12. Februar 2012 Kindeswohl – Kindesschutz Literatur >Barabas, Friedrich (2008): Jugendrecht und Sexualerziehung. In: Schmidt, Renate-Berenike/Sielert, Uwe (Hrsg.): Handbuch Sexualpädagogik und sexuelle Bildung. Weinheim: Juventa-Verlag >Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (2010): Jugendsexualität. Repräsentative Wiederholungsbefragung von 14- bis 17-Jährigen und ihren Eltern, Köln >Sielert, Uwe (2010): Kontrolle allein reicht nicht – vom Umgang mit Nähe und Distanz, Macht und Erotik in pädagogischen Beziehungen. >Thoss, Elke (2008): Sexuelle Rechte – eine Grundlage weltweiter sexueller Bildung. In: Schmidt, Renate-Berenike/Sielert, Uwe (Hrsg.): Handbuch Sexualpädagogik und sexuelle Bildung. Weinheim: Juventa-Verlag >Damrow, Miriam K. (2010): Was macht Prävention erfolgreich? Zur Kritik klassischer Präventionsansätze und deren Überwindung. In: BZgA Forum Sexualaufklärung und Familienplanung 3-2010. Köln >Wanzeck-Sielert, Christa (2009): Sexuelle Bildung und Erziehung in der Grundschule. In: BZgA Forum Sexualaufklärung und Familienplanung 3-2009. Köln >Evangelische Kirche im Rheinland (2007): Mit der Frau nicht gegen sie. Schwangerschaftskonfliktberatung, Schwangerenberatung und Sexualpädagogik aus Evangelischer Sicht. Düsseldorf Fußnoten >Gnielka, Martin (2011): Sexualpädagogik in der katholischen Jugend(verbands)arbeit. Eine Standortbestimmung im Kontext der neuen Missbrauchsdebatte. In: deutsche jugend 4-2011. Weinheim: Juventa-Verlag >Institut für Sexualpädagogik (2010): Standpunkt des Instituts für Sexualpädagogik zur Debatte um den sexuellen Missbrauch. Dortmund >Keil, Siegfried (2008): Evangelische Sexualethik und sexuelle Bildung. In: Schmidt, Renate-Berenike/Sielert, Uwe (Hrsg.): Handbuch Sexualpädagogik und sexuelle Bildung. Weinheim: Juventa-Verlag >Sielert, Uwe (2005): Einführung in die Sexualpädagogik. Weinheim und Basel: Beltz Verlag Vgl.Gnielka (2011), S. 154 Die Evangelische Jugend hat hierzu einen Katalog für strukturelle Maßnahmen entwickelt: Eindeutige Positionierung der Organisation gegen sexuelle Gewalt, Klare Regeln zum Umgang mit Mädchen und Jungen (freiwillige Selbstverpflichtung), Leitlinien zum Vorgehen im Verdachtsfall, Schulung und Fortbildung für alle Mitarbeiter/innen, Beschwerdestrukturen, z. B. Ansprechstellen (intern und extern). 3 vgl. Standpunkt des isp zur Debatte um den sexuellen Missbrauch (2010) 4 Damrow (2010), S. 26. 5 vgl. Damrow (2010) 6 Evangelische Kirche im Rheinland (2007), S. 30 7 Keil (2008), S. 174 8 Ausführung durch das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. Mai 1993 zum Paragrafen 218 StGB 9 vgl. Barabas (2008), S. 522 10 Gnielka (2011), S. 155 11 Wanzeck-Sielert (2009), S. 22 1 2 13 14 Jugendcamp in Idar-Oberstein Feuer fangen für eine Idee – Hackhauser Hof on Tour mit dem Cafe ZeitReich Es war klar, dass der Hackhauser Hof beim Ju- konkret wurde, sprudelten die Ideen: Zeitgärten gendcamp in Idar Oberstein vom 3. – 6. Juni wie- basteln und damit auf Gedankenreise gehen, der ein Angebot macht. Seit dem ersten Camp in Rhythmus- und Tanzworkshop, slow motion - Altenkirchen haben wir immer ein Themencafe Wanderungen bei Tag und bei Nacht, Material- und darauf bezogene Aktionen gewählt. Gleich - und Textcollagen zu verschiedenen Zeit-Themen wie in den Jahren zuvor - war auch das Konzept, und nicht zuletzt die chill-out-zone. mit Ehrenamtlichen gemeinsam ein Team zu bilden. Diese Kombination ermöglicht uns als Mit den Zeit-Themen-Tafeln, die wir zum Ge- Jugendbildungsstätte das, was unser Tagewerk stalten an verschiedene Jugendgruppen wei- ist, weiterzutragen und erlebbar zu machen, tergaben, und die anschließend als Ausstellung nämlich aufmerksame und zugewandte Gastge- in unserem Cafe zusammenfanden, gab es die berInnen eines Treffpunktes zu sein, Angebote Chance zu kreativen O-Tönen aus dem Alltag zu machen, bei denen Inhalte mit Methoden von Jugendlichen (man findet sie jetzt im Trep- verknüpft werden und so Ideen für die Praxis vor penhaus und im Büroflur unseres Altbaus). Ort zu multiplizieren. Ein Super Team Aller Anfang ist schwer In Mönchengladbach, Heiligenhaus und Lever- Für das im Programm ausgeschriebene Planungs- kusen fanden wir dann ehrenamtliche Mitstrei- seminar gab es kaum Anmeldungen. Deshalb terInnen, die sich für die Idee begeisterten, ein nutzte das Dreierteam Anja Franke, Karl Hesse großes Zeit-Budget zur Verfügung stellten und und Luise Pawlowsky das angesetzte Wochen- ihre vielfältigen Talente mit in den Ring warfen. ende für eine Ideenfindungs- und Organisations- Einen Küchenbetrieb managen, eine Service- werkstatt, um dann anschließend gezielt ehren­- Kultur entwickeln, die musikalischen Talente in amtliche MitstreiterInnen zu gewinnen und Workshops und in einen Auftritt einbringen, vorzubereiten. kleine Themenwanderungen zu inszenieren, das alles machte mit hoch motivierten, engagier- Die Magie einer Idee ten und belastbaren Jugendlichen und jungen Das Motto des Camps »facettenreich und fel- Erwachsenen viel Spaß. senfest«, das dem Veranstaltungsort abgespürt war, inspirierte uns nur insofern, dass wir den Wir als Leitungsteam waren neben der Mitwir- Facettenreichtum eines Themas durchspielen kung in der Küche und der Workshopleitung für wollten. Mit unserem Titel »Cafe ZeitReich« Planung, Organisation, Logistik, Finanzen, Equip- fanden wir ein Thema, das uns ermöglichte, von ment, Einkauf und Dekoration zuständig – und der Speisekarte über die Dekoration bis zu den nicht zuletzt für das Unvorhersehbare. Workshops einen Themenfaden zu spinnen. Die Selbstreflexion und Inspiration im Umgang mit Die Magie des Ortes Zeit, war uns ein Anliegen, weil wir uns mit den Was unseren Veranstaltungsort anging, klopften sich verändernden Zeitbudgets von Jugendlichen wir an viele Türen und fünf vor zwölf öffnete als BesucherInnen und Mitwirkenden in der sich dann doch noch das Bistro in der Mercator Kinder- und Jugendarbeit ständig beschäftigen. Veranstaltungshalle mit Terrasse. Das war eine Slow food, fast food, Eiszeit, Brotzeit … wenn es Top-Location und unser Glück. Günstige Lage in Jugendcamp in Idar-Oberstein der Nähe anderer Veranstaltungsorte des Camps, wir ein »Cafe HerzSchlag« mit (fast) demselben gut ausgestattet mit Küche, Geschirr und Möbeln. Team anbieten werden. Direkt am Waldrand – der Kontrast Betonstadt / Zivilisation und Natur / Gebirge passte zu unse­ Natürlich haben wir den Umgang mit unseren rem Anliegen, und prägt ja auch die Stadt Idar- eigenen Zeitbudgets vor während und nach Oberstein. Der Ort ist der dritte Lehrer – das ken- Idar-Oberstein kritisch reflektiert. Ein Cafe nen wir gut, und bei durchgehendem Sonnen- ZeitReich war ein Zeitschlucker, nicht nur weil schein erst recht. es von 10:00 – 24:00 Uhr durchgehend geöffnet war. Aber wenn so ein Laden erst mal läuft und Fazit angenommen wird, dann überwiegt das Gefühl Das Konzept hat gegriffen, wir hatten viele, von gewonnener Zeit. Und dieses Gefühl teilten mehr als zufriedene BesucherInnen. Alle Work- wir mit vielen unserer BesucherInnen. shops fanden statt. Am Abschlussabend platzte unser Cafe beim spontan organisierten Konzert Hinweis der Gruppe »Megamania« aus allen Nähten. Die Methode: Mit »Zeitgärten« arbeiten, kann man auf www.hackhauser-hof.de Wir haben als Team eine Lektion in Sachen Pro- unter Downloads nachlesen. jektmanagement gelernt und werden das know how beim Kirchentag in Dresden nutzen, wo Luise Pawlowsky 15 16 Juleica Diversity Gruppen leiten lernen – Juleica Diversity mit Verbänden Junger MigrantInnen (VJM) Der vorliegende Beitrag stellt in einem ersten Teil die Sozialisation von Jungen und Mädchen zu Erfahrungen mit Methoden aus der Juleica-Schu- vergleichen. Sie ermöglicht andererseits die Ent- lung mit Verbänden Junger MigrantInnen (VJM) wicklungen von der Alterstufe im Grundschul- vor. Reflektiert werden Erfahrungen, die sich auf alter zur Vorpubertät und Pubertät (11 bis 14 Qualifikationsmaßnahmen der Evangelischen Jahre) zu realisieren. Auf einer zweiten Ebe- Jugendbildungsstätte Hackhauser Hof beziehen, ne bietet die Methode die Chance, zwischen an denen zu gleichen Teilen junge Ehrenamtliche Jungen- und Mädchensozialisation, zwischen der Evangelischen Jugend im Rheinland und an- mit und ohne Migrationshintergrund, Vergleiche gehende Imame des Verbands Islamischer Kultur- anzustellen. Dabei können gleiche und unter- zentren teilgenommen haben. Die Ausführungen schiedliche Erfahrungen thematisiert, reflektiert gehen weiterführend auf Juleica-Kurse von und bewertet werden. In einem weiteren Schritt Mitarbeitenden des orthodoxen Jugendbundes setzen sich die Ehrenamtlichen dann mit der Ge- und der Koptischen Jugend ein. genüberstellung ihrer eigenen Kindheit und der Wahrnehmung von Kindern und Jugendlichen In einem zweiten Teil werden konzeptionelle heute auseinander: »Was sagt ihr, wenn ihr an Überlegungen angeführt, den Ansatz von eure eigene Kindheit denkt und an die Kinder im Juleica Diversity auf die Grundschulungen von Alter von 6 bis 10 Jahren heute?« Die Leistung Mitarbeitenden aus VJMs zu beziehen. der Übung besteht in der Schulung eines differenzierten Blicks. Sinn der Übung ist es, Mitarbei- Kinder- und Jugendgruppen im Blick tende für die anvertrauten Zielgruppen zu sen- Was habe ich als Mädchen im Alter von 6 bis 10 sibilisieren, um auf Kinder- und Jugendgruppen Jahren gern gemacht? Was habe ich als Junge in sowohl als soziale Größe als auch individuell auf dem gleichen Alter gern gespielt? und weiter- Einzelne eingehen zu können und eine aufmerk- führend: Was habe ich von wem gebraucht? So same zugewandte Haltung zu entwickeln. lautet während des Juleica Grundkurses die Aufgabenstellung der Übung »Die Gruppe im Blick Das Trainieren und Erproben, Gruppen zu mo- haben und den / die TeilnehmerIn nicht aus dem derieren, nämlich einen Ausflug gemeinsam mit Auge verlieren« 1. Mit ihr reflektieren angehende einer Gruppe planen oder ein Spiel anzuleiten, GruppenleiterInnen einen eigenen Lebens- gehört als Weiteres zum Übungsfeld der Juleica abschnitt. Erlebnisse und Erfahrungen in der Ausbildung. Ein Beispiel: Zwei Teilnehmende be- Rückbesinnung noch einmal lebendig werden zu kommen die Aufgabenstellung, mit einer Gruppe lassen, beabsichtigt, eine empathische Haltung eine Willkommensparty zu organisieren. Neben gegenüber den altersspezifischen Bedürfnissen der Herausforderung der Gesprächsstruktur von Kindergruppen zu entwickeln. Sind die geht es im Rollenspiel um die Berücksichtigung Mitarbeitenden im Kontakt mit der eigenen einzelner Interessen und deren Einflussnahme. Kindheit, können sie sensibel wahrnehmen, was In der Auswertung lernen die Teilnehmenden im Kindern und Jugendlichen gut tut und was sie Umgang mit dem Feedback, ihr eigenes Lei- an Orientierung, Freiheit, Fürsorge, Geborgen- tungsverhalten zu beurteilen. heit, Selbstständigkeit, Zumutung, Beteiligung und Mitbestimmung brauchen. Die Gegenüber- Für Verbände Junger MigrantInnen (VJM) aus stellung der Ergebnisse ermöglicht einerseits dem Bereich der Koptischen Jugend sowie des Juleica Diversity Orthodoxen Jugendbundes sind Katechese ganz besonderem Maße auch auf die ideelle Un- und Gottesdienst in der Arbeit mit Kindern terstützung der Priester und leitenden Gemein- und Jugendlichen von großer Bedeutung. Im demitglieder angewiesen. Das bedeutet, dass Juleica-Grundkurs können die Mitarbeitenden bei den Jugendlichen vor allem kommunikative freizeitpädagogischen Fragestellungen, wie den Kompetenzen gefragt sind, um Menschen zu ge- kindlichen Bedürfnissen nach Erholung, Bewe- winnen, die sie in ihrem Anliegen unterstützen. gung und Ruhe sowie den Möglichkeiten von Kommunikation in der Gruppenleitung macht Partizipation und altersgemäßer Bildungsanre- sich nicht nur auf die Bedingungen gelingenden gung nachgehen. Umgangs mit Gruppen deutlich. Die Arbeits- 2 einheit vermittelt grundlegende Fähigkeiten Aufgrund weitläufiger Einzugsbereiche der der Gesprächsführung. Diese sind auch auf der Gemeinden und erheblichen Entfernungen strukturellen Ebene hilfreich. Schließlich geht es zwischen einzelnen Standorten stehen die darum, den Aufbau und die Etablierung eines VJMs vor besonderen organisatorischen He- Jugendverbands politisch zu realisieren. Auf rausforderungen. Die praktische Jugendarbeit gesellschaftspolitischer Ebene handelt es sich um der Koptischen Jugend und des Orthodoxen die Anerkennung als gleichberechtigter Jugend- Jugendbundes konzentriert sich hauptsächlich verband unter anderen Verbänden beispielsweise auf Veranstaltungen am Wochenende und in bei der Partizipation an finanziellen Mitteln. den Ferien. Es gibt zweitägige Jugendtreffen und Freizeitmaßnahmen. Hier sind eigene Konzepte Was heißt Diversity in der Grundschulung und Praxiselemente gefragt. Für die Gruppenlei- von Ehrenamtlichen aus VJMs? terInnenschulung bedeutet dies, die Aufgaben- Bei dem hier vorliegenden Ansatz der Juleica Di- stellung beispielsweise bei der Arbeitseinheit versity geht es um eine Pädagogik der Anerken- Programmplanung und -entwicklung entsprech- nung, die man in Anlehnung an Paul Mecheril end der Bedingungen der VJM im Sinne eines als Pädagogik der kritischen Differenzsensibilität eigenen Projektmanagements zu formulieren. 3 bezeichnen könnte. Als Kennzeichen einer sol- Ein Beispiel lautet: Plant gemeinsam mit einer chen Pädagogik wären eine Reflexive Pädagogik Gruppe einen Grillabend mit Programm. der (nicht verhindernden) Mehrfachanerkennung und eine Didaktik der Differenzsensibilität auf Während in Juleica-Grundschulungen mit dem Hintergrund eines Gleichheitsgrundsatz 4 zu Teilnehmenden aus der evangelischen Jugend benennen. im Baustein Umgang mit schwierigen Situationen – Konfliktbearbeitung Fallbeispiele aus der Dieser Ansatz einer Pädagogik der Sozio-Diver- konkreten Praxis der Gruppenarbeit thematisiert sität 5 verschränkt das Prinzip der Gleichheit mit werden, geht es bei den sich im Aufbau befin- dem der Unterschiedlichkeit. Die Verbindung denden Verbänden um Klärung von schwierigen beider Prinzipien ist reflexiv auf ihre Diskrimi- Situationen im Bereich von Struktur, Organisati- nierungs-, Ausgrenzungs- und Machtvertei- on, Kommunikation und Finanzierung. Die Mit- lungsaspekte zu untersuchen. So könnte die arbeitenden müssen ohne Unterstützung durch Frage lauten: Wie wird den Beteiligten Respekt hauptberufliche Kräfte zurechtkommen. Alle entgegengebracht, wie werden Autonomie, Arbeiten, ob pädagogisch oder administrativ, lei- Partizipation und Selbstachtung ermöglicht, sten sie ehrenamtlich. Zudem sind die im Aufbau wie verhindert? Weitergehend könnte sich die befindlichen VJMs, was Ausstattung, Material Frage anschließen: Welche Folgen ergeben sich und Sachmittel betrifft, bislang finanziell sehr be- daraus? Zudem lassen sich die Fragen person- grenzt ausgestattet. Die Ehrenamtlichen sind in ell, institutionell und gesellschaftsstrukturell 17 18 Juleica Diversity durchdeklinieren. Es geht in der Analyse um die verlaufen. Dies erfordert eine Grundhaltung der Reflexion von Machtverhältnissen deren Repro- Seminarleitung, die dies realisiert und im Blick duktion und deren Konsequenzen. So kann der hat. Strukturell sollte die Sozio-Diversität auch im Grundsatz der Gleichheit in Ungleichheit um- Leitungsteam vertreten sein, zum Beispiel Mann schlagen, wenn eine Gleichbehandlung lediglich und Frau, mit und ohne Migrationshintergrund. einer Bestätigung bestehender Dominanzverhältnisse dient. Zum Beispiel: Alle bekommen das Anstatt eines Fazits: Sozio-Diversity als gleiche Essen, obwohl es in der Seminargruppe Grundhaltung in der Seminarleitung und in TeilnehmerInnen gibt, die aus religiösen Grün- der Auswahl der Methoden. den kein Schweinefleisch oder aus ethischen Worauf es in der Leitung der Qualifikationsmaß- Gründen kein Fleisch essen oder aus gesund- nahme primär ankommt, ist die Selbstauseinan- heitlichen Gründen eine andere Kost brauchen. dersetzung und Reflexion der Seminarleitung. »Gerechtigkeit … muss an eine Achtsamkeit für Welche Einstellungen, Verhaltensweisen und Unterschiede geknüpft sein, weil ansonsten jene Erfahrungen beeinträchtigen oder verhindern benachteiligt werden, die nicht der dominanten eine differenzsensible Wahrnehmung der Semi- Lebensform zugehören.« Gleichzeitig ist die nargruppe, welche fördern sie? Ist der Gleich- Sensibilität für Unterschiede auf den Gleich- heitsgrundsatz gewahrt ohne abzuwerten oder heitsgrundsatz angewiesen, um zu verhindern, auszugrenzen? Es gilt eine rassismuskritische dass unter Hinweis auf die Anerkennung von Haltung 7 durch Selbst-Reflexion einzunehmen. 6 Vielfältigkeit gerade bestehende Ungerech- Die Haltung bewährt sich in der Interaktion mit tigkeiten gerechtfertigt werden. Zum Beispiel: der Gruppe und dem/der Einzelnen. Sie hat für Einige Mitarbeitende sind älter. Sie stehen mitten die Gruppe Vorbildcharakter und kann in das im Beruf und haben bereits längere Erfahrungen Repertoire des Leitungsverhaltens der Ehrenamt- in der Arbeit mit Gruppen gesammelt. Andere lichen übernommen werden. werden gerade 16 Jahre alt und gehen noch zur Schule. Sie stehen auf dem Sprung, Gruppen zu In der Zusammenarbeit mit der Koptischen Ju- übernehmen, verfügen aber noch nicht über die gend und dem Orthodoxen Jugendbund geht es Erfahrungen, Gruppen zu moderieren und zu lei- im Juleica Grundkurs auf personeller Ebene um ten. Das Alter und die Erfahrungen prädestinie- die Anerkennung der Person als Mann, Frau, or- ren jedoch nicht von vornherein für die Leitung thodox, StudentIn, Ärztin, Single, Ehefrau, Vater, einer Gruppe. Unabhängig davon sind zudem ehrenamtliche MitarbeiterIn, Mehrsprachigkeit, andere Faktoren, die eine Rolle spielen können. Bildungsstand und Milieuzugehörigkeit. Beispielweise gibt es extrovertierte MitarbeiterInnen, denen es leicht fällt, auf Menschen ein- Neben dem Verhalten der Seminarleitung tragen zugehen und introvertierte, denen es nicht so entsprechende didaktische Bausteine dazu leicht fällt, Gruppen zu moderieren. bei, die Anerkennung der Person zu fördern. Dies realisiert sich im Seminar beispielsweise Sensibilität bedeutet Wahrnehmung von Differ­ durch die Vereinbarung von Seminarregeln zum enzlinien, die in Privilegierte und Nicht-Privile- respektvollen Umgang. 8 Für die Einstiegsphase gierte teilen. Diese Differenzlinien sind bei- der Gruppe liegt bereits eine Reihe von metho- spielsweise Alter, Aussehen, Milieu, arm / reich, dischen Materialien vor, auf die zurückgegriffen Gender, sexuelle Orientierung, Staatsangehö- werden kann, um Sensibilität für Gleichheit und rigkeit, Religion, Sprache, Behinderung / Nicht- Einmaligkeit bereits in der Kennenlernphase zu behinderung, Bildung und Intellekt. Zudem fördern. 9 Bei allen anderen Themen der Juleica können sie sich überlagern oder quer zueinander Grundschulung lassen sich in der Planung wie Juleica Diversity in der Durchführung methodische Bausteine Hinweis daraufhin befragen, wie sie der Sozio-Diversität Der Bericht wurde für die Arbeitsgemeinschaft dienen beziehungsweise wie sie zu modifizieren Evangelische Jugend Deutschland (aej) als Bei- sind, um dem Ansatz gerecht zu werden. trag zur Abschlusspublikation – Coaching-Projekt mit evangelisch-ökumenischen-VJM erstellt. Dr. Wilfried Drews Fußnoten Siehe Drews, W. Juleica Grundkurs Diversity: »Gruppen leiten & Unterschiede (be-) achten« In: Evangelische Jugend im Rheinland. (hrsg.) 2009. Vielfalt bereichert. Juleica Diversity Arbeitshilfe., S. 14. Bezug Amt für Jugendarbeit der EKiR, Graf-Recke-Str. 209, Düsseldorf. 2 Siehe UN-Kinderrechtskonvention insbesondere Artikel 29 – 31. 3 Siehe Drews, W. Juleica Grundkurs Diversity: »Gruppen leiten & Unterschiede (be-) achten«. A.a.O., S. 25. Die Übung »Programmentwicklung« ist dort spezifisch für eine Seminargruppe erstellt worden, die paritätisch aus Ehrenamtlichen der Evangelischen Jugend im Rheinland und angehenden Imamen des Verbands Islamischer Kulturzentren zusammengesetzt war. 4 Mecheril, P.: Pädagogik der Anerkennung. Eine programmatische Kritik. In: Informations- und Dokumentationszentrums für Antirassismusarbeit in Nordrhein-Westfalen. (Hrsg.) Überblick. 16. Jg., Nr. 3., S. 8 – 12. 5 Der Begriff Sozio-Diversity wird hier eingeführt, um den vorgestellten Ansatz von Diversity Management Konzeptionen abzugrenzen, bei denen es letztendlich um ökonomische Effizienz geht. 6 Ebd., S. 9. 1 Siehe Mecheril, P.: Vom antirassistischen zum rassismuskritischen Ansatz. In: Ders. Einführung in die Migrationspädagogik. o. Auf. 2004., S. 200-212. DGB-Bildungswerk Thüringen e.V. (Hrsg.) Baustein zur nichtrassistischen Bildungsarbeit. O. Aufl., S.16. 8 Siehe beispielsweise Gewaltakademie im Amt für Jugendarbeit der EKvW. Impulse und Übungen zur Thematisierung von Gewalt und Rassismus, Schule und Bildungsarbeit Band 2. 2002., S.20 f. 9 Siehe beispielsweise: Handschuck, S., Klawe, W.: Interkulturelle Verständigung in der Sozialen Arbeit. 3. Aufl. 2010. Arbeitskreis Interkulturelles Lernen, Diakonisches Werk Württemberg (Hrsg.):Trainings- und Methodenhandbuch. Bausteine zur interkulturellen Öffnung. 1. Auf. 2001. Gilsdorf, R. Kistner, G.: Kooperative Abenteuerpädagogik. 5. korrigierte Auf. 1998. diese.: Kooperative Abenteuerspiele 2. 2. Aufl. 2002. 7 19 20 Konfirmandenarbeit und Gottesdienst Konfirmandenarbeit und Gottesdienst – nicht hinnehmbare Langeweile Hier abgedruckt ist die Originalversion eines einladen will – und dieses Ziel hat die Konfirman­ Artikels, der in geänderter Fassung auch in der denarbeit – muss Lern- und Erfahrungszusam- von der Landessynode 2011 verabschiedeten menhänge schaffen, in denen eigener Glauben neuen Handreichung »Konfirmandenarbeit und erfahren, reflektiert, gefeiert und bekräftigt wer­- Konfirmation« erscheint. den kann. Konfirmandenarbeit als Lernraum bleibt ohne ihre Transformation in Gottesdienste Einerseits ist in vielen Gemeinden der Besuch als Lebens- und Erfahrungsraum auf halbem des Gottesdienstes für Jugendliche verbindlicher Weg stehen. Bestandteil in der Konfirmandenzeit, andererseits berücksichtigen die Gottesdienste in der Regel in Entwicklungspsychologisch haben Jugendliche Inhalt, Form, Sprache, Thema und Vollzug die Le- Interesse an religiösen Themen und Fragestel­ bensbezüge von Jugendlichen dieses Alters nicht lungen. Sie verabschieden sich von einem ma­- genügend. Häufig stehen auch Konfirmanden­ gischen und mythischen Welt– und Glaubensver- arbeit und Gottesdienst nebeneinander; lediglich ständnis, um die Möglichkeiten eigener Verant- der Vorstellungsgottesdienst wird als Chance wortung, Abhängigkeit und eigenen Glaubens begriffen, den Unterricht und seine Ergebnisse neu auszuloten. Solche Veränderungen lassen gottesdienstlich zu transformieren. So erstaunt es Jugendliche Fragen stellen. Und die Antworten, nicht, dass Jugendliche Gottesdienste langweilig die sie erhalten, verweisen aus theologischer finden und der Anteil derer, die dies nach Ablauf Sicht auf eine Antwort (Gottes) auf ihre An- der Unterrichtszeit äußern, sogar noch um 54 % rede / Anfrage Gottes. Es ist sachgemäß, diese auf über 60 % aller Jugendlichen steigt. Wird Veränderungen, Fragen und Antworten im litur- allerdings der durchschnittliche Sonntagsbesuch gischen Zusammenhang deutlich zu machen. 1 von Gottesdiensten berücksichtigt (3,8% laut EKD 2009), ist »das Problem, das Konfirmanden Ermutigend ist außerdem der eindeutige Befund, mit dem Gottesdienst haben, […] weniger ein dass jugendgemäße Gestaltung und die Einbe- Spezifikum der Konfirmanden als des Gottes- ziehung Jugendlicher in die Vorbereitung von dienstes insgesamt oder zumindest seiner öffent- Gottesdiensten erheblich zu einer verbesserten lichen Wahrnehmung als einer »langweiligen« Wahrnehmung der Gottesdienste beitragen. 3 Veranstaltung«. 2 Mit Mut und Möglichkeiten gegen die Es gibt gute Gründe, sich nicht damit abzufin- Langeweile den, dass die eigentlich zentrale Veranstaltung Es gibt nicht den Königsweg, wie gottesdienst- christlicher Gemeinden nur von einem kleinen liches (Er)Leben so gestaltet werden kann, dass Teil besucht wird. sich Jugendliche und die Gemeinde angesprochen, ernst genommen und zugehörig fühlen und Die Gründe sind theologischer Art: Gottesdienst der Gottesdienst wieder zum eigenen Ort von ist der Ort, um als Individuum und in Gemein- Jugendlichen und der Gemeinde werden kann. schaft mit anderen Glaubenden mit Gott in Aber einige prinzipielle Überlegungen und Zwiesprache zu treten und sich zu rüsten für Fragen, die ein Gelingen von Gottesdiensten das Leben und den Gottesdienst in der Welt. wahrscheinlicher machen, markieren Handlungs- Wer Menschen zum Glauben bekräftigen und möglichkeiten. Konfirmandenarbeit und Gottesdienst >Eine Konzeption, die Konfirmandenarbeit und >Jugendliche/ Menschen in der Vorbereitung, Gottesdienstgestaltung verbindet: Unterrichts- Planung und Durchführung wesentlicher Teile themen werden durch die gemeinsame Vorbe- des Gottesdienstes beteiligen. Das ist wegen reitung und Durchführung eines Gottesdienstes der Ergebnisse der Studie von Schweitzer (s.u.) erarbeitet. ein »Muss« und reicht über das Ablesen von Kopien und/ oder vom Pfarrer geschriebenen >Rahmenbedingungen für eine solche Konzep- Texten weit hinaus, beinhaltet aber auch kleine tion schaffen: Lösungen für den alltäglichen Sonntag wie 1.Weg vom 45 – Minuten – Unterrichtsmodell z. B. Begrüßen, Kollekte einsammeln, Fürbitten hin zu längeren Unterrichtseinheiten. 2. Ein Team von ehrenamtlichen Jugend- mitsprechen, Lieder aussuchen, Rollstuhlfahrer begleiten. lichen, die eine Brückenfunktion zwischen den jugendlichen und den gottesdienst - >Talente entdecken, achten und ihnen Raum lichen Lebensthemen und -welten haben. geben. Das erfordert die Bereitschaft der Verantwortlichen, Platz zu lassen und zu- >Einen Jahresplan haben, der entlastet und gleich präsent zu sein in der Begleitung von durch seinen »Mix« Synergien nutzt: x Gottes Menschen, die ihrem Glauben Gestalt und dienste entstehen aus der Konfirmandenar- Ausdruck geben wollen. So entsteht die Mög- beit, y Gottesdienste werden als Jahreszeiten – lichkeit zu persönlicher Entwicklung mit dem und Festgottesdienste auch jugendgemäß Ziel, ein Haus lebendiger Steine zu werden gestaltet, z Jugendgottesdienste werden zu- (vgl.1.Pet.2,4 ff.). sätzlich angeboten. Um es noch einmal zu betonen: Hier geht es ausdrücklich nicht >Das Beachten der Zielgruppe. Ist mein Gottes- um ein »Draufsatteln« von Arbeit, sondern dienst einer, der im Rahmen von Konfirmanden- darum, Arbeit, die sowieso ansteht, anders zu arbeit gefeiert wird oder als Teil von Konfirman­ gestalten. Sogar ein weniger kann hier mehr denarbeit für die Gesamtgemeinde oder einen sein: 10 feste und sehr gute Angebote sind Teilbereich von ihr vorbereitet und gefeiert wird? besser als eine Vielzahl, die Vorbereitende Hierzu gehört auch die Frage: Welche Milieus und Eingeladene gleichermaßen strukturell soll mein Gottesdienst vor allem ansprechen? überfordern. > Im Gottesdienst alle Sinne ansprechen. >Der Blick über den Tellerrand: Kooperation mit Kollegen und Nachbargemeinden. Mit den >Der Mut und die Phantasie, immer wieder Jugendlichen auf Reise gehen und dort einen einmal überraschend anders zu sein in der Gottesdienst besuchen, und Nachbarjugend- Wahl der Musikstile, Präsentationen, Inter- liche als Reisende empfangen. Eine Fahrt zu pretationen, Verkündigungen. Nicht um des einem anderen Gottesdienst zu organisieren Selbstzwecks willen, sondern darum, weil das ist weniger aufwändig, als alle Gottesdienste Überraschende neugierig machen kann und selber zu planen und durchzuführen. Zudem wir es mit einem Gott zu tun haben, der im- kommen die Jugendlichen so mit anderen mer wieder überraschend anders ist und uns Jugendlichen und Glaubensstilen in Kontakt. sagen lässt: »Komm und sieh!« (Joh. 2, 46). Das bereichert und hilft zudem, in anderen Wenn sich die Variation eines Jugendgottes- Gemeinden nach einem – biografisch wahr- dienstes zum Predigtgottesdienst in einem An- scheinlich irgendwann einmal anstehenden spiel als Dialog erschöpft, ist im Kampf gegen Umzug leichter heimisch zu werden. die Langeweile auf Dauer nichts gewonnen. 21 22 Konfirmandenarbeit und Gottesdienst >Sich nicht abfinden, sondern unzufrieden und Gesamtgemeinde. Jugendkirchen als Jugend- für Veränderung offen sein. Bei einer konzep- gemeinden sind oft aus Jugendgottesdiensten tionellen Neuausrichtung und ihrer exempla- entstanden 4, um sich von einem auf Jugendliche rischen Entfaltung bieten z. B. das PTI und konzentrierten Angebot hin zu altersgemischten die Ev. Jugendbildungsstätte Hackhauser Hof Gemeinden zu entwickeln. ihre Begleitung an. Wer sich an Neues wagt, muss nicht alles alleine machen und können. Das Leben einer Gemeinde kann sich konzen- Mitstreiter können gesucht und gefunden, trisch vom Gottesdienst aus entwickeln. Jugendliche dazu ermutigt werden, neue Erfahrungen an gemeindefremden Orten zu Wenn man Jugendliche fragt, geht kein Weg an sammeln. Und schließlich: Sich nicht entmu- einer Neugestaltung bzw. Weiterentwicklung tigen lassen. Fünf Jahre Zeit geben. Geduld von interessanten Gottesdiensten vorbei. Schon haben. Gelassenheit. Glaube, Hoffnung und alleine darum – ganz ohne theoretische Diskussi- Liebe. on – weil die Jugendlichen es (noch) wollen und es der ganzen Gemeinde gut tut. Die Gestaltung neuer Gottesdienstformen birgt eine große Chance für Jugendliche und die Karl Hesse Literatur Bangert, Mechthild u. a.(Hg.), Werkstatt Jugendgottesdienst, Gütersloh, Gütersloher Verlagshaus 1998 Schweitzer, Friedrich u. a., Konfirmandenarbeit in Deutschland, Tübingen, Gütersloher Verlagshaus 2009 EKD 2009, aktuelle Statistik »Gottesdienstbesuch« im Internet TRE 14, Gottesdienst, Studienausgabe Teil I, Berlin, de Gruyter 1993 Freitag, Michael, Innovation Jugendkirche, Hannover, Butzon & Bercker 2006 U 27: Wie ticken Jugendliche, zur Sinus-Milieustudie, in: Zeitschrift für Jugendarbeit »das baugerüst«, 1 / 2010 Kirche und Jugend – Lebenslagen, Begegnungsfelder, Perspektiven, Eine Handreichung des Rates der EKD, Gütersloh 2010 Urban, Christoph u. a., Jugendgottesdienst 2.0, Bochum, Biblioviel 2002 Lübking, Hans-Martin, Gottesdienste werden immer harmloser, in: Urban, Christoph / Rieg, Timo, Kindergottesdienst und Jugendgottesdienst in Westfalen, Bochum, Biblioviel 2000, S. 24 – 34 Internet Nicol, Martin, Einander ins Bild setzen, Erlangen, Vandenhoeck & Ruprecht, 2005, 2. Aufl. Nicol, Martin, Im Wechselschritt zur Kanzel, Nicol, Martin, Erlangen, Vandenhoeck & Ruprecht, 2005 www.jugendgottesdienste.com www.jugendkirchen.org, hier „Netzwerk Jugendkirchen Rheinland“ Fußnoten vgl. Schweitzer, S. 141 ff. Schweitzer, S. 145 vgl. Schweitzer, S. 143: der Anteil zufriedener Jugendlicher steigt so von 28 % auf 63 % 4 vgl. Kirche und Jugend, S. 49 1 Rieg, Timo, Jugendgottesdienst Powerpack, Bochum, Biblioviel 2003 2 3 Sautter, Jens Martin, Spiritualität lernen, Beiträge zu Evangelisation und Gemeindeentwicklung, Melbach, Neukirchener 2005 Konfirmandenarbeit und Erlebnispädagogik Gepflanzt wie ein Baum ans Wasser – Erlebnispädagogik in der Konfirmandenarbeit: Arbeiten mit Metaphern Konfirmandenarbeit als Lebensbegleitung junger krete soziale Erfahrung der Übung auf bisherige Menschen auf Zeit 1 kann gelingen, wenn Lernen Erfahrungen zu beziehen und auf zukünftige ganzheitlich geschieht. Dabei gilt: »Die Kommuni- Situationen zu übertragen. Die Arbeitsformen kation des Evangeliums kann sich jedoch nicht auf ermöglichen es, eine vertrauensvolle Atmos­ Sprache in einem allein kognitiven Sinne beschrän- phäre zu schaffen, in der sich Jugendliche dem ken. Auch das Erleben spielt hier eine wichtige Rol- Bildungskanon der Konfirmandenarbeit öffnen le, etwa als Erleben von Gemeinschaft, das in Zeiten und widmen können. Es geht um handlungso- der Individualisierung nur vordergründig überflüssig rientiertes Lernen, zum Beispiel sich als Gruppe geworden ist, oder von Zuwendung, Solidarität und zusammenzufinden und zusammenzuwachsen. Respekt.« Von Bildung kann dann gesprochen 2 werden, wenn Erlebnisse, reflektiert und eigen- Erlebnispädagogik in der KA ständig in Sinnzusammenhänge eingeordnet, zu Hat kirchliches Bildungshandeln den Anspruch, Erfahrung werden. Konfirmandenarbeit, die einen über religiöse Bildungsaufgaben hinauszuge- nachhaltigen Bildungsanspruch hat, erfordert eine hen,4 sollte dies auch für die Konfirmandenarbeit Vielzahl von Methoden, die mehrdimensional einer- gelten. Kooperative, kommunikative, problemlö- seits den Verstand, wie die Sinne ansprechen und sungsorientierte Methoden können dazu beitra- anderseits Erfahrungshorizonte erweitern. gen, eine atmosphärische Grundlage zu schaffen, um religiöse Bildungsaufgaben in den Alltag In diesem Zusammenhang kann Erlebnispäda- der Gruppe einzubinden. Für die KA liegt die gogik ein didaktischer Baustein sein, um in der besondere Qualität des pädagogischen Ansatzes Konfirmandengruppe eine vertraute Gruppenat- darin, dass er Konfirmandengruppen beispielhaft mosphäre zu schaffen und die gemeinsame Zeit ermöglicht, konkretes diakonisches Lernen 5 zu lebendig zu gestalten. erproben und einzuüben. Die Gemeinsamkeit zwischen der KA und der Erlebnispädagogik liegt Grundgedanken der Erlebnispädagogik im Ansatz, junge Menschen mit Herz, Hand und Der Erlebnispädagogik geht es dem Grundsatz Verstand anzusprechen. nach um eine »Entwicklung und Förderung individueller und zwischenmenschlicher Ressour- Beiden geht es um persönliches Wachstum, um cen und Potentiale«. Sie verfügt über ent- soziale Bildung, sowie um die Entwicklung der sprechende methodische Zugänge des sozialen Erlebnisfähigkeit. 6 Kooperative Abenteuerspiele Lernens. Ihr Repertoire umfasst weitgehend eignen sich grundsätzlich für die Anfangsphase Übungen und Aktionen zu Kommunikation, Ver- der Arbeit mit Katechumenen, wenn es darum ständigung, Akzeptanz, Kooperation und Zusam- geht, die Gruppe zusammenzubringen, eine gute menhalt. In der Praxis stellt sich das so dar: Es Lernatmosphäre zu schaffen und Zusammenhalt werden Problemaufgaben gestellt, die Gruppen untereinander zu entwickeln. Konfirmandenar- herausfordern gemeinschaftlich Lösungen zu beit geht über die konkrete soziale Dimension finden. Im Anschluss an die Übung folgt in der der Gruppe hinaus auf die Entdeckung der Welt Regel eine Reflexion, in der die Erlebnisse ausge- und nimmt zudem die vertikale Dimension der wertet und beurteilt werden. Absicht ist es, kon- Weltdeutung in den Blick. 3 23 24 Konfirmandenarbeit und Erlebnispädagogik Nachfolgend sollen Überlegungen angestellt habt maximal 30 Minuten Zeit, alle in Sicherheit werden, wie Theologie und Erlebnispädagogik zu bringen. Wie geht ihr vor?« 7 Die Geschichte exemplarisch in Arbeit mit Metaphern an einem dient als Hineinfinden in eine Aufgabe. Sie soll Kreuzungspunkt zusammenkommen können. einem Sinnzusammenhang herstellen. Metaphern in biblischen Geschichten Aufgabe der Erlebnispädagogik ist es nicht, »aus­- In vielen biblischen Geschichten sind Metaphern geklügelte Bilder zu entwerfen, sondern sensibel ein bedeutsames Stilmittel, beispielweise in den auf Bilder zu reagieren, die von den Teilnehmen­ Reich Gottes Gleichnissen. Kennzeichen der Me- den ins Spiel gebracht werden.« 8 Das Erleben und tapher ist, dass das, was kaum oder nicht sagbar die Entstehung von inneren Bildern und ihre Über­- ist, durch ein Bild zum Ausdruck gebracht wird. setzung in äußere stehen im Vordergrund. Metaphern sollen verständlich machen. Da das Wort Reich Gottes kaum die Sache umfassend Als zweites lassen sich in der Reflexionsphase ausdrücken kann, wird das Bild als Hilfskon- Gegenstände als Metapher nutzen. Eine Leiter, struktion hinzugenommen. Metaphern übertra- die zum Beispiel auf den Boden gelegt wird, gen das Wort in ein Bild, um einen umfassenden kann als Skala dienen. Zu den Auswertungs- Sachverhalt unmittelbar verständlich zu ma- fragen positionieren sich die Teilnehmenden je chen: »Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein nach Grad der Zustimmung. »Wie beurteilt ihr Nadelöhr geht, als ein Reicher ins Reich Gottes.« die gegenseitige Aufmerksamkeit während der (Mat. 19.24) Übung? Stellt euch entsprechend eurer Einschätzung zu den Leitersprossen.« Zum Dritten Die Metapher stellt eine Ähnlichkeit zwischen können Metaphern genutzt werden, um Erlebtes Wort und Bild, eine Analogie, eine Entsprechung während der Auswertung neu zum Ausdruck zu her: »Das Reich der Himmel ist wie ein Senf- bringen. Zum Beispiel: »Eine Lösung zu finden korn« (Mt.13, 31 – 32) »Denn das Reich der Him- war wie …« Die metaphorischen Bilder dienen mel gleicht einem Hausherrn, der am Morgen hier als Sprachfiguren. Das Erlebte entspricht in früh ausging, um Arbeiter in seinen Weinberg etwa dem Bild der gerade gemachten Erfahrung. zu dingen.« (Mt. 20.1 – 16) Das Bild bietet dem Die Metapher transportiert das Erleben so, dass Verstand die Hilfestellung, die er braucht, um alle Gruppenmitglieder eine Vorstellung davon eine Vorstellung zu bekommen, wie das Wort zu bekommen. fassen ist, beziehungsweise was die Sache beinhaltet. Mit anderen Worten: Metaphern eignen Metaphern in der Erlebnispädagogik sich in besonderer Weise dazu, das Gesagte vor und biblische Metaphern Augen zu führen. Sie ist als Denkfigur ein Mittel Erlebnispädagogik arbeitet erfahrungsorien- der Erkenntnis. tiert. Als pädagogische Suchbewegung agiert sie prozessorientiert und ergebnisoffen. Lernen Metaphern in der Erlebnispädagogik geschieht durch ausprobieren, durch Versuch und W ie arbeitet Erlebnispädagogik mit Metaphern? Irrtum und durch learning by doing. Innere Bilder Erstens besteht die Möglichkeit eine Koope- werden in äußere transformiert. Biblische Meta- rations- oder Problemlösungsaufgabe in eine phern hingegen sind äußere, vorgegebene Bilder, phantasievolle Rahmengeschichte, frontloading theologische Ausdrucksformen, die in einem be- genannt, zu setzen: »Stellt euch vor, ihr seid stimmten kulturellen und geschichtlichen Kontext ein im Hochgebirge verunglücktes Expeditions- entstanden und verstanden worden sind. Sach­ team. Einige von euch sind durch Verletzungen verhalte, die zu Zeiten Jesu allgemein geläufig gehandicapt. Ein Unwetter zieht herauf und ihr waren, sind heute nicht mehr ohne weiteres klar. Konfirmandenarbeit und Erlebnispädagogik Jungen Menschen bleiben diese Bilder mitunter Religions- und Erlebnispädagogik lassen sich unverständlich und lebensfern. In einer Welt von beispielsweise auch auf folgende Art in Bezug MP3, Laptop und Chat erscheinen archaische setzen: Im Reich Gottes Gleichnis Die selbst landwirtschaftliche Motive wie Sämann, Senfkorn wachsenden Saat (Mk, 4,26 – 29) geht es um oder verlorenes Schaf, ohne Lebensbezug zu sein. Wachstum. Zunächst findet ein Nachsinnen auf Sie entsprechen nicht den Alltagserfahrungen die theologische Botschaft statt, die in der Meta- von Jugendlichen. Folglich bedarf die Sache der pher transportiert wird. Bilder, das Anliegen, das sie transportieren, einer jugendgemäßen Transformation. Zudem ist das Weiterführend kann das Gleichnis als Inspiration biblische Bild ein äußeres. Deshalb stellt sich die genommen werden, sich mit Persönlichem und Frage, wie sich biblische Bilder als frontlaoding mit Wachstum der Gruppe auseinanderzusetzen. eignen können, wenn die Übersetzung fehlt. Gemeinsam werden Bedingungen und Verhal- Entweder bleiben sie im Bild unverständlich oder ten erörtert, die Wachstum in der konkreten sie werden trivialisiert. Beides erscheint unange- Konfirmandengruppe fördern. Diese Dimension messen. Denn, zwischen der konkreten Erfah- der praktischen hanglungsorientierten Lernmög- rung eines Gehaltenwerdens durch die Gruppe lichkeiten bietet beispielsweise die Kooperati- in der Übung Der Vertrauensfall 9 und einem onsaufgabe Der Wanderer. 10 Sie kann Wachstum generellen Schluss auf eine Zuverlässigkeit Gottes (in) der Gruppe als die zu bearbeitende Aufgabe in der Auswertung, klafft eine Lücke. Nicht alle während der Übung stellen. In der Übung selbst Jugendlichen erleben sich als getragen, weder werden Erfahrungen des Umgangs miteinander von anderen Menschen noch von Gott. Deshalb gemacht. Im anschließenden Rückblick können bleibt eine Analogie zwischen erlebnispädago- die Beziehung zwischen den Vorstellungen und gischer Übung und theologischen Aussagen der dem Erleben während der Bearbeitung der Auf- Auswertungsphase problematisch. gabe im Mittelpunkt stehen. Wie können religionspädagogische Ansprü- Eine erlebnispädagogische Aktion kann jedoch che und erlebnispädagogische Aktivitäten auch am Anfang stehen. Die Auswertung ge- zusammenkommen? schieht in drei Phasen. In der ersten geht es zu- Zu einem Kreuzungspunkt kann es kommen, nächst um Reflexion konkreter Erfahrungen in der wenn das konkrete Erlebnis der Übung, das sich Gruppe: Wie bist du von den anderen in der Grup- einstellende innere Bild durch die Reflexion zu pe wahrgenommen worden? Wie hast du die einem eigenen äußeren Bild, in eine Metapher anderen erlebt? Was brauchst du von den anderen, übersetzt wird. Lebendig kann es werden, wenn um Vertrauen in der Gruppe zu entwickeln? die eigene Metapher in einen Austausch mit den Bildern biblischer Geschichten kommt. Ein In einer zweiten Phase wird die Vorstellung mit Beispiel: In einer Auswertung thematisieren Kon- dem Erleben in Austausch gebracht: Wie lässt firmanden die Zeit, die ihnen für die Aufgabenlö- sich die Erfahrung der Übung auf den Alltag sung zur Verfügung stand. Dies kann aufgegriffen wie Schule, Freizeit, Gemeinde und Gesellschaft werden, um sich umfassender und weiterführen- übertragen? Welches Bild würde dazu passen? der mit dem Thema Zeit auseinanderzusetzen. In einer dritten Phase kann die biblische Ge- Erfahrungen aus der Übung sowie aus dem Alltag schichte zur Auseinandersetzung hinzuge- werden mit der Betrachtung des Prediger Salo- nommen und für die eigene Lebensrelevanz mons Alles hat seine Zeit (Prediger Salomon 3, interpretiert werden: In welchen biblischen 1 – 7) zusammengebracht. Das Nachdenken über Geschichten geht es um Vertrauen? Wie ist die Zeit bekommt eine andere Dimension. das Vertrauensverhältnis hier dargestellt? Was 25 26 Gepflanzt wie ein Baum ans Wasser zeigen die Geschichten auf? In welchen Bildern Zur Bandbreite: Biblische Metaphern brauchen wird dies ausgedrückt? Hier kann in der Kon- eine jugendgemäße Übertragung. Unter der firmandenarbeit exemplarisch ein Bogen von Berücksichtigung, dass es sich bei der Arbeit konkreten Erfahrungen aus der Übung hin zur mit Metaphern um Bilder und Begriffe handelt, Elementarisierung von theologischen Grundfra- die entweder von den KonfirmandInnen selbst gen gespannt werden. gewählt werden oder ihnen alltäglich verständlich sind, bieten Metaphern die Möglichkeit, Fazit eine erlebnisorientierte, kommunikative Konfir- Als Resümee können zwei Aspekte festgehalten mandenarbeit zu gestalten. werden, nämlich eine Problemanzeige und eine Bandbreite an didaktischer Vielfalt. Zur Probleman- Hinweis zeige: Metaphern kurzschlüssig, aus den konkreten Zum Thema Schnittstelle KonfirmandInnen- und erlebnispädagogischen Übu­ngen zum sozialen Ler- Jugendarbeit findetet ein regelmäßiger Aus- nen 1:1 in Analogie zu biblischen Weltdeutungen tausch mit dem Fachbereich Konfirmandenarbeit zu setzen, funktionalisiert Erlebnispädagogik auf im PTI statt. Zum Thema Erlebnispädagogik in unzulässige Weise, da ihr keine theologischen der Konfirmanden- und Jugendarbeit findet vom Implikationen zu Eigen sind. Die Bedeutungsband- 08.-10.07.2011 im Hackhauser Hof eine Fortbil- breite und –tiefe biblischer Geschichten geht über dungsmaßnahme statt. soziales Verhalten hinaus und verweist auf größere Deutungszusammenhänge. Dr. Wilfried Drews Fußnoten Vgl. Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche im Rheinland (Hrsg.). 2004. Bildung als Lebensbegleitung braucht Bildungspartnerschaften. Argumente für den kirchlichen Beitrag. S. 9 ff. u. 34 ff. 2 EKR. 2009. Kirche und Bildung. S.67. 3 Gilsdorf, R. 2004. Von der Erlebnispädagogik zur Erlebnistheorie. S.11. 4 Vgl. EKD. 2009. a.a.O. S.49. 5 Vgl. EKD. 2009. a.a.O. S.50. 6 Vgl. Vgl. Landeskirchenamt der Evangelischen Kirche im Rheinland (Hrsg.). 2004. a.a.O. S.36f. 1 Übung Drama am Mount McConfidence in: Gilsdorf, R. Kistner, G.: Kooperative Abenteuerspiele II. Eine Praxishilfe für Schule und Jugendarbeit. 2. Aufl. 2002. S.141. 8 Gilsdorf, R., Kistner, G. Becker, K.: Tausend Bilder aus einer Nacht. S. 186. In: Schödlbauer, C., Paffrath, F.H., Michl, W. (Hrsg.): Metaphern – Schnellstraßen, Saumpfade und Sackgassen des Lernens. 1999. S.185-191. 9 Bei der anspruchsvollen Aktion lassen sich Personen von einem erhöhten Gegenstand in die ausgestreckten Arme der Gruppe fallen. 10 Gilsdorf, R., Kistner, G. 2002. a.a.O. S.74. 7 Kurzzeitpädagogik konkret Kurzzeitpädagogik konkret – Auszeit und Lernzeit für Kinder und jüngere Jugendliche Rückblende 2010 wenn sie WiederholerInnen waren. Aber hier ist Vom 23. – 25. April leiteten Anja Franke und es das Team, das auf überwiegend unbekannte Luise Pawlowsky gemeinsam mit Kolleginnen aus Kinder stößt. Für alle neu ist das Thema. ver­schiedenen Jugendzentren ein Erlebniswochenende für 12 – 14 jährige Mädchen aus Köln Tuchfühlung und Orientierung – Chorweiler mit dem Thema »frühlingsfit«. Die Sorgfalt am Anfang Viele Kinder und jüngere Jugendliche kennen In den folgenden Ausführungen nehme ich weder Freizeiten noch Seminare und wir wollen gleichzeitig Bezug auf den Kinderplanet Nr. 19, sie für außerschulisches »stationäres« Lernen ge- der vom 15. – 25. Juli mit dem Thema »Verrückte winnen. Also nähern wir uns den neuen Gege- Zeiten im Grünen – Spiel, Spaß und Aktion benheiten, Strukturen, Themen und Methoden zwischen Sinn und Unsinn« stattfand. 8 Teame- mit viel Ermutigung und Assistenz. Das Lernziel rInnen wirkten mit und 32 Kinder im Alter von Selbstständigkeit unterfüttern wir mit einer Lage 9 – 12 Jahren nahmen teil. Die Leitung hatten Fürsorglichkeit in der Orientierungsphase. Luise Pawlowsky und Stephanie Beier. Für das Mädchenseminar Frühlingsfit hieß das: > Entdecke die Möglichkeiten Zutexten am Anfang ist nicht drin, eher Schritt > Entdecke die Menschen für Schritt organisiertes warm werden mit den > Lass Dich zu Neuem herausfordern Gegebenheiten. Ein Getränk, ein Namensschild, >Freunde Dich mit Räumen und Gelände eine sinnvolle Sitzordnung, ein Türschild malen an Genieße das Essen >Vertraue den Menschen, die Dich be­gleiten (bei Tag und bei Nacht) >Sei entspannt und lasse die Eindrücke auf Dich wirken als erste Aktion der Wochenend-WG und die Information über einen kleinen wichtigen Regelkatalog für das Zusammenleben. Die Zimmer werden in Ruhe bezogen und es folgt die erste gemeinsame Mahlzeit. >Oder kurz – Du kannst hier offen, vertrauensvoll und aktiv sein. Wie werden hier meine Grundbedürfnisse gedeckt? Eine ganz wichtige Frage. Bekomme ich Wie angespannt waren wohl die 40 Mädchen im Antworten auf meine Fragen? Und dann gibt es Alter von 12 – 14 Jahren aus Köln Chorweiler, die noch die unterschiedlichsten Infos und Organisa- mit ihren Begleiterinnen aus 6 Jugendzentren zu tionsformen bei Tisch oder im Plenum, die einer einem »frühlingsfit« – Wochenende anreisten? Gruppe zwischen Ordnung und Chaos vor allem Diesmal konnten die Kolleginnen die vielen Fragen am Anfang Halt und Orientierung geben. zu Haus und Hof und zum Ablauf schon vorher beantworten, denn es war das zweite Wochenende Der Schnupperparcours jeweils am dieser Art, und die Kolleginnen, alle Mitglieder des ersten Tag, eine bewährte Methode für trägerübergreifenden Mädchenarbeitskreises Köln den Anfang bei beiden Maßnahmen Nord, waren wieder an der Vorbereitung beteiligt. Abgezählte 5er oder 7er Teams begeben sich noch am ersten Tag in einen Mini-Workshop, Auch die 32 Kinderplanet Kinder des Jahres 2010 der 10 Minuten dauert, mit dem Seminarthe- kamen mit Zögern, wenn sie neu, mit Vorfreude, ma zu tun hat, im Freien stattfindet und von 27 28 Kurzzeitpädagogik konkret 1 – 2 TeamerInnen angeboten wird. Nach je 10 begleiten den Lernprozess zielgerichteter als Eh- Minuten wechseln die Gruppen gemeinsam renamtliche, die wiederum eine andere wichtige im Uhrzeigersinn zum nächsten Angebot. Die Beziehungsqualität und einen (zweck)freieren TeamerInnen wiederholen ihr Angebot noch Zugang zu Themen haben. fünfmal. Aber ganz am Anfang stehen Lernziele, die ausFür die Teilnehmenden und die TeamerInnen bie- gehend von der Lebenssituation der Zielgruppen tet sich die Chance zum gegenseitigen Kennen- 9 – 12 jährige Jungen und Mädchen aus der Um- lernen, der Thementisch wird gedeckt und das gebung Solingens und 12 – 14 jährige Mädchen Gelände wird erobert. aus Köln Chorweiler bezogen auf die beiden Themen in den Teams erarbeitet werden. »Früh- Mädchenseminar Frühlingsfit lingsfit« meinte Gesundheit, seelisch, körperlich Quiz zum Thema riechen und schmecken, Seil- und sozial und wir erweiterten es um das Thema springen, Namensschilder basteln, Tanz, Kontrakt Körperlichkeit und Sexualität. Erleben zwischen zu Absprachen des Zusammenlebens Sinn und Unsinn hieß für das Kinderplanet-Team »Mutanfälle« in allen möglichen Bezügen zu Kinderplanet ermöglichen. »Sommerfit« sind wir draußen im Kioskspiel zum Thema, Nonsenswortkombina- Grünen mit all unseren Möglichkeiten sowieso. tionen, Figuren schleudern, Riesenmikado und Bettlaken mit den Füßen umdrehen Aus Lernzielen werden unterschiedliche inhaltliche Projekte in Workshops, die altersgemäß Auf den ersten Blick eine Freizeit, auf den Lernschritte mit unterschiedlichen Methoden zweiten Blick eine Bildungsmaßnahme ermöglichen. Spielerisch, mit Einsatz von Körper Der erste Einspruch auf diese Überschrift könnte und Sinnen, partizipatorisch, prozess- und lauten: Auch Freizeiten sind Bildungsmaßnah­ teilnehmerInnenorientiert, mit ansprechenden men, denn soziales und kulturelles, den Horizont Materialien in animierenden Räumen, drinnen erweiterndes Lernen findet auch hier statt. Das und draußen. Alter ist eine Kategorie, die bei ist richtig. Nur fehlt in unserer Arbeit mit Kindern beiden Maßnahmen sehr unterschiedlich zu wür- die Beschreibung dessen, was eine Maßnahme digen war. Verlässlich in beiden Fällen war aber zu einer Bildungsveranstaltung macht, und diese die geschwisterliche Klammer zwischen Jüngeren Lücke möchte ich am Beispiel der beiden oben und Älteren, aber auch der Bedarf und die päda- erwähnten Maßnahmen zu füllen versuchen. gogische Notwendigkeit in altersdifferenzierten Schließlich fördert der Landesjugendplan Bildungs­ Gruppen zu arbeiten. maßnahmen ab 6 Jahren, was wir im Falle vom Mädchenseminar Frühlingsfit im Gegensatz zum Wenn die Gleichzeitigkeit von Beziehung, Erleb- Kinderplanet, in Anspruch genommen haben. nis und Mitwirkung Kindern Sicherheit und eine Entwicklungsplattform geben sollen, dann ist das Ich beginne mit der Frage: Was macht ein Timing, die Pausenkultur und das Wechselspiel Motto zu einem (Seminar)thema? Es ist auf von verpflichtender und freiwilliger Workshopzu- jeden Fall mehr als altersgemäße Didaktik und ordnung wichtig. Methodik. Es sind die auf das Thema bezogene Herleitungen und Ziele. Ebenso spielt die Die workshopgebundene Zeit sind fünf Zeitstun- professionelle Umsetzung eine Rolle, die eine den, was der Vorgabe des Landesjugendplanes gezielte Balance zwischen Thema, Beziehung entspricht. Das Loslösen von schulischen Rhyth- und Beteiligung der Zielgruppe, darstellt. Profis men ist dabei Chance und Herausforderung. Kurzzeitpädagogik konkret Zur Struktur von Kinderbildungsmaß- Konzeptes, das beim Kinderplanet auch immer nahmen gehören für mich zusätzlich: die Wahl der Mottos und die Entscheidungen für >eine sorgfältig gestaltete Orientierungs-, Workshops betrifft. Hinzu kam die Integration Kennenlern- und Zimmerbelegungskultur > kurzweilig gestaltete Plenumssituationen von 6 Mädchen und Jungen mit unterschiedlichen Behinderungen. > spielerische Zwischenauswertungen >Freispielphasen mit Animation durch Wir denken die Maßnahmen vom Kind und den Menschen, Natur, Spielmaterial und Bedingungen unseres Hauses her und haben Entspannungsmöglichkeiten mit den jeweiligen Teams eine intensive Strecke >organisierte Freizeitangebote: Spaziergänge, der Vorbereitung. Der Dreiklang Bilden, Betreu- Disco, Teamsportturniere, Spieleabend … en, Erziehen - bildet das, was wir tun nicht gut >entspannende und genussvolle gemeinsame ab, weil Partizipation, Prozessorientierung und Mahlzeiten > Variationen in Sachen Gruppengröße, 3er Zimmer, 5er Teams… >definierte kontinuierliche Zuständigkeit der TeamerInnen für Teilgruppen > musikalische Geselligkeit Selbstwirksamkeit darin nicht gut aufgehoben sind. Es ist die Mischung aus sozialpädagogischem Zugang, sport-, spiel- und kulturpädagogischen Anteilen, Sexualpädagogik, Öko- und Erlebnispädagogik, jeweils altersgemäß angepasst. Letztendlich sind es strukturelle, inhaltliche und methodische Mittel, sowie der Umgang mit Als pädagogische Sonderstrecken galt es in dem Zeitbudgets und nicht zuletzt Ziele, Haltungen einen Fall ressourcenorientiert und geschlechts- und Fachlichkeiten, die eine Maßnahme zu einer spezifisch ausschließlich mit Mädchen aus einem (Kinder)bildungsmaßnahme machen. sozialen Brennpunkt zu arbeiten. Lernen heißt für uns, ein Thema zu (er)leben Beim Kinderplanet ermöglichten wir den Kindern mit allen Sinnen, Körper und Geist in einem diesmal auch als Mädchen- oder Jungengruppe dynamischen sozialen Kontext. und ebenso geschlechtergemischte Gruppenerfahrungen zu machen. Das ist Teil des Gender- Luise Pawlowsky 29 30 Hackhauser Kamingespräch Tut mit leid – keine Zeit! Erstes Hackhauser Kamingespräch mit Politikern und Jugendlichen ein voller Erfolg Die folgende Reportage erinnert an eine Ver- von Schul – und Studienreform Zeit und Geld ge- anstaltung der „Stiftung Jugendbildung“ vom spart werden, um Jugendlichen früher den Weg 16. März 2010, deren thematische Aktualität in den Beruf zu ebnen. Mit der Folge drama- ungebrochen ist. tischer Arbeitsverdichtung, die immer weniger Zeit für ehrenamtliches Engagement übrig lässt. »Ich bin Jan aus Köln, Jahrgangsstufe 12. Ich Andererseits wird gleichzeitig von Seiten der musste mich entscheiden. Und da fiel mein Politik die Bedeutung von bürgerschaftlichem ehrenamtliches Engagement in der Schüler­ Engagement und Ehrenamt betont. Wie passt vertretung weg zugunsten von Ehrenamt in das zusammen?! der Kirche. Weil: zehn Stunden Unterricht plus Hausaufgaben plus beides, das ist zuviel.« In der fast zwei Stunden währenden, konzentrierten Auseinandersetzung wurde deutlich: Es Vier Sätze, kurz und knapp. Sie bildeten den gibt nichts, was mehr Raum in der Lebenswelt Auftakt vieler Meinungen, Einschätzungen und von Jugendlichen einnimmt als Schule und Fragen, die gut 50 in der kirchlichen Kinder– und Studium. Betroffen, wütend und fachkompetent Jugendarbeit engagierte Jugendliche auf einer konnten sie ihre eigene Situation und die von Podiumsdiskussion mit Politikern äußerten. Kindern, denen sie als Ehrenamtliche begegnen, schildern. Fähigkeit bewiesen die Jugendlichen »Tut mir leid – keine Zeit« hieß die Veranstal- darin, ihr je eigenes Erleben mit den Rahmen- tung, die als »Hackhauser Kamingespräch« bedingungen von Schule und Hochschule in Premiere feierte. Dazu eingeladen hatte die Beziehung zu setzen, um zu fragen: Wenn schon »Stiftung Jugendbildung der Evangelischen kürzere Schulzeit, die die wenigsten wollen, Jugendbildungsstätte Hackhauser Hof«. warum dann gleich bleibende Stundentafeln? Und so begrüßte der Stiftungsvorsitzende, Hein- Wenn schon Über–Mittag-Betreuung, warum rich Fucks, neben den besagten 50 Jugendlichen dann nicht gesundes, leckeres, kostenfreies aus Solingen, Remscheid, Langenfeld, Köln, Essen? Wenn schon Betreuung an der Schule, Aachen und Hamminkeln aus der Politik: Walter warum dann nicht mit qualifiziertem Personal? Kern (CDU), Mitglied des Landtags; Tim Kurz- Und wenn schon Ehrenamt, warum dann nicht bach (SPD), Vorsitzender des Jugendhilfeaus- Würdigung, Finanzierung und Freistellung dafür? schusses der Stadt Solingen und Sven Lehmann (Bündnis90/Die Grünen) aus dem Landesvor- Neben den konturierten Fragen zeigten aber auch stand. Die FDP war leider nicht erschienen. die Politiker Kontur: Mit großer Glaubwürdigkeit gingen sie auf die Argumente der Jugendlichen Schnell entspann sich unter der Moderation von ein. Erzählten von ihrer Sorge, wie sehr unsere Nils Hille ein reges Gespräch zwischen den Poli- Demokratie gefährdet sei, wenn das Ehrenamt tikern und den Jugendlichen. Aus der Podiums- weg bräche. Schilderten anschaulich das Ringen diskussion wurde eine Saaldiskussion. »Tut mir um Finanzmittel. Beschrieben selber die Defizite, leid – keine Zeit« beschrieb dabei das Dilemma die sie hinsichtlich von Partizipation, Mitbestim- vieler Jugendlicher und junger Erwachsener in mung und Miteinander von schulischer und Begegnung mit Politik: Einerseits soll im Zuge außerschulischer Bildung sähen. Die Politiker der Hackhauser Kamingespräch drei Parteien ließen ahnen: Ein Dissens besteht »Wir müssen das fortführen« sagten sichtlich weniger zwischen ihnen als Jugendpolitikern gut gelaunte und von der Diskussion rotbackig als zwischen ihnen und den auf Schule fixierten gewordene Jugendliche und Politiker. Und das Bildungspolitikern der je eigenen Parteien. taten sie alle dann auch beim Ausklang des Abends an Stehtischen mit Hintergrundmusik im »Den Mut, eure Wut zu zeigen, nehme ich mit Kaminzimmer; bevor sie aufbrachen - denn am in die Partei«, sagte Sven Lehmann. »Nicht einen nächsten Tag war Schule. »Tut mir leid – keine Eindruck, sondern viele nehme ich mit.« notierte Zeit?«. Für Diskussionen ja, zum Ausschlafen Walter Kern. »Eure Fragen zur Bildungspolitik leider nein. transportiere ich nach Düsseldorf.« versprach Tim Kurzbach. Karl Hesse 31 32 Mitarbeitende im Hackhauser Hof Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Hackhauser Hofes im Jahre 2010 Verwaltung Astrid Block Verwaltungsleiterin bis 31.05.2010 Christine Wiegand Buchhalterin Teilzeit Elke Petrikat Sekretärin Teilzeit Sigrid Labsch Sekretärin Teilzeit Heide Jüngel Sekretärin, Telefon, Empfang Teilzeit Jasmin Schneiders Sekretärin, Telefon, Empfang Teilzeit Hauswirtschaft Birgit Voos Hauswirtschaftsleiterin Ewa Birkner Hauswirtschafterin Mechthild Ganser Hauswirtschafterin Mandy Fürst Auszubildende bis 31.07.2010 Helena Figorski Hauswirtschaftsgehilfin Teilzeit Tamara Gütt Hauswirtschaftsgehilfin Teilzeit Renata Kot Raumpflegerin Teilzeit Miriam Schötz Auszubildende ab 01.08.2010 Hausmeister und Haustechnik Bernd Thull-Dawid Hausmeister & Haustechniker Marco Bednarzik Hausmeister Teilzeit Julian Göpel Hausmeistergehilfe Teilzeit Team für Jugendarbeit Dr. Wilfried Drews Diplompädagoge Anja Franke Diplompädagogin Karl Hesse Landespfarrer für Jugendarbeit Luise Pawlowsky Sozialpädagogin (grad.) Leitung der Bildungsstätte Anja Franke Karl Hesse Rubrik Impressionen aus dem Hackhauser Hof 33 34 Impressionen aus dem Hackhauser Hof Impressionen aus dem Hackhauser Hof 35 Hackhausen 5b · 42697 Solingen Fon 0212 22201-0 · Fax 0212 22201-20 [email protected] · www.hackhauser-hof.de