Sabine Herrenbrueck/Jan Bargfrede Sachstandbericht über die Studienreise nach Cork/Irland Arbeitsgegenstand: Vom 03.01.2005 bis 10.01.2005 fand die Studienreise der Fachhochschule Nordhausen in das irische Cork statt. Während der gesamten Woche arbeiteten die Studierenden mit ihren irischen KommilitonInnen im Plenum und in Kleingruppen zusammen. Als gemeinsames Bearbeitungsthema der Woche wurde der Themenbereich „Entwicklung und Herausbildung der Sozialen Dienste für Alleinerziehende im Vergleich zweier EU – Mitgliedsstaaten" ausgewählt. Mit dem so gesetzten Schwerpunkt stellt sich die Studienreise als Element einer zunächst auf ein Semester angesetzten Lehr- und Forschungsveranstaltung im Studiengang „Gesundheits- und Sozialwesen" dar. Die theoretische und praktische Arbeit dieses interdisziplinär angelegten Projektes soll dabei im wesentlichen drei Ziele verfolgen: zunächst wurden in Vorbereitung auf die Reise nach Irland die Grundlagen der deutschen sozialen Systeme, insbesondere im Hinblick auf die im Rahmen von Hartz IV durchgeführten Reformen erläutert. Der Austausch mit der irischen Hochschule sollte den Studenten dann in einem weiteren Schritt die Möglichkeit geben, Einblicke in die wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation Irlands sowie dessen Sozialstaat zu erhalten. Zu diesem Zweck wurde neben spezifischen Fragen zur Situation Alleinerziehender in Irland auch ganz grundlegende Fragen bezüglich Sozialer Dienste und Sozialer Arbeit verfolgt. Somit kann nach Abschluss der Reise anhand der Erfahrungen und der hinzu gewonnenen Kenntnisse ein Vergleich der beiden Systeme erstellt und die Grundlagen Sozialer Dienste in beiden Ländern gerade im Rahmen eines solchen Abgleichs womöglich besser eingeordnet und bewertet werden. Dieser Bearbeitungsprozess dauert zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch an; zum einen weil die Studienreise wie beschrieben als verknüpfendes Element innerhalb eines längerfristigen Forschungsprojektes angelegt ist und fortwährend bearbeitet wird, zum anderen weil noch ein Gegenbesuch der irischen Gruppe in Deutschland geplant ist. Historische und landeskundliche Veranstaltungen: Es wurden insgesamt drei landeskundliche Veranstaltungen durchgeführt. Am Beginn der Woche stand eine Besichtigung des University College Cork. Hierbei wurde zum einen auf die bewegte Geschichte dieser Lehreinrichtung, die als erste ihrer Art von Queen Victoria gegründet wurde, sowie auf die besondere Beziehung Irlands zum Nachbarland England hingewiesen. Zum anderen konnten die aus dieser Abhängigkeit resultierenden Umstände und Konflikte, die eine nicht zu unterschätzende Rolle für das Selbstverständnis der irischen Gesellschaft spielen, im Rahmen dieser Besichtigung erörtert werden. Im Hinblick auf gegenwärtige und zukünftige Entwicklungen der Hochschulausbildung, insbesondere vor dem Hintergrund der sich wandelnden Studiengangsmodelle in Deutschland, erschien es außerdem interessant, das irische Hochschulsystem näher kennen zu lernen. Als zweite landeskundliche Veranstaltung vermittelte ein Rundgang durch die Stadt Cork die historische und aktuelle Bedeutung der zweitgrößten irischen Stadt für das kulturelle Leben Irlands und seine Gesamtwirtschaft. So konnte zwar weniger auf historische Sehenswürdigkeiten verwiesen werden, da die gesamte Innenstadt Corks im Unabhängigkeitskrieg nach 1920 abgebrannt ist. Es gelang aber durchaus, die Bedeutung der südirischen Metropole als Zentrum der Kultur und als Hightech – Standort am Stadtbild festzumachen. Als Grundlage für die Weiterarbeit in den Arbeitsgruppen sowie als anschauliche Repräsentationen der Arbeitsergebnisse wurde auf Standorte der unterschiedlichen Sozialen Dienste in Cork hingewiesen. Eine weitere kulturelle Besonderheit stellten die während des Aufenthalts in Irland stattfindenden Eröffnungsfeierlichkeiten als Kulturhauptstadt Europas 2005 dar. Am vierten Tag wurde ein Ausflug an die Küste unternommen und eine Besichtigung der kleine Hafensiedlung Kinsale vorgenommen. In dieser historisch wichtigen Kleinstadt, Standort ehemals bedeutsamer Forts und Bastionen, konnte die konfliktträchtige Geschichte Irlands, die ein gutes Stück Einfluss auf die Herausbildung des Sozialsystems hatte, anschaulich gemacht werden. Die Besichtigungen wurden dabei theoretisch durch Kurzvorträge von Dr. Peter Herrman und einigen irischen Studenten ergänzt und vertieft, so dass der historische Kontext sicher hergestellt werden konnte. Aktuelle wirtschaftliche und soziale Situation Irlands: Die aktuelle wirtschaftliche und gesellschaftliche Situation Irlands wurde in einem Vortrag von einem Mitarbeiter des lokalen Büros für soziale Integration in Cork vorgestellt. In dieser Darstellung wurde das aktuelle Sozialsystem Irlands in seinen historischen Kontext gesetzt und analysiert. Besonders hingewiesen wurde hierbei vor allem auf zwei Eckpunkte dieser Geschichte, die besonderen Einfluss auf die heutige Situation haben. Dies ist einerseits die traditionell starke Position der katholischen Kirche in der irischen Gesellschaft, welche bis heute massiven Einfluss auf die Strukturen der Sozialen Dienste nimmt, indem sie diese auf einer sehr breiten Basis zur Verfügung stellt. So übernimmt sie, teilweise in Zusammenarbeit mit ehrenamtlichen Diensten, die ebenfalls fest in den Strukturen Sozialer Dienste in Irland verankert sind, sehr weit reichend Aufgaben, die in Deutschland zumeist eher in der Hand von staatlichen Institutionen liegen. Zum zweiten ist es die rasante wirtschaftliche Entwicklung Irlands seit den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts (Celtic Tiger), die wesentlichen Einfluss auf die heutige gesellschaftliche Situation des Lands hat. Der irische Staat hat sich in Reaktion auf diesen wirtschaftlichen Aufschwung am amerikanischen Vorbild orientiert und auch aufgrund der Tätigkeiten nichtstaatlicher Organisationen in den sozialen Systemen - für ein Modell entschieden, dass auf Basis geringer steuerlicher Belastungen, aber auch geringer sozialer Absicherung der Bürger operiert. Im Resultat soll dieses Modell das Wirtschaftswachstum fördern und offeriert der irischen Bevölkerung die Option eines hohen Lebensstandart, birgt aber gleichzeitig ein hohes Verarmungsrisiko, da Soziale Dienste und Leistungen nicht immer in der Verantwortung staatlicher Stellen liegen und somit eine gesetzliche Grundlage hätten. Das durch diesen Vortrag erworbene Basiswissen konnte als zentrale Grundlage für die Einschätzung der örtlichen Situation und den Abgleich mit der teilweise konträren Situation in der Bundesrepublik Deutschland genutzt werden und als wichtige Orientierungshilfe im weiteren Kontext dienen. International vergleichende Soziale Arbeit: Die Unterschiede zwischen den Sozialen Systemen der BRD und der Republik Irland scheinen augenfällig. In Irland spielt der Staat bzw. seine Institutionen eine relativ untergeordnete Rolle in der Gewährleistung sozialer Dienste und Leistungen. Diese Tatsache, die ihren Ursprung sowohl in der sehr bewussten Entscheidung für eine Politik niedriger Abgaben bei gleichzeitig geringen staatlichen Fürsorgeleistungen, als auch in der wenigstens traditionell sehr starken Position der Kirche in Irland hat, stellt ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal zur Situation in Deutschland dar. In Deutschland liegen die Sozialleistungen ganz nach Tradition Bismarcks fest in Händen des Staates und bilden ein umfangreiches und weit reichendes System von finanziellen Leistungen, Diensten und Institutionen. Somit offeriert die BRD ein staatlich garantiertes und gesetzlich streng geregeltes Netz der sozialen Sicherung, das zwar einen gewissen Schutz vor Verarmung bietet, aber auch erhebliche finanzielle Aufwendungen aller solidarisch Beteiligten bedeutet. Die Schwerpunktsetzung in Deutschland ist also eine grundlegend andere. Gerade aus diesem Grund aber erscheint auch ein Vergleich der beiden Systeme wie im Rahmen der Studienreise geschehen als Forschungsgegenstand sinnvoll. Denn einerseits ermöglichte dieser eine grundlegende Relativierung der Sozialen Systeme im jeweils eigenen Land, andererseits konnte aber auch der durch den Austausch mit den irischen Studenten inspirierte oder erst ermöglichte Blick von außen auf das eigene System weitergehende Erkenntnisse vermitteln. Der internationale Vergleich erweist sich somit als geeignetes Instrument der Distanzherstellung und als wichtige Erkenntnisquelle. Interkulturelles Lernen: Im Bereich des interkulturellen Lernens konnte die Reise nach Irland etliche Kompetenzen fördern und verdichten. So war das Konzept der Arbeit vor Ort bewusst darauf ausgelegt, die Studenten in einen interkulturellen Austausch mit ihren irischen KommilitonInnen zu bringen. Erreicht wurde dies zunächst einmal durch die Sprache, die unumgängliches Mittel zur Kommunikation war und letztlich immer die Anwendung individueller Sprachkenntnisse nötig machte. Als Arbeitsform wurde weiterhin neben der Plenumsdiskussion auch die vertiefende Arbeit in Kleingruppen immer wieder zum Medium des Austauschs. Auf diesem Wege konnten die Studierenden auf soziale und kommunikative Kompetenzen unter neuen und eventuell unbekannten Gegebenheiten zurückgreifen, diese prüfen und erweitern. Gerade die Reise in ein anderes Land und der Umgang mit einer so genannten Fremdsprache bieten an dieser Stelle einen Erkenntnisraum, der im Rahmen der Ausbildung an der Fachhochschule ansonsten nicht hergestellt werden kann. Ausblick: Die Arbeit an der Thematik sollte wie beschrieben nicht auf den Reisezeitraum beschränkt sein, vielmehr gingen dem Aufenthalt etliche Vorarbeiten im Rahmen einer Seminarreihe voraus und es soll auch in Zukunft weiterhin an diesem Forschungsprojekt gearbeitet werden. Die Forschungsreise nach Irland steht hier als Bindeglied zwischen der Betrachtung der sozialen Gegebenheiten in Deutschland, die am Beginn der Arbeiten standen, und dem übergreifenden Vergleich mit dem irischen System, der auf diese Weise erst möglich gemacht wurde. Sie tritt somit an zentraler Stelle im Konzept dieser Arbeiten auf, indem sie auf besondere Art und Weise den Zugang zu Informationen und zum Austausch über das irische Sozialsystem geboten hat, die sonst nicht zugänglich gewesen wären. In Cork wurde beschlossen, dass die sozialpolitischen Arbeitsergebnisse nunmehr zunächst wieder, wie gehabt, von den einzelnen Gruppen verwendet und bearbeitet werden, wobei auch weiterhin natürlich der Austausch zwischen den Gruppen bei Fragen o.ä. beibehalten werden soll. Die deutsche Gruppe hat es sich hierbei insbesondere zum Ziel gesetzt, die neu gewonnenen Erkenntnisse in eine Präsentation des deutschen Sozialsystems sowie in die weitergehende Beachtung des Abgleichs mit dem irischen System einfließen zu lassen. Die Arbeitsergebnisse sollen dann im April den irischen Studierenden vorgeführt werden. Des weiteren wurde während der Arbeit in Cork beschlossen, dass die Arbeitsergebnisse, die dann in der abermaligen Zusammenarbeit in Deutschland zusammengefasst werden sollen, in einer Internetpräsentation zugänglich gemacht und als Informationsquelle, z.B. für Studierende beider Universitäten, bereit gestellt werden.