Autor: Titel: Quelle: Summary: Schlagwörter: Bewertung des Informationsgehaltes auf einer Skala von 1-10: Schriftliche Kurzbewertung: Achim Sawall Mehr Demokratie via Internet? http://www.politik-digital.de/e-demokratie/hintergrund/mehrdemokratie.shtml Der Autor des Textes schreibt in seinem Bericht über mehr oder weniger erfolgreiche Versuche von Bürgergruppen bzw. -initiativen, die das Internet für ihre Aktionen nutzten, um zu informieren und weitere Mitstreiter zu mobilisieren. Auf immerhin 4-5 Millionen Seiten bringen es – so der Autor Sawall – die Internetaktiven unterschiedlicher Gruppierungen, obschon diese Zahl im Vergleich zur Zahl kommerzieller Seiten und deren Nutzer gering ausfällt. Ein Grund hierfür liegt in dem Problem, angesichts von ca. 800 Millionen Internetseiten die jeweilige Onlinepräsenz hinreichend bekannt zu machen, zumal Suchmaschinen bestenfalls 1/6 der Datenmenge erfassen können. Zur künftigen Bewältigung dieses Problems wird von Fachleuten empfohlen, Webseiten, die thematisch zusammenpassen, zu verlinken. Die vielleicht erste große Internetkampagne in Deutschland, an der sich über eine Million Studenten beteiligt haben, belegt, dass sich über das Internet Massen mobilisieren lassen. Homepage; Internet; Protest; Mobilisierung von Massen 7 Informativ, interessant, leicht verständlich Aufgaben: 1. Erläutern Sie die Möglichkeiten und Probleme, mittels Internet Massen für politische Aktionen zu mobilisieren. 2. Ist „mehr Demokratie via Internet“ machbar? 3. Begründen Sie Ihre Einschätzung unter Rückgriff auf die bisherigen Erfahrungen und die daraus gewonnenen Einsichten. Mehr Demokratie via Internet? Bürger machen mobil im Netz, sie wollen direktere Demokratie und Zugang zu den Massenmedien. Das Internet ist offen für alle, Webseiten sind preiswert und weltweit rund um die Uhr erreichbar. Doch bringen die bunten Seiten im WWW wirklich den ersehnten Zulauf für die Initiativen? "Bundesweite Dienstagsproteste gegen den Krieg in Jugoslawien. Kommt jeden Dienstag um 17.30 Uhr zum Berliner Breitscheid-Platz an der Gedächtniskirche. Das Mikrofon ist offen. Jeder kann sprechen!, "stand auf der Homepage des Friedensnetzwerkes zu lesen. Während der Straßenproteste gegen den Krieg in Jugoslawien war der Aktionskalender auf der Internetseite eine viel genutzte Anlaufadresse für Menschen, die "gegen das Bombardement der NATO aktiv werden wollten, " wie Dr. Volker Hoffmann, einer der Initiatoren der Proteste in Berlin, es ausdrückt. "Das Internet hat uns geholfen, so erfuhren wir auch von Proteste in anderen Ländern", resümiert er. Christian Goller, vom Friedensnetzwerk ist stolz. Pro Tag zählte er über 100 einzelne Zugriffe auf die Seite. "Die Termine zum Thema Kosovo mussten wir auf eine Extraseite auskoppeln, weil es einfach zuviel wurde." Die Zugriffszahlen hatten sich verzehnfacht. Hundert Besucher am Tag, das wäre für eine große kommerzielle Homepage lächerlich wenig. Ein Authentifizierungssystem für Erwachsende, das vielen Pornoseiten vorgeschaltet ist, verzeichnet an einem Internet-Tag in Deutschland über 10000 Besucher. Dicht gefolgt von einem Hardwarehändler mit Discountpreisen. Für eine selbstorganisierte Seite ohne Werbeetat, die Menschen in ihrer Freizeit aufgebaut haben, ist ein Ranking von 100 aber schon ein Grund zum Feiern. Alle, alle sind sie da. Ob "Ärzte gegen den Atomtod", "Eltern gegen die Rechtschreibreform", "Bürger für animierte Verkehrszeichen", oder "Autonome Antifa-Nachrichten". Initiativen in allen Regenbogenfarben tragen ihr Anliegen vor. Auf vier bis fünf Millionen Seiten, so die groben Schätzungen von Experten, bringen sie es die Aktiven allein im deutschsprachigen Bereich des Internets. Die Tendenz ist stark steigend, trotz sinkender Wahlbeteiligung. Immer mehr Bürger machen so deutlich, dass sie alles andere als Politikverdrossen sind. Sie wollen unabhängig von den großen Parteien selbst Einfluss auf die Staatsangelegenheiten nehmen. Ob das neue Massenmedium Internet dabei hilft, hängt davon ob, ob die Webseiten auch ihr Publikum finden. "Unsere Seite im Internet hat uns fast nichts gebracht," fasst Katja Adler, von der Ulmer Bürgerinitiative pro Stadtbahn.de ihre Erfahrungen in der digitalen Welt zusammen. Es gab im Hightech-Ländle nicht mehr als 10 - 20 Reaktionen auf die schön gestaltete Seite der Initiative. Das Bürgerforum hatte sich das Ziel gesetzt, für den Erhalt und Ausbau der schwäbischen Stadtbahn zu streiten. Ulm und Neu-Ulm sollten über die Schiene zusammenwachsen. Schließlich ist die Bahn an Pünktlichkeit und Umweltverträglichkeit dem Bus allemal vorzuziehen, so die Meinung der Bürgerbewegten. Doch eine knappe Mehrheit favorisierte beim Bürgerentscheid am 11. Juli den Bus. "Uns fehlten nur knapp 800 Stimmen", knirscht Frau Adler, deren Sohn die Webseite aufgebaut hat. Trotzdem war der Einsatz nicht umsonst, hofft man. Denn dem Gemeinderat könne es jetzt nicht mehr egal sein, was so viele Bürger denken. Mit einer Webseite allein ist es eben nicht getan. Wenn nur Wenige von der Existenz der Homepage wissen, bleibt das Gästebuch meist leer. Jede Basisinitiative steht darum vor der Aufgabe, ihre Onlinepräsenz auch bekannt zu machen. Schließlich will man gefunden werden. Viele Surfer benutzen Suchmaschinen, die Inhaltsverzeichnisse des Internets, um sich zu orientieren. Doch auf Altavista und Co. ist auch kein Verlass mehr. Eine aktuelle Studie schätzt die Gesamtzahl aller Seiten im Internet auf 800 Millionen. Keine der großen Suchmaschinen erfasst mehr als 16 Prozent dieser gigantischen Datenmenge, fanden die Informatik-Wissenschaftlern Steve Lawrence und C. Lee Giles am NEC Research Institute in Princeton, N.J. jüngst heraus. Was tun? "Eine Email Adresse und eine Homepage reicht nicht", rät Dr. Gaby Hooffacker darum den Bürgerinitiativen im Internet. Viel wichtiges sei es, dass Aktivisten die Webseiten, die thematisch zusammenpassen, untereinander vernetzen, was mit einem sogenannten Link ganz einfach ist. Entscheidend sei auch, sich in den Verzeichnissen alternativer Medien einzutragen, und sich bei den Suchmaschinen selbst anzumelden, empfiehlt die Autorin verschiedener Bücher über vernetzte Politik von unten. Wie sich über das Internet die Massen mobilisieren lassen, haben Studenten bei ihrem Hochschulstreik im Winter 1997/98 vorgeführt. Die Mobilisierung zu den Sitzstreiks, Nacktdemos und Rathausbesetzungen lief über die Webseiten der verschiedensten studentischen Initiativen. Hier wurde offen und demokratisch diskutiert und Verabredungen getroffen. Per Email waren die Aktiven immer bestens informiert. Von den rund 335 deutschen Hochschulen befanden sich 112 teilweise oder ganz im Unterrichtsboykott. Über 500.000 Studenten beteiligten sich aktiv an den Protesten, um sich gegen überfüllte Hörsälen, Schuldenberge durch die Verzinsung des BAföG, drohenden Studiengebühren und Akademikerarbeitslosigkeit zu wehren. "Wissenschaft ohne Internet ist heute undenkbar," erzählt Kai vom AstA der Uni Bochum, "der Zugang ist für Studenten kostenlos". Die Strukturen, um sich für die Proteste zu vernetzen, waren darum schon vorhanden. Dazu kam ausreichende Erfahrung der jungen Leute mit dem Web. "Vielleicht war das ja die erste große politische Internetkampagne in Deutschland", meint Maya, Jurastudentin in Berlin. Mit ihren 23 Jahren ist sie eine der Veteranin der digitalen Studentenbewegung. "Mal sehen, was das nächste Jahrtausend bringt", lacht sie, klappt das Notebook zusammen und streicht sich die lila Haarsträhne aus dem Gesicht.