Kontakt: Ines Landschek, Tel.: 030 – 8554 47 43, Mail: [email protected] ZMK – Zentrum für Muskel- und Knochenforschung Charité – Universitätsmedizin Campus Benjamin Franklin Leiter: Prof. Dr. med. Dieter Felsenberg „Knochen & Muskeln – Neue Welten“ PRESSEKONFERENZ 18. November 2004 2. Interdisziplinäres Forum mit Workshops Prof. Dr. med. Dieter Felsenberg, Berlin Statement Zum Stellenwert von diagnostischen Verfahren in der Osteologie mit Folgen Auf dem zweiten interdisziplinären Forum „Knochen und Muskeln – Neue Welten“ wurden die Erkenntnisse über das Zusammenwirken von Muskeln und Knochen vertieft. Daraus wird ein Paradigmenwechsel zu speziellen Fragestellungen resultieren, z.B. bezüglich der diagnostischen Verfahren zur Bestimmung der Knochenfestigkeit und damit zur Beurteilung der Brüchigkeit. Die Aussagekraft der bisher bereits in der Routine etablierten Verfahren wie DXA-Messverfahren und Ultraschallmessung des Knochens hält einer intensiven Neubetrachtung nicht länger stand. Der Begriff „Knochenqualität“ muss genauer definiert werden. Richtigerweise müsste es „Festigkeit“ heißen, „wie verändert sich die Knochenfestigkeit?“ Diese Frage ist relevant, wenn über Osteoporose und Frakturrisiko gesprochen wird. Die Knochenqualität wird definiert durch seine mechanischen und seine material bezogenen Eigenschaften. Wie verändert sich das Material „Knochen“ mit dem Alter und im Rahmen einer Erkrankung? Wie verändert sich das Material unter einer Therapie mit verschiedenen Therapeutika? Bei einer Osteoporose kommt beides zusammen: das Material „Knochen“ verändert sich und zugleich steigt das Sturzrisiko. Problematik der Knochendichtemessung DXA Seit Jahren wird publiziert, dass die Effizienz einer medikamentösen Therapie mittels DXA-Messung nicht nachgewiesen kann. Die Knochendichteänderung, die mittels DXA gemessen wird, ist eigentlich völlig unbedeutend. Ein Abfall von bis zu 5 % besagt lediglich, dass der Patient nicht mehr compliant ist. Das könnte auch mit einem Knochenmarker festgestellt werden. Mit DXA wird die Masse gemessen. Die verändert sich zwar bei der Osteoporose, aber sie sagt nichts über die „Festigkeit“ des Knochens aus Statement - Prof. Dr. med. Dieter Felsenberg -2- und damit über das Frakturrisiko. Mit „Masse“ kann man keine Festigkeitsveränderungen berechnen. In der Literatur wird aber Masse mit Frakturhäufigkeit korreliert. Bei weniger Masse ist auch weniger Material vorhanden, um eine Struktur aufzubauen. Wie die Masse aber verteilt, wie sie strukturiert ist, wird damit nicht erfasst, auch nicht, welche Qualität, z.B. welche Dichte, das Material hat. Mit Abnahme des DXA-Wertes steigt das Frakturrisiko in epidemiologischen Studien an und zwar verdoppelt es sich z. B. bei der Änderung um eine Standardabweichung. Die DXA-Messung eignet sich nur zur Diagnostik und zur Erfassung der Menschen, die eine verminderte Masse haben und die offensichtlich einen veränderten Knochen haben. Es handelt sich aber nicht um eine Dichtemessung, denn Dichte ist eine Materialeigenschaft. Die DXA-Messung zur Therapiekontrolle Bei Behandlung mit einem antiresorptiv wirkenden Bisphosphonat oder Raloxifen wird per DXA eine Zunahme an Knochenmasse ermittelt. Kann das logisch sein? Ein Osteoklastenhemmer baut keinen neuen Knochen auf. Was wir beobachten, ist, dass der Knochen unter der antiresorptiven Therapie altert. Ein alternder Knochen mineralisiert stärker. Das heißt, Bisphosphonate vermindern den Erneuerungsprozess im Knochen. Mit zunehmender Mineralisation wird der Knochen auch steifer. Zuerst wird er fester, deshalb treten anfangs unter der Therapie auch weniger Brüche auf. Aber ein Knochen sollte nicht zu 100 % mineralisiert werden, dann wird er steifer und bricht leichter. Noch ist nicht erwiesen, wie hoch ein Knochen mineralisieren darf, bevor er seine Zähigkeit/Elastizität so weit verändert, dass eine höhere Brüchigkeit resultiert. Mit dem DXA-Gerät wird die Strahlenabsorption gemessen, ein höher mineralisierter Knochen hat einen höheren Absorptionswert. Das Gerät zeigt mehr „Masse“ an, was aber keiner Zunahme der Masse entspricht. Die DXA-Messung lässt keine Aussage darüber zu, wie gut eine Therapie bezüglich der Frakturreduktion ist. Damit eignet sich die DXA-Messung nicht zur Therapieüberwachung. Das gilt auch bei Kontrolle osteoanaboler Therapien, wie unter Fluoriden und PTH. Obwohl ein hoher Dichtewert gemessen wurde, sagt der nichts aus über Struktur und Festigkeit des Knochens. Statement - Prof. Dr. med. Dieter Felsenberg -3- Alternative: pQCT? Es müssen andere Methoden, die mehr Information über den Zustand des Knochens liefern, in der Praxis etabliert werden. Die pQCT-Messung (periphere quantitative Computertomographie) wäre eine Alternative, aber auch diese Methode muss noch validiert werden. Mittels pQCT wird „echte“ physikalische Dichte, und damit die Materialeigenschaft des Knochens gemessen. Zudem erhält man Informationen über die strukturelle Verteilung, die apparente Dichte, über die Vernetzung, das Trabekelwerk und über die Biegefestigkeit des Knochens. Bisher gibt es noch zu wenige klinische Interventionsstudien zu pQCT. Die Konsequenz wird sein, dass die Osteoporose-Leitlinien des DVO*) neu überarbeitet werden müssen. Ultraschall: Der Knochen hat eine spezifische Schallgeschwindigkeit. Mit zunehmendem Alter wird eine veränderte Schallgeschwindigkeit gemessen. Bisher hat sich noch kein Wissenschaftler damit beschäftigt hat, herauszufinden, welche Veränderungen des Knochens zur Veränderung der Schallgeschwindigkeit führen. Allerdings sind die Ultraschallwerte gut korrelliert mit dem Frakturrisiko. Wie aber soll ein erniedrigter Ultraschallwert interpretiert werden, wenn die Grundlagen der Veränderung nicht bekannt sind? Zusammenfassung: DXA ist nur einsetzbar zur Diagnostik, aber nicht zur Therapiekontrolle. pQCT liefert weitergehende Informationen zur Festigkeit des Knochens, muss aber weiter validiert werden für den klinischen Einsatz. Ultraschallmessungen des Knochens sind zur Therapiekontrolle weiterhin nicht zu empfehlen. Wir müssen keine neuen Methoden entwickeln, wir müssen unser kritisches Bewusstsein schärfen und differenzierter mit den Methoden umgehen. *) DVO = Dachverband Deutschsprachiger Wissenschaftlicher Gesellschaften für Osteologie Prof. Dr. med. Dieter Felsenberg ZMK Zentrum für Muskel- und Knochenforschung Charité – Universitätsmedizin Berlin Campus Benjamin Franklin Prof. Dr. med. Dieter Felsenberg Tel.: 030 / 8445 30 46 Fax: 030 / 8440 99 42 Mail: [email protected] Statement - Prof. Dr. med. Dieter Felsenberg