Aus dem Zentrum für Operative Medizin der Universität zu Köln Klinik und Poliklinik für allgemeine Neurochirurgie Prof. Dr. Goldbrunner Kerpenerstr. 62 50924 Köln Evaluierung des postoperativen Bispectralindex bei Patienten mit intracerebralen Tumoren Inaugural-Dissertation zur Erlangung der Doktorwürde der Hohen Medizinischen Fakultät der Universität zu Köln vorgelegt von Eva Heuser promoviert am Dekan Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Thomas Krieg Erklärung Ich erkläre hiermit, dass ich die vorliegende Dissertationsschrift ohne unzulässige Hilfe Dritter und ohne Benutzung anderer als der angegebenen Hilfsmittel angefertigt habe; die aus fremden Quellen direkt oder indirekt übernommenen Gedanken sind als solche kenntlich gemacht. Bei der Auswahl und Auswertung des Materials sowie bei der Herstellung des Manuskriptes habe ich keine Unterstützungsleistungen beziehungsweise (bzw.) Unterstützungsleistungen folgender Personen erhalten: Prof. Dr. Goldbrunner Prof. Dr. Ernestus Dr. Th. Reithmeier Weitere Personen waren an der geistigen Herstellung der vorliegenden Arbeit nicht beteiligt. Insbesondere habe ich nicht die Hilfe einer Promotionsarbeiterin/ eines Promotionsarbeiters in Anspruch genommen. Dritte haben von mir weder unmittelbar noch mittelbar geldwerte Leistungen für Arbeiten erhalten, die im Zusammenhang mit dem Inhalt der vorliegenden Dissertationsschrift stehen. Die Dissertationsschrift wurde von mir bisher weder im Inland noch im Ausland in gleicher oder ähnlicher Form einer anderen Prüfungsbehörde vorgelegt. Köln, den 10.01.2017 Die dieser Arbeit zugrunde liegenden Daten wurden durch meine Person in der Klinik für Neurochirurgie ermittelt. Die auf der Krankenstation und Intensivstation durchgeführten Untersuchungen habe ich unter Aufsicht der Stationsärzte Dr. Reithmeier, Dr. Pakos, Dr. Runge durchgeführt. Ich danke Dr. Thomas Reithmeier, meiner Familie und meinen Freunden für die Unterstützung, Bestärkung und Beratung, die diese Arbeit ermöglicht hat. Mein besonderer Dank gilt meinen Freunden Harald Curth Jens Hunkemöller Miriam John von Freyend meiner Familie und meinem lieben Ehemann Milos Heuser. Inhaltsverzeichnis 1 Einleitung .................................................................................... 7 1.1 Anlass und Grundlage der Untersuchung ..................................................... 7 1.2.1 Geschichte der Narkoseverfahren / Warum kann eine BIS Überwachung sinnvoll sein?...................................................................................................... 7 1.2.2 Handwerkzeuge der optimierten Narkose........................................................... 8 1.3 Narkoseverfahren und Aufwachmodus bei intracraniellen Eingriffen ......... 10 1.4 Besonderheiten der neurochirurgischen Anästhesie .................................. 10 1.5 Elektroencephalogramm............................................................................. 11 1.6 Prinzipien und physikalische Grundlagen des Bispectralindex (BIS) .......... 12 1.7 Anwendung und Möglichkeiten des BIS in der Neurochirurgie ................... 15 1.8 Studienpatienten und deren Grunderkrankungen ....................................... 16 1.9 Primäre, intracranielle Tumor ..................................................................... 16 1.9.1 Histologie und Klassifikation ..............................................................................16 1.9.2 Epidemiologie....................................................................................................17 1.9.3 Symptome .........................................................................................................17 1.9.4 Diagnostik .........................................................................................................18 1.9.5 Therapie ............................................................................................................20 1.9.6 Prognose...........................................................................................................21 1.10 Sekundär metastasierte intracranielle Tumoren ......................................... 22 1.10.1 Symptome .........................................................................................................22 1.10.2 Diagnostik .........................................................................................................22 1.10.3 Therapie ............................................................................................................22 1.10.4 Prognose...........................................................................................................23 2 Fragestellung ............................................................................ 24 3 Material und Methodik ............................................................... 25 3.1 Patienten .................................................................................................... 25 3.1.1 Einschlusskriterien ............................................................................................25 3.1.2 Patientengut ......................................................................................................26 3.2 Voruntersuchungen .................................................................................... 26 3.3 Narkoseverfahren ....................................................................................... 27 3.4 Durchführung des BIS-Monitoring .............................................................. 27 3.4.1 Material .............................................................................................................27 3.4.2 Methode ............................................................................................................27 3.5 Messung der postoperativen Hirnströme .................................................... 28 3.6 Analyse der klinischen Daten ..................................................................... 29 4 Ergebnisse ................................................................................ 30 4.1 Der Wert des BIS-Monitoring bei neurochirurgischen Patienten in der Aufwachphase im Anschluss an eine Resektion eines intracraniellen Tumors. ...................................................................................................... 30 4.2 Der praeoperative BIS-Wert im Wachzustand bei Patienten mit Hirntumoren ................................................................................................ 34 4.3 Vorbestehende EEG Veränderungen bei cerebralen Tumoren und ihr Einfluss auf den BIS-Wert .......................................................................... 36 4.4 Einfluss intracranieller Tumoren auf das verschobene Spektrum der BIS-Werte, sowie Prognostik anhand praeoperativ erhobener EEGWerte und der Lokalisation der Raumforderung ......................................... 40 5 Diskussion................................................................................. 43 6 Zusammenfassung.................................................................... 48 7 Literaturverzeichnis ................................................................... 50 8 Anhang ..................................................................................... 59 8 Anhang ..................................................................................... 59 9 8.1 Tabellen und Abbildungen .......................................................................... 59 8.2 Abkürzungsverzeichnis............................................................................... 60 Lebenslauf ................................................................................ 62 1 Einleitung 1.1 Anlass und Grundlage der Untersuchung Genaue Messmethoden zur Bestimmung der Narkosetiefe sind schwerlich zu finden. Das Interesse an Patienten-orientierter, klinisch effektiver und zusätzlich vielleicht auch noch kostengünstiger Narkose ist nach wie vor vorhanden (29, 68, 73). Neuere Optionen zur Messung der Narkosetiefe sind der Einsatz von Anästhesie Monitoren wie z.B. Narkotrend oder BIS-Monitor (73). Die meisten Daten liegen für den Einsatz des BIS Monitors vor (4). Da diese Daten EEG basiert, sind erfolgt die Messung anhand von Hirnströmen (75). In der Neurochirurgie kann es durch eine intracerebrale Tumorerkrankung und unter operativen Bedingungen zu Blutungen, Raumforderungen und somit zu Dichteveränderungen und Funktionsausfällen von Hirnarealen kommen. Der Einsatz einer intensivierten Narkoseüberwachung ist daher durch zusätzliche Faktoren potentiell beeinflusst und ist der Gegenstand dieser Untersuchung. 1.2.1 Geschichte der Narkoseverfahren / Warum kann eine BIS Überwachung sinnvoll sein? Während einer Vollnarkose ist ein Patient, anders als im Schlaf nicht in der Lage primäre, lebenserhaltende Schutzmechanismen des Körpers aufrecht zu erhalten, was eine besondere Verantwortung der ärztlichen Seite erfordert . Während einer Vollnarkose sind die Schutzreflexe des Patienten deutlich vermindert oder gänzlich herabgesetzt. Insbesondere in der Aera, als die endotracheale Intubation zur Atemwegssicherung noch nicht als routinemäßiges Verfahren eingesetzt wurde, war, eine intensive Beobachtung des Patienten durch den Anästhesisten erforderlich. Bereits im Jahr 1848, bei Einführung der Äther- und Chloroformnarkose, wurde die Narkosetiefe anhand von unterschiedlichen Gradierungen durch John Snow ausführlich beschrieben (77). Historisch ist eines der ersten, primitiven Mittel zur Objektivierung der Narkosetiefe die „isolierte Unterarmtechnik“ von Tunstall 1977 , welche jedoch heute nicht zur klinischen Anwendung kommt (85). Eine Blutdruckmanschette wird vor Applikation des Relaxanz am Unterarm auf 200250mmHg aufgepumpt, somit ist er sicher von der Blutbildung ausgeschlossen und 7 bleibt unrelaxiert. Die motorische Antwort auf verbale Aufforderung („Drücken sie meinen Arm!“) kann ausgeführt werden. Bis Anfang der 90-er Jahre galt dieses Verfahren als Goldstandard zur Überwachung der Narkosetiefe (33). Bis heute besteht ein grundlegendes Interesse intraoperative Wachzustände oder prolongierte Narkosezeiten zu vermeiden (1). Eine Narkose lässt sich jedoch bis heute schwierig präzise steuern. Unerwünschte intraoperative Wachzustände mit einer Inzidenz von 0,1-0,2% gehören im klinischanästhesiologischen Alltag auch heute noch nicht der Vergangenheit an (3, 68). Die Liegedauer auf der Intensivstation oder im Aufwachraum kann deutlich verkürzt werden, sofern für den Patienten eine Übersedierung vermieden wird. Auch der postoperative Analgetikabedarf ist bei gut gesteuerter Anästhesie reduziert (23). Eine intensivierte Überwachung kann also das Narkosemanagment verbessern (19). Ebenso liegt das Bestreben der Medizin darin, die Behandlung von sedierten Patienten nach schweren Operationen noch präziser und weniger belastend für den Organismus zu gestalten: Sedativa, Narkotika und Muskelrelaxantien sollten dem ständig wechselnden Bedarf an Narkosetiefe angepasst werden können (18, 22). 1.2.2 Handwerkzeuge der optimierten Narkose Narkosetiefe wird definiert als funktionaler Zustand des cerebralen Nervensystems, welcher aus der Summe aller intraoperativen, exzitatorischen Reize (chirurgische Stimuli), sowie zentral dämpfenden Wirkungen der Anästhetika auf die zerebrale Aktivität besteht (67). Mögliche Werkzeuge für die Überwachung sind Puls- und Blutdruckmessung (verlangsamte Atemfrequenz), Pulsfrequenz), Atemfrequenzkontrolle Blutgasanalyse (guter (ruhige, niedrige Sauerstoffpartialdruck), Elektroenzephalogramm (EEG: Verlangsamung der abgeleiteten Frequenzen in Form von Delta-Wellen), Messung von Evozierten Potentialen (EP) und sensorisch evozierten Potentialen (SEP) (85). Durch Kombination der Parameter fügt sich ein Gesamtbild des Körperzustandes, in dem sich der Patient in Narkose befindet (3). 8 Den zeitlichen Ablauf der Erholung nach Allgemeinanästhesie kann man in unmittelbare, mittlere und vollständige Erholung unterteilen (28). Dieser wird insbesondere zur Beurteilung der Verlegungsfähigkeit oder zur Einschätzung der Intensivüberwachung eines Patienten verwendet. Hierfür steht der Aldrete-Score (7), und SA-Score zur Verfügung (Tab.1 und Tab.2) (49, 50). Beide orientieren sich mit einer Punkteskala, bei der für die Parameter Atmung, Kreislauf, Bewusstseinslage, Sauerstoffsättigung und Hautfarbe Punkte vergeben werden. 0 Punkte für den schlechtesten Wert, 2 Punkte für den bestmöglichsten, wie zum Beispiel eine volle Bewusstseinslage. Es werden maximal 10 Punkte vergeben, bei mehr als 8 Punkten ist der Patient verlegungsfähig, das heißt eine Überwachung auf der Intensivstation ist nicht mehr nötig (17). Diese Verfahren bieten keine sicheren Beurteilungen bezüglich der zu erwartenden Zeitverläufe der notwendigen Überwachung für den Patienten (17). Auch das Elektroenzephalogramm (EEG) ist für die Dokumentation der Aufwachphase oder der Narkosedauer wenig geeignet, da die Hirnstromableitung zwar sehr sensibel im Messbereich Übergang Schlaf- und Wachheitszustand ist, jedoch keine feine Abstufung während der tiefen Narkose bietet (71). Pkt. Parameter Reaktion 2 Hautfarbe Normal 1 Blass und schwitzig 0 Zyanotisch 2 Aktivität Bewegung aller Extremitäten 1 Bewegung von 2 Extremitäten 0 Keine Bewegung 2 Atmung Unauffällige Atmung 1 Dyspnoe 0 Apnoe 2 Blutdruck +/- 20mmHg verglichen praeoperativ 1 +/- 20 - 50mmHg verglichen praeoperativ 0 +/- >50mmHg verglichen praeoperativ Tabelle 1: Aldrete Score 9 Score Sedierungsgrad Reaktion 7 stark agitiert Ziehen am Tubus, Klettern über das Bettgitter 6 sehr agitiert Nicht zu beruhigen, Tubus beißen 5 Agitiert Aufstehversuche, Beruhigung auf Ansprache 4 ruhig, kooperativ Befolgt Kommandos 3 Sediert Schwierigkeiten aufzustehen, befolgt Kommandos 2 tief sediert Aufrichten auf Ansprache, keine adäquaten Reaktionen 1 nicht erweckbar Kaum Reaktion auf Stimuli Tabelle 2: Sedation-Agitation Score 1.3 Narkoseverfahren und Aufwachmodus bei intracraniellen Eingriffen Eine Narkose sollte systematisch und zielgerichtet durchgeführt werden. Ziel der Anästhesie ist die intakte Mikrozirkulation des Patienten sowie Herstellung der optimalen Operationsbedingungen. Bei Neurochirurgische Patienten kann durch eine intracranielle Raumforderung eine Reihe von unterschiedlichen neurologischen Symptomen bestehen. Eine Raumforderung (z.B. Tumor) kann benachbarte Kompartimente (Gewebe, Liquor, Blut) verdrängen und die Zirkulation von Blut und Liquor behindern (54, 72). Dies steigert dann den ICP mit der Folge einer Senkung des cerebralen Perfusionsdrucks (CCP) mit der Gefahr einer cerebralen Ischämie (27, 59). Unter Narkose ist bei einem neurochirurgischen Patienten somit potentiell die zerebrale Oxygenierung durch zusätzliche Gegebenheiten beeinflusst. 1.4 Besonderheiten der neurochirurgischen Anästhesie Zunehmend hat sich die Anwendung einer „totalen, intravenösen Anästhesie (TIVA)“ durchgesetzt, bei der über Perfusoren ein Hypnotikum sowie ein Opioid intravenös appliziert werden. Unter den Opioiden hat sich bei intracraniellen Eingriffen der Einsatz von Sufentanil oder alternativ Remifentanil bewährt. Beides sind sehr gut steuerbare Opioide. Patienten, welche mit Midazolam und Sufentanil/ Remifentanil sediert werden, 10 werden schneller extubiert verglichen mit Patienten, welche andere Opioide (bsp. Fentanyl oder Morphin) erhalten (37). Zu Beginn der Narkose erfolgt eine BolusApplikation der Opioid-Analoga um anschießend eine niedrigere Basalrate verabreichen zu können. Eine initiale Bolusgabe des Sufentanils/ Remifentanils zeigte sich gegenüber der kontinuierlichen Gabe überlegen im Hinblick auf den Bedarf an Analgetika über den gesamten Zeitraum der Narkose (37, 47). Um bei neurochirugischen Patienten intracerebralen Druck zu vermeiden können hirndrucksenkende Substanzen (z.B. hyperosmolare Flüssigkeitssubstitution, Cortison) eingesetzt werden, wodurch ein normwertiger ICP hergestellt werden soll (59). Die Summe aller anästhesiologischen und pharmakologischen Maßnahmen zur Entspannung des Gehirns wird als „chemische Retraktoren“ bezeichnet (58). Eine moderate Kühlung des Patienten kann ebenso den ICP senken. Die Narkose sollte so lang wie nötig, jedoch kurz wie möglich bestehen. 1.5 Elektroencephalogramm Durch ein EEG werden elektrische Potentiale von der Hirnrinde abgeleitet. Sie beruhen auf Summationseffekte synaptischer Potentiale kortikaler Pyramidenzellen. Die Potentialschwankungen kortikaler Neurone können wegen ihrer großen Anzahl und ihrer Anordnung als wellenförmige Amplituden mit unterschiedlichen Frequenzen projiziert werden (56). Je nach Frequenzbereich lassen sich hierbei unterscheiden (Abb. 3): Gamma-Wellen: Beta-Wellen: 30Hz 14-30Hz Lern- und Aufmerksamkeitsprozesse Bei Einwirkungen von Sinnesreizen oder Intoxikationen Alpha-Wellen: 8-13Hz Theta-Wellen: 4-7Hz Patient ist wach, Augen geschlossen Auch Zwischenwellen genannt, z.B. bei Herdbefunden Delta-Wellen: 0,5-3,5Hz Patient unter Narkose 11 A B Abbildung 3: Schematisch Darstellung typischer EEG-Wellen (A) sowie Krampfpotentiale im 12 Kanal EEG (B) Das EEG des wachen Erwachsenen mit geschlossenen Augen zeigt demnach Alpha-Wellen auf (8- 13Hz). Sinnesreize mit Aufmerksamkeitszuwendung, wie z.B. offene Augen, verändern das EEG durch Abschwächung oder vorübergehender Unterdrückung des Alpharhythmus (Alphablockierung). Im Schlaf, entsprechend der Schlaftiefe, kommt es zu einer Frequenzverlangsamung (64). Die Bewusstseinslage eines Menschen ist durch diese Messmethode objektiv nachvollziehbar, kann jedoch durch Medikamente artifiziell verändert werden. Anästhetika bewirken in geringer Konzentration eine Zunahme der hochfrequenten Anteile, während höhere Anästhetikakonzentrationen eine Abnahme der hochfrequenten und Zunahme der niederfrequenten Anteile zeigen, somit ein zunehmend niederfrequentes EEG hoher Amplitude. Starke Dosierungen von Narkotika (z.B. Propofol, Sevofluran, Desfluran), wie sie intraoperativ vorzufinden sind, spiegeln sich als „burst suppession Muster“ wieder (32). Das EEG bietet wertvolle, jedoch nicht ausreichende Informationen bei einem sedierten Patienten und ist sehr störungsanfällig durch die teils schwer zu platzierenden Elektroden unter OP oder Intensivstationsbedingungen. EEGAbleitungen sind jedoch die Basis für viele Messgeräte des Schlaf- und Wachverhaltens. Hier ist insbesondere der Bispectralindex-Monitor zu nennen. 1.6 Prinzipien und physikalische Grundlagen des Bispectralindex (BIS) BIS-Analysen existieren seit den frühen sechziger Jahren und sind in der Geophysik für den Bereich Wellen- und Strömungsverhältnisse der Meere entwickelt worden. 12 Wegen des enormen technischen Aufwandes wurde erst ein Jahrzehnt später die Entwicklung auf den medizinischen Sektor übertragen und für Ableitungen und Beurteilung von Hirnströmen erweitert. Seit den neunziger Jahren wird der BISMonitor für die Narkoseüberwachung und Aufwachphase von Patienten verwendet, insbesondere im Bereich der Kurznarkose, aber ebenso bei zeitaufwendigen operativen Eingriffen (92). Der Bispectralindex (BIS), das von der Firma Aspect Medical Systems 1994 eingeführt wurde, ist eine von mehreren Technologien, die die Narkosetiefe bestimmt (75). Der BIS- Monitor wurde 1996 von der Food and Drug Administration (FDA) zur Bestimmung der Narkose zugelassen (Abb. 4). Das Ziel des BIS ist die Möglichkeit, eine präzise, ausreichend tiefe, jedoch kurzmögliche Narkose zu gestalten (34). Weiterhin sollen intraoperative Wachzustände durch das BIS vermieden werden. Das BIS berechnet einen Algorithmus aus EEG Daten. Die Bispectralindex-Werte entstehen aus einer statistischen, empirischen Ableitung von komplexen Parametern, die sowohl einen Zeitstrahl, die Frequenz des EEGs, sowie einige Subparametern (Muskelkontraktionen, Störparameter) enthalten (75). Die Firma Aspect entwickelte mittels mehr als 1000 erhobenen EEG Ableitungen von gesunden Probanden (teils unter Narkose, teils im Wachzustand) ein multivariables, statistisches Modell. Dieses Modell ist von der Firma Aspect geschützt (66). Abbildung 4: Ansicht BIS-Monitor Das Gerät misst Roh-EEG-Daten nicht invasiv über eine Elektrode mit drei Sensoren, welche einseitig auf die Stirn geklebt werden. Hierdurch kann es den direkten Einfluss von hypnotisch und sedativ wirksamen Substanzen auf das Gehirn evaluieren (5, 57). Bei wachen Patienten ist der cerebrale Cortex aktiv und im EEG 13 zeigt sich hohe Aktivität. Im Schlaf oder unter Narkosebedingungen ändert sich das Muster der Aktivität. Es findet also ein Shift von hoher zu niedriger Frequenz statt (Abb. 5). Der Bispectralindex (BIS) bietet gegenüber einem Standard-EEG eine kontinuierliche Erfassung der umgerechneten EEG-Messwerte in Form einer dimensionslosen Skala (1-100). Diese zeigt den Wachheitsgrad des Patienten (Abb. 5). Es ermöglicht die subtilere Erfassung der Gehirnströme, also den Rückgriff auf eine um ein Vielfaches größere Datenmenge als bei einem Standard EEG (75). Die Skala des BIS-Monitors zeigt zwischen 85-100 einen Wachzustand an, der Patient ist ansprechbar und reagiert adäquat. 85- 60 ist gleichzusetzen mit einem schlafenden Patienten, der auf Ansprache oder Schmerzreiz erweckbar ist. Bei Werten zwischen 60- 40 zeigt der Patient weder auf Ansprache noch auf Schmerz eine Reaktion. Niedrigere Werte als 40 werden einer tiefen Sedierung zugeschrieben, wobei ein Wert von 1 einer Nulllinie im EEG entspricht (92) (Abb. 5). Alle Informationen können auf dem Display des 15x15x15cm großen Computer sowohl als Graphik, wie auch als nummerischer Wert abgelesen werden (Abb. 4). Abbildung 5: Bispectralindex, Scala Das BIS reagiert sehr empfindlich auf minimale Veränderungen der Hirnaktivität. Deshalb wird zur näheren Bestimmung des Wachheitsgrades eine kontinuierliche Graphik mit aufgezeigt. Die Narkose oder Aufwachphase eines Patienten über mehrere Stunden kann durch die graphische Darstellung auf dem BIS Monitor sehr viel besser verfolgt werden, als es durch andere Messgeräte, wie z.B. ein EEG, Blutdruckmanschette oder Pulsoxymeter möglich ist. So ist die Beurteilung, im Vergleich mit einem EEG, besonders im Verlauf sehr aussagefähig (10, 93). Eine unfehlbare Überwachung während einer Narkose kann die Messung der BIS-Werte 14 nicht gewährleisten, doch es ist im Stande, die umfassendsten Angaben zu Schaf-/ Wachrhythmus aller zur Verfügung stehenden Messmethoden zu liefern. Im Einsatz ist das BIS seit Beginn der neunziger Jahre in der Herz-/ Thoraxchirurgie und auf der Intensivstation im Rahmen von Studien (60, 62). Das BIS wurde in den Zulassungsstudien in der Mehrzahl mittels Sedation-Agitation Score aus der Anästhesie und Intensivmedizin überprüft (12, 60, 70). Es ist derzeit der am häufigsten eingesetzte EE-Index zur Beurteilung der Narkosetiefe und die Nutzbarkeit ist aufgrund der Studienlage bewiesen (8). 1.7 Anwendung und Möglichkeiten des BIS in der Neurochirurgie Auf einer Intensivstation oder intraoperativ kann das BIS folgende Vorteile aufweisen: Einschätzung des Wachheitsgrades Bessere Auswahl/gezielter Einsatz von Medikamenten Vermeidung von Übersedierung/ Untersedierung Reduktion unangenehmer Erfahrungen für den Patienten Korrelation mit üblichen Sedierungsscores In der Neurochirurgie gestalten sich viele Operationen umfangreich in der Zeitplanung. Der Patient sollte anästhesiologisch gut betreut sein, da ein intraoperativer Wachzustand für den Patienten vermieden werden muss. Zusätzlich ist die präzise Arbeit des Chirurgen, insbesondere nach Eröffnung der Dura mater, bei potentiellen Bewegungen des Patienten gefährdet. Auch die postoperative Überwachung kann optimiert werden, wenn Ärzte und Pflegepersonal die Narkosetiefe während des Aufenthaltes eines Patienten auf der Intensivstation zuverlässig beurteilen können (35, 63). Es liegt daher nahe, das BIS zur Einschätzung der postoperativen Narkosetiefe zu nutzen und die postoperative Analgosedierung als Fortführung der Narkose zu verstehen (18). Bislang gibt es keine Studie, die Aufschluss über die Zuverlässigkeit des BIS bei Patienten mit Hirntumoren postoperativ zeigt. 15 1.8 Studienpatienten und deren Grunderkrankungen Für unsere Studie wurden Patienten mit intracraniellen, einseitig liegenden, schnell wachsenden Tumoren ausgewählt. Am häufigsten wurden Gliompatienten, seltener Patienten mit Hirnmetastasen in die Studie eingeschlossen. Die Patienten wurden in der Mehrzahl aufgrund einer stereotaktischen Probebiopsie oder intraoperativ nach histologischer Schnellschnitt-Untersuchung postoperativ überwacht. 1.9 Primäre, intracranielle Tumor 1.9.1 Histologie und Klassifikation Gliome werden nach ihrem biologischen Verhalten und nach ihrer Histopathologie entsprechend der WHO Klassifikation in ihre Malignitätsgrade eingeteilt. Die histologische Klassifikation der WHO berücksichtigt die zytogenetische Herkunft der Hirntumoren und unterscheidet bis zu vier Malignitätsgrade (WHO Grad I-IV). WHO Grad I bezeichnet histologisch gutartige Tumoren, welche durch eine operative Entfernung geheilt werden können (z.B. Neurinome, pilozytisches Astrozytom) WHO Grad II bezeichnet histologisch gutartige, jedoch häufig infiltrativ wachsende Tumoren, die zu Rezidiven und sekundärer Entartung neigen. (z.B. diffuses Astrozytom) WHO Grad III bezeichnet histologisch maligne Tumoren, die mit einer Reduktion der Überlebenszeit einher gehen (z.B. anaplastisches Astrozytom) WHO Grad IV bezeichnet hochgradig maligne Tumoren, die mit einer deutlichen Reduktion der Überlebenszeit einher gehen (z.B. Glioblastom) Gliome können entsprechend der WHO-Klassifikation in die drei Haupttypen Astrozytome, Oligodrendogliome und gemischte Oligoastrozytome eingeteilt werden. Als Kriterien bestimmen die Kernatypie, die Mitoserate, die mikrovaskuläre Proliferation sowie der Nachweis von Nekrosen den Malignitätsgrad (44). Das Ursprungsgewebe des Astrozytoms sind die Astrozyten der Glia des Gehirns. Astrozytome Grad IV werden auch als Glioblastome bezeichnet und sind potentielle 16 Tumoren zum Einschluss in unsere Studie. Der Versuch einer diffizileren Einteilung gestaltet sich trotz modernen Färbungen und Markerbestimmungen schwierig (20). Das höhergradige Gliom wächst rasch infiltrierend, was oftmals zu einer Bildung von arteriovenösen Anastomosen und dadurch bedingt zu Einblutungen, Ödemen und Gewebsnekrosen führt (48, 60). Das Glioblastom wird histologisch durch das Vorliegen von Gewebsnekrosen von anaplastischen Astrozytomen unterschieden, wobei das ursprüngliche Gewebe identisch ist (44). Gliome wachsen praktisch immer im Großhirn mit einer gewissen Bevorzugung der vorderen Hirnabschnitte. Häufig ist ein infiltrierendes Wachstum über den Balken in die contralaterale Hemisphäre, in diesem Fall spricht man von einem „Schmetterlingsgliom“. 1.9.2 Epidemiologie Als von der Glia des Gehirns ausgehende Tumoren sind die Gliome echte Hirntumoren und machen etwa 40% der intracraniellen Tumoren aus (94). Sie treten zumeist nach dem 50. Lebensjahr auf, Männer sind etwa doppelt so häufig betroffen wie Frauen. Die Inzidenz beträgt 2-10/100.000 Einwohner (94). Unabhängig vom zunehmenden Lebensalter der Durchschnittsbevölkerung der westlichen Länder zeigt sich seit den 60er Jahren ein Anstieg der intracraniellen Tumoren, insbesondere der Gliome (40). Zu den Gliomen zählen astrozytäre-, oligodendrogliale-, und ependymale Tumoren (41). Glioblastome als bösartige Variante sind die häufigsten Tumoren astrozytären Ursprungs (82). Das mittlere Lebensalter bei Diagnose beträgt 62 Jahre (80). 1.9.3 Symptome Hirntumoren werden meist durch Wesens- und Persönlichkeitsveränderungen, fokale neurologische Störungen, Hirndruckzeichen oder epileptische Anfälle symptomatisch (90). Andere Symptome sind Kopfschmerzen, Schwindel, Übelkeit, und Erbrechen. Schlagartiges Auftreten von Lähmungserscheinungen oder Sprachstörungen kann initial zur Verkennung dieser Tumoren als Insult führen. Eine klassische BSymptomatik zeigt sich bei Hirntumoren indes selten (62). 17 1.9.4 Diagnostik Bei einem klinischen Hinweis auf einen intracraniellen Tumor besteht die Möglichkeit der Abklärung durch neuroradiologische Verfahren. Es kommen an erster Stelle nicht invasive Verfahren wie Computertomographie (CT) und Magnetresonanztomographie (MRT) zum Einsatz (Abb. 3) (9). Die CT und die MRT sind bei der Diagnostik von hohem Stellenwert und ergänzen sich. Die MRT kann cerebrale Veränderungen hoch sensitiv abbilden, insbesondere werden basisnahe Strukturen besser dargestellt (Abb. 6). Zusätzlich sind Knochenartefakte geringer ausgeprägt. In der CT können Knochenstrukturen und Kalkeinlagerungen genauer beurteilt werden. Weiterhin ist die Untersuchungszeit kürzer und die Methode somit besser verfügbar, insbesondere bei der Überwachung von schwer kranken Patienten; zusätzlich sind die Kosten für eine CT geringer. Ergänzend kann Gadolinium-DTPA zur besseren Weichteilkontrastierung und Nachweis von Parenchymveränderungen und Schrankenstörungen eingesetzt werden (6). Eine MRT mit Gadolinium-DPTA, einem paramagnetischen Kontrastmittel, ermöglicht den besten Nachweis intracranieller Tumoren (6). Sie ist praeoperativ, als Verlaufskontrolle und als Planungs-MRT zur Radiatio die Methode der ersten Wahl. Kontraindikationen ergeben sich hier allenfalls bei Patienten mit Metallimplantaten. Weitere moderne diagnostische Mittel stellen die Positronenemissionstomographie (PET) und die MR-Spektroskopie dar (86). Die PET ist als Variante der Emissionscomputertomographie ein bildgebendes Verfahren der Nuklearmedizin, das Schnittbilder erzeugt, indem es die Verteilung einer schwach radioaktiv markierten Substanz (Radiopharmakon) im Organismus sichtbar macht und damit biochemische und physiologische Funktionen abbildet. Der Nobelpreisträger Otto Warburg erkannte schon im Jahre 1930, dass Tumorzellen aufgrund eines erhöhten Stoffwechsels meist viel Glucose verbrauchen. F-Fluordesoxyglucose (FDG) wird von Zellen genauso aufgenommen wie Glucose, obwohl an einer Stelle des Moleküls eine Hydroxygruppe durch das Radionuklid 18 F ersetzt ist. Da FDG-6-Phosphat nach der Phosphorylierung nicht weiter verstoffwechselt wird, findet eine Anreicherung statt. Dies ist besonders für die frühe Diagnose von Krebserkrankungen von Vorteil. Durch die Spektroskopie gelingt mit Hilfe von Markersubstanzen wie N-AzetylAspertat (Neuromarker), Cholin (Membranbestandteil), Laktat (Indikator für anaerobe 18 Glucose), Myoinositol (Astrozytenproliferation) und Lipid (beginnende Nekrotisierung) eine bessere Einschätzung der Tumorart und des Gradings. Hinweise auf ein Glioblastom in der CT bzw. MRT sind beispielsweise randständige Anreicherung des Kontrastmittels in Form von girlandenartigen Ringstrukturen (s. Abbildung 6) (20, 65), wobei differentialdiagnostisch auch an eine Metastase oder einen Hirnabszess gedacht werden muss. Zusätzlich kann häufig ein perifokales Ödem nachgewiesen werden. Allein durch die radiologische Bildgebung kann eine sichere Diagnose nicht gestellt werden. Eine endgültige Diagnose kann nur nach einem histopathologischen Befund durch bioptisch stereotaktische oder intraoperative Gewebeentnahme gesichert werden. A B Abbildung 6: CT (A) und MRT (B) einer rechts parietal gelegenen Raumforderung Abbildung 7: T1 gewichtetes MRT nach Gd-Gabe: ringförmige Kontrastmittelaufnahme eines Glioblastoms 19 1.9.5 Therapie Initial zeigen sich bei vielen Patienten mit intracerebralen Tumoren Symptome, die sich durch ein perifokales, vasogenes Ödem und somit durch einen gesteigerten Hirndruck erklären lassen. Ausgangspunkt ist jedoch immer die Raumforderung. Ein Therapieprinzip zur akuten Zustandsverbesserung sind abschwellende Maßnahmen durch Cortisonpräparate mit sukzessiver Senkung des Hirndrucks. Durch die perioperative Steroidgabe konnte die Morbidität und Mortalität neurochirurgischer Eingriffe gesenkt werden (84). Wird nach der Voruntersuchung (CT oder MRT) ein Gliom vermutet, sollte dies mittels stereotaktischer Biopsie gesichert werden (89) (39). Das Operationsziel ist die komplette Tumorentfernung. Hierzu stehen die elektrophysiologische Neuronavigation, Monitoring - die und intraoperative bei malignen Sonographie, Gliomen - das die fluoreszenzgestützte Resektion zur Verfügung. Letztere strebt eine verbesserte radikale Tumorentfernung an. Das weitere Vorgehen richtet sich nach dem histologischen Befund. Bei Tumoren WHO Grad I kann eine Operation kurativ sein, bei höhergradigen Gliomen kommt eine Chemo- oder Strahlentherapie, bzw. eine Kombination der beiden als Therapiestrategie in Frage (41). Das befallende Gewebe wird immer möglichst weitgehend abgetragen. Eine komplette Entfernung des Tumors ist jedoch oft aus anatomischen Gründen und der diffusen Tumorinfiltration des gesunden Hirngewebes nicht möglich. Auch nach einer makroskopisch kompletten Tumorentfernung kommt es hierdurch bei höhergradigen Gliomen meistens zum Rezidiv. Die Indikation zur anschließenden Strahlentherapie orientiert sich an der Histologie, dem Ausbreitungscharakter, der Tendenz zur spinalen Absiedlung, der Lokalisation und der potentiellen Schädigung des umliegenden Gewebes. Durch diese Faktoren werden Zielvolumina, Dosierung, Fraktionierung sowie Bestrahlungstechnik bestimmt. Bei niedriggradigen Tumoren ist die Strahlentherapie jedoch umstritten (30, 36). Seit 2005 ist die kombinierte Radiochemotherapie mit Temozolomid die Standardtherapie des Glioblastoms nach Resektion oder bioptischer Diagnosesicherung (15, 81). Hierunter zeigte sich eine signifikante Verbesserung des Gesamtüberlebens um 2 Monate im Vergleich zur alleinigen Radiatio, daher ist diese Behandlung der Goldstandard (10, 81). Eine Chemotherapie bei malignen Gliomen erfolgt während oder im Anschluss an eine Bestrahlungstherapie. Vor Einführung von Temozolomid erfolgte dies mittels 20 Nitrosoharnstoff-Substanzen (BCNU, ACNU, CCNU). Immun- und Gentherapien sind bislang nicht etabliert und allenfalls Gegenstand von Studie (40). 1.9.6 Prognose Um eine Prognose bei Gliomen/ Astrozytomen stellen zu können, ist die Einteilung in höhergradige und niedriggradige Tumoren sinnvoll (38). Die mediane Überlebenszeit der niedriggradigen Astrozytome liegt bei 7-8 Jahren (52). Die Tumoren neigen wegen ihrer genomischen Instabilität zu einer Progression in einen höheren WHOGrad (im Mittel nach 3-5 Jahren), was entscheidend zur Prognose beiträgt (88). Eine kurative Therapie der malignen Gliome ist bis heute nicht möglich. Hierbei ist die eingeschränkte Resektionsmöglichkeit ein wichtiger prognostischer Faktor (89). In Einzelfällen kann im Rezidiv, bei guter operativer Zugänglichkeit des Herdes, palliativ eine zweite Operation zur Eindämmung neurologischer Defizite erwogen werden. Der Einsatz einer molekularen Charakterisierung der Tumoren bietet neue Gradingund Therapieoptionen. Es existieren bereits 3 genomische Marker mit denen die Prognose und Therapie besser bestimmt werden können:,06-Methylguanin-DNSMethyltransferase, Isocitrat-Dehydrogenase-Mutation, 1p19q (16, 90). Trotz des Einsatzes und der Kombination von operativer Resektion, Chemotherapie und Bestrahlung, sowie zielgerichteter Therapien liegt die mediane Überlebenszeit für die Glioblastome immer noch zwischen 12 und 14 Monaten (11, 40). 2005 konnte die Stupp-Studie bei Glioblastompatienten eine verbesserte mediane Überlebenszeit von 12 auf 14,6 Monate unter der Kombination von Strahlentherapie (34 bis 45 Gy) und Temozolomid zeigen (Abb. 8) (81). Abbildung 8: Gesamtüberleben Glioblastom unter Temozolomid (81) (OS mit TMZ 14,6 Monate vs. 12,1Monate im Standardarm) 21 1.10 Sekundär metastasierte intracranielle Tumoren Bei 10-20% aller systemischen Tumoren kommt es zu einem sekundären, metastasierenden Befall des Gehirns. Besonders häufig kommen cerebrale Metastasen beim malignen Melanom, aber auch beim Mammakarzinom, Nierenzellkarzinom, Bronchialkarzinom und Non Hodgkin Lymphom vor. Die Inzidenz von Gehirnmetastasen nimmt im Alter zu und zeigt eine leichte Bevorzugung des weiblichen Geschlechts (51). 1.10.1 Symptome Die Einschränkung der Lebensqualität bei Hirnmetastasen ist oftmals höher als die durch die Primärtumoren. Auch hier sind die klinischen Symptome Kopfschmerz, Schwindel, Erbrechen, Krampfanfälle, organisches Psychosyndrom, Querschnitt oder fokal-neurologische Ausfälle (51). 1.10.2 Diagnostik Die Kernspintomographie ist bei der Diagnostik cerebraler Metastasen Mittel der ersten Wahl (79) (Abb. 6). Insbesondere multiple Metastasen lassen sich so gut nachweisen. Alternativ, z.B. bei Kontraindikationen gegenüber der Durchführung einer MRT, gelingt eine entsprechende Darstellung aber auch mittels CTUntersuchung, welche mit und ohne Kontrastmittel durchgeführt wird (Abb. 9). Nicht selten ergeben sich differentialdiagnostische Schwierigkeiten in der Abgrenzung zum Glioblastom, seltener auch zum Hirnabszess (79). 1.10.3 Therapie In den vergangenen Jahren wurde nach Berücksichtigung des Allgemeinzustandes des Patienten, der Möglichkeit einer Intervention und der verbleibenden Lebenserwartung immer häufiger die Indikation zu einem operativen Vorgehen gestellt (42, 53) (s. Abb. 6). In der Regel können solide Metastasen (Einzelmetastasen) relativ gut wegen ihres fokalen Wachstums aus dem Gehirn 22 entfernt werden. Das Überleben der Grunderkrankung sollte prognostisch möglichst mehr als 6 Monate betragen, jedoch wird die Operationsindikation individuell für jeden Patienten gestellt. Kleinzellige Bronchialkarzinome haben wenig chemotherapeutisches- oder radiotherapeutisches Ansprechen, sodass hier die Indikation großzügiger gestellt wird (53, 91). Mit dem Gamma-Knife bzw. dem Linearbeschleuniger ist die Behandlung auch mehrerer Metastasen erfolgreich möglich (69). Bei multiplen Metastasen ist die Ganzhirnbestrahlung eine häufige Therapieoption, diese erfolgt fraktioniert mit einer Gesamtdosis von 20-45Gy. Auch hier ist die Behandlung individuell auf den Zustand des Patienten, der Lokalisation und Operabilität des Tumors, sowie der allgemeinen Prognose angepasst (91). Die Chemotherapie selber richtet sich nach der Art des Primärtumors. Bei multipler cerebraler Metastasierung besteht meist keine operative Behandlungsmöglichkeit mehr. 1.10.4 Prognose Cerebrale und spinale Manifestationen treten meist bei fortgeschrittener Grunderkrankung auf und bedeuten auch bei adäquater Therapie eine geringe mittlere Überlebenszeit von 3-6 Monaten. Die mittlere 1-Jahres-Überlebenszeit bei Hirnmetastasen beträgt 10-20% (25). Ob eine Chemotherapie oder allgemeine Schädelbestrahlung erfolgen soll, hat sich nach der Chemo- bzw. Radiosensitivität des Primärtumors zu richten, jedoch wird die Prognose nach Operation durch die Grunderkrankung bestimmt (42). 23 2 Fragestellung Grundlage der Studie ist die Voraussetzung, dass die Daten des Bispectralindex geeignete Parameter zur Messung der Narkosetiefe sind. Das Bispectralindex wird zum heutigen Zeitpunkt im Operationssaal routinemäßig einsetzt. In der vorliegenden Studie werden folgende Fragestellungen untersucht: 1. Wie ist der Verlauf des BIS-Monitoring bei neurochirurgischen Patienten in der Aufwachphase im Anschluss an die Resektion eines intracraniellen Tumors? 2. Ist bei Patienten mit Hirntumor der BIS-Wert im Wachzustand bereits pathologisch verändert und bezieht sich diese Veränderung ggf. auch auf die gesunde Hemisphäre? 3. Lassen sich aufgrund vorbestehender EEG Veränderungen oder aufgrund der Lokalisation des Tumors Rückschlüsse auf die Veränderungen der BIS-Wertes ziehen? 4. Zeigen die Patienten mit intracraniellen Tumoren generell ein trendartig verschobenes Spektrum der BIS-Werte und kann dies anhand praeoperativ erhobener EEG-Werte und der Lokalisation der Raumforderung genauer quantifiziert werden. 24 3 Material und Methodik 3.1 Patienten 3.1.1 Einschlusskriterien Die Einschlusskriterien für Patienten in diese Studie waren: Erkrankung an einem intracraniellen, cerebralen Tumor Der Tumor sollte streng auf eine Hemisphäre beschränkt sein Der Tumor sollte unifokal, nicht disseminiert vorliegen Alter der Patienten zwischen 18 und 75 Uneingeschränkte Kommunikationsfähigkeit intaktes Hörvermögen Es darf keine angeborene Epilepsie vorliegen Die postoperative Dauer der Sedierung sollte 24h nicht überschreiten Alle teilnehmenden Patienten haben sich in der Neurochirurgie der Universitätsklinik zu Köln einer intracraniellen Tumorextirpation unterzogen und wurden anschließend mittels intrakutanem EEG und BIS-Monitor überwacht. Die Studie wurde durch die Ethik-Kommission der Universität zu Köln genehmigt und die Patienten gaben ihr schriftliches Einverständnis zur Teilnahme an der Studie. Untersucht wurden 30 Patienten, von denen 17 die Einschlusskriterien voll erfüllten. Bei 13 Patienten konnten die Einschlusskriterien retrospektiv nicht erfüllt werden. 6 Patienten zeigten im pathologischen Befund ein niedriggradigen Tumor (z.B. Meningeom oder Astrozytom Grad II). Bei 4 Patienten überschritt der Tumor die Hemisphere. Bei weiteren 3 Patienten kam es zu umfassenden Übertragungsfehlern des BIS-Geräts mit dem Laptop. 25 Patient Alter Erkrankung Geschlecht 1 64 Metastase li frontal M 2 43 Gliom IV li frontal W 3 58 Gliom IV re occipital M 4 57 Gliom III frontal M 5 42 Gliom IV frontal M 6 43 Metastase re frontoparietal M 7 70 Metastase re occipital W 8 25 Gliom IV re frontal M 9 59 Oligodendrogliom III re parietoocc. M 10 46 Oligodendrogliom III re frontoparietal M 11 52 Glioblastom III Rezidiv temporofrontal M 12 58 Glioblastom IV li postcentral W 13 61 Gliom III, parietal li W 13 65 Metastase, frontal W 14 49 Oligoastrozytom frontal W 15 73 Gliom III re M 16 51 Gliom IV re frontal M 17 44 Anaplastisches Astrozytom M Tabelle 9: Patientenkollektiv (M= männlich, W= weiblich) 3.1.2 Patientengut 3.2 Voruntersuchungen Praeoperativ wurde bei allen Patienten der folgende Ablauf durchgeführt: Orientierende Anamnese Orientierende allgemeine, sowie neurologische Untersuchung Aufklärung über die Studie Beidseitige Erhebung eines praeoperativen BIS-Wertes der Frontalregion Elektroenzephalogramm CT-Schädel oder MRT-Schädel 26 3.3 Narkoseverfahren Die Patienten wurden mit Fentanyl 1-7µg/kg KG oder Remifentanil 0,25-0,5µg/kg KG, sowie Midazolam 0,2mg/kg KG analgosediert. Es bestanden beide AnalgesieOptionen für die operative Narkose da Studien zeigen konnten, dass Remifentanil und Fentanyl keinen signifikanten Unterschied bei der Sedierungstiefe und Extubationszeit aufweisen (14, 45, 47). 3.4 Durchführung des BIS-Monitoring 3.4.1 Material „Das BIS-Monitoring-System A2000“ der Firma Aspect besteht aus Monitor und Sensor (Abb. 4). Es handelt sich hierbei um eine nicht invasive Messmethode, welches die Hirnströme mittels drei Elektroden erfasst. Der Sensor wird von der Stirnmitte über die Schläfe einer Gesichtshälfte geklebt. Der BIS-Algorithmus wurde für die frontotemporale Ableitung optimiert. Er kann wahlweise von der rechten oder linken Hemisphäre abgeleitet werden. Der Sensor ist durch ein Kabel mit dem BISMonitor verbunden. Das Gerät ist in der Lage eine fehlplazierte oder eine nicht korrekt adaptierte Elektrode zu erkennen und dem Anwender zu melden. Ist die Installation korrekt, beginnt das BIS kontinuierliche Hirnströme abzuleiten und zu einem Punktewert zu verarbeiten. Zusätzlich zu dem aktuellen Punktwert (BIS-Value) wird auf dem Monitor des „BIS-2000“ in Form eines Graphen kontinuierlich der Verlauf der Schlaf-/Wachphasen dokumentiert. (Koordinatensystem: y-Achse= BISWert; x-Achse= Zeit). Das BIS ist außerdem in der Lage EMG-Daten, sowie eine EEG-Kurve und den SQI-Wert (Anteil von übertragenen Störgrößen) mit aufzuzeichnen. Diese drei Parameter sind vereinfacht dargestellt, gleichwohl geben sie wertvolle Zusatzinformationen über mögliche Ursachen einer BIS-WertVeränderung. 3.4.2 Methode Die Elektrode des BIS-Monitors wird auf die Stirnseite des Operationsgebietes geklebt um einen Ausgangswert zu erhalten. Hiernach wird auf der contralateralen 27 Seite eine kontinuierliche Datenerfassung begonnen. Äußere Einflüsse, zum Beispiel die Aufnahme eines Röntgen-Thorax, wurden im Computer dokumentiert, um später mit den aufgezeichneten BIS-Werten verglichen werden zu können. In kurzen Zeitabständen, zu Anfang nach jeweils 10 Minuten, in der tatsächlichen Aufwachphase auch in kürzeren Intervallen (3 Minuten), wurde der Patient zuerst angesprochen und bei fehlenden Reaktionen zusätzlich einem Schmerzreiz ausgesetzt. Die jeweilige Reizantwort wurde entsprechend des SAS-Scores einem Wert zugeordnet (Tab. 2). Der SAS-Score wurde von Riker et al. konzipiert und bietet eine klinische Einschätzung der Narkosetiefe mittels Beobachtung und Einsetzen von Schmerzreizen (61). Der Score findet in der Anästhesie regelmäßige Anwendung und ist auch im Bezug auf den BIS-Monitor von nationalen wie internationalen Arbeitsgruppen überprüft worden. Hier zeigte sich eine gute Korrelation der beiden Messverfahren (13, 32). Aufgrund dessen wurde der SAS-Score zur Validierung des Bispectralindex bei neurochirurgischen Patienten in der Aufwachphase ausgewählt. Der SA-Score zur Anwendung und Einschätzung des BIS-Monitors wird auch seitens der Firma Aspect und in vorangegangenen Zulassungsstudien verwendet (49). 3.5 Messung der postoperativen Hirnströme Die postoperative Überwachung beginnt unmittelbar mit Eintreffen des Patienten auf der Intensivstation und endet mit der Extubation des Patienten. Der Überwachungszeitraum entspricht somit der Ausschleichphase der Narkotika. Vor Beginn der kontinuierlichen Aufzeichnung der BIS-Werte erfolgt die Ableitung eines intrakutanen 10-Kanal-EEGs. Die Elektroden wurden standartgerecht angebracht, geringe Abweichungen waren in einigen Fällen auf Grund der Lage des Operationsgebietes vorgegeben (Abb. 10). 28 Abbildung 10: intracutanes, invasives EEG Die postoperative Versorgung umfasst die üblichen Maßnahmen einer neurochirurgischen Intensivstation: Beatmung durch Dräger-Respirator Durchführung eines Röntgen-Thorax Bei Bedarf Transfusionen Bei Bedarf antibiotische Therapie Bei Bedarf antikonvulsive Therapie Osmodiurese bei Verdacht auf Hirnödem 3.6 Analyse der klinischen Daten Mittels Computer wurden postoperativ bei jedem Patient kontinuierlich die BIS Werte aufgezeichnet. Alls 5 Minuten und bei Wertänderung alle 60 Sekunden wurde der Sedation Agitation Score angewendet. Aufgrund der großen Datenmasse wurde im Anschluss an die Versuchsreihe alle 5 Minuten ein Mittelwert von BIS und SAS Werten bei jedem Zeitverlauf bestimmt. Eine Abweichung des Ergebnisses ergibt sich hierdurch nicht. Weiterhin wurden die BIS Werte in Bereiche eingeteilt, die dem SAS angepasst sind um die Vergleichbarkeit mit dem SAS zu ermöglichen (Abb. 5). Die Einteilung erfolgte in Analogie zu denen in Studien verwendeten Bereichen (46). 29 4 Ergebnisse 4.1 Der Wert des BIS-Monitoring bei neurochirurgischen Patienten in der Aufwachphase im Anschluss an eine Resektion eines intracraniellen Tumors. Die Patienten wurden nach Eintreffen auf der Intensivstation wie unter 3.6 beschrieben kontinuierlich überwacht und die Daten entsprechend aufgezeichnet. Dies wurde bis zur Extubation durchgeführt. Die Zeitspanne der Aufzeichnungen betrug zwischen 30 Minuten und 8 Stunden. Im Mittel ergab sich ein Wert von 3,57 Stunden, der Median betrug 4,15 Stunden. Tabelle 11 zeigt exemplarisch den Zeitverlauf der Datenerfassung (Spalte 1) mit BIS- und SAS-Werten (Spalte 2+3) sowie die BIS-Übertragung auf den SAS-Wert und deren Übereinstimmung (Spalte 4, 0= keine Übereinstimmung von SAS und BIS Wert, 1 = Übereinstimmung vorhanden). Zeit BIS SAS BIS umkodiert 17:45 1 2 0 17:50 1 2 0 17:55 1 2 0 18:00 1 2 0 18:05 1 2 0 18:10 3 2 0 18:15 3 2 0 18:20 3 3 1 18:25 3 3 1 18:30 2 3 0 18:35 1 3 0 18:40 1 3 0 18:45 1 3 0 18:50 1 3 0 18:55 1 3 0 30 Zeit BIS SAS BIS umkodiert 19:00 1 3 0 19:05 1 3 0 19:10 1 3 0 19:15 1 3 0 19:20 1 3 0 19:25 1 3 0 19:30 1 3 0 Tabelle 11: Aufzeichnung Aufwachphase Beispiel Pat. 2 Eine Überprüfung der Übereinstimmung der ermittelten BIS-Werten des SedationAgitation-Scores ist für die Patienten in Abbildung 12 A in Form von Balkendiagrammen dargestellt. Das Balkendiagramm zeigt auf, in wie viel Prozent eine Übereinstimmung der BIS Werte mit dem SAS Scores vorliegt. Bei Patient 2 sind 82% der Werte unterschiedlich, 18% stimmen überein. Weitere Patientenbeispiele als Balkendiagramme sind im Folgenden aufgeführt. In Abbildung 12 B ist die Übereinstimmung von BIS (rot) und SAS (blau) im Zeitverlauf aufgezeigt. In dieser Grafik kann der Grad der Abweichung zusätzlich beurteilt werden (Abb. 16). Insgesamt zeigen sich in der Summe der 17 Patienten lediglich 51,8% der BIS und SAS Werte als komplett übereinstimmend (s. Abb. 13, Abb. 14). Hierdurch zeigt sich in der Pearsonkorrelation keine annehmbare Übereinstimmung des BIS mit Wachheitsgrad des Patienten. Es ergibt sich ein Pearson Korrelation von: 0,99999483. Abbildung 15: Berechnung der Pearson Korrelation 31 5 Patient 2 A B 100 SAS Patient 2 BISumk 4 90 80 3 70 60 % 50 2 40 30 1 20 10 0 20:15 19:55 19:35 19:15 18:55 18:35 18:15 17:55 17:12 Verkehrt 17:35 0 Richtig Abbilddung 12: Patient 2, Übereinstimmung (A) sowie Zeitverlauf der BIS/SAS-Werte (B) Weitere Patientenbeispiele: Patient 1 Patient 2 100 100 90 90 80 80 70 70 60 % 50 40 60 % 50 30 30 20 20 10 10 40 0 0 Richtig Verkehrt Richtig Patient 3 Verkehrt Patient 7 100 120 90 100 80 70 80 60 % 50 % 60 40 40 30 20 20 10 0 0 Richtig Verkehrt Richtig Patient 8 Verkehrt Patient 12 100 90 100 80 90 70 80 70 60 %50 40 60 % 50 30 40 20 30 20 10 10 0 Richtig Verkehrt 0 Richtig Verkehrt Patient 17 Patient 16 120 100 100 90 80 80 70 % 60 60 % 50 40 40 30 20 20 10 0 Richtig Verkehrt 0 Richtig Verkehrt Abbildung 16: Patientenbeispiele Prozentuale Übereinstimmung 32 Patient Richtig Verkehrt 1 18,03 81,96 2 16,67 83,33 3 43,5 56,5 4 57,45 42,55 5 71,43 28,58 6 29,8 70,2 7 95,7 4,3 8 52,1 47,9 9 45 55 10 57,14 42,68 11 77,87 22,41 12 24,62 75,38 13 58,5 41,51 14 63,3 36,71 15 50,85 49,15 16 100 0 17 21,05 78,95 Tabelle 14: Übereinstimmung BIS/ SAS in Prozent Übereinstimmung BIS/ SAS n=17 100 80 60 Prozent 40 20 0 Richtig Verkehrt Abbildung 13: Übereinstimmung BIS/ SAS 33 4.2 Der praeoperative BIS-Wert im Wachzustand bei Patienten mit Hirntumoren Bei den praeoperativ bestimmten BIS Werten konnte bei 3 von 17 Patienten ein pathologischer Wert abgeleitet werden (Tab. 17). Patient 1, 2 und 13 zeigen einen signifikant niedrigeren Wert auf der Seite des Hirntumors im Vergleich zu der gesunden Hirnhälfte an. Der Wert der kontralateralen, tumorfreien Gehirnhälfte war vor dem operativen Eingriff bei keinem Patienten pathologisch verändert. In den folgenden Grafiken zeigt sich der Verlauf von BIS und SAS im Zeitstrahl von Patient 1, 2 und 13. Der SAS (blaue Linie) und der BIS (rote Linie) zeigen bei allen drei Patienten lediglich teilweise eine Übereinstimmung. Anhand von Tabelle 17 zeigt sich, dass keine Korrelation zwischen Tumor und BIS-Wert tiefe besteht (Abb. 18). Werte der tumorbefallenen Hemisphere, die sich praeopertiv niedriger darstellen sind nicht zwangsläufig auch postoperativ niedriger zu messen als die kontralaterale Seite (Tabelle 17). Zusammengefasst besteht also eine Tendenz zu niedrigeren Werten auf der erkrankten Hirnhälfte, jedoch kein eindeutiges Muster. 34 Patient tiefster BIS Wert Aufwachdauer in Std BIS Wert Prae-OP BIS Wert Post-OP 1 21 05:01 96/60 (rechts/links) 32/36 (rechts/links) 2 43 03:22 95/70 70/63 3 54 03:49 97/98 75/62 4 37 03:47 97/97 69/72 5 41 00:35 92/95 57/60 6 51 04:41 97/97 69/62 7 12 07:55 97/97 15/21 8 32 03:59 97/97 28/39 9 22 04:54 97/95 53/60 10 34 04:43 94/98 47/56 12 14 04:59 98/96 32/24 13 50 04:31 98/80 96/78 14 34 06:23 97/98 68/46 15 19 06:07 96/96 27/28 16 43 02:11 96/98 64/66 17 27 02:11 97/97 40/43 Tabelle 17: Praeoperativer BIS Wert bilateral abgeleitet (blau = tumorbefallene Seite) 35 5 5 SAS Patient 2 SAS Patient 1 BISumk BISumk 20:15 19:55 19:35 19:15 18:55 18:35 18:15 17:55 17:35 15:05 14:45 14:25 14:05 13:40 13:20 13:00 12:40 0 12:20 0 12:00 1 11:40 1 11:20 2 11:00 2 10:40 3 10:20 3 17:12 4 4 5 SAS Patient 13 BISumk 4 3 2 1 18:30 18:10 17:50 17:30 17:10 16:50 16:30 16:10 15:50 15:30 15:10 14:50 14:30 0 Abbildung 18: Verlauf von SAS und äquivalentem BIS Wert Patient 1, 2, 13 4.3 Vorbestehende EEG Veränderungen bei cerebralen Tumoren und ihr Einfluss auf den BIS-Wert Von den erhobenen praeoperativen EEG Befunden (n=17) zeigen sich in rund 1/3 der Fälle ein normofrequentes EEG, die restlichen 2/3 sind pathologisch verändert (Tabelle 19). Bezieht man diese Erhebung auf jene Fälle, die auch einen pathologischen BIS-Wert vor Operation boten, kommt man zu folgendem Ergebnis: Es konnten bei 6 Patienten ein Normalbefund im EEG erhoben werden (Patient 1, 3, 6, 7, 10 und 16). Bei 10 Patienten (Patient 2, 4, 5, 8, 9,11, 12, 13, 14, 15 und 17) zeigte sich eine Veränderung der Frequenz im Bereich des Operationsgebietes. Patient 16 bot postoperativ eine generelle Alpha-/ Beta Frequenz ohne fokale Zuordnung. Patient 2 und 13 zeigen sowohl einen Herdbefund im EEG, als auch einen pathologisch veränderten BIS-Wert ipsilateral. Bei Patient 1 zeigt sich lediglich der pathologische BIS-Wert, eine Pathologie im EEG ist nicht festzustellen. Dagegen zeigt sich bei weiteren 11 Patienten (insgesamt 10 von 17 Patienten) ein Herdbefund im EEG wohingegen in 8 Fällen praeoperativ kein erniedrigter BIS-Wert nachgewiesen werden konnte. Wie in der Abb. 20 dargestellt sind die BIS Werte bei 36 der Gruppe der frontalen Tumoren im Mittel häufiger richtig (60%), als bei den parietooccipitalen (48%) Tumoren. Die Spannweite bei den frontalen Tumoren liegt zwischen 35 und 75%. Bei den parietal und occipital gelegenen Raumforderungen ist sie zwischen 30 und 58% und somit weit weniger gestreut. In der Abb. 21 ist die gleiche Aussage für die fehlende Übereinstimmung ausgedrückt. Für die frontalen Tumoren zeigt sich ein Mittelwert von 40%, für die parietalen/ occipitalen Tumoren 52%. Die Spannweite bei den frontalen Raumforderungen reicht von 25 – 75%, für die parietalen/ occipitalen Raumforderungen beträgt sie 40 – 70%. Patient 1 Normalbefund Patient 2 Theta/Delta Aktivität links frontal (Raumforderung), ansonsten normofrequent Patient 3 Normalbefund Patient 4 Theta/Delta Wellen rechts frontal Patient 5 vereinzelt Theta Wellen Patient 6 Normalbefund Patient 7 Normalbefund Patient 8 Herdbefund frontal rechts, Fortleitung nach Patient 9 Vigilanzminderung frontotemporal recht Patient 10 Normalbefund Patient 11 Normofrequent (selten Theta-Aktivität links temporal) Patient 12 Theta- Wellen links frontal, generalisierte Alpha-Wellen Patient 13 Theta/ Delta Aktivität links basal (Herdbefund), sonst normofrequent Patient 14 Alpha- und Beta Aktivität ubiquitär Patient 15 Herdbefund rechts frontal Patient 16 Normalbefund Patient 17 Frontotemporaler Herdbefund (Theta/ Delta) Tabelle 19: Postoperativer EEG Befund 37 Abbildung 20: Übereinstimmung der Werte parietale/ occipitale vs frontotemporale Tumoren Abbildung 21: Fehlende Übereinstimmung parietaler/occipitaler Tumoren vs frontotemporale Tumoren 38 Der pathologische BIS-Wert (Patient 1, 2,13; Tabelle 17) kann weder mit der Lage, noch mit der Größe des Tumors in Korrelation gebracht werden. Einerseits wurde bei Patient 1, 2, 5 und 13 jeweils eine frontale Raumforderung nachgewiesen (Ableitung erfolgt frontal), die Größe des Tumordurchmessers variiert jedoch zwischen 2cm8cm. Im Boxplot (Abb. 20,21) kann sogar ein leichter Vorteil, also eine bessere Übereinstimmung von BIS und SAS, zugunsten der frontal gelegenen Tumoren gesehen werden, obwohl hier die Elektrode angebracht ist. Für eine eindeutige Aussage ist jedoch die Fallzahl zu klein. Andere Patienten mit frontal gelegenen Tumoren (Patient 4,5, 8, 16; Tabelle 16) zeigten dagegen keine Differenz in den Ableitungen der Hemisphären links und rechts. Auch bei diesem Patientenkollektiv ist die Größe der Tumoren unterschiedlich (1,5cm- 7cm). Patient 1 Normalbefund Patient 2 Theta/Delta Aktivität links frontal (Raumforderung), ansonsten normofrequent Patient 3 Normalbefund Patient 4 Theta/Delta Wellen rechts frontal Patient 5 vereinzelt Theta Wellen Patient 6 Normalbefund Patient 7 Normalbefund Patient 8 Herdbefund frontal rechts, Fortleitung nach Patient 9 Vigilanzminderung frontotemporal recht Patient 10 Normalbefund Patient 11 Normofrequent (selten Theta-Aktivität links temporal) Patient 12 Theta- Wellen links frontal, generalisierte Alpha-Wellen Patient 13 Theta/ Delta Aktivität links basal (Herdbefund), sonst normofrequent Patient 14 Alpha- und Beta Aktivität ubiquitär Patient 15 Herdbefund rechts frontal Patient 16 Normalbefund Patient 17 Frontotemporaler Herdbefund (Theta/Delta) Tabelle 19: EEG 24 Stunden vor Operation 39 4.4 Einfluss intracranieller Tumoren auf das verschobene Spektrum der BISWerte, sowie Prognostik anhand praeoperativ erhobener EEG-Werte und der Lokalisation der Raumforderung In Abbildung 22 wird die Höhe der Abweichung für jeden Patient in je einer Grafik aufgezeigt. Auf der Nulllinie stimmen BIS- und SAS-Wert im Zeitstrahl aufgeführt überein. Zeigt sich der Balken im positiven Bereich ist der SAS Wert höher als der BIS Wert. Ist der Balken im negativen Bereich, dann ist der BIS-Wert höher, obwohl der Patient nicht entsprechend wach ist. Lediglich bei Patient 16 findet sich eine komplette Übereinstimmung der Werte. Es entstehen keine Balken im positiven oder negativen Bereich. Die weiteren Patientenbeispiele stellen sich heterogen dar. Es finden sich sowohl Abweichungen, in denen der SAS überwiegend größer als der BIS auftritt (Patient 1, 8, 13, 14), als auch umgekehrt (Patient 3, 5, 7, 9, 10, 15). Zusätzlich kommen bei Patient 2, 4, 6, 8, 11, 12, 13 und 17 sowohl Abweichungen SAS>BIS, als auch BIS>SAS vor. In den Kategorien (SAS> BIS; BIS>SAS; Abweichungen in beide Richtungen) komme sowohl frontale, als auch parietale und occipitale Tumoren vor. Die Größe der Tumoren ist in beiden Kategorien in einem Range von 4,2 cm Differenz. Eine Zuordnung zur Lage der Raumforderung ist nicht möglich (Abb.3). Auch die präeoperativen EEG- Daten finden sich in allen 3 Kategorien sowohl Normalbefunde, wie Herdbefunde. Es läßt sich kein Muster erkennen, dass eine Aussage über die Tendenz der Abweichung der BIS Werte zulässt (Tab 8). 4 4 3 3 SAS>BIS SAS>BIS 2 2 1 1 0 0 -1 -1 -2 -2 BIS>SAS BIS>SAS -3 -3 -4 -4 Patient 1 Patient 2 40 4 4 3 3 SAS>BIS SAS>BIS 2 2 1 1 0 0 -1 -1 -2 -2 BIS>SAS BIS>SAS -3 -3 -4 -4 Patient 3 Patient 4 4 4 3 3 SAS>BIS SAS>BIS 2 2 1 1 0 0 -1 -1 -2 -2 BIS>SAS BIS>SAS -3 -3 -4 -4 Patient 6 Patient 5 4 4 3 3 SAS>BIS SAS>BIS 2 2 1 1 0 0 -1 -1 -2 -2 BIS>SAS BIS>SAS -3 -3 -4 -4 Patient 7 Patient 8 4 4 Patient 10 Patient 9 3 3 2 2 1 1 0 0 -1 -1 -2 -2 -3 -3 -4 -4 41 4 4 Patient 11 3 Patient 12 3 2 2 1 1 0 0 -1 -1 -2 -2 -3 -3 -4 -4 4 4 Patient 13 3 Patient 14 3 2 2 1 1 0 0 -1 -1 -2 -2 -3 -3 -4 -4 4 4 Patient 15 3 Patient 16 3 2 2 1 1 0 0 -1 -1 -2 -2 -3 -3 -4 -4 4 Patient 17 3 2 1 0 -1 -2 -3 -4 Abbildung 22: Abweichung BIS/SAS 42 5 Diskussion Verlauf des BIS-Monitoring bei neurochirurgischen Patienten in der Aufwachphase im Anschluss an die Resektion eines intracraniellen Tumors Ein korrektes und verlässliches Monitoring im Anschluss an eine zeitaufwendige und komplexe Operation ist unabdingbar (85). Die Notwendigkeit einer standardisierten Überwachung von Patienten unter Narkose wird zunehmend von den Richtlinien gefordert (31). Für die intraoperative Überwachung wurde der BIS-Monitor bereits von vielen Arbeitsgruppen im Rahmen von Studien geprüft (7). Bislang wird das BIS jedoch weiterhin additiv eingesetzt, da die Datenlage nicht ausreicht, um eine fehlerfreie Überwachung zu garantieren (78) (93). Eine Arbeitsgruppe der Anästhesie in Cleveland (USA) hat 30 Patienten mit Schädelhirntrauma mittels BIS-Monitor für 6 Stunden nach Eintreffen überwacht und die Werte mit dem SAS-Score sowie dem RASS (Richmond Agitation-Sedation-Scale) und dem GCS (Glasgow Coma Scale) verglichen. Es zeigte sich für alle Beurteilungssysteme eine signifikante Übereinstimmung (RASS: R2= 0,810; p<0,0001; SAS: R2= 0,725; p<0,0001; GCS: R2= 0,655; p<0,0001) (13). Es konnte weiterhin gezeigt werden, dass Narkosemedikamente signifikant niedriger eingesetzt werden mussten, wenn die Patienten mit dem BIS-Monitor überwacht wurden (76). Andererseits zeigt eine Arbeit an einem jedoch kleinen Patientengut (n=8) bei beidseitiger Ableitung mittels BIS und einem 21-Kanal EEG unter einseitiger Injektion von Barbituraten in die Arteria carotis keine Veränderung der BIS Ableitung, jedoch deutliche Veränderung des EEGs im Sinne einer Amplitudenverringerung (26). Eine weitere Studie aus dem Jahr 2004 vergleicht die BIS Ableitung occipital und frontal bei neurochirurgischen Patienten mit cerebralen Aneurysmata, die mit Fentanyl und Propofol analgosediert sind. Es zeigt sich, dass eine Korrelation zwischen den BIS-Werten frontal und occipital besteht (74). Auch eine früherer Extubation nach Operation ist mittels des BIS möglich (43). Eine russische Arbeitsgruppe evaluierte bereits den Nutzen des BIS bei neurochirurgischen Patienten. Es zeigte sich, dass insbesondere Operationen an der Wirbelsäule, Epilepsiepatienten, die Kraniotomie beim wachen Patienten, schwangere Patienten und Patienten mit hohem kardiovasculären Risiko durch eine 43 BIS Überwachung profitieren (2). Die Mehrzahl der vorgelegten Studien befasst sich jedoch mit der intraoperativen Überwachung von Patienten. In der vorliegenden Arbeit wurde der postoperative Verlauf untersucht. Es wurden 17 Patienten mit intracraniellen Tumoren ausgewählt und postoperativ mittels des BIS Monitor überwacht. Hierbei zeigte sich, dass unabhängig von Entität oder Lokalisation des Tumors sowohl EEG Daten, als auch die erhobenen BIS Daten heterogen sind. Die Werte können keine zuverlässige Aussage über den Schlaf-Wach-Zustand des Patienten treffen. Es zeigt sich lediglich eine Tendenz in einem individuellen Frequenzbereich. Hierdurch kann bei den Patienten der Aufwachprozess erkannt, aber nicht klar eingeteilt werden. Bei den praeoperativen BIS Werten konnte bei 3 von 17 Patienten ein pathologischer Wert abgeleitet werden, als Hinweis darauf, dass intracranielle Raumforderungen per se den BIS Wert signifikant beeinflussen können und der Einsatz des BIS-Monitoring bei diesen Patienten keine zuverlässige Aussage über den Wachzustand liefert. Die vorliegende Arbeit zeigt, dass ein praeoperatives EEG kein adäquates Hilfsmittel ist um Patienten, bei denen das BISMonitoring nicht sinnvoll durchführbar ist, herauszufiltern. Die untersuchten Patienten und deren EEG sind in der Mehrzahl pathologisch, somit im Sinne eines Herdbefundes verändert. Bei jenen Patienten war jedoch nur bei Dreien ein inadäquater BIS-Wert nachzuweisen. Weiterhin konnte bei einem Patienten ein pathologischer BIS Wert nachgewiesen werden, obwohl im EEG kein Herdbefund vorliegt. Somit kann auch hier keine eindeutige Aussage der Zuverlässigkeit des BIS anhand des EEGs erfolgen. Eine Überprüfung der Übereinstimmung der ermittelten BIS-Werten (Spalte 2 und 4 Abbildung 11) und des Sedation-Agitation-Score (Abbildung 12 und 22) ist für die Patienten in Abbildung 17 in Form von Balkendiagrammen dargestellt. Es zeigt sich, dass der BIS-Monitor eine schlechte Korrelation der Werte zum eigentlichen Wachheitsgrad des Patienten bietet (Pearson Korrelation -0,99; Abb. 9). Dies bedeutet, dass bei einem BIS-Wert von <60 ein Patient bereits auf Ansprache erweckbar ist, der Wert impliziert jedoch, dass eine tiefe Narkose vorliegt. Es kommt an anderer Stelle vor, dass der Patient tief sediert ist, reagiert weder auf Ansprache noch auf Schmerzreiz, der BIS Monitor zeigt jedoch einen Wert >90 an. 44 Das subjektive Ausmaß der Sedierung, wie es der SA-Score beschreibt, korreliert bei den 17 dokumentierten Patienten teils in der Tendenz (Anstieg/Sinken) mit dem des BIS-Scores. Eine detaillierte Zuordnung entsprechend des von der Firma Aspect vorgegebenen SA-Scores konnte in der Mehrzahl nicht gezeigt werden. Ähnliche Ergebnisse zeigt eine amerikanische Untersuchung an 19 intensivpflichtigen Patienten, die parallel SAS und BIS Score als Parameter der Sedierungstiefe evaluierten (49), sowie Studien mit ähnlichem Design auf Intensivstationen (91, 92). Lediglich bei Patient 16 der vorliegenden Untersuchung ist eine komplette Übereinstimmung der BIS Werte entsprechend des Wachheitsgrades nach SAS nachzuweisen. Dies lässt sich am ehesten durch den Verlauf der Aufwachphase erklären. Patient 16 war in der Aufwachphase auf der Intensivstation lange Zeit tief sediert (BIS<60, SAS 1) und wechselte nach 2 Stunden abrupt in einen Wachheitszustand, in dem er ansprechbar und kooperativ war (BIS>90, SAS 4) (Abb. 23). Prozentual kann für sehr tiefe und sehr hohe BIS Werte die höchste Übereinstimmung gezeigt werden. Dies stimmt mit den Ergebnissen einer chinesische Studie an 15 Patienten überein, welche eine gute Korrelation des BIS Scores zu dem klinischen SAS Score zeigen konnte, jedoch kam es insbesondere im Bereich zwischen 2-4 zu starken Schwankungen (76). Dies bestätigt eine frühere Studie, die ebenfalls zeigen konnte, dass die neueren Generationen der BIS Geräte, bezogen auf klinische Scores (RASS) eine gute Korrelation bei sehr niedrigen und sehr hohen Werten aufweisen, jedoch trotzdem keine verlässliche Aussage über den Wachheitsgrad eines Patienten bieten. Diese These kann durch den Verlauf der Aufwachphase von Patient 17 bestätigt werden. Hier zeigt sich eine ähnliche Aufwachphase, die BIS Werte sind jedoch nicht aussagekräftig (Abb.23). 5 SAS SAS Patient 17 BISumk 18:45 18:40 18:35 18:30 18:25 18:20 18:15 18:10 18:05 18:00 17:55 17:50 17:45 17:40 17:35 19:10 19:00 18:50 18:40 18:30 0 18:20 0 18:10 1 18:00 1 17:50 2 17:40 2 17:30 3 17:20 3 17:10 4 17:00 4 17:30 BISumk 18:55 Patient 16 18:50 5 Abbildung 23: Korrelation BIS/SAS Patient 16,17 45 Zur Überprüfung der Übertragungsrate kann auf dem Monitor des BIS zusätzlich ein EMG und die Prozentzahl der Übertragungsrate abgelesen werden. Bei ungenügender Signalstärke wurden die Werte des BIS nicht in die Analyse einbezogen. In vorangegangene Studien, wie z.B. von Arbour et al. oder Thuong et al., kam es teils zu längeren Übertragungsfehlern des Geräts, dies konnte in dieser Arbeit nicht durchgehend bestätigt werden (2, 83). Es mussten zumeist nur kurze Abschnitte (bis maximal 60 Sekunden) überbrückt werden. Zu einem längeren Übertragungsfehlern (bis zu 5 Minuten) kam es bei Patient 3 und 7. Bei Patient 11 und 12 kam es jeweils einmal zu einer Pause von 15 Minuten. Zusammenfassend lässt sich anhand der vorliegenden Arbeit sagen, dass für die Aufwachphase auf Intensivstation bei Patienten mit intracraniellen Tumoren das BIS weiterhin nur als zusätzliche Hilfe eingesetzt werden kann. Das BIS kann die etablierte klinische Überwachung im Verlauf nicht ersetzen. Dies zeigte sich auch anhand von ähnlichen Studien zum Einsatz des BIS auf der Intensivstation, die an anderen Patientenkollektiven getestet wurden (13, 21, 24). Der BIS-Wert und dessen Bezug auf die gesunde Hemisphäre bei Patienten mit Hirntumoren Bei dem Patientenkollektiv dieser Arbeit können fokale Veränderungen durch den Tumor, sowohl ipsilateral, wie auch auf der Gegenseite bestehen (55). Hierdurch entsteht eine generalisierte Verlangsamung der EEG Wellen, die Fortleitung langsamer Gamma- und Omega-Wellen auf die Gegenseite und die frontal intermittierende, rhythmische Gamma-Aktivität sowie Krampfpotentiale im Allgemeinen (87). Somit kann es möglicherweise zu Fehlinterpretationen des Algorithmus kommen, der für die BIS-Werte als Grundlage zur Verfügung steht (56). In der vorliegenden Studie konnte das BIS keine zuverlässige Aussage über die Lokalisation des Herdes zulassen. Hier konnte bereits eine frühere Studie zum Thema beidseitige Ableitung des BIS zeigen, dass bei einseitiger Sedierung mittels Injektion eines Kurzzeit-Analgetikums in die rechte oder linke Strombahn des Gehirns die BIS Werte trotzdem unverändert bleiben. Dies legt den Schluss nahe, dass die Basis der BIS-Daten wenig artefaktanfällig sind (26). 46 Anhand der vorliegenden Untersuchung (Tabelle 17) kann kein Unterschied in der Zuverlässigkeit der BIS Werte in der Aufwachphase zwischen den Patienten mit praeoperativ unauffälligen oder auffälligen BIS Werten gesehen werden. Es zeigt sich kein Zusammenhang zwischen praeoperativem BIS Wert und Genauigkeit der BIS Werte in der Aufwachphase. Praeoperativ waren rund 18% der BIS-Werte abweichend von der Norm. Postoperativ waren es 35%. Jedoch boten die Patienten, welche praeoperativ veränderte Werte aufwiesen nur in einem Fall (Patient 13) auch postoperativ die gleiche Abweichung des BIS (s. Tab.17). Rückschlüsse auf die BIS-Werte aufgrund vorbestehender EEG Veränderungen oder aufgrund der Lokalisation des Tumors Abbildung 22 und 23 kann kein Unterschied zwischen frontal gelegenen Tumoren oder anderen Lokalisationen (parietal, occipital) aufgedeckt werden. Man muss folgerichtig feststellen, dass ein pathologischer BIS-Wert nicht direkt mit einem Herdbefund im EEG in Zusammenhang steht. Die Patienten mit intracraniellen Tumoren zeigen häufig ein trendartig verschobenes Spektrum der BIS-Werte Im Rahmen dieser Arbeit konnte gezeigt werden, dass die Werte nicht generell um einen nummerischen Teilbereich verschoben sind. Die Abweichungen entstehen in beide Richtungen. Teils sind die Patienten nicht so tief sediert, wie das BIS suggeriert, teils schlafen die Patienten tief, obwohl das BIS einen höheren Wachheitsgrad angibt. Dies kann gut in Abbildung 18 nachvollzogen werden. So ist z.B. bei Patient 1 der BIS Wert hoch, der Patient jedoch noch tief sediert. Umgekehrt ist in der Graphik zu Patient 2 abzulesen, dass der Patient wach ist, die BIS Werte sind jedoch niedrig, korrelieren demnach nicht. Es besteht kein Zusammenhang zwischen des Range der BIS Werte und Größe oder Lokalisation des Tumors. Es zeigt sich lediglich, dass eine Übereinstimmung der BIS Werte bei Patienten mit vorliegen eines Hirntumors nicht zuverlässig zu finden sind. Einziges Beispiel hierfür zeigt Patient 16 (Abb. 17). 47 6 Zusammenfassung Ein korrektes und verlässliches Monitoring für Patienten während und im Anschluss an eine Operation ist unabdingbar (3). Die Notwendigkeit einer standardisierten Überwachung von Patienten unter Narkose wird zunehmend von den Richtlinien gefordert (31). Für die intraoperative Überwachung wurde der Bispektralindex Monitor bereits von vielen Arbeitsgruppen im Rahmen von Studien geprüft (7). Bislang wird das BIS jedoch weiterhin additiv eingesetzt, da die Datenlage nicht ausreicht, um eine fehlerfreie Überwachung zu garantieren (63, 83). Gewünscht ist eine frühe, ungefährliche Extubation nach Operation. Dies bedeutet weniger Medikamente und Stress für den Patienten und eventuell sogar reduzierte Kosten bei kürzerer Liegezeit auf der Intensivstation. Die Mehrzahl der vorgelegten Studien befasst sich mit der intraoperativen Überwachung von Patienten. In dieser Arbeit ist der postoperative Verlauf bei Patienten mit intracraniellen Tumoren erstmals Gegenstand der Untersuchung. Es wurden 17 Patienten mit intracraniellem Tumor ausgewählt und poostoperativ mittels des BIS Monitor überwacht. Hierbei zeigte sich, dass unabhängig von Ätiologie oder Lokalisation des Tumors sowohl die erhobenen EEG Daten, als auch die des Bispecralindex eine starke Heterogenität aufweisen. Die ermittelten Daten können keine zuverlässige Aussage über den Schlaf-Wach-Zustand des Patienten treffen. Es zeigt sich lediglich eine Tendenz in einem individuellen Frequenzbereich. Hierdurch kann bei den Patienten der Aufwachprozess zwar erkannt, aber nicht klar eingeteilt werden. Darüber hinaus vermag das BIS keine zuverlässige Aussage über Herd oder Herdgröße zu treffen. Weiterhin kann kein Unterschied der Messgenauigkeit zwischen frontal gelegenen Tumoren oder Tumoren anderer Lokalisationen aufgedeckt werden. Bei den praeoperativen getesteten BIS Werten konnte bei 17 Prozent ein pathologischer Wert abgeleitet werden. Auch das praeoperative EEG ist bei den Patienten in der Mehrzahl pathologisch verändert (Herdbefund), jedoch bei 41% der Patienten unauffällig. Die praeoperativen Befunde können keinen Rückschluss bezüglich der Verlässlichkeit der in der postoperativen Überwachung erhobenen Aufzeichnungen zulassen. Eine Überprüfung der Übereinstimmung der ermittelten BIS-Werten und des Sedation-Agitation-Score zeigt, dass der BIS-Monitor eine schlechte Korrelation zum eigentlichen Wachheitsgrad des Patienten bietet. Dabei wird der Sedierungsgrad der Patienten sowohl über- als auch unterschätzt. Das subjektive 48 Ausmaß der Sedierung, wie es der SA-Score beschreibt korreliert bei den Patienten teils in der Tendenz Anstieg/Sinken mit dem des BIS-Scores. Eine detaillierte Zuordnung entsprechend des von der Firma Aspect vorgegebenen SA-Scores, konnte in der Mehrzahl nicht gezeigt werden. Prozentual kann für sehr tiefe und sehr hohe BIS Werte die höchste Übereinstimmung gezeigt werden. Zusammenfassend kann für die Aufwachphase auf Intensivstation bei Patienten mit intracraniellen Tumoren das BIS weiterhin nur als zusätzliche Hilfe eingesetzt werden. Das BIS vermag die etablierte klinische Überwachung nicht zu ersetzen. 49 7 Literaturverzeichnis 1. Akkerman RD, Knape JT (2015). Waking up during general anaesthesia. Ned Tijdschr Geneeskd. 159: A8705 2. Arbour R, Waterhouse J, Seckel MA, Bucher L (2009). Correlation between the Sedation-Agitation Scale and the Bispectral Index in ventilated patients in the intensive care unit. Heart Lung. 38(4): 336-45 3. Avidan MS, Jacobsohn E, Glick D, Burnside BA, Zhang L, Villafranca A, Karl L, Kamal S, Torres B, O'Connor M, Evers AS, Gradwohl S, Lin N, Palanca BJ, Mashour GA (2011). 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Staatsexamen 08/2004 2. Staatsexamen 11/2005 3. Staatsexamen Praktisches Jahr 10/2004-02/2005 Neurochirurgie, Universitätsklinik zu Köln (Prof. N. Klug) 03/2005-06/2005 Chirurgie, Spital Emmental, Schweiz (Dr. P. Kägi) 06/2005-09/2005 Innere Medizin I, Universitätsklinik zu Köln (Prof. M. Hallek) Beruf 03/2011 Fachärztin für Innere Medizin 62