die beautyqueen von leenane

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Begleitmaterial zur Vorstellung
DIE BEAUTYQUEEN VON
LEENANE
nicht.THEATER Ensemble
Drama / 170 Min. / Empfohlen von 16 bis 99 Jahren
Begleitinformationen erstellt von Raffaela Schöbitz
Ansprechperson für Informationen, Anmeldung und Kartenreservierung
Mag. Christina Bierbaumer / Mo. – Fr. 09:00 - 17:00
Fon: +43.1.522 07 20 -18 / Fax: +43.1.522 07 20 -30
[email protected] / www.dschungelwien.at
INHALTSVERZEICHNIS
1. ZUR PRODUKTION ................................................. 3
2. INHALTSANGABE ................................................... 4
3. INSZENIERUNGSKONZEPT ......................................... 6
4. THEMEN UND INHALTE ............................................ 10
5. DAS TEAM ........................................................... 12
6. DIE SCHAUSPIELERINNEN ......................................... 14
7. DER AUTOR ......................................................... 15
8. DIE ÜBERSETZUNG................................................. 16
9. KRITIKEN ............................................................ 18
10. IRLAND, DIE IREN UND DER TORF................................ 20
11. VOR- UND NACHBEREITUNG ...................................... 24
12. LITERATUR- UND FILMEMPFEHLUNGEN ZUM THEMA .......... 26
13. KONTAKT ........................................................... 27
2
1. ZUR PRODUKTION
DIE BEAUTYQUEEN VON LEENANE
Drama
nicht.THEATER Ensemble
Dauer: 170 Min.
Empfohlen ab 16 Jahren
URAUFFÜHRUNG am 12. Oktober 2012 im Mo.e
Wien-PREMIERE der Wiederaufnahme am 30. September 2014 im DSCHUNGEL WIEN
Regie:
Rieke Süßkow
Bühnenbild:
Felix Huber
Regieassistenz:
Raffaela Schöbitz
Musik:
Lydia Sarges
Visuals:
Willi Kubica
Autor:
Martin McDonagh
Aufführungsrechte: Hartmann & Stauffacher Verlag, Köln
DarstellerInnen:
Aleksandra Corovic, Sabine Herget, Eugen Knecht, Philipp Stix
„Es ist erstaunlich, wie sich der Mensch so ganz der Täuschung hingeben kann, dass das
Schöne auch das Gute sei.“ – Lew Tolstoi
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2. INHALTSANGABE
MAY YOU BE HALF AN HOUR IN HEAVEN AFORE
THE DEVIL KNOWS YOU'RE DEAD …
Martin McDonagh, 1970 als Sohn irischer Eltern in London
geboren, wurde mit der Uraufführung seines ersten
Stückes, „Die Beautyqueen von Leenane“, im Jahr 1996
schlagartig berühmt.
Das Stück wurde am 1. Februar 1996 im Town Hall Theatre
in Galway uraufgeführt. Danach folgten Inszenierungen in
Großbritannien und am Broadway, wo es für 6 Tony Awards
nominiert wurde und davon 4 gewann. Anna Manahan in der
Rolle
der
Mag
wurde
als
beste
Nebendarstellerin
ausgezeichnet.
Es ist eine Geschichte voller Skurrilität aus dem Westen Irlands mit einem Humor, so
schwarz, dass einem das Lachen im Halse stecken bleibt. Die irische Tristesse und
Aberwitzigkeit treiben Maureen Folan auf ihrem kleinen Hügel in Leenane immer tiefer
in die Verzweiflung. Draußen die Hühner in schlammigen Pfützen – drinnen in der Hütte
die alte, garstige Mutter, die einfach nicht sterben will. Ein Mann muss her – doch diesen
Plan hat Maureen ohne ihre intrigante und perfide Mutter gemacht.
Diese Inszenierung verschafft Eintritt in einen entstellten, aber dennoch intimen
familiären Raum, dessen Atmosphäre von jahrelanger Missgunst und seelischer
Grausamkeit vergoren wurde. Dabei überschlägt sich die Handlung. Ständig werden neue
Fragen aufgeworfen, die zwar Antworten, aber keine Lösungen bringen, denn in den
Reden der Menschen ist längst nicht mehr klar, was Wahrheit und was Lüge ist.
Das Publikum dringt in ein psychosoziales Spannungsfeld ein, in welchem es sich mit den
morbiden Wunschträumen von Maureen konfrontiert sieht, die unter ihrer ausweglosen
Lebenslast extreme Vorstellungen von einem schönen Leben entwickelt hat. Doch
Maureens Ideale verschärfen in ihrer Überbelichtung lediglich den Blick auf Sehnsüchte
4
und Vorstellungen von Schönheit, die unsere Gesellschaft anführen. Je begehrenswerter
etwas erscheint, desto stärker verdeckt es die porösen Seiten der Realität. So wird an
diesem Theaterabend auch ein Blick hinter das Postkartenidyll Irland geworfen, das mit
einer langen Geschichte der Auswanderung und wirtschaftlichen Instabilität zu kämpfen
hat.
Die „Beautyqueen von Leenane” ist ein Stück, in dem alles bereits einen Makel hat, in
dem selbst die guten Dinge keinen angenehmen Schauer mehr mit sich bringen und jeder
Blick auf Flecken fällt.
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3. INSZENIERUNGSKONZEPT
STRINDBERGS INTIMES THEATER
August Strindberg, einer der wichtigsten Vertreter der modernen Avantgarde des
Naturalismus, stellte bereits 1888 in seinem Vorwort zu „Fräulein Julie“ bestimmte
formale und inhaltliche Forderungen auf, deren Erfüllung für ein perfekt illusionistischnaturalistisches und Intimes Theater von Nöten wären. Im Zuge des Aufkommens der
Psychotherapie im 20. Jahrhundert wurde es auch in vielen anderen Künsten Trend, sich
mit der menschlichen Psyche zu befassen.
Das Schaffen von Intimität im Theater bewirke, so Strindberg einen höheren Grad an
Illusion. Er stellte kategorische Forderungen zu den unterschiedlichen theatertheoretischen und -praktischen Bereichen. Die räumlichen Dimensionen und das
Publikum sollten kleiner sein um ein Gefühl von Vertrautheit zu schaffen. Das Stück
sollte die Realität noch perfekter nachahmen um die Illusion zu verstärken. So legte er
beispielsweise besonderen Wert auf die Komplexität und den Facettenreichtum der
Charaktere. Ihm waren die Typisierungen der Figuren, die durch übertriebene Schminke
und Spielweise noch verstärkt wurden zuwider. Auch das Bühnenbild sollte eine perfekte
Illusion der realen Welt geben. Er wollte „ein Zimmer auf die Bühne stellen, das
ungefähr wie ein Zimmer aussieht“1. Ferner verlangte er eine strikte Trennung zwischen
Bühnengeschehen und Publikum, damit der Zuschauer glaubt, er sei heimlicher
Beobachter eines privaten Geschehens und werde von den Handelnden auf der Bühne
nicht bemerkt. Man könne dadurch die Illusion einem realen Geschehen beizuwohnen
noch verstärken. Ganz im Sinne des Naturalismus also forderte er die vierte Wand. 2
Strindberg wollte das Publikum „disziplinieren“. Es sollte sich voll und ganz auf die
1 Strindberg, Ausgust: „Fräulein Julie. Vorwort zur Erstausgabe“, in:
http://odysseetheater.org/julie/julie.htm#Vorwort
2 Die vierte Wand ist ein Begriff der im Theater für einen spezielles Theaterkonzept verwendet wird und
ein klassisches Element des naturalistischen Theaters des 20. Jahrhunderts. In diesem Konzept denken
sich Schauspieler an die Stelle des Publikums bzw. der Bühnenrampe eine vierte Wand und tun so, als
bewegen sie sich in einem intimen Rahmen, wo nur die Figuren, die auf der Bühne stehen, das
Gesprochene hören können. Davor war es für den Schauspieler, vor allem in der Commedia dell'Arte,
üblich, den Kontakt zum Publikum durch Zwischenkommentare, o.ä. zu suchen. Auch das Publikum
konnte auf ihn reagieren, indem es z.B. zwischen den Auftritten applaudierte oder sogar mit Tomaten
warf.
6
Handlung auf der Bühne konzentrieren und somit in eine komplette Illusion verfallen.
Seine theaterpraktischen Forderungen dazu widersprachen den Theaterkonventionen
seiner Zeit völlig. Während für das Publikum um 1900 der Theaterbesuch ein soziales
Event darstellte, bei dem nicht in erster Linie das Bühnengeschehen im Vordergrund des
Abends stand, wollte Strindberg den Fokus komplett auf die Bühne legen. Hierfür
forderte er unter anderem die Abschaffung der Logen und die Verdunkelung des
Zuschauerraums. Weiterhin plädierte Strindberg für den Einakter. So werde das Bedürfnis
der Zuschauer sich einzumischen und Teil des Geschehens auf der Bühne zu werden
unterdrückt. Nur durch die perfekte Abschottung und Ruhigstellung des Publikums also,
sei eine Atmosphäre von Privatheit und Intimität möglich.
Daraus ergibt sich folgende paradoxe Fragestellung: Wie kann ein Gefühl der
Vertrautheit und Intimität geschaffen werden, wenn gleichzeitig eine absolute und
strikte Distanz zwischen zwei Parteien eingehalten werden muss? Die Versuche der
Trennung, die in unterschiedlichen Theatern zu jener Zeit entstanden 3 misslangen vor
allem aufgrund der Aktivität des Publikums. Eine Schlussfolgerung daraus wäre, dass das
Publikum zu große Lust an der Selbstinszenierung und dem Theatergang als
gesellschaftlicher Event im Allgemeinen hatte und deshalb für Strindbergs Ideen noch
nicht bereit war. Andererseits stellen diese Bedürfnisse die Vermutung nahe, dass auch
das Publikum ein Problem mit dem oben formulierten Widerspruch hatte. Denn gerade
diese Lust am Mitmachen, das Bedürfnis integriert zu werden, ließe sich eigentlich für
eine intime Atmosphäre im Theater nutzbar machen.
INTIMITÄT BEI DER BEAUTYQUEEN
Bei der „Beautyqueen von Leenane“ befinden sich sowohl SchauspielerInnen als auch
ZuschauerInnen im gleichen Raum. Keine Rampe trennt sie voneinander. Alle vier Wände
von denen die Menschen in dem Raum umgeben sind, sind real und trennen den
„innerszenischen“ Raum von der gesamten Außenwelt ab. Das heißt, das Publikum ist
nicht einfach nur stiller Beobachter ohne Funktion, sondern Teil der Welt von Maureen
und Mag Folan. Sie sind Touristen, die für eine Nacht in einer „B&B-Pension“
unterkommen und so unfreiwillige Beobachter des brutalen Familienalltags werden.
3 Bestes Beispiel dafür: Kammerspiele in Berlin, Max Reinhardt Eröffnung mit Ibsens Gespenster 1906.
7
Zunächst soll in den Anwesenden mit der Vergabe von Tee und Keksen noch so etwas, wie
ein Gefühl von Vertrautheit und Intimität geschaffen werden. Auf Kissen und Teppichen
können sie sich in die Atmosphäre eines gemütlichen irischen Cottages versetzen. Wenn
dann schon zu Beginn des Stücks die unangenehmen Streitigkeiten zwischen Mag und
Maureen auftauchen, ist es den ZuschauerInnen unmöglich, sich der Situation emotional
zu entziehen. Sie sind Gäste bei einer sich streitenden Familie und fühlen sich nun noch
vielmehr wie Eindringlinge. Jeder kann das Interieur sehen, dass nicht nur wie ein
Zimmer aussieht, sondern tatsächlich ein Zimmer ist. Und er sieht es nicht etwa, weil er
es heimlich beobachtet, sondern weil er innerhalb des Raumes eine Funktion hat. Damit
wird der/die ZuschauerIn zu einem Teil des Geschehens und kann von den Figuren nicht
übersehen werden. Jede ihrer eigenen Handlungen ist damit auch eine Handlung die zum
Geschehen beigetragen wird. Statt das Publikum zu unterdrücken und ruhig zu stellen,
wird seine Aktivität sogar gefordert. Sie sind nicht einfach Voyeure die in eine
Privatsphäre eindringen, sondern sie sind teilnehmende Gäste.
DIE INNENWELT UND DAS AUGENSPIEL
Strindberg erkannte nach seinen eigenen Angaben, dass die Menschen seiner Zeit „sich
nicht mit der Beobachtung eines Vorgangs zufriedengeben, ohne zu erfahren, wie sich
alles ergibt“4 Die Innenwelt der Figuren, ihre „Charaktere“ und besonderen seelischen
Beschaffenheiten sollten zum Hauptforschungsfeld der theatralen Aktion werden.
Um das Innere der Figuren zu beleuchten, sei das Augenspiel der Charaktere besonders
wichtig, da die Augen die „primäre Offenbarungsquelle des Seelischen“5 seien. Ferner
spiele der Innenraum der jeweiligen Charaktere eine große Rolle. Der Raum solle zum
Gegenstand der Handlung werden, da er die Individualität und Besonderheit der Figuren
ausdrücke.
Allerdings erscheint es fragwürdig, ob die Erfüllung dieser Kriterien uns tatsächlich das
Innere der Seele erkennen lässt. Geht man von dem naturalistischen Anspruch aus, den
Marianne Streisand benennt, darf das Symbolhafte des Interieurs in keinem Falle gegen
die Gesetze der Realität sprechen. Das Augenspiel und die privaten Gespräche dürften
4 Strindberg, Ausgust: „Fräulein Julie. Vorwort zur Erstausgabe“.
5 Streisand, Marianne: „Intimität. Begriffsgeschichte und Entdeckung der 'Intimität' auf dem Theater um
1900“. Fink: München, 2001. S. 143.
8
nur so viel preisgeben, wie sie es in realen Situationen täten. Max Reinhardt und andere
Vertreter des Naturalismus zu jener Zeit, begannen immer mehr in Richtung
Symbolismus zu denken. Nicht mehr allein Dialoge und Milieu sollten die Innerlichkeit
der Figuren zeigen, sondern auch Musik, Licht und anderen Medien wurden eingesetzt,
um die Seelenwinkel einer Figuren symbolisch auszudrücken.
PROJEKTIONEN
Maureens Tagträume nehmen in ihrem trostlosen Alltag ungesunde Formen an. Die
Fensterprojektion präsentiert ein Konglomerat an Bildstoffen aus einer Hochglanzromantik Hollywoods. Sie sind eine Art Schnittstelle zwischen Realität und Wunschtraum,
Realbild und Virtualität. Das Fenster etabliert bewusst ein Paradox, an dem sich diese
beiden Welten treffen und die Wahrnehmung der Figuren bestimmen. Stereotype,
touristische Illusionen, Bilder von Romantik, Leidenschaft und Schönheit werden immer
wieder überschattet von Bildern der Angst- und Hassfantasien.
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4. THEMEN UND INHALTE
KEKSE, BREI UND HUNDEOHREN
Die Beautyqueen von Leenane ist eine Mischung aus Milieu-Sozialdrama und
Psychothriller. McDonagh verwendet Elemente des klassischen irischen Realismus der
50er Jahre und konventionelle naturalistische Elemente, sowie einen einfach
nachzuvollziehenden und stringenten Plot. Zugleich ironisiert er aber alle diese
Elemente wieder, indem er Realität und Imagination so eng ineinander verwebt, dass das
gesamte Konzept eines realistischen Theaters in Frage gestellt wird. Häusliche Gewalt
wird also zugleich thematisiert und parodiert. Durch die detaillierte Beschreibung von
Gewalt in Kombination mit Elementen wie Keksen, Brei, Hühnern und Hundeohren wird
das Thema auf eine skurrile Ebene gerückt.
Der Schein einer traditionellen naturalistischen Formgebung kann im ersten Moment
täuschen. Die Form erinnert zunächst an den irischen Naturalismus und eine Welt der
frustrierten Jungfern, einsamen Junggesellen und verdorbenen Geistlichen. Gleichzeitig
zeigt das Stück aber auch eine kalte, verschlossene Gesellschaft, die in ihren Ängsten
und Bedürfnissen von der Medienlandschaft geprägt ist. Hier bildet sich die Schnittstelle
zwischen einer bereits vergangenen Welt, in der noch Briefe überbracht oder
aufgehalten werden und wo ein Swingball-Set das großartigste Spielzeug für einen
10jährigen Jungen ist, und einer mediengeprägten Realität, in der man Essen in
Tiefkühlform kauft und in amerikanischen Fernsehserien ständig die Sonne scheint.
IDENTITÄTSVERLUST UND HEIMAT
Diese Problematik fasst Pato zusammen, als er Maureen gesteht, dass er, trotzdem er in
London unglücklich ist, auch nicht wieder zurück nach Leenane möchte. Er ist weder
hier noch dort zu Hause. Obwohl Irland stets als das schöne Land der Berge und des
vieltönigen Grüns gesehen wird, scheint es den Bewohner selbst nicht so viel zu
Bedeuten. Die schöne und reine Natur wird ersetzt durch Regen, Matsch und steile
Hügel. Tiere, die als klassische Elemente im Postkarten Idyll Irlands verortet werden,
bedeuten auf einmal nur mehr Gewalt: Hundeohren werden abgeschnitten, Hühner mit
Tennisbällen beworfen und Kühe getreten.
10
RAY
Wer will schon Irland in die Glotze sehen?
Ein touristisches Bild von Connemara auf einem Kalender erweckt in Maureen mehr
Heimatgefühle, als die tatsächliche Region selbst je würde erzeugen können. Dieser Teil
Irlands steckt in einer Epoche fest, die es auch in den 90er Jahren, als das Stück
geschrieben wurde, so nicht mehr existierte. Beinahe alle Identitätsstiftenden Momente
Irlands scheinen verschwunden zu sein. Die Kirche fällt auseinander und auch die Familie
als Institution ist nur noch von Gewalt, Hass und Abhängigkeit durchzogen. Maureen und
Pato sind unfähig ihre Gefühle auszudrücken oder gar miteinander zu schlafen.
WAHRHEIT UND LÜGE
Lüge ist ein vorherrschendes Element des Stücks. Da aber fast alle Informationen, die
wir erhalten, auf irgendwelchen Erzählungen basieren, kann sich der/die ZuschauerIn
nie ganz klar sein, was Lüge und was tatsächlich geschehen ist. Es gibt Andeutungen, die
auf damals aktuelle Ereignisse in Irland referieren, andere wiederum sind frei erfunden.
Dadurch entsteht so etwas wie eine surreale Vermischung von Dokumentation und
Fiktion. McDonagh bildet in seiner Arbeit immer wieder Schnittstellen von Elementen,
die eigentlich völlig gegensätzlich erscheinen. Somit treffen in dem Stück klassische
Shakespeare-Elemente6 auf Seifenopern, Horror- und Splatter-Ästhetik wird mit
Märchenromantik gemischt. Unschöne Realität wird vermischt mit den Sehnsüchten und
Träumen der Charaktere von einer besseren Welt.
6 Ein Brief soll überbracht werden und sowohl durch Intrigen als auch durch Unfähigkeit des Überbringer,
wird der Brief nie gelesen und und damit das Drama in die Katastrophe getrieben
11
5. DAS TEAM
Das nicht.THEATER Ensemble ist eine Gruppe freischaffender Theatermacher aus Wien.
Im Zuge gemeinsamer Arbeit an mehreren freien Projekten entwickelte sich das Streben
die Grenzen des klassischen Theaters auszuloten und zu erweitern, indem feste
Verhältnisse zwischen Bühne und Zuschauer gelöst und das bewusste Erleben des
Ereignisses in den Mittelpunkt gerückt werden. Abseits von normalen Theaterräumen
werden
nun
urbane
Orte
zur
Essenz
eines
durch
neuartige
Raum-
und
Inszenierungskonzepte geschaffenen subjektiven Erlebens- und Assoziationsraums.
In Zusammenarbeit mit der Musikerin Lydia Sarges entstand ein eigens angefertigter,
experimenteller Soundtrack für diese Produktion.
RIEKE SüßKOW – REGIE
Geboren in Berlin, machte sie zunächst Jugendtheaterarbeit in Edinburgh, Berlin und
Wien. Neben dem Studium der Theater-, Film- und Medienwissenschaft an der
Universität Wien absolvierte sie Assistenzen am Schauspielhaus Wien und bei den
Salzburger Festspielen. Heute arbeitet sie als freischaffende Regisseurin für das
nicht.Theater Ensemble und studiert Schauspiel und Regie an der Theaterakademie
Hamburg. Als Regisseurin der freien Szene Wiens zeichnete sie sich bereits für die Stücke
„Die Beautyqueen von Leenane“ (mo.ë, DSCHUNGEL WIEN), „Protect Me“ (Stilwerk Wien
und „Volksvernichtung oder meine Leber ist sinnlos“ (Blaue Lagune) aus.
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FELIX HUBER – BÜHNENBILD
Geboren in Hallein, studierte er zunächst Politikwissenschaften und Architektur in
Salzburg und an der Universität Wien und seit Frühjahr 2013 Bühnengestaltung an der
Universität für angewandte Kunst Wien. Nach Assistenzen am Salzburger Landestheater
ist er seit 2013 Mitbegründer und künstlerischer Leiter des nicht.THEATER Ensembles und
als freischaffender Bühnenbildner und Lichtdesigner tätig.
RAFFAELA SCHÖBITZ – REGIEASSISTENZ
Geboren in Korneuburg, studierte sie Theater-, Film- und Medienwissenschaften und
Kunstgeschichte in Wien und Berlin. Sie übernahm die Assistenz der künstlerischen
Leitung
beim
100°
Berlin-Festival
in
den
SOPHIENSÆLEN
und
war
für
die
Spielortbetreuung und Programmorganisation beim internationalen Kurzfilmfestival
interfilm Berlin verantwortlich. Heute arbeitet sie als freischaffende Dramatikerin,
Filmkritikerin und Illustratorin in Wien.
WILLI KUBICA – VISUALS
Geboren in Berlin, studierte er Theater-, Film- und Medienwissenschaften an der
Universität Wien, sowie Filmregie an der Filmakademie Ludwigsburg. 2012 übernahm er
die Produktionsleitung und Visuals bei „Die Beautyqueen von Leenane“, war für die
Dramaturgie und Trailer-Regie bei „Protect Me“ und für Videoaufnahmen und Schnitt bei
„Volksvernichtung“ verantwortlich. Außerdem führte er Regie bei diversen Kurzfilmen.
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6. DIE SCHAUSPIELERINNEN
ALEKSANDRA COROVIC – MAUREEN
Geboren 1986 in Herne.
Studierte Schauspiel am Konservatorium Wien.
Spielte u.a. in: „Die Beautyqueen von Leenane“, „Protect Me“, „Volksvernichtung oder
meine Leber ist sinnlos“
SABINE HERGET – MAG
Geboren 1966 in Graz.
Studierte Schauspiel an der Kunstuniversität in Graz.
Spielte viele Jahre u.a. am Stadttheater St. Gallen und am Wiener Volkstheater
Spielte u.a. in: „4 Frauen und ein Todesfall“ (TV-Serie, 2006), „Angst essen Seele auf“
(Theater Scala, 2012)
PHILIPP STIX – PATO
Geboren 1978
Studierte Schauspiel am Konservatorium Wien.
Arbeitet als freier Schauspieler für Theater, Film und Fernsehen. U.a. beim
Aktionstheater Ensemble, dem Theater Scala, u.v.m.
Spielte u.a. in: „Vermisst“ (Andreas Prochaska, 2010), „Don Juan“ (Theater Scala, 2014),
„Lumpacivagabundus“ (Festspiele Maria Enzersdorf, 2007)
EUGEN KNECHT – RAY
Geboren 1987 in Rudnyi, Kasachstan.
Studierte Schauspiel am Max Reinhardt Seminar.
Spielte u.a. in: „Sarajevo“ (Andreas Prochaska, 2013), „Tatort“ (TV-Serie, 2014)
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7. DER AUTOR
„BEAVIS UND BUTTHEAD“ TREFFEN DEN „HELDEN DER WESTLICHEN WELT“
So beurteilt die britische Kritik die skurill-komische Handschrift des irischen Dramatikers
Martin McDonagh, der schon in jungen Jahren mit seiner Leenane-Trilogie weit über
Irland hinaus das Publikum bewegte. Stücke wie „A Skull in Connemara“ (1997), „The
Lonesome West“ (1997) und „Die Beautyqueen von Leenane“ (Uraufführung 1996 in
Galway) wurden von Kritikern als „brutal und bitterböse“ bezeichnet und der Autor
selbst, als ein Poet beschrieben, welcher der „immergrünen Insel den verklärenden
Schleier der Idylle heruntergerissen hat“ (FAZ). Stets euphorisch wird über McDonaghs
Erfolg berichtet („A star is born“, Sunday Times), dessen „Beautyqueen“ mit drei TonyAwards ausgezeichnet wurde, nachdem es über ein Jahr lang am Broadway in
ausverkauften Vorstellungen lief.
Kurz darauf folgte dann „The Aran Islands Trilogy“, mit den Stücken „The Cripple of
Inishmaan“ (1996), „The Lieutenant of Inishmore“ (2001) und „The Banshees of Inisheer“
(unpubliziert). Martin McDonaghs Texte wurden mehrfach ausgezeichnet und in über
zwanzig Sprachen übersetzt. Wie kaum ein anderer seiner Generation arbeitet McDonagh
konsequent an einem Thema: Der tragikomischen Darstellung von Gewalt in unerlösten
Gemeinschaften. Die virtuos gebauten Stücke spielen in Irland, am Rande der Insel, wo
die Menschen auf- und aneinander hängen. Es sind Volksstücke, farcehafte Spiele mit
Wirklichkeiten und Möglichkeiten. Die Figuren sind dabei stets lebendig und geerdet.7
Im Jahr 2004 gab McDonagh schließlich auch sein Debüt als Filmregisseur mit dem
Kurzfilm „Six Shooter“, für den er 2006 den Oscar in der Kategorie Bester Kurzfilm
erhielt. Zwei Jahre später inszenierte er seinen ersten, ebenso erfolgreichen
Langspielfilm „In Bruges“ mit Colin Farell, Brendan Gleeson und Ralph Fiennes in den
Hauptrollen. Für diesen Film erhielt er 2009 den British Academy Film Award und seine
erste Oscar-Nominierung für einen Langspielfilm. 2012 folgte mit „Seven Psychopaths“
eine selbstreflexive, tiefschwarze Actionkomödie, mit äußerst populärer Darstellerriege.
Für alle drei Werke verfasste McDonagh, neben seiner Arbeit als Regisseur, auch das
Drehbuch.
7 http://www.rittnersommerspiele.com/2003/autor.phtml
15
8. DIE ÜBERSETZUNG
JOA DAS ISN ZIEMLICH GROßER BLÖDER HÜGEL
„Irisches Englisch“ (Orig.: „Hiberno English“) ist der Fachbegriff, der die Form der
Englischen Sprache beschreibt, die in Irland gesprochen wird. Wie jede Dialekt-Art,
besitzt auch diese zahlreiche Eigenheiten und charakteristische Elemente. Die Wurzeln
des „Irischen Englisch“ liegen im Gaelischen, der ursprünglichen Irischen Sprache. Eine
ihrer Besonderheiten, die McDonagh häufig in seinen Texten verwendet und dessen
Syntax er als „von hinten nach vorne“ bezeichnet, sieht wie folgt aus:
MAG Although lumpy it was, Maureen.8
Üblicherweise würde man die Schreibweise „It was lumpy“ vorziehen, aber McDonagh
hat die Satzstellung umgedreht, um auf diese Weise das Englisch zu reflektieren, das in
den meisten Teilen Irlands gesprochen wird.
Irisches Englisch verwendet außerdem „Ja“ und „Nein“ weniger häufig als andere
Englische Dialekte. Einer der Hauptgründe dafür, ist die einfache Tatsache, dass die
Wörter „Ja“ und „Nein“ im Gälischen so nicht existieren. Üblicherweise wird also ein
Satz, der eine solche oder ähnliche Antwort verlangt, wiederholt und auf eine Weise
betont, dass sie entweder Zustimmung oder Ablehnung ausdrückt.9 Wie etwa:
MAUREEN
PATO
That's awful spiteful, cutting the ears off a dog.
It is awful spiteful.10
Die Regisseurin Rieke Süßkow, die auch für die deutsche Übersetzung der Textvorlage
McDonaghs verantwortlich ist, hat versucht diese Besonderheiten so authentisch wie
möglich zu übernehmen. Hier ein Beispiel dafür:
ORIGINAL „THE BEAUTYQUEEN OF LEENANE“, MARTIN MCDONAGH (1996)
RAY
You’ll be remembering the message to pass in on that one?
8 McDonagh, Martin / Rees, Catherine (Hg.): „The Beauty Queen of Leenane. Bloomsbury Methuen
Drama“. A&C Black: London 2013, S. 3.
9 ebd., S. XLIV.
10 ebd., S. 22.
16
MAG
RAY
MAG
RAY
MAG
RAY
Aye.
Say it back to me so.
Say it back to you?
Aye.
(long pause) About me hip...?
(angrily) I should’ve fecking written it down in the first fecking place, I
feckin knew! And save all this fecking time!
Ray grabs a pen and a piece of paper, sits at the table and writes the message
out.11
ÜBERSETZUNG VON RIEKE SüßKOW, „DIE BEAUTYQUEEN VON LEENANE“ (2012)
RAY
MAG
RAY
MAG
RAY
MAG
RAY
Sie denken daran, die Nachricht auszurichten?
Joa.
Na denn sagen sies mir nu nochmal auf.
Dir nochmal aufsagen?
Ja
(lange Pause) Über meine Hüfte?
(verärgert) Ich hätte die verdammt Scheiße von Anfang an aufschreiben
sollen. Hätt ich mir nu die beschissene scheiß Zeit gespart.
11 McDonagh, Martin / Rees, Catherine (Hg.): „The Beauty Queen of Leenane. Bloomsbury Methuen
Drama“. A&C Black: London 2013, S. 13.
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9. KRITIKEN
FM5.AT (23.10.2012)
Bedrückende Nähe, Inszenierung eines drastischen Machtkampfes und viel schwarzer
Humor zeichneten „Die Beautyqueen von Leenane“ aus. (…)
Er ist der Mann hinter dem Text: Der irische Dramatiker und Regisseur Martin McDonagh
brachte 1996 ein unglaublich packendes Stück zur Welt - Die Beautyqueen von Leenane.
(…) Die Aufführung fand an fünf Tagen in einem Haus nahe des Hernalser Gürtels in Wien
statt und bot ein beeindruckendes Erlebnis. Der Eingang war verdunkelt, so dass man
bloß durch sanfte Musik erahnen konnte, wohin es geht. Die ersten Eindrücke waren
mehr als nur einprägend, allerdings nicht in negativer Art und Weise. Empfangen wurde
man mit warmem Tee und Keksen. Mit der Frage „Oh, hat Kimberly nicht geschmeckt?“
wurde Verwirrung erzeugt, die sich wenig später im Stück aufgeklärte. Kimberly ist ein
Keks mit Marshmallows. Besondere Sitzgelegenheiten boten eine andersartige, aber
durchaus auch heimelige Atmosphäre; auf Stühlen, Polstern und gemütlichen Sofas
inklusive Decken begab man sich mitten ins Geschehen. Die Distanz zwischen Zuschauer
und Schauspieler wurde komplett aufgehoben, da man nur wenige Zentimeter von
Spielstätten im Stück wie der Garderobe und der Küche getrennt war.
REALITÄT ODER UNTERSTELLUNG
Diese Nähe erzeugte ein verstärktes Gefühl des Miterlebens und Nachempfindens. Dies
gelang auch aufgrund der eindrucksvollen Leistung der vier Schauspieler. Das größte Lob
gilt dabei Aleksandra Corovic, die in der Rolle der Maureen Folan glänzte. Maureens Welt
spielt zwischen familiärem Pflichtgefühl und Selbstverwirklichungsdrang. Während sie
sich um ihre morbide Mutter kümmern muss, kommt ihr eigenes Leben viel zu kurz.
Gefangen auf einem Hügel im irländischen Leenane, pendelt Maureen zwischen
Hühnerstall im Garten und Saustall im Wohnzimmer hin und her. In ihrer trostlosen
Tätigkeit gleicht sie einer Bombe, die durch das Auftauchen eines Mannes gezündet wird
und jederzeit zu explodieren droht. Doch kurz nur lodern die Flammen des Glücks, denn
eben dieses scheint Maureen nicht vergönnt, hat sie die Pläne doch ohne ihre Mutter
18
gemacht. So beginnt ein mit Intrigen gespickter (Über-)Lebenskampf zwischen Wunsch
und Wirklichkeit.
Während der zweieinhalbstündigen Inszenierung stand die Frage im Raum, was nun real
und was Unterstellung sei – eine Frage, die das Publikum durch das verstörende Ende
wohl auch nicht zu beantworten wusste. Gerade die Einfachheit der Bühnengestaltung
brachte Schwung in die Inszenierung. Eine Küche, eine Garderobe und ein Schaukelstuhl,
auf dem die Mutter die meiste Zeit verbringt, reichten aus, um die Spannung
beizubehalten und die Kluft zwischen Realität und deren Verlust umso authentischer
erscheinen zu lassen. Erwähnt werden muss auch die melancholisch anmutende Musik
von Lydia Sarges, die die ZuschauerInnen immer wieder zusätzlich in den Bann des
Stücks gezogen hat.
FAZIT
In der Inszenierung von „Die Beautyqueen von Leenane“ paarte sich die unscheinbare
Schönheit des Einfachen mit der bedrückenden Komplexität zwischenmenschlicher
Beziehungen
–
bis
zum
19
bitteren
Ende.
10. IRLAND, DIE IREN UND DER TORF
DAS GANZE GEBIET IST WIE EIN RIESIGGROSSER KOMPOSTHAUFEN,
DER SCHIEFGEGANGEN IST
Torf entsteht durch das Vermodern und Zersetzen pflanzlicher Substanzen über
Jahrtausende hinweg. Viele Haushalte in Irland, vor allem in ländlichen Gegenden,
bevorzugen Torf als Heizmaterial. Torf schafft ein besonderes Ambiente und erfüllt die
Luft mit einem stechenden, aber nicht unangenehmen Duft. Das Material wird mit einem
besonderen Spaten, dem Slane, gestochen. Die Ballen werden vorgestochen, durch
Spatenstiche getrennt, ausgehoben und ausgebreitet um sie von Wind und Sonne
trocknen zu lassen.12
Die Häuser der Irischen Landschaft stehen zu großen Teilen auf diesem Torf, also quasi
auf Heizmaterial, das die Bewohner systematisch abbauen. Überall sieht man Torfstiche
und getrocknete Moorpackungen in Haufen. Von einem solchen könne ein Haushalt einen
Winter lang heizen. Daher kümmert es die Bewohner wenig, wenn sich die Regierung
mittlerweile gegen den Torfabbau stemmen will. 13
Die EU hat dieses quellenreiche, feuchte Stück des irischen Bodens als „Besonderes
Schutzgebiet“ ausgewiesen und bestimmt, dass hier im Hinblick auf die Erhaltung der
Moorgebiete nicht weiter Torf gestochen werden darf. Die irische Regierung wiederum ist
besorgt, dass ihr die EU hohe Strafgelder aufbrummt, wenn sie sich über
Umweltrichtlinien
hinwegsetzt,
die
vor
14
Jahren
festgelegt
wurden.
Irlands
Erhaltungsorganisation An Taisce besteht jedoch darauf, dass die Fine-Gael und LabourRegierung nun die Umsetzung des Verbots durchführen muss. Irische Umweltschützer
weisen darauf hin, dass die Moore einzigartig sind – und überdies einer der
empfindlichsten, überstrapaziertesten natürlichen Lebensräume der Welt.14
ALLE SECHS MINUTEN VERLÄSST EIN IRE SEINE HEIMAT
Das Land befindet sich in der Rezession. Die hohe Arbeitslosigkeit vor allem bei
12 http://irlandlexikon.de/t/torf/
13 http://diepresse.com/home/leben/reise/1331484/Irland_Vom-Leben-im-Torf
14 http://www.voxeurop.eu/de/content/article/735111-aufstand-der-torfstecher
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Jugendlichen treibt die IrInnen ins Ausland. Die meisten von ihnen haben Irland in
Richtung Großbritannien, Australien und Kanada verlassen. Sie sind auf der Suche nach
Arbeit.
Vom Anfang des Jahrtausends bis zum Ausbruch der Finanzkrise hatte Irland noch eine
der höchsten Einwanderungs-Raten in der EU. Damals gab es noch reichlich gutbezahlte
Jobs. Doch dann dreht sich der Trend um.
Mehr als ein Drittel der Auswanderer sind Jugendliche. Denn fast ein Drittel der 15 bis 24
Jahre alten IrInnen sind derzeit arbeitslos. Und wer Arbeit hat, bekommt heute deutlich
geringere Löhne. Niamh Hourigan, Soziologie-Professor am University College Cork sagte:
„Emigration ist ein Reflex des irischen Volkes in Krisenzeiten. (…) Die Hoffnung ist, dass
viele dieser jungen Menschen mit neuen Fähigkeiten zurückkehren können, wenn die
wirtschaftlich Lage sich irgendwann wieder bessert.“15
Der Anti-irische Rassismus, der die Insulaner schon seit Jahrhunderten begleitet, macht
das Problem der Auswanderung nicht einfacher. Im engeren Sinne bezeichnet dieser
Begriff vor allem eine negative Haltung großer Teile der englischen Bevölkerung gegen
IrInnen keltischer Abstammung im 19. Jahrhundert. Diskriminierung der IrInnen
keltischer Herkunft, die sich bereits im 12. Jahrhundert herauskristallisierte und
schließlich im Rassismus gipfelte. Diese Diskriminierung baute sich lange Zeit auf der
Verunglimpfung der christlichen Praktiken der IrInnen auf sowie auf deren vermeintlicher
Rückständigkeit,
Faulheit
und
Heimtücke.
Später
kamen
noch
Vorwürfe
der
Gewalttätigkeit und Unruhestiftung hinzu.16
Aus zahlreichen Romanen, Filmen und Songtexten von ausgewanderten IrInnen kennen
wir die romantische Vorstellung ihrer Heimat als das verlorene Paradies, wohin man
irgendwann wieder zurückkehren wird um dort Glücklich und in Harmonie die
wunderschöne Landschaft zu genießen. Martin McDonagh wuchs in einem Teil Londons
auf, wo mindestens die Hälfte aller Häuser von irischen Familien bewohnt waren. Er
selbst, als Sohn irischer Eltern, verbrachte viele Sommerferien in Connemara, der
westlichsten Region in Galway. Seine Jugend war von strengem Katholizismus und der
nationalen Emotionalität der Iren durchdrungen. Er gehört zu jener Generation der
15 http://www.deutsche-mittelstands-nachrichten.de/2013/08/54388/
16 http://de.wikipedia.org/wiki/Anti-Irischer_Rassismus
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Exiliren, die den Begriff Anglo-Iren neu definiert haben.
KLEINES IRLAND-PROFIL
Irischer Name: Eire
Hauptstadt:
Dublin
Einwohnerzahl: 6,4 Millionen
Bierkonsum:
131 Liter im Jahr pro Person (2. höchster Bierkonsum in der EU nach
Tschechien)
Schafe:
1,3 Schafe pro Person
Seit der legendären Missionierung durch den Nationalheiligen St. Patrick im 5.
Jahrhundert n. Chr. ist Irland ein streng katholisches Land. Die katholische Kirche hatte
deswegen vor allem nach der Gründung der Republik 1946 starken Einfluss auf die
Gesellschaft; viele Kinder etwa besuchten katholische Schulen.
Das zweite größte Ereignis in der Geschichte Irlands war die Eroberung durch England.
Lange Zeit diente die Insel als Kornkammer für Großbritannien und die Unabhängigkeit
konnte erst nach langen Kämpfen 1921 erreicht werden. In Nordirland, welches bei
Großbritannien verblieb, gab es noch bis Mitte der 1990er mehrere blutige Anschläge.
Die Gewalt konnte erst mit dem Karfreitagsabkommen 1998 beendet werden.
In den 1980ern wurde Irland auf Grund der Misswirtschaft der vorangegangen Jahrzehnte
von einer schweren Krise heimgesucht. Wer konnte, wanderte aus (über 70.000 Iren in
1989). Das Hauptziel war dabei Großbritannien, wo irische Gastarbeiter, auf Grund des
anhaltenden Konfliktes in Nordirland, oft terroristischer Verbindungen verdächtigt
wurden. Wer in Irland blieb, war mit einer Arbeitslosenrate von fast 20% und schwerer
häuslicher Gewalt in 10% aller Familien konfrontiert. Viele flüchtete in die „heilen“
Welten ausländischer Fernsehserien.
LEENANE
Irischer Name:
An Líonán (Bedeutung: „Wo die Flut einströmt“)
Offizieller Name: Leenaun
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Leenane ist die alte Schreibweise und wurde geändert, um Verwechslungen mit zwei
anderen Orten zu vermeiden. Die Bewohner des Ortes verwenden aber meistens die alte
Version. Der Ort befindet sich im County Galway in Connemara, im Westen Irlands. Diese
Region gilt als äußerst rückständig: Der Name „Connaught“ wird sprichwörtlich für alles
verwendet, was als primitiv oder unterentwickelt angesehen wird. Auf Grund des
steinigen und unfruchtbaren Bodens ist die landwirtschaftliche Nutzung nur sehr schwer
möglich. Viele Bauern sind daher, um ihr Einkommen zu sichern, vom Tourismus
abhängig. So besuchen heute über eine Million Touristen jährlich den Westen der Insel
und genießen die Ruhe der Natur.
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11. VOR- UND NACHBEREITUNG
Das Stück bietet sehr viele unterschiedliche Aspekte, mit denen man sich je nach
Klassenstufe und Schulfach beschäftigen kann. Die oben angeführten Informationen über
das Land und die Bewohner bilden lediglich eine kleine Stützen, um daraus einen
möglichen Unterrichtsstoff zu entwickeln.
Für den Englisch-, Geschichts-, oder Erdkundeunterricht bietet es sich an, über Irland
und deren politische, finanzielle und kulturelle Situation zu sprechen. (Infos oben)
Im Deutschunterricht oder in einer Theater AG könnte man die Dramenform und oder
das Konzept des Intimen Theaters besprechen. (Milieutheater, Max Reinhardt:
Kammerspiele, Naturalismus, Symbolismus, 20.Jahrhundert: Psycho-Dramen; Siehe Infos
oben)
SOZIALE THEMEN
Sexualität, Gewalt und Medieneinfluss: Wenn geisteswissenschaftliche oder soziale
Themen bevorzugt werden, bietet sich das Thema der häuslichen Gewalt und
Familienprobleme an, ebenso wie die Erkundung der Sexualität und der Vorstellung von
einem glücklichen Leben.
Sie können die Klasse beispielsweise fragen, was sie sich unter einem glücklichen Leben
vorstellen und wodurch diese Vorstellung geprägt ist. Wie sehr sind wir in unseren
Wünschen von Fernsehen, Kino und Werbung geprägt? Was ist unser Bild von Schönheit?
Weiblichkeit und Männlichkeit? Das Stück thematisiert zu großen Teilen den Versuch der
Befreiung bzw. Loslösung einer Tochter von ihrem Elternhaus. Die Streitigkeiten über die
Kleidung und die Männer und die unterschiedlichen Weltanschauungen von Mutter und
Tochter, sowie die Machtkämpfe die in dem Stück ausgetragen werden, erinnern zu
großen Teilen an die zwischen pubertierenden Teenagern und ihren Eltern. Maureen
provoziert ihre Mutter bewusst. Mag will ihr keine Freiheiten lassen und versucht mit
allen Mittel zu verhindern, dass sie einen Mann kennenlernt.
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Rassismus und Heimatlosigkeit: Ein weiterer interessanter und aktueller Themenblock,
ist jener, der sich mit Heimat und Identität beschäftigt. (Infos oben)
Sie können die Klasse beispielsweise fragen, in welchem Maße sie meinen, dass ihr
Heimatland und ihre Sprache auch ihre Kultur bestimmen. In diesem Zusammenhang
lässt sich auch das Thema Rassismus ansprechen. Pato beschreibt seine trostlose
Situation in England, wo er auf dem Bau arbeiten muss und Maureen erzählt von ihren
schlechten Erfahrungen, als Putzkraft in Leeds. Rassismus gegenüber Gastarbeitern und
das gleichzeitig damit verbundene Gefühl der Heimatlosigkeit ist auf der ganzen Welt
allgegenwärtig. Sie können beispielsweise weiter fragen, wie viele der Jugendlichen
Eltern oder Großeltern haben, die als ausländische Gastarbeiter nach Österreich
gekommen sind oder in irgendeiner Form vergleichbare Erfahrungen gemacht haben. Wie
empfindet die Klasse das Verhältnis und der Österreicher zu ausländischen Gastarbeitern
(z.B. Putzkräfte aus Rumänien, Polen, der Türkei etc.) und den Versuch der Integration.
Gewalt und Terrorismus: Gewalt spielt eine große Rolle in dem Stück. Sie können
darüber diskutieren woher diese extreme Gewaltbereitschaft der Charaktere in dem
Stück kommt. Der Terrorismus in Irland (IRA und der Nordirland-Konflikt) und das damit
zusammenhängende Männlichkeitsbild ist damit in jedem Fall in Verbindung zu bringen.
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12. LITERATUR- UND FILMEMPFEHLUNGEN ZUM THEMA
„Six Shooter“ - der erste Kurzfilm von Martin McDonagh:
http://vimeo.com/2298743
„mareTV: Irlands rauer Norden“ (NDR, 2012) - Dokumentation über das Leben in Irland
und die Verbindung der Menschen zum Torf:
https://www.youtube.com/watch?v=DSDOsnHrcWo
Erklärungen und Informationen zum Thema „Anti-Irischer-Rassismus“
http://de.wikipedia.org/wiki/Anti-Irischer_Rassismus
Entwicklung der irischen Migrationspolitik:
http://focus-migration.hwwi.de/Irland.6269.0.html
Bichl, Norbert: „Irlands zwei Gesichter“, auf: http://www.migrant.at/irlands-zweigesichter.pdf
„Irland: Nach der Bankenkrise wächst die Armut“ (ARTE JOURNAL, 2010)
http://www.arte.tv/de/irland-nach-der-bankenkrise-waechst-diearmut/3472470,CmC=3472340.html
Mag. Phil. Halada, Lilien: „McDonagh auf der Bühne, 1996 bis 2008. Eine Dokumentation
irischer und österreichischer Inszenierungen der Stücke Martin McDonaghs“, Band 1 von
2 Bänden. Universität Wien: Wien 2010, auf: http://othes.univie.ac.at/9228/1/2010-0309_9907812.pdf.
McDonagh, Martin / Rees, Catherine (Hg.): „The Beauty Queen of Leenane. Bloomsbury
Methuen Drama“. A&C Black: London 2013.
McDonagh, Martin: „McDonagh Plays: 1. The Beauty Queen of Leenane; A Skull of
Connemara; The Lonesome West“. Bloomsbury Methuen Drama: London, New York 2013.
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13. KONTAKT
nicht.THEATER Ensemble
Eduardgasse 9/15
1180 Wien, Österreich
KÜNSTLERISCHE LEITUNG:
Rieke Süßkow und Felix Huber
Anfragen bitte an: [email protected]
Homepage:
http://www.nichttheater-ensemble.at
Facebook:
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