Marketing: gross, klein – oder einfach mit gesundem

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Gesunder Menschenverstand
Marketing: gross, klein –
oder einfach mit gesundem
Augenmass?
Von Professor Dr. Christian Belz
Das Marketing von grossen Unternehmen ist anders als
das Marketing von kleinen Unternehmen. Und Gross oder
Klein bleibt ein ewiger Diskussionspunkt an Tagungen,
Workshops und Seminaren. Hier ein paar Überlegungen
dazu.
Seit der Diskussion der PIMS-Studien (Profit
Impact of Market Strategies), der Erfahrungskurve und Portfolio-Methodik werden Grössenvorteile überschätzt. Das betrifft nicht nur gescheiterte Strategien von Weltkonzernen wie
DaimlerChrysler oder UBS. Konzerne stützen
sich selbst in Nebenschauplätzen des Marketings
auf grosse Budgets und begehen damit auch
grosse Fehler. Die Verantwortlichen verlieren in
internen Entscheidungsprozessen und einem intellektuellen Geschwätz leicht das Augenmass.
Der Erfolg von kleineren Anbietern ist stark durch
die eigenen und begrenzten Ressourcen getrieben. Diese Unternehmen sind überschaubar, führbar, flexibel und optimieren laufend und vorsichtig ihre Kräfte. Die Anliegen der Kunden verlieren
sich nicht in den Spezialabteilungen. Lösungen
für Kunden lassen sich mit der ganzen Organisation verwirklichen. KMU sind ehrlicher im Umgang mit Kunden, auch weil sie es müssen.
Die Leute im KMU stützen sich intern auf direkte
Kontakte. Sie kennen gegenseitig die Stärken
und Schwächen und geben rasche Rückmeldungen dazu, was funktioniert und scheitert. Vor
allem verstehen die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter das Unternehmen. Sie gestalten mit,
akzeptieren das Vorgehen und können die Vorgaben nachvollziehen. Deshalb fühlen sie sich mitverantwortlich und engagieren sich.
In grossen Organisationen wird laufend überschätzt, welche Konzepte, Prozesse oder Anweisungen sich einfach weitergeben lassen. Oft
entstehen grosse Missverständnisse, weil Betroffene nicht beteiligt waren. Es braucht nämlich viel, bis die Mitwirkenden verstehen, akzeptieren und tun. Dieser Aspekt wird chronisch
untergewichtet.
Dieser Denkplatz liest sich wie ein Plädoyer für
KMU, die auch unternehmerisch geführt werden.
Das entspricht meiner Überzeugung, wenn auch
die Unternehmer nicht nur die richtigen, sondern
auch falsche Entscheide leichter durchbringen
als ein Manager.
Vorteile der Grösse gilt es am richtigen Ort zu
suchen. Auch Konzerne tun gut daran, die Merkmale und Fähigkeiten sowie das Zusammengehörigkeitsgefühl und das Engagement von kleinen, überschaubaren Einheiten zu fördern.
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Auch Kunden schätzen die Form einer direkten,
verbindlichen und unkomplizierten Zusammenarbeit, die sie selbst überschauen. Typisch ist die
Aussage eines Pharmamanagers: Wir erzielen
bessere Ergebnisse mit kleinen Beratern als mit
den Grossen und Bekannten der Welt.
Verantwortliche in KMU behalten das Augenmass für Marketing, sie haben Bodenhaftung
und sind deshalb oft besonders offen und kreativ. Sie vermeiden Höhenflüge im Marketing, die
zwar gefeiert und nicht selten mit Preisen ausgezeichnet werden, aber wenig wirksam sind. Die
Experten bewerten nämlich sichtbare und für sie
plausible Kampagnen oft zu gut. Mit Augenmass
wägen Verantwortliche sorgsam ab zwischen
gegenwärtiger Realität und zukünftigen Ansprüchen, zwischen Eigen- und Fremdfinanzierung
sowie Wachstum aus eigener Kraft und Übernahmen. Bekanntlich wirkt sich ein LeverageEffekt in schlechten Zeiten fatal aus, und Banken
leihen eher jenen Unternehmen Geld aus, die es
nicht brauchen.
rieren. Wer immer das Gleiche tut, hat tatsächlich nur die Möglichkeit zu wachsen, um die eigenen Ergebnisse zu verbessern.
Vielleicht ist es tröstlich, dass die Grösse eines
Unternehmens ein Thema für das Management
bleibt, gleichgültig, wie gross es ist.
Der Autor
Prof. Dr. Christian Belz ist Ordinarius für Marketing an der
Universität St. Gallen und geschäftsführender Direktor
des Instituts für Marketing und Handel. Niemand hat die
Marketingszene der Schweiz in den letzten Jahren mehr
geprägt als Christian Belz mit seinem Team. Eigenständig im
Denken, engagiert in der Suche nach neuen Erkenntnissen,
differenziert und klar in den Aussagen.
«Marketing
gegen den Strom»,
Christian Belz,
Verlag index/Thexis,
St. Gallen, 2 009,
150 Seiten,
ISBN-Nummer:
978-3-451-29938-4
An Veranstaltungen für Klein- und Mittelunternehmen erstaunt mich, dass manche Referenten
von Anbietern vortragen, die 500 und mehr Mitarbeitende beschäftigen. Diese Unternehmen
waren selbst noch vor wenigen Jahren klein,
wird begründet. Die Logik wäre dann: Erfolgreiche Unternehmen werden gross. Die Herausforderung für die Forschung und Praxis besteht
aber auch darin, jene Wege aufzuzeigen, um erfolgreich klein zu bleiben. Mein erster Hinweis
wäre, dass solche Anbieter in der Lage sind,
laufend ihr Geschäft zu ändern und sich auf die
attraktivsten Leistungen und Kunden zu konzent-
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