Tätigkeitsbericht des Vorstandes und der Geschäftsführung der Arbeitsgemeinschaft katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfe im Bistum Essen (AGkE) Berichtszeitraum: 24.11.2010 bis 23.11.2011 Impressum: © Arbeitsgemeinschaft Katholischer Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfe im Bistum Essen (AGkE) 2010-2011 Geschäftsstelle: Caritasverband für das Bistum Essen e.V. Am Porscheplatz 1 45127 Essen www.agke-essen.de Redaktion: Reinhild Mersch, Geschäftsführerin der AGkE AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 2 Inhalt: 1. Vorwort ........................................................................................................ 4 2. Mitglieder im Netzwerk der AGkE ................................................................ 5 3. Mitglieder des Vorstandes ........................................................................... 6 4. Tätigkeit des Vorstandes ............................................................................. 6 5. Fachkonferenzen ......................................................................................... 10 • Fachkonferenz: Familienberatung • Fachkonferenz: ambulante Kinder-, Jugend- und Familienhilfe • Fachkonferenz: stationäre Erziehungshilfe • Fachkonferenz: schulischer Ganztag • Vierte gemeinsame Fachkonferenz am 18.03.2011 • Fünfte gemeinsame Fachkonferenz am 07.10.2011 • Außerordentliche gemeinsame Fachkonferenz mit den Referaten Schwangerschaftsberatung und Migration am 27.09.2011 6. Arbeitsauschüsse ........................................................................................ 13 • AA Fachkräftegewinnung • AA "Krisenleitfaden" 7. Projekte ........................................................................................................ 15 • Familientag 2012 • Qualifizierungskurs zum/zur Berater/in für katholische Ehe-, Erziehungs- und Lebensfragen im Bistum Essen 8. Anlagen ........................................................................................................ 16 • • • • • • Verfahrensordnung bei sexuellem Missbrauch Minderjähriger durch Geistliche, Ordensmitglieder im Gestellungs- oder Beauftragungsverhältnis, Mitarbeiterinnen/Mitarbeiter im kirchlichen Dienst sowie durch im kirchlichen Bereich ehrenamtlich tätige Personen im Bistum Essen Ordnung zur Prävention von sexuellem Missbrauch an Minderjährigen (Präventionsordnung) Selbstverpflichtungserklärung Empfehlungen des deutschen Caritasverbandes zur Prävention gegen sexuellen Missbrauch sowie zum Verhalten bei Missbrauchsfällen in den Diensten und Einrichtungen der Caritas, insbesondere in der Kinder-, Jugend- und Behindertenhilfe - novellierte Fassung Handout von Frau Balikci: Interkulturalität am Beispiel von muslimischen Ratsuchenden Handout von Herrn Prof. Dr. Schmälzle: „Der Mensch ist der Weg der Kirche“ – zwischen konziliarem Postulat und nachkonziliarer Wirklichkeit. Überlegungen zum spirituellen Profil der Arbeit im Netzwerk der Erziehungshilfen. AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 3 1. Vorwort Mit dem diesjährigen Tätigkeitsbericht wollen wir Ihnen die Aktivitäten des letzten Jahres, die Arbeitsergebnisse der Vorstandssitzungen, der Fachkonferenzen und der Arbeitsausschüsse noch einmal näher bringen. Besonders erfreulich: der 'Leitfaden zur Einarbeitung neuer Fachkräfte in der Erziehungshilfe und im schulischen Ganztag' hat über das Bistum Essen hinaus großen Anklang gefunden. An dieser Stelle nochmal ein herzliches 'Danke schön' an die Arbeitsgruppe für die gute und konstruktive Arbeit. Inzwischen engagiert sich eine zweite Arbeitsgruppe an Handlungsempfehlungen zur Prävention, Partizipation und Intervention bei sexuellem Missbrauch und eine weitere Arbeitsgruppe mit dem Arbeitstitel "Berichtswesen" wird sich in diesem Jahr noch konstituieren. Neben der Verfahrens- und Präventionsordnung des Bischofs und den Empfehlungen des Deutschen Caritasverbandes wird im nächsten Jahr die Einflussnahme und Umsetzung des Bundeskinderschutzgesetzes sicherlich ein Thema für die Fachkonferenzen sein. In diesem Jahr haben wir zwei gemeinsame Fachkonferenzen organisiert und eine weitere außerordentliche Fachkonferenz abgehalten, da die Themen mit Querschnittscharakter wie Inklusion und Interkulturalität gut und sinnvoll zusammen besprochen werden können. Die so genannten Schnittstellenthemen werden uns in den nächsten Jahren immer mehr begleiten und beschäftigen. Es konnten in diesem Jahr Präsentationsmaterialien angeschafft werden, die weiter die gemeinsame Identität des Netzwerkes stärken und bei gemeinsamen öffentlichen Auftritten genutzt werden können. In der diesjährigen Mitgliederversammlung wird der Vorstand neu gewählt. Wir sind gespannt, wie der neue Vorstand zusammengesetzt ist und welche Schwerpunkte die kommende Wahlperiode haben wird. Ulrich Fuest Vorsitzender der AGkE Reinhild Mersch Geschäftsführerin der AGkE AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 4 2. Mitglieder im Netzwerk der AGkE Fürstin Franziska Christine Stiftung, Essen Kinder- und Jugendhaus St. Elisabeth, Gelsenkirchen Sozialdienst Katholischer Frauen Essen-Mitte AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 5 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 6 3. Mitglieder des Vorstandes Ulrich Fuest, Vorsitzender Andreas Meiwes Dorothé Möllenberg Ludger Thiesmeier Monika Bormann Ulrich Fischer Andreas Strüder BDKJ-Diözesanseelsorger kooptiertes Mitglied Margret Zerres 4. Tätigkeit des Vorstandes Mitgliederversammlung der AGkE im Bistum Essen am 24.11.2010 An der Mitgliederversammlung 2010 haben ca. 30 Personen der Mitgliedseinrichtungen teilgenommen. In diesem Rahmen wurde das neu kooptierte Mitglied, Herr Andreas Strüder, Diözesanseelsorger des BDKJ-Diözesanverbandes Essen, begrüßt. Er stellte sich der Mitgliederversammlung mit seiner beruflichen Vita AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 7 und seinen Arbeitsschwerpunkten vor. Er löst Herrn Pottbäcker ab, dem für seine jahrelange Mitarbeit gedankt wird. Der Tätigkeitsbericht 2009 wird von Herrn Fuest, Vorsitzender der AGkE und weiteren Vorstandsmitgliedern vorgestellt. Der Vorstand wird anschließend einstimmig entlastet. Als Gast wurde Herr Hiller, Geschäftsführer des Bundesverbandes der katholischen Einrichtungen und Dienste e.V. (BVkE), begrüßt, der der Mitgliederversammlung die Tätigkeiten des BVkE vorstellt, den Nutzen der Mitgliedschaft im Bundesverband erläutert und für eine aktive Mitarbeit wirbt. Themen in den Vorstandssitzungen 1. Inklusion und Teilhabe 2. gem. Vorstandssitzung DiAGs: AGkE und Behindertenhilfe Gestaltung des Jahresthemas 2011 "Kein Mensch ist perfekt" 3. Interkulturelle Öffnung 4. "Neue Medien" 5. AGkE: Mitgliedschaft und Beteiligung 6. aktueller Stand: sexueller Missbrauch – Handlungsempfehlungen Empfehlungen zu Partizipation, Prävention und Krisenintervention Vereinbarung gem. § 8a SGB VIII Eignung der Fachkräfte (§ 72a SGB VIII) Verfahrensordnung des Bischofs von Essen Präventionsordnung des Bischofs von Essen Selbstverpflichtungserklärung Empfehlungen des deutschen Caritasverbandes 7. neues Bundeskinderschutzgesetz 8. Frühe Hilfen 9. kleine Kinder in Heimen 10. Leitfaden zur Einarbeitung von Fachkräften in der Erziehungshilfe und im schulischen Ganztag 11. Statistik 12. Jugendintegrationskonzept AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 8 13. Familienfest (Bistum Essen) 14. Heimaufsicht (Zusammenarbeit mit den Landschaftsverbänden) 15. Vernetzung der Themen: Jugendhilfe – Suchtberatung – Schuldnerberatung – Schwangerschaftskonfliktberatung – Migration (beim DiCV und auf OCV-Ebene) 16. Fachkräftemangel in der Erziehungshilfe 17. Sozialraumorientierung Klausurtagung des AGkE-Vorstandes vom 07. - 08.07.2011 AGKE-Vorstand (von links): Frau Möllenberg (Kinder- und Jugendhaus St. Elisabeth, Gelsenkirchen), Frau Bormann (Neue Wege, Caritasverband für Bochum und Wattenscheid e.V.), Frau Zerres (Caritas Sozialdienste e.V. Mülheim), Frau Lorra (Caritasverband für das Bistum Essen e.V.), Herr Meiwes (Caritasverband für das Bistum Essen e.V.), Herr Fuest (Caritasverband Duisburg e.V.), Herr Fischer (Caritasverband Gladbeck e.V.), Herr Thiesmeier (Caritasverband Duisburg e.V.), Frau Mersch (Caritasverband für das Bistum Essen e.V.) In diesem Jahr hat sich der Vorstand intensiv mit den anstehenden Neuwahlen im November 2011 beschäftigt. Nach ausführlicher Reflexion der Ziele aus den Vorjahren, wurden weiterführende Ziele für die neue Wahlperiode diskutiert und beschlossen. Damit wird der Vorstand sich in der nächsten Mitgliederversammlung vorstellen und zur Neuwahl zur Verfügung stellen. Zusätzlich beschäftigte sich das Gremium mit den Themen "Sozialraumorientierung", "Präventionsordnung", "Leistungsspektrum des Diözesancaritasverbandes", "Inklusion" und "Schnittstellengestaltung und Vernetzung zu den Themen Behinderung, Suchterkrankungen und psychische Erkrankung". AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 9 Vorstandsziele 2008 Bei der Überprüfung der Vorstandsziele konnte festgestellt werden, dass diese überwiegend erreicht wurden. Das Netzwerk ist bei den angeschlossenen Einrichtungen bekannt, es gibt ein gemeinsames Erscheinungsbild (siehe Plakat, Flyer und Internetseite - www.agke-essen.de), die Fachkonferenzen tagen regelmäßig und bieten einen gemeinsamen Erfahrungsaustausch, Begegnungsräume und eine Kommunikationsplattform für die Mitglieder. Mit den gemeinsamen Fachkonferenzen wird themenübergreifender fachlicher Austausch möglich. Die kurzfristig beauftragten Arbeitsausschüsse können schnell und effizient Fachthemen aufarbeiten und dem Netzwerk zur Verfügung stellen. Der Vorstand ist so besetzt, dass sowohl Fachdisziplinen wie Funktionsträger gleichermaßen vertreten sind und die Querkommunikation gesichert ist. So kann die Konzentration auf die Detailziele erfolgen. Vorhaben wie die Aktivierung des Newsletters, AGkE-Namesschilder, gemeinsame Öffentlichkeitsarbeit und politische Statements müssen noch umgesetzt werden. AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 10 Schwerpunktsetzung für die Wahlperiode 2011 - 2014 Intensivierung der Öffentlichkeitsarbeit Zusammenarbeit und Fachaustausch der Fachkonferenzen Kooperationen der Fachdisziplinen im Netzwerk Umsetzung der Ordnung zur Prävention von sexuellem Missbrauch an Minderjährigen Auswirkungen des Bundeskinderschutzgesetzes Dialogprozess des Bistums Essen (Zukunft auf katholisch) Sozialraumorientierung Vernetzung und Kooperation mit dem Fachgebiet: Menschen mit Behinderung Fachgebiet: Menschen mit Suchterkrankungen Fachgebiet: Menschen mit psychischen Erkrankungen Fachgebiet: Menschen mit Migrationshintergrund 5. Fachkonferenzen (Bericht der Vorsitzenden) • Fachkonferenz: Familienberatung Vorsitzender: Ludger Thiesmeier Im Jahre 2011 fanden bisher insgesamt zwei Fachkonferenzen (18.03.11 und 15.07.11) statt, eine dritte wird erst Anfang Dezember stattfinden. In der Sitzung vom 18.03. stand das Jahresthema Inklusion „Kein Mensch ist perfekt“ im Vordergrund. Herr Strippel, Referent der Behindertenhilfe im DICV führte zu diesem Thema mit einem Input-Referat ein, dem sich eine rege und interessante Diskussion über die unterschiedlichen Entwicklungen „vor Ort“ anschloss. Des weiteren wurde das Thema Jugendhilfe und Schule intensiv in den Blick genommen, da immer mehr Beratungsstellen hier involviert sind bzw. davon ausgehen, dass dies in Zukunft einen größeren Raum einnehmen wird. Anschließend stand der gegenseitige Informations- und Erfahrungsaustausch im Mittelpunkt, in dem über die aktuellen verbandlichen, fachlichen und fachpolitischen Entwicklungen in den jeweiligen Kommunen berichtet wird. AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 11 Dieser Teil der Fachkonferenz ist für alle Beteiligte meist von großer Bedeutung, da hier Impulse, Ideen und Diskussionen angeregt werden, die für die eigene Arbeit meist sehr hilfreich sind z.B. neue Gruppenangebote, Kooperationsmöglichkeiten oder fachliche Positionierungen der jeweiligen kommunalen Jugendämter. In der Sitzung vom 15.07.11 stellte zu Beginn Frau Braun vom Fortbildungsreferat des DiCV, aktuelle Planungen vor und fragte den Bedarf im Bereich Jugendhilfe ab. Hier wurde u.a. der Wunsch nach einer breiter angelegten Fachtagung geäußert. Frau Lorra stellte den Leitfaden zur Einarbeitung von Fachkräften in der Erziehungshilfe und im schulischen Ganztag vor. Der aktuelle Stand der Krisenintervention wurde vorgestellt und diskutiert, der ja auch auf der Mitgliederversammlung entsprechend dargestellt wird. Weitere Themen dieser Sitzung: Familienfest 2012 – Planungen – Aktueller Stand zum Jahresthema „Inklusion“, verbunden mit dem Hinweis des World Cafe im „Der kleine Prinz“ in Duisburg am 18.07. zum Schwerpunktthema Barrierefreiheit und Teilhabe. Gemeinsame FK am 07.10.11 zum Thema :„ Das katholische Profil als Markenzeichen für unsere Erziehungshilfe“ mit Herrn Prof. Dr. Schmälzle. Beendet wurde auch diese Konferenz wieder mir dem bereits erwähnten Informations- und Erfahrungsaustausch. • Fachkonferenz: ambulante Kinder-, Jugend- und Familienhilfe Vorsitzende: Margret Zerres Die Fachkonferenz ambulante Kinder- Jugend- und Familienhilfe hat sich im Berichtszeitraum zu 3 Sitzungen getroffen: 24.11.2010, 18.03.2011, 20.06.2011 Die Schwerpunkte waren hier neben dem umfangreichen Fach- und Informationsaustausch folgende Themen: - Fachkräftemangel in der Jugendhilfe - Einarbeitung neuer MitarbeiterInnen - Präventionsordnung - Inklusion - Integration und Interkulturelle Öffnung - Frühe Hilfen - Bundeskinderschutzgesetz AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 12 Für den Berichtszeitraum ist besonders erwähnenswert, dass in 2011 zwei gemeinsame Fachkonferenzen gestaltet wurden. So kann die Arbeit an gemeinsamen Themen und der Fachaustausch über die einzelnen Fachkonferenzen hinaus intensiviert werden. Auch die engere Zusammenarbeit mit dem Bereich der DIAG Behindertenhilfe besonders zum Jahresthema Inklusion ist für uns Anstoß auch in Zukunft mehr über den eigenen Tellerrand zu schauen und mehr miteinander in Austausch und Zusammenarbeit zu kommen. Hier ist auch die Zusammenarbeit bei einer gemeinsamen Fachkonferenz mit den Referaten Schwangerenberatung und Migration zu erwähnen. • Fachkonferenz: stationäre Erziehungshilfe Vorsitzende: Dorothé Möllenberg Der Fachkonferenz stationäre Erziehungshilfe gehören 19 Einrichtungen an. Im Berichtszeitraum fanden insgesamt 3 Fachkonferenzen und die gemeinsamen Fachkonferenzen statt. Inhaltlich war neben den Informationen aus der Geschäftsstelle immer der kollegiale Fach- und Informationsaustausch ein wichtiger Punkt. Aus diesem Grund gibt es nach den gemeinsamen Fachkonferenzen immer noch einen kurzen Austausch über aktuelle Dinge im Kreise der Fachkonferenz. Mehrfach diskutiert wurde über das Thema „Kleine Kinder in Heimen“. Kritisch wurde betrachtet, dass es einen höheren Bedarf an Sozialpädagogischen Lebensgemeinschaften und geeigneten Pflegefamilien gibt, als zur Verfügung stehen. Die weitere Entwicklung (Festlegung von Standards und Gewinnung von geeigneten Personen) ist zu beobachten. Einen ständigen Austausch gab es zum Thema Präventionsordnung, Handlungsempfehlung, präventive Maßnahmen in den Einrichtungen. Hiermit werden wir uns auch in Zukunft noch weiter auseinandersetzen. Mit Sorge wird auch das Thema Fachkräftemangel gesehen. Wenn auch noch nicht von einer akuten Krise zu sprechen ist, so macht sich doch bemerkbar, dass die Suche nach geeignetem Personal immer schwieriger wird. Weitere Themen, wie die Kooperation mit Schulen, Hilfen für junge Volljährige wurden andiskutiert. Informationen zum Bundeskinderschutzgesetz und dem Familientag 2012 im Bistum wurden ausgetauscht. AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 13 • Fachkonferenz: schulischer Ganztag Vorsitzende: Monika Bormann Die Fachkonferenz Schulischer Ganztag hat sich im Berichtszeitraum dreimal getroffen und an der gemeinsamen Fachkonferenz teilgenommen. Neben der Information durch die Geschäftsführung über aktuelle politische Themen und die gegenseitige Information die Entwicklungen im eigenen Verantwortungsbereich haben wir uns mit den Möglichkeiten des offenen Ganztags auseinandergesetzt. So ließen wir uns durch die Erziehungsberatungsstelle Oberhausen über deren Projekt informieren, Legasthenietherapie an Schulen durchzuführen. Die Therapie am Nachmittag findet in Oberhausen in Kooperation mit der OGS statt. Genau solche Projekte erschienen auch für andere OGS attraktiv, werden aber zur Zeit noch nicht umgesetzt. So kam es zu der Frage, welche Standards es überhaupt für den offenen Ganztag gibt. An diese Frage heranzugehen, ist ein sehr ehrgeiziges Projekt, weil sich der offene Ganztag in jeder Stadt anders entwickelt hat. Immer wird Hausaufgabenbetreuung angeboten und meist gibt es ein warmes Mittagessen. Damit enden im Moment noch die gemeinsamen Standards. Aber an den verschiedenen Standorten werden sehr unterschiedliche und gute Projekte entwickelt, oft abhängig davon, was im Stadtteil und an der spezifischen Schule nötig und möglich ist. Das reicht vom interreligiösen Dialog oder der Auseinandersetzung mit der Bewahrung der Schöpfung über ungewöhnliche Sportarten wie Fechten und musische-kreative Angebote bis zur Gesundheitserziehung. Die personelle und räumliche Ausstattung ist sehr unterschiedlich. Immer geht das Konzept davon aus, viel mit Honorarkräften zu machen, die nur wenige Stunden für bestimmte Angebote kommen. Die meisten Hauptamtlichen sind qualifizierte Erzieherinnen, manchmal auch Sozial- und HeilpädagogInnen, die aber nur an Förderschulen entsprechend ihrer Qualifikation bezahlt werden. Weiterbildung ist nur mit großem Eigenengagement der MitarbeiterInnen möglich, weil sie auf Grund der geringen Stundenzahl überwiegend ihre Freizeit einsetzen müssen. Die Städte haben unterschiedliche Wege entwickelt, um mit diesem Problem umzugehen. So gibt es in Bochum einmal im Jahr einen Fachtag für alle MitarbeiterInnen des offenen Ganztags trägerübergreifend. Elternberatung ist nicht strukturell verankert, sondern liegt in der schulischen Verantwortung. AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 14 Das Gelingen der Arbeit vor Ort hängt überhaupt sehr stark von der Kooperation mit der Schule ab, die letztlich die Verantwortung für den offenen Ganztag hat. Diesbezüglich gibt es aber inzwischen überwiegend positive Erfahrungen. Dies ist ein kleiner Einblick in die Probleme der Entwicklung von Standards. Es ist zur Zeit noch völlig offen, ob es klüger ist, sich auf Caritas-Standards im Bistum Essen zu einigen oder individuellen Lösungen vor Ort den Vorzug zu geben und die Fachkonferenz eher als Diskussionsforum für eigene Entwicklungsideen zu nutzen. • Vierte gemeinsame Fachkonferenz am 18.03.2011 Jahreskampagne 2011 "Kein Mensch ist perfekt" Zu dieser Veranstaltung der Jahreskampagne "Kein Mensch ist perfekt" konnten wir Herrn Strippel als Referent der Behindertenhilfe des DiCV Essen gewinnen, der für die Mitglieder der Fachkonferenzen einen Einführungsvortrag zum Thema 'Inklusion' hielt. Es schloss sich eine differenzierte Diskussion an, in der schon erste in der Praxis gelebte Beispiele inklusiver Ideen benannt wurden oder Möglichkeiten der Umsetzung überlegt wurden. Es gab jedoch auch kritische Fragen zu diesem Ansatz mit der Sorge, ob Kinder mit Behinderungen ausreichend gefördert werden können, angenommen es gäbe keine speziellen Einrichtungen zur Sonderförderung mehr. Die Veranstaltung schloss mit dem Ergebnis, dass man diesem Ansatz offen gegenüber steht und in den nächsten Jahren geschaut werden muss, was sinnvoll und umsetzbar ist. AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 15 Alle Fachkonferenzmitglieder waren eingeladen an den Veranstaltungen zur Jahreskampagne "Kein Mensch ist perfekt" des Caritasverbandes für das Bistum Essen e.V. teilzunehmen. • Fünfte gemeinsame Fachkonferenz am 07.10.2011 „Der Mensch ist der Weg der Kirche“ – zwischen konziliarem Postulat und nachkonziliarer Wirklichkeit. Überlegungen zum spirituellen Profil der Arbeit im Netzwerk der Erziehungshilfen mit Prof. Dr. Udo Schmälze, Theologe und Priester - 1987-2008 Direktor des Seminars für Pastoraltheologie und Religionspädagogik an der Universität Münster Die "simple" Frage, die sich hinter diesem Titel verbirgt ist "Was ist katholisch/Caritas an uns?" Die wiederum simple Handeln ist Caritas". Im Prinzip ist es so unkompliziert und doch wird es bei der tieferen Auseinadersetzung auch vor unseres dem Hintergrund Antwort lautet "Unser Beratungs- und Betreuungsalltages nicht so einfach. Herr Prof. Schmälzle führte Teilnehmerinnen und Teilnehmer die durch die Bibelstelle LK 7,36 unterschiedlichste Lesearten dieser Bibelstelle vor, um uns damit die - 50 und stellte uns Thematik "Christliches Handeln" und die Motivationen des Handelns Einzelner nahe zu bringen. "Jesus macht die Menschen nicht zum Fall", Jesus fragt, "Was fordert die Liebe". An dieser Stelle kommen Beraterinnen und Berater unmittelbar an ihre eigene Glaubensgrundsätze, AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 16 ihr Gottesbild, ihre christlichen Werte und Normen und die schwierige Diskussion, was ist das "richtige" christliche Handeln. Diese Entscheidung kann nur jeder für sich selber treffen, in der Verpflichtung mit dieser Gewissensfreiheit verantwortlich umzugehen und die Verantwortung für seine Entscheidung zu übernehmen. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der gemeinsamen Fachkonferenz haben einen intensiven Tag erlebt. Viele sind mit nachwirkenden Gedanken in den Feierabend gegangen und haben uns von inspirierenden "Folgeerscheinungen" berichtet. • Außerordentliche gemeinsame Fachkonferenz mit den Referaten Schwangerschaftsberatung, Kinder & Jugend und Migration am 27.09.2011 Interkulturalität am Beispiel von muslimischen Ratsuchenden Ein Annäherungsversuch mit Frau Asiye Balikci, Volljuristin - Integrationsagentur, Caritasverband für die Stadt Gelsenkirchen e.V. Ist uns eigentlich klar, dass im Jahr 2015 in jeder westdeutschen Stadt über 100.000 Einwohner 50% der jungen Menschen bis 20 Jahre eine Migrationsgeschichte haben? bereits heute fast jeder vierte Einwohner von Nordrhein-Westfalen selbst zugewandert ist oder zumindest ein Elternteil hat, der als Ausländer/-in oder Aussiedler/-in nach Deutschland gekommen ist? von 80 Mio. Menschen in Deutschland 14 Mio. eine andere Muttersprache als Deutsch haben? bereits heute 40% der Minderjährigen in Essen oder Duisburg Migrantenkinder und -jugendliche sind? Bereits jetzt nutzen Menschen mit Migrationsgeschichte die Einrichtungen und Dienste der Caritas. Dies wird zukünftig noch verstärkt der Fall sein. Um diesen Herausforderungen AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 17 gerecht zu werden, ist es wichtig, interkulturelle und interreligiöse Kompetenz zu erwerben. Diese erste gemeinsame Fachkonferenz soll einen Beitrag zur Sensibilisierung für interkulturelle Rahmenbedingungen schaffen, bisherige Erfahrungen reflektieren und weitere Schritte auf dem Weg zur interkulturellen Orientierung, Öffnung und Kompetenz aufzeigen und zielführende weitere Aktivitäten entwickeln. Frau Balikci und die vorbereitenden ReferentInnen freuten sich auf einen interessanten Tag mit einer gut besetzten Runde von Fachkolleginnen und Fachkollegen. Die Impulse und den Einblick in die fremde Kultur führten zu angeregten Diskussionen. Dazu kamen die unterschiedlichen Sichtweisen der einzelnen Beratungssettings Schwangerschaftsberatung, Erziehungshilfe und Migrationsberatung, die die Diskussion und den Austausch zusätzlich sehr bereichert haben. Bis zum Ende der Tagung herrschte eine konzentrierte Aufmerksamkeit. Positiv wurde von den Teilnehmern hervorgehoben, dass trotz der begrenzten Stunden sowohl Zeit für fachlichen Input aber auch für intensiven Austausch zur Verfügung stand, wie aber auch die Tagung fachübergreifend stattgefunden hat. 6. Arbeitsauschüsse • AA Fachkräftegewinnung PRESSE - INFO DER CARITAS IM RUHRBISTUM Stabsstelle Öffentlichkeitsarbeit Christoph Grätz - 105 / 2011 - Essen, den 28.06.2011 Von Praktikern, für Praktiker – Caritas im Ruhrbistum legt Leitfaden zur Einarbeitung von Fachkräften in der Erziehungshilfe vor Essen (cde) Mit der Veröffentlichung eines 18-seitigen Leitfadens zur Einarbeitung von Fachkräften in der Erziehungshilfe und im schulischen Ganztag reagiert die Caritas im Ruhrbistum auf geänderte Bedingungen in der Kinder- und Jugendhilfe. Jugendämter veranlassen bei ganz kleinen Kindern, wesentlich schneller als noch vor Jahren, Inobhutnahmen. Ältere Kinder hingegen, verbleiben oft - auch aus AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 18 Kostengründen - länger in problematischen familiären Situationen, begleitet von ambulanten Hilfen. Erfolgt dann schließlich doch eine Heimunterbringung, ist dies oft mit besonderen Problemen für die Betreuung, Begleitung und Therapie verbunden. Diesen neuen Herausforderung an die Fachleute der Erziehungshilfe steht eine geänderte Ausbildungslandschaft in den Sozialberufen entgegen. Die Praxisanteile sind geringer geworden; dies muss dann durch Einarbeitung und Begleitung am Arbeitsplatz „kompensiert“ werden. Der Leitfaden will Einrichtungs-, Gruppen- und Beratungsstellenleitern dazu in Form von Checklisten und Verfahrenshinweisen eine Hilfestellung geben. Diese wurden von Praktikern aus der Erziehungshilfe entwickelt. Verantwortlich für den Inhalt ist die Arbeitsgemeinschaft der katholischen Einrichtungen und Dienste der Erziehungshilfen im Bistum Essen (AGkE). Arbeitsgruppe: Irmgard Handt (Sozialdienst katholischer Frauen e.V. Essen-Mitte), Dorothé Möllenberg (Kinder- und Jugendhaus St. Elisabeth Gelsenkirchen), Martina Pattberg (Caritas-Sozialdienste e.V. Mülheim an der Ruhr), Christian Weise (Raphaelhaus Mülheim), Reinhild Mersch (Caritasverband für das Bistum Essen e.V.) Inhalt 1. Vorwort 2. Einleitung: Fachkräfte in der Erziehungshilfe 3. Anforderungsprofil für neue Fachkräfte in der Jugendhilfe 4. Inhalte einer Einarbeitung für Absolventinnen der (Fach-) Hochschule / neue Mitarbeiterinnen 5. Anlagen 5.1. Checkliste zur Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen - stationären Jugendhilfe 5.2. Checkliste zur Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen - ambulanten Kinder-, Jugend- und Familienhilfe 5.3. Checkliste zur Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen - Familienberatung 5.4. Checkliste zur Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen - schulischen Ganztag 5.5. Vorstellung eines Traineeprogrammes 5.6. Beispielhafter Ablaufplan für eine Praxiseinheit in einer Einrichtung der stationären Jugendhilfe AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 19 Bestellung: Das Heft kann gegen eine Schutzgebühr von 3,00 Euro zzgl. Versandkosten bestellt werden beim: Caritasverband für das Bistum Essen e.V., Am Porscheplatz 1, 45127 Essen Svenja Fleer, Tel.: 0201 81028-512, Email: [email protected] • AA "Krisenleitfaden" Arbeitsgruppe: Anne Bögemann, Caritasverband Gladbeck e.V. Monika Bormann, Neue Wege - Caritasverband für Bochum und Wattenscheid e.V. Mechtild Hohage, Caritasverband für die Stadt Gelsenkirchen e.V. Martin Engler, Fürstin Franziska Christine Stiftung Essen Martina Lorra, Caritasverband für das Bistum Essen e.V. Annegret Knubben, Caritasverband Gladbeck e.V. Andreas Kollöchter, Caritasverband Duisburg e.V. Reinhild Mersch, Caritasverband für das Bistum Essen e.V. Dr. Andrea Redeker, Bischöfliche Präventionsbeauftragte im Bistum Essen Ludger Thiesmeier, Caritasverband Duisburg e.V. Seit Februar 2011 trifft sich die Arbeitsausschuss "Krisenleitfaden", um im Auftrag des Vorstandes der AGkE eine Handlungsempfehlung für die angeschlossenen Dienste und Einrichtungen zu erarbeiten. Der Arbeitsausschuss setzt sich aus Mitgliedern aller Fachkonferenzen zusammen, so dass die spezifischen Bedarfe der einzelnen Settings eingebracht und berücksichtig werden können. Zudem wirkt Frau Dr. Redeker im Ausschuss mit, so dass wir den direkten Dialog mit der Bischöfliche Präventionsbeauftragte im Bistum Essen führen können. Der Arbeitsausschuss hat sich zum Ziel gesetzt, den komplexen Themenbereich auf der einen Seite gesamtheitlich in den Blick zu nehmen und auf der anderen Seite so aufzubereiten, dass eine praxisbezogene und klare Arbeitshilfe für die Fachkollegen erarbeitet wird. So wurde vereinbart, dass nicht nur der sexuelle Übergriff von Erwachsenen an Kinder und Jugendliche bearbeitet wird, sondern auch sexuelle Übergriffe von AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 20 Minderjährigen untereinander, von Ehrenamtlichen und Honorarkräften, von Klienten an Mitarbeitern, von Mitarbeitern untereinander. Ein weiteres wichtiges Stichwort im Ausschuss ist die Rehabilitation von Mitarbeitern, die falsch angeschuldigt wurden. Weitere Stichpunkte, die in den Handlungsempfehlungen diskutiert werden und Umsetzung finden sollen, sind die Notwendigkeit von Schulungen nach der Präventionsordnung von allen Mitarbeitern in allen Strukturen und Ebenen eines Verbandes oder Einrichtung, Kinderschutz, erfahrene Fachkraft (§ 8a SGB VIII) und geschulte Fachkraft (Präventionsordndung), Rechte von Kindern, die Gesprächskultur und Haltung in Einrichtungen und die Integration des Themas in das Bewerberverfahren. Die Handlungsempfehlung wird voraussichtlich im Jahreswechsel 2011/2012 erscheinen. 7. Projekte • Jahresthema "Familie 2012" (Bistum Essen) Der Bischof Overbeck, von Essen, Dr. Franz-Josef möchte im Jahr 2012 die familienalen Beziehungen als eine Form der "Vergemeinschaftung von Menschen guten Willens" als Jahresthema bewegen. Neben vielen Aktivitäten in diesem Jahr wird am 30.06.2012 ein großes Fest auf dem Burgplatz in Essen stattfinden, bei dem alle Formen von Familie eingeladen sind, zu feiern. Verbände, Einrichtungen und Dienste sind angefragt, ihre Dienstleistungen, die sie für Familien im Bistum Essen anbieten, vorzustellen und bekannt zu machen. Die AGkE wird sich in einer konzertierten Aktion mit Informationen und Aktionen an diesem Fest beteiligen. • Qualifizierungskurs zum/zur Berater/in für katholische Ehe-, Erziehungs- und Lebensfragen im Bistum Essen Die Teilnehmer/innen des auf den zwei Jahre angelegten Qualifizierungskurs zum/zur Berater/in für katholische Ehe-, Erziehungs- und Lebensfragen im Bistum Essen haben die erste Hälfte absolviert. Ende 2011 wird der Kurs mit der Abgabe einer schriftlichen Fallarbeit (Paarberatung) und dem darauf bezogenen Kolloquium abgeschlossen. Mit bestandener Abschlussprüfung erhalten die Teilnehmer/innen die AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 21 Anerkennung auf der Basis der aktuellen Äquivalenzregelung Katholische schaft für der BundesarbeitsgemeinEhe-, Lebensberatung, Familien- und Telefonseelsorge und Offene Tür e.V. (Kath. BAG e.V.). Somit wird den Teilnehmerinnen nach bestandener Abschlussprüfung der bundesweite Einsatz in den kath. Ehe-, Familien- und Lebensberatungsstellen grundsätzlich ermöglicht. AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 22 8. Anlagen AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 23 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 24 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 25 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 26 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 27 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 28 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 29 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 30 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 31 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 32 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 33 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 34 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 35 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 36 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 37 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 38 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 39 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 40 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 41 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 42 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 43 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 44 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 45 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 46 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 47 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 48 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 49 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 50 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 51 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 52 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 53 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 54 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 55 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 56 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 57 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 58 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 59 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 60 Rektoratsbeauftragter für Behinderte Studierende WESTFÄLISCHE WILHELMSUNIVERSITÄT Hüfferstraße 27 D-48143 Münster Germany Handy:015155163501 Email:[email protected] Prof. Dr. U. Fr. Schmälzle OFM "In ihm war das Leben und das Leben war das Licht der Menschen" (Joh 1,4) „Der Mensch ist der Weg der Kirche“ (Zweites Vatikanum) zwischen konziliarem Postulat und nachkonziliarer Wirklichkeit. Überlegungen zum spirituellen Profil der Arbeit im Netzwerk der Erziehungshilfen. (AgkE-6.10.2011-Essen) Einführung II: Perspektiven und Visionen: Diakonische Pastoral arbeitet am Bruch zwischen Evangelium und Kultur" III. Diakonale Spiritualität und Identität im historischen Kontext a) Die ersten Jahrhunderte b) Der “Bruch zwischen Evangelium und Kultur” (Paul VI.): oder Die Folgen für die Kirche, wenn sie die Diakonie vergisst IV. Die Identität der Caritasverbände im Paradigmenwechsel vom Wohlfahrtsverband zum Engagiertenverband a) Wohlfahrtsverbände als Diskurs- und Praxisagenturen b) Solidarität fällt nicht vom Himmel c) Schulterschluss zwischen Verbänden und Kirchengemeinden AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 61 I. Einführung Hauptamtliche und Verantwortungsträger in Caritasverbänden und Gemeinden sind gegenwärtig mit einem fundamentalen Wandel in Kirche und Gesellschaft konfrontiert. Viele sprechen von einer Identitäts-, Glaubwürdigkeits- und Vertrauenskrise der Gläubigen gegenüber ihrer Kirche, die es in dieser Form noch nie gegeben hätte. (Beispiele…) Der Einzelne und der Verband sind von diesen Prozessen zutiefst betroffen. kommen in diesen Konfliktlagen gar nicht daran vorbei, uns zu positionieren. können die personale und verbandliche Identität nur wahren, wenn wir uns dieser Situation herausfordern und auf einen ständigen Lernprozess einlassen uns dabei immer wieder über die Grundlagen unserer Identität verständigen vergewissern. Dies betrifft den Einzelnen und den Verband. Selbstbesinnung Lernbereitschaft ist gefordert. Wir Wir von und und und Bleiben wir zunächst beim Einzelnen. Diese Lernbereitschaft speist sich aus dem beruflichen Selbstkonzept und einem latent oder manifest bewussten spirituellen Leitbild, das wir in uns tragen, ein Leitbild, das wir uns in einem langen Lernprozess angeeignet haben und dessen Infragestellung in uns Widerstände und Aggressionen auslöst. ( Fallbeispiel: “Wenn Du noch einmal…., dann steche ich zu!) Wir können diesen lebenslangen Lernprozess für uns selbst nur bewältigen und erst recht im Verband steuern, wenn wir uns zutiefst über unseren spirituellen Treibsatz im Klaren sind, der sich aus der Orientierung am Evangelium Jesu Christi speisen muss und uns die notwendige Sicherheit gibt, in der gegebenen Krisensituation zu handeln. Ich bin der festen Überzeugung, dass wir auf der Grundlage des Evangeliums jede Identitätskrise bewältigen können. Das ist auch der Hintergrund des Themas: “Back to the roots”! Dazu ein Beispiel, wie sich ein Mitbruder im Alter noch mit seiner Pastoral auseinandersetzt und auf einen Lernprozess einlässt. "War das richtig, wie wir Eucharistie gefeiert haben?” – Oder: Wie ein alter Mitbruder sich zum Evangelium bekehrt! Mein eigene Arbeit an meinem spirituellen und theologischen Selbstkonzept wurde in jungen Jahren ganz entscheidend durch das Gespräch mit einem alten Mitbruder geprägt. Er hat im Dritten Reich in Hadamar als Aushilfsseelsorger gearbeitet und Gottesdienste gefeiert. Dabei muss er erlebt haben, wie sonntags beim Gottesdienst der Gestank des Verbrennungsofens, in dem die Leichen der in der Anstalt getöteten AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 62 Geisteskranken und Behinderten verbrannt wurden, durch die Kirche zog, während dort feierlich Liturgie gefeiert wurde. Er stellt immer wieder die Frage: "War das richtig, wie wir Eucharistie gefeiert haben?" Erst im Alter scheint er diese Erinnerungen zugelassen zu haben, eine Erfahrung, die wir aus der traumatologischen Forschung kennen. Es wurde ihm klar, dass damals während der Liturgie die zentrale Christuspräsenz in den getöteten Opfern des Regimes verleugnet wurde, eine Christuspräsenz, die der Evangelist Matthäus in seinem Szenario zum Weltgericht in den Mittelpunkt stellt (Mt 25,31-46). Dieser Mitbruder hat sich der Trauerarbeit gestellt und mir gleichzeitig geholfen zu begreifen, dass es neben der eucharistischen Realpräsenz auch noch die diakonale Realpräsenz gibt. Diese Erfahrung hat mir geholfen, als Theologe und Priester ein spirituelles Selbstkonzept zu entwickeln, in dem diakonales Handeln von fundamentaler Bedeutung ist. Ich bin ihm bis auf den heutigen Tag für sein Fragen dankbar! II. Diakonale Spiritualität und Identität im historischen Kontext Das zitierte Fallbeispiel zeigt, wie eine Identitätskrise entsteht, wenn wir in der Pastoral uns nur auf die Liturgie zurückziehen und aus der diakonalen Verantwortung aussteigen. In den ersten christlichen Jahrhunderten erleben wir das Gegenteil: Aus einer Katakombenkirche wird kraft der diakonalen Glaubwürdigkeit kirchlichen Handelns aus der Kirche ein Akteur, der die antike Gesellschaft fundamental verändert. a) Die ersten Jahrhunderte Das diakonale Handeln von Christinnen und Christen wurde zu dem entscheidenden Treibsatz, der die Kirche aus den Katakomben geholt und dem Christentum in der Antike zum Durchbruch verholfen hat. Mit diesen ersten Jahrhunderten beschäftigt sich heute die Kirchengeschichte. Für den in Bonn emeritierten Historiker Ernst Dassmann ist es erwiesen: Das diakonale Profil der frühen christlichen Gemeinde (Absetzung des Kindsmords, Bekämpfung des Hungers, Pflege von Kranken, Alten und Behinderten) hat in der Antike dem Christentum seine Glaubwürdigkeit gegeben (Dassman 1994, 25f). Die Bekehrung zum Evangelium ist nicht vom Himmel gefallen. Sie ist in eine pastorale Praxis der Urgemeinde eingebettet, die bereits damals das Kerngeschäft klar definierte. Papst Gregor wird das Wort zugeschrieben: „Wenn ein Mensch in Rom des Hungers stirbt, ist der Papst nicht würdig die Messe zu feiern.“ AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 63 Dieses diakonale Profil prägte auch das Selbst- und Berufsverständnis des antiken Bischofs. In der Apostolischen Konstitution (d 1,2) aus dem 4. Jahrhundert werden die Aufgaben der Bischöfe folgendermaßen beschrieben: „Seid den Waisen ein Vater, den Witwen ein Gatte! Führt zur Ehe, die nach Liebe verlangen, gebt den Gesunden Arbeit, mit den Kranken habt Erbarmen! Gewährt den Fremden ein Obdach, den Hungernden einen Bissen, den Durstenden einen Becher; die Nackten kleidet, die Kranken besucht und den Gefangenen bringt Hilfe. Vor allem aber sorgt, dass den Waisen nichts fehle. Sorgt für die Jungfrau, wenn sie erwachsen ist, dass sie einen Bruder eheliche. Dem Knaben gebt die Ausrüstung dass er einen Beruf erlerne und sich vom Beruf nähre. Und wenn er seinen Beruf richtig erfüllt, wird er die Erzeugnisse seiner Arbeit verkaufen, damit er nicht mehr der brüderlichen Liebe zur Lastfalle, sondern sich selbst helfe.“ Aus diesem Zitat spricht das Selbstbewusstsein und Rollenverständnis der Päpste und Bischöfe in den ersten christlichen Jahrhunderten. Solche Amtshandlungen werden im Sinne des Offenbarungsdekrets „Dei Verbum“ zu „Werken, die Menschen zum Denken bringen“ und dem Wort in der Verkündigung Glaubwürdigkeit verleihen können (DV Nr. 22). Am Ende des ersten Jahrhunderts ist nach dem Zeugnis der Didache das eucharistische Mahl auf das Engste mit der Armenspeisung im Sättigungsmahl verbunden. Die Gemeinde war der Ort des konkreten diakonischen Handelns, gleichzeitig der Lernort für die gelebte Solidarität und darüber hinaus der Kommunikationsraum, in dem soziale Konflikte ausgetragen und Entscheidungen herbeigeführt wurden. Wenn sich Jesus in der lukanischen Tradition zum "diakonos" aller macht - "Ich bin unter euch wie der Dienende" (Lk 22,28) -, dann nimmt er jeden, der in seinem Namen Amt und Dienste wahrnimmt, in Pflicht. Noch deutlicher bringt diese Forderung das Markusevangelium zum Ausdruck, in dem Jesus sein Selbstverständnis als "diakonos" auf das Zusammenleben in der Jünger- und Apostelgemeinde überträgt: "Ihr wisst, dass die, die als Herrscher gelten, ihre Völker unterdrücken und die Mächtigen ihre Macht über die Menschen missbrauchen. Bei euch aber soll es nicht so sein, sondern wer bei euch groß sein will, der soll euer Diener sein, und wer bei euch der Erste sein will, soll der Sklave aller sein. Denn auch der Menschensohn ist nicht gekommen, um sich dienen zu lassen, sondern um zu dienen und sein Leben hinzugeben als Lösegeld für viele." (Mk 10,42-45) Das bereits zitierte Aufgabenprofil des Bischofs aus der Apostolischen Konstitution zeigt, wie die ersten christlichen Gemeinden sich auf diesen von Jesus AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 64 gestifteten diakonalen Lernprozess eingelassen haben, zuförderst der Bischof, der die Verantwortung für die gesamte Gemeinde zu tragen hat. Dieser Lernprozess ging in der Geschichte weiter: Bonaventura, der theologische Gegenspieler von Thomas v. Aquin in der Franziskanerschule, integriert die diakonale Dimension in sein Frömmigkeitsverständnis. Frömmigkeit (pietas) aktualisiert sich nicht nur im religiösen Akt der Gottesliebe (devotio), sie macht empathisch (compassio), befähigt zur Karriere nach unten (condescensio) und zwingt dazu, Schöpfung und Umwelt an der Erlösung teilhaben zu lassen (universalis reconciliatio). Rotzetter beschreibt in Anlehnung an Bonaventura vier Grunddimensionenchristlicher Spiritualität und Identität: : "1. Die innere und ganzheitliche Hingabe an Gott ( per devotionem sursum agere Deum). 2. Die Sinndeutung des Lebens im Mitleiden mit Jesus Christus ( per compassionem se transformare in Christum). 3. Die stets gesuchte Solidarität mit dem Nächsten ( per condescensionem inclinare ad proximum). 4. Die Wiedergewinnung der ursprünglichen Umwelt durch ein versöhnendes Leben mit allem und jedem ( per universalem reconciliationem singula refigurare ad innocentiae statum)." Mein Konzept einer diakonischen Pastoral knüpft an dieses integrale Diakonieverständnis an und fordert eine diakonale Profilierung beruflicher Leitbilder. Eine diakonische Kirche versteht sich als Kirche für andere. Dieses diakonale Profil muss sich programmatisch in allen Handlungsfeldern der Pastoral je neu ausmünzen und Gestalt gewinnen: in der Predigt und Sakramentenkatechese, in der Erziehungs, Bildungs- und Beratungsarbeit und nicht zuletzt in einer profilierten gesellschaftspolitisch relevanten Öffentlichkeitsarbeit der Kirche. In diesem Sinn erleben wir gegenwärtig eine - sicher nicht immer unproblematische - Renaissance des Diakoniebegriffs in allen pastoralen Handlungsfeldern. Der Begriff "diakonal" signalisiert eine Abgrenzung von machtorientierten Umgangsformen und einer manipulativen Rekrutierungspastoral. Er bringt die Bereitschaft zum Ausdruck, den Menschen zum Weg der Kirche zu machen und im pastoralen Handeln "Kirche für andere" zu werden. AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 65 b) Der “Bruch zwischen Evangelium und Kultur”(PaulVI.): oder Die Folgen für die Kirche, wenn sie die Diakonie vergisst Wenn wir die These von Papst Paul VI. ernst nehmen, dass die größte Tragödie der Moderne in dem Bruch zwischen Evangelium und Kultur besteht, dann sind Formen einer Pastoral und Glaubenspraxis zu entwickeln, die solche Brüche vermeiden. Wer dieses Ziel verfolgt, kann sehr viel aus der Geschichte lernen. Das Zweite Vatikanische Konzil legt selbst die Spuren in die Geschichte, wenn es sich von Formen der Glaubensvermittlung und Glaubensverteidigung in der Geschichte abgrenzt, die dem Geist des Evangeliums widersprechen (DH 12). Dies betrifft den Umgang mit Häretikern, Ketzern und Hexen, aber noch mehr die Mittel, welche die Kirche im Schulterschluss mit der Politik nach der Reformation zur Verteidigung des „wahren Glaubens“ eingesetzt hat. Nach der Pest im 14. Jh. und dem abendländischen Schisma bildeten die europäischen Glaubenskämpfe (1556-1660) das zentrale Krisenereignis, das den Verfall der geistlichen Macht eingeleitet und die Suche nach alternativen Welt- und Menschenbildern provoziert hat. Diese Glaubenskämpfe brachten unsägliches Leid über die Länder des christlichen Abendlandes. Andreas Gryphius lebte in der Zeit des Verfalls. Er spricht in dem Sonett „Tränen des Vaterlandes“ (1636) die verheerenden Folgen der Konfessionskriege für den christlichen Glauben an: „Hier durch die Schanz und Stadt rinnt allzeit friches Blut. Dreimal sind schon sechs Jahr, als unser Ströme Flut, Von Leichen fast verstopft, sich langsam gedrungen. Doch schweig ich noch von dem, was ärger als der Tod, Was grimmer denn die Pest und Glut und Hungersnot, Dass auch der Seelenschatz so vielen abgezwungen.“ 1 Mit erstaunlicher Tiefenschärfe diagnostiziert Andreas Gryphius die Grauen von Pest, Tod und Hungersnot. Am meisten leidet er unter dem Verlust des Seelenschatzes. Damit spricht er eine Tatsache an, die erst viel später voll in das Bewusstsein rückte, dass nämlich die Stabilitätsgarantien und Plausibilitäten des christlichen Welt- und Menschenbildes ihre Gültigkeit verloren hatten. Der Glaube an die Gegenwart Gottes in der Schöpfung und an die erlösende, heils-, lebens- und friedensstiftende Kraft des sakramentalen Handelns der Kirche ging verloren und mit 1 Andreas Gryphius, Gesamtausgabe der deutschsprachigen Werke. Bd. 1: Sonette. Hg. von Marion Szyroki, Tübingen 1963, 19. AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 66 ihm das Vertrauen in alle die Instanzen der Kirche, die für die Greueltaten der Glaubenskriege mit verantwortlich waren.2 Der Glaube an die sinnstiftende Kraft des christlichen Menschenbildes ging jedoch bereits in den Konfessionskriegen nach der Reformation verloren. Das Vakuum wurde von der Philosophie besetzt und provozierte Thomas Hobbes zu einer alternativen Anthropologie, seiner „Homo-homini-lupus-Theorie“, die den Menschen vom Kampf ums Überleben aus definierte. Erst heute kommt es zur kritischen Auseinandersetzung mit den Folgen dieser Anthropologie. Eva Zeller, eine Dichterin unserer Tage schlägt den Bogen von dem Szenario des Andreas Gryphius zu den Grauen des Holocaust im vergangenen Jahrhundert. Sie beklagt den Seelentod, die Herzenskälte und die Ausblendung des Nächsten und beschreibt das unsägliche Leid, das die Vergötzung einer Rasse über die Menschheit gebracht hat (vgl. Anlage 2). Glaubenszwang und die christlich legitimierte Gewalt sind mit Ursachen dafür, dass Gott in der Moderne nicht mehr gedacht, Religion unter Verdacht gestellt wurde und die Vordenker zum Projekt der Moderne ihre eigenen religiösen Wurzeln gekappt und den Tod Gottes angesagt haben. Für den Analytiker Giegerich ist der Mensch seit dieser Zeit auf sich selbst zurückgeworfen. "Wenn der noch gegenständlich, als Gegenüber vorgestellte höchste Gott ganz verdampft ist, ... blickt man in eiskalte Leere. Die ganze Welt ist entgöttert und ordinär geworden."3 III: Perspektiven und Visionen: Diakonische Pastoral arbeitet am "Bruch zwischen Evangelium und Kultur" Der kurze Blick in die Geschichte des Bruchs zwischen Evangelium und Kultur hat deutlich gemacht, dass Formen pastoraler Glaubenspraxis theologisch zu verantworten sind. Wer die Gottesbeziehung instrumentalisiert oder erzwingt, trägt langfristig zu deren Zerstörung oder Verschüttung bei. Die Folge ist, dass der Glaube seine sinnstiftende und kulturbildende Kraft verliert, menschliche Wirklichkeit nicht mehr im 2 Vgl. Hansjürgen Verweyen, Gottes letztes Wort. Grundriss der Fundamentaltheologie, Regensburg, 3., vollständig überarb. Aufl. 2000, 219ff. 3 Wolfgang Giegerich, Tötungen. Über Gewalt aus der Seele, in: P. M. Pflüger (Hg.), Gewalt - warum? Der Mensch: Zerstörer und Gestalter, Olten 1992, 184-243, 221. "Die Tötung der Hexen war nicht einfach ein Tun an gleichgültigen anderen draußen, sie war, indem sie dies auch war, zugleich ein Tun am eigenen höchsten Wert, am Selbst, an der Seele. In den Hexen hat sich die Seele als heidnische, die sie war, selbst ausgemerzt." Ebd. 220 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 67 Lichte des Glaubens erschlossen und gedeutet wird und alternative Selbst- und Weltentwürfe entstehen. Die Ursachen für den Bruch zwischen Evangelium und Kultur sind damit vorab in einer defizitären Pastoral zu suchen. Die Überwindung des Bruchs, Uranliegen und fundamentales Programm des Konzils, ist damit für die Theologie nicht nur eine theoretische, sondern viel eher eine praktische Herausforderung. Alfred Delp schreibt dazu: "Es wird kein Mensch mehr an die Botschaft vom Heil und Heiland glauben, solange wir uns nicht blutig geschunden haben im Dienst des physisch, psychisch, sozial, wirtschaftlich, sittlich oder sonstwie kranken Menschen. Rückkehr in die Diakonie habe ich gesagt, damit meine ich das sich Gesellen zum Menschen in allen seinen Situationen mit der Absicht, sie ihm meistern zu helfen, ohne anschließend irgendwo eine Spalte oder Sparte auszufüllen. Damit meine ich das Nachgehen und Nachwandern auch in die äussersten Verlorenheiten und Verstiegenheiten des Menschen, um bei ihm zu sein. Genau und gerade dann, wenn 4 Verlorenheit und Verstiegenheit ihn umgeben." Mit der Rückkehr in die Diakonie verbindet Alfred Delp die Hoffnung auf eine neue Aktualisierung der Gottesbeziehung. Dabei geht es nicht um Rekrutierungsinteressen einer kranken und um das Überleben kämpfenden Kirche, sondern um die Überwindung von selbstzerstörerischer Aggression und Gewalt durch einen sinnstiftenden Glauben. Der Mensch, der sich in Grenzsituationen von Menschen und von Gott geliebt weiß und nicht "in die eiskalte Leere" eines entgötterten Himmels schaut, findet zu sich selber und zum Anderen zurück und wird fähig, den Hass, der aus ihm selber kommt und der ihm von anderen entgegenschlägt zu überwinden. An der fundamentalen Bedeutung der Diakonie im pastoralen Selbstvollzug der Kirche zweifelt heute niemand mehr.5 Die Integration der Diakonie in das verbandliche und gemeindliche Leben ist noch nicht mit der Durchführung von Kongressen und der Entwicklung von wohl klingenden Leitbildern gesichert. Wie ist es zu erreichen, dass die Arbeit in der verbandlich organisierten Caritas und die weiteren pastoralen Dienste in Verbänden und Gemeinden eine solche Dynamik und sinnstiftende Kraft entfalten, dass das Salz des Evangeliums seine Wirkung in unserer Zeit entfaltet? Wie ist es zu erklären, dass trotz dieses breiten theologischen Konsenses die Diakonie bei den Planungen zu den neuen Seelsorgeeinheiten nicht in adäquater Weise berücksichtigt wird? Mir scheint, dass wir in Kirche und Theologie noch nicht begriffen haben, was es bedeutet, wenn in der Dogmatischen Konstitution über die Offenbarung (LG Nr.2) 4 Alfred Delp, Das Schicksal der Kirchen, in: Ders., Gesammelte Schriften. Bd. IV, hg. von Roman Bleistein, Frankfurt 1984, 318-323, 319f. 5 Die Geschichte dieser Diskussion kann ausführlich in der Habilitationsschrift von Herbert Haslinger verfolgt werden: Diakonie zwischen Mensch, Kirche und Gesellschaft. Eine praktisch-theologische Untersuchung der diakonischen Praxis unter dem Kriterium des Subjektseins des Menschen, Würzburg 1996. AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 68 davon gesprochen wird, dass im Offenbarungsgeschehen "Tat und Wort innerlich miteinander verknüpft sind". Im Blick auf die Taten Gottes in der Heilsgeschichte heißt es: "Das Offenbarungsgeschehen ereignet sich in Wort und Tat (gestis verbisque), die innerlich miteinander verknüpft sind: die Werke nämlich, die Gott im Verlauf der Heilsgeschichte wirkt, offenbaren und bekräftigen die Lehre und die durch die Worte bezeichneten Wirklichkeiten; die Worte verkündigen die Werke und lassen das Geheimnis, das sie enthalten, an das Licht treten. Die Tiefe der durch diese Offenbarung über Gott und über das Heil des Menschen erschlossene Wahrheit leuchtet uns auf in Christus, der zugleich Mittler und Fülle der ganzen Offenbarung ist" Kardinal Ratzinger betont in seinem Kommentar zum Offenbarungsdekret, dass hier gegenüber einem Glaubensverständnis, das "sich weitgehend auf die Zustimmung zu übernatürlichen Erkenntnissen reduziert , der Totalitätscharakter der Offenbarung zum Ausdruck kommt, in der Wort und Ereignis ein Ganzes sind"6. Ratzinger spricht leider nicht mehr von Wort und Tat, sondern von Wort und Ereignis. Damit wird jedoch die Kernaussage von Dei Verbum entschärft, in der eindeutig auf der Grundlage des Offenbarungsgeschehens von Taten, also Handlungen gesprochen wird, die erst eine Wirklichkeit schaffen, die dann ins Wort gebracht und verkündigt werden kann. Die gegenseitige Verwiesenheit des Verkündigungswortes und der pastoralen Tat ist das "inkarnatorische Apriori der Pastoral", das generell für die Kirche gilt, wenn sie im Namen Gottes in der Reich-Gottes-Arbeit zu handeln beginnt. Immer dann, wenn die Kirche in der Geschichte diese Einheit von Wort und Tat nicht mehr erlitten, sondern vielfach verletzte und mit Füßen trat, hat sie nicht nur ihre eigene Glaubwürdigkeit untergraben, sondern sich an der Botschaft des Evangeliums versündigt. Wenn wir den Aussagen im Offenbarungsdekret gerecht werden wollen, dann müssen wir uns in der Kirche neben der Wahrheitsfrage auch die Glaubwürdigkeitsfrage stellen. Die eigentlichen Probleme in der Pastoral entstehen durch den Mangel an Glaubwürdigkeit. Das Lukas-Evangelium berichtet, wie Johannes d. Täufer Jünger zu Jesus mit der Frage sendet: "Bist du der, der kommen soll oder müssen wir auf einen anderen warten?" (Lk 7, 20) Die Antwort Jesu fällt praktisch und nicht theoretisch aus: "Geht und berichtet Johannes, was ihr gesehen und gehört habt: Blinde sehen wieder, Lahme gehen und Aussätzige werden rein; Taube hören, Tote stehen auf und den Armen wird das Evangelium verkündet. Selig ist, wer an mir keinen Anstoß nimmt." (Lk 7, 22-23) 6 Joseph Ratzinger, Kommentar zum Proemium, I. und II. Kapitel, in: Lexikon für Theologie und Kirche. Bd. II, a.a.O. 507. AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 69 Wenn wir in der Evangelisierung die Einheit von Wort und Tat aufgeben, indem wir die Wahrheitsfrage verabsolutieren, geraten wir mit unseren Taten sehr schnell in Kräftefelder, die mit den handlungsleitenden Intentionen des Evangeliums nichts zu tun haben, sondern vom brutalen Macht- und Überlebenskampf bestimmt sind. Ein solcher Kampf kann auch um sogenannte geistliche Güter entbrennen oder sich an der Wahrheitsfrage entzünden. Vor dieser Versuchung ist weder die Kirche in Rom noch ein Kapitel, Verband oder eine Gemeinde gewappnet. Kirche und Theologie können nicht ungestraft am inkarnatorischen Apriori vorbei pastorieren. Wer Arme, Kranke, Gefangene, Nackte, Hungernde vergisst, wird von dem Geist, der im Evangelium verheißen ist, vergessen und gerät in den Bannkreis der Mächte und Gewalten, von denen sich das Neue Testament in der Versuchungsgeschichte ganz klar abgrenzt (Mt 4,1-11). Die ersten Adressaten bei der Überwindung der Diakonievergessenheit in der Pastoral sind die Amtsträger in Kirche, Verbänden und Gemeinden. Ihr Amtsverständnis und ihr pastorales Selbstkonzept übertragen sich auf die Handlungsfelder und Zielgruppen, die sie pastoral zu verantworten haben. Sie sind die ersten, die mit Taten Zeichen setzen können. Eugen Biser hat auf Verschiebungen und Umpolungen im Jesusbild aufmerksam gemacht, die in der Pastoral natürlich Folgen gezeitigt haben. In der neutestamentlichen Verkündigung geht "Jesus als Heilsbringer noch buchstäblich in seiner Heilstat auf". Der "Helfer" wurde in der Theologie des 20. Jahrhunderts zum "Herrn" und aus der Beschreibung des erlösenden Handelns wurde ein "Lehrstück als Gegenstand der Soteriolog. IV. Die Identität der DiCV’s im Paradigmenwechsel vom Wohlfahrtsverbandsverband zum Engagiertenverband (Dieser Teil wurde aus Zeitgründen nur ganz kurz im Referat angesprochen. Ich habe zugesagt, ihn in der vorbereiteten Fassung vorzulegen.) Die Identität des Verbandes muss sich im gegebenen Paradigmenwechsel in der Sozialpolitik bewähren, Dabei bestimmt das Leitbild der Sozial- und Lebensraumorientierung immer stärker als Strukturmaxime die konzeptionellen Planungen in den verschiedenen Feldern der sozialen Arbeit: - weg vom Fall-, hin zum Raumprinzip; weg von der Zentralisierung, hin zur Regionalisierung; weg von Komm-Struktur, hin zur Geh-Struktur; weg von der Defizit-, hin zur Ressourcenorientierung; weg vom fixen Planstellenkarussell der Hauptamtlichkeit, hin zu neuen Formen der Kooperation zwischen Haupt- und Ehrenamtlichen. - Keiner der Wohlfahrtsverbände – dies hat die Studie von Albrecht eindeutig belegt – kommt daran vorbei, sich mit ihren klassischen und vom traditionellen Wohlfahrtsstaat geprägten Arbeitskonzepten, Finanzierungsmodellen, AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 70 Organisationsstrukturen und Selbstkonzepten kritisch auseinanderzusetzen und nach Alternativen zu suchen. Die Berichte aus den vier unterschiedlichen Projekten zeigen jedoch eindeutig, dass der Deutsche Caritasverband in den gegebenen Umwälzungen sich nicht damit begnügt, rein prinzipienorientiert auf der theoretischen Ebene an die Verantwortlichen in der Politik Forderungen zu stellen, sondern sich gemeinsam mit den Menschen auf den Weg macht, Lösungen sucht und dabei ist, zukunftsbezogen für Gesellschaft und Kirche alternative Praxismodelle und Handlungskonzepte zu entwickeln. Mir scheint, dass der DCV mit diesen Projekten gegenwärtig im Vergleich mit anderen Trägern einen Vorsprung an Wissen und Erfahrungen hat, der nicht verspielt, sondern für die weitere Stabilisierung nachhaltiger Sozialraumarbeit genützt werden sollte. Damit bleibt jedoch die Frage offen, ob die vorliegenden Daten bereits reichen, um sich ein abschließendes Urteil zur Effizienz und nachhaltigen Wirkung sozialräumlicher Handlungskonzepte bilden zu können. Die Notwendigkeit, weiter am Ball zu bleiben, zeigt sich sehr schnell, wenn wir einige der Fragen in Erinnerung rufen, die aus den Projekten heraus an die Verantwortlichen in der Politik, den Kirchen und den Verbänden gestellt werden. Wie verschieden Projekte die Prinzipien lebensraumorientierter sozialer Arbeit umsetzen, wird sehr schnell deutlich, wenn wir die einzelnen Reflexionsstufen nach zentralen Faktoren operationalisieren. a) Wohlfahrtsverbände als Diskurs- und Praxisagenturen Auf diesem Hintergrund hat sich der DCV in den vier Projekten offensiv mit den fünf zentralen Prinzipien auseinandergesetzt, die nach Hinte, eine sozialraumorientierte Arbeit auszeichnen sollen. Dabei richtet sich der Blick konzeptionell vor allem auf neue Umgangs- und Beteiligungsformen, bei Aktivitäten, die in einem Sozialraum geplant sind: • • • • • konsequent am Willen und den Interessen der Menschen ansetzen; aktivierend und Selbsthilfe fördernd sein; sich auf die Ressourcen der im Sozialraum lebenden Menschen und sozialräumlichen Strukturen konzentrieren; einen zielgruppenund arbeitsbereichsübergreifenden Arbeitsansatz entwickeln; die Kooperation mit unterschiedlichen Akteuren im Blick haben sowie die 7 diesbezüglich aktivierbaren Ressourcen aufeinander abstimmen. 7 Hinte, W.: Fälle, Felder und Budgets. Zur Rezeption sozialraumorientierter Ansätze in der Jugendhilfe. In: Merten, R.(Hrsg.): Sozialraumorientierung. Zwischen fachlicher Innovation und rechtlicher Machbarkeit. Weinheim/München 2002, S. 91-126, zit. S. 92. AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 71 Während im traditionellen Wohlfahrtsstaat die freien Verbände die Interessen ihrer Klientel als anwaltlich agierende Diskurs- und Lobbyagenturen gegenüber dem Staat verteidigten, sind sie in der hochkomplexen und unübersichtlichen postmodernen Gesellschaft als „Praxisagenturen“ gefordert, die konkret belegen und zeigen, wie Menschen dazu ermächtigt werden können, sich selbst zu vertreten, um die verloren gegangene Souveränität über die eigene Lebensgestaltung wieder zurück zu gewinnen. Possada beschreibt diese Arbeit als neue Form des „advocacy organizing“8. Joshua Cohen von der Stanford University spricht in seinem Vorwort zum dem Buch „Making aid work“ die Ohnmacht traditioneller sozialpolitischer Interventionen auf der internationalen Ebene an, die vielfach in Postulaten versanden und fordert auch in diesem Bereich ein ähnliches Umdenken. Er regt dazu an, „to work on the ground, get ‚inside the machine’, and simply try things out and see what works“9. Wir dürfen jedoch auch nicht die Augen vor der Tatsache verschließen, dass die Strukturmaxime Lebensraum Hand in Hand mit der Privatisierung der öffentlichen Daseinsfürsorge geht. Es besteht die Gefahr, dass die Liberalisierung und Ökonomisierung von Jugend-, Familien-, Alten- oder Behindertenhilfe dazu führen, dass die öffentliche Hand sich immer stärker auf den gesetzlich definierten Gemeinwohlauftrag zurückzieht. In einigen Handlungsfeldern werden bereits Verteilungskämpfe geführt, wenn es um einen Ausgleich zwischen Aktivitäten im Sozialraum oder mit traditionellen Angebotsstrukturen geht. Auf Zukunft hin wird sich der Deutsche Caritasverband in dem kontrovers geführten Diskurs zur Verhältnisbestimmung zwischen flexiblen lebensräumlich orientierten Konzepten der Sozialarbeit und der Vorhaltung und Weiterentwicklung stationärer Dienstleistungen noch klarer positionieren müssen. 8 Jeremy D. Possada (2008), a.a.O. (Anm. 15), S. 278. 9 Abhijit Vinayak Banarjee: Making aid work. Cambridge-London 2007, S. XIV. AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 72 b) Solidarität fällt nicht vom Himmel In allen vier Projekten wird die Frage nach einem Bild vom Menschen virulent, das in ihm primär nicht den Überlebenskämpfer vermutet, sondern mit dem Mitmenschen rechnet. Dörner spricht von einem „postsäkularen Menschenbild“, das sich aus den „neuen Unübersichtlichkeiten“ heraus gegenwärtig entwickelt. „Im Ergebnis helfen sich im neuen Hilfesystem die Hilfsbedürftigen und die helfenden Bürger gegenseitig“10. In seinem Artikel in der Frankfurter Rundschau stellt er dazu unmissverständlich klar: „In Zukunft wird der Sozialstaat stärker jene Ressourcen von Eigenaktivität nutzen müssen, die in der Gesellschaft schlummern. Es ist nicht vorstellbar, dass vor dem Hintergrund der Doppelwirkung von veränderten Lebensformen und Alterung der Gesellschaft die langfristig erforderlichen Sozial- und pflegerischen Dienste nur von bezahlten Kräften geleistet werden. Diese Entwicklung trifft die ganze Gesellschaft.“11 Penta und Schramml setzen sich vom Konzept der Bürgergesellschaft, in der Bürger als aktive Wohlfahrtsproduzenten im Mittelpunkt stehen, wie es Dörner in seinen Veröffentlichungen entwickelt, etwas ab, indem sie in ihrem Konzept den „Bürger als Citoyen“, den Menschen als ein „zoon politikon“ in den Mittelpunkt rücken. Dieser Bürger soll lernen, sich selbst zu organisieren und selbstbestimmt an der Gestaltung seiner Umwelt teilzunehmen. Wir dürfen jedoch hierbei nicht die Fragilität jeglicher menschlichen Existenz und die jeweils gegebenen Egoismen außer Acht lassen. Sandra Jeschke spricht diese Probleme für die Pflege ganz konkret an: „Unklar bleibt, wer neben aufopferungsvollen Angehörigen die pflegerische Versorgung in der Zukunft ehrenamtlich übernehmen wird… Wie wahrscheinlich ist es, dass ehrenamtliche Helfer mit Hingabe Inkontinenzeinlagen wechseln, Zahnprothesen reinigen oder Erbrochenes beseitigen? Wie groß ist die Bereitschaft in der Gesellschaft, eine pflegerische und dazu unentgeltliche Tätigkeit auszuüben, welche 12 schon als Berufsbild keine Aufwertung oder Anerkennung erfährt?“ Solidarität fällt mit Sicherheit nicht vom Himmel. Menschen lernen, sich für andere einzusetzen, wenn sie erlebt haben, dass jemand sich für sie eingesetzt hat. Etwas 10 K. Dörner: Leben und Sterben, wo ich hingehöre. Dritter Sozialraum und neues Hilfesystem. Neumünster 2007, S. 77. 11 D. Döring in Frankfurter Rundschau vom 02.09.2002. 12 Sandra Jeschke: Freiwillige vor. Altenpflege, 3/2010, S. 60-62, zit. S. 61. AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 73 haben alle vier Konzepte gemeinsam: Selbst erlebte und erfahrene Solidarität wird ‚zum Kick’, sich selbst für andere einzusetzen. Es wird allzu leicht vergessen, dass alle diese sozialräumlichen Konzepte von Voraussetzungen leben, die sie selber letztendlich nicht schaffen und garantieren können, nämlich dass Menschen mitten in brutalen Überlebenskämpfen, nicht nur dem egoistischen Code folgen, sondern dem „Fremden“ und „Anderen“ nicht zum „Gegenmenschen, sondern zum „Mitmenschen“ werden wollen. Von einem Überlebenden der „boat-people“ aus Vietnam war zu hören: „Andere haben mich gerettet, jetzt muss ich retten“. Solche Lernprozesse und „Bekehrungen“ entwickeln sich nicht im luftleeren Raum. Die Effizienz und nachhaltige Wirkung der sozialen Lernprozesse, an denen alle Beteiligten an den geschilderten Sozialraumprojekten partizipierten, hängen damit zusammen, dass in diesen Aktivitäten gleichzeitig vier Prinzipien des sozialen Lernens virulent wurden: • • • • das Autonomieprinzip: den Anspruch auf Selbstbestimmung wahrnehmen; das Alteritätsprinzip: diesen Anspruch für alle Mitmenschen anerkennen; das Verantwortungsprinzip: konkrete Beteiligung an der Gestaltung der Lebensverhältnisse; das Reziprozitätsprinzip: die eigenen und fremden Ansprüche auf Selbstbestimmung mit den normativen Anforderungen des gesellschaftlichen Kontextes in Abgleich bringen c) Schulterschluss zwischen Verbänden und Kirchengemeinden Alle Projekte rechnen mit dem Potenzial von Ehrenamtlichen und Freiwilligen. Dabei richtet sich der Blick von Diakonie und Caritas, wenn es darum geht, der ortsgebundenen neuen Armut und den neu entstehenden prekären Lebensverhältnissen zu wehren, auf die Kirchengemeinden als Solidaritätsstifter. Dabei zeigt sich in allen Projekten, dass in der Tat auf der Ebene der Pfarrgemeinden Ressourcen schlummern. Die Beobachtung von Benedikt in der evangelischen Kirche wird durch viele Projektberichte bestätigt: „Die um die Familie, um die kirchlichen Kerngruppen zentrierte Kasual- und Ritualfrömmigkeit in geselligkeitsorientierten Gemeinden mit vielen Gruppen, Initiativen und Bereichen AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 74 können Ressourcen aktivieren und Widerstandskräfte stärken, die eine personale Gemeinwesenorientierung implizit fördern.“13 Wenn wir davon sprechen, dass zusammenwachsen muss, was zusammengehört, nämlich das Kooperieren zwischen der Erst- und Zweitstruktur in Verband und Gemeinde, dann sind wir schlichtweg sowohl in der traditionellen verbandlichen Caritas und Diakonie, wie auch in den Kirchengemeinden selbst mit einem fundamentalen Paradigmenwechsel Kerngeschäftes konfrontiert. Wenn im sich jeweiligen der Verständnis DCV in seinem des eigenen Leitbild als „Solidaritätsstifter“ versteht, dann wird er nicht nur funktional die Ressourcen der christlichen Gemeinde instrumentell nutzen dürfen, sondern muss sich viel tiefer mit seinen Projekten auf die Prozesse einlassen, die in der Gemeinde entstehen, wenn einzelne Christinnen und Christen, Gruppen oder Caritasausschüsse das diakonale Profil der Gemeinde einfordern und damit in den Gemeinden Konflikte auslösen. Solche leidvollen Prozesse werden in der Längsschnittanalyse zu den 22 Lebensraumprojekten immer wieder beschrieben. Die Defizite, auf die Peter G. Albrecht in den Kirchengemeinden der Neuen Bundesländer getroffen ist, sind auch in den Diözesen und Kirchengemeinden der alten Bundesländer zu finden: • • • • • Man kooperiert, bleibt aber auf Abstand. Man meint, miteinander zu reden, redet aber vielfach nur von sich selbst. Man wähnt sich Tür an Tür, bemerkt aber die hohen Schwellen nicht. Man glaubt – weil es ja theologisch geboten (ist) – ähnlich zu sein, hält aber schon Herkunft, Ausbildung und Status des jeweils anderen Mitarbeiters für befremdlich … Man wähnt sich, wie auch immer sozial und geistlich geprägt, wagt aber nie darüber 14 das Gespräch“ . Mit derselben Klarheit spricht er auch die Defizite in den Caritasverbänden vor Ort an. Auf der Basis der „Caritas-Sozialarbeiterstudie 2007-2008“ stellt er fest: „Im Caritasverband…sind bei Stabilität des Verbandes insgesamt derzeit verschiedene häufig ambivalent zueinander stehende Entwicklungen zu beobachten.“15 Er trifft bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Caritas auf Skeptiker und Protagonisten der sozialraumorientierten Arbeit. 13 Hans-Jürgen Benedict: Barmherzigkeit und Diakonie. Von der rettenden Liebe zum gelingenden Leben. Stuttgart 2008, S. 211. 14 Ebd. S. 126. 15 Vgl. P.-G. Albrecht (2008), a.a.O. (Anm. 10), S. 105. AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 75 Die geschilderten Beobachtungen an der Basis passen nicht ganz zu solchen vollmundigen Bekenntnissen in den offiziellen Zielvorgaben des Verbandes und seiner Gremien. Wenn diese Ziele erreicht werden sollen, ist noch Kärnerarbeit in den Verbänden und Gemeinden zu leisten, die von zentralen Stellen aus begleitet werden muss. These: In den Kirchengemeinden schlummert jedoch nicht nur ein „soziales Kapital“. Wichtiger ist ihr „spirituelles Kapital“, das bei der Bewältigung von Ohnmachtserfahrungen helfen kann. Wenn es gelingt, in Projekten die Ressourcen aller Beteiligten zu mobilisieren und bei allen Aktivitäten in schwierigen Situationen nicht nur auf die eigenen Fähigkeiten zu setzen, sondern auf die dritte Macht des „Geistes“, dann entsteht in der Tat eine „power“ zu einem „BürgerProfi-Mix“, der einen Sozialraum entscheidend verändern kann. Wenn Dörner an diese „power“ denkt, kommt er im Blick auf das Schicksal von seelisch kranken Menschen, die noch in Heimen leben, ins Träumen: „Man stelle sich nur einmal vor, die für die ausgeladenen Hilfsbedürftigen einer Region zuständigen diakonischen Profis kehrten gemeinsam mit ihnen in die Region zurück und vereinigten sich mit den dortigen Kirchenbürgern; das ergäbe ein kaum zu schlagendes Modell an Bürger-Profi-Mix, an Ressourcendichte und damit an kommunaler Lebendigkeit“.16 In den Visionen und Erfahrungen all der Menschen in den untersuchten Projekten steckt also viel ‚Musik’. Den Verantwortlichen in der Caritas ist es gelungen, in einer plural verfassten Gesellschaft nicht nur Forderungen zu stellen, sondern exemplarisch mit den Projekten zu zeigen, auf welchen Wegen und mit welchen Konzepten mehr Gerechtigkeit und Solidarität möglich werden. 16 K. Dörner: Leben und Sterben, wo ich hingehöre. Dritter Sozialraum und neues Hilfesystem. Neumünster 2007, S. 111. 16 Peter-Georg Albrecht: Professionalisierung durch Milieuaktivierung und Sozialraumorientierung? Caritas-Sozialarbeit in der Entwicklung. Wiesbaden 2008 und Gertner/Kniffkiu/Reutlinger/Zychlinski (Hrsg.): Deutschland als Entwicklungsland. Freiburg i.Br. 2007. AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 76 Anlage 1:Arbeitsbogen zur Selbstreflexion „Der Mensch ist der Weg der Kirche“ (Zweites Vatikanum) zwischen konziliarem Postulat und nachkonziliarer Wirklichkeit. Überlegungen zum spirituellen Profil der Arbeit im Netzwerk der Erziehungshilfen. (AgkE-6.10.2011-Essen) 1. Wann und wo bin ich mit mir selbst und mit meinem Verband bei der Arbeit „rund“ und bei der Arbeit glücklich? 2. Welche Situationen lösen bei der Arbeit in meiner Einrichtung Fragen, das Gefühl der Entfremdung oder gar eine Identitätskrise aus? 3. Was sollten wir in Zukunft anpacken? 4.. Was wäre für mich selbst der nächste Schritt, der mich weiter bringt AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 77 AGkE-Tätigkeitsbericht 24.11.2010 - 23.11.2011 78