Klausur Numerische Methoden II Universität Siegen, Fachbereich Maschinenbau, 29.09.2009 Aufgabe 1 Zum Ende der Semesterferien macht sich ein Student Gedanken zu seinem nächsten Urlaub. Er würde am liebsten nach Griechenland reisen und dort die Sonne genießen. Um eine grobe Vorstellung von den Temperaturen in Griechenland zu bekommen, sucht er eine Temperaturübersicht für das ganze Jahr im Internet heraus. Doch für sein Lieblingsreiseziel Athen bekommt er nur die folgende Tabelle zu sehen: Monat T [◦ C] 1 2 Jan Feb 13 3 4 März Apr 16 5 Mai 6 Juni 30 7 Juli 8 Aug 9 Sept 10 Okt 23 11 12 Nov Dez Die Temperaturen geben dabei die durchschnittliche Temperatur des jeweiligen Monats an. Durch einen Fehler bei der Darstellung sind lediglich nur 4 von 12 Monaten mit Temperaturen abgebildet. Die Temperaturen sind jeweils am 15. des Monats registriert worden. Leider ist gerade der Monat August nicht in der Tabelle vorhanden und er wollte doch so gerne in diesem Monat nach Athen fliegen. Nach kurzer Überlegung kommt er auf die Idee sich durch eine Polynominterplation ein Bild von dem gesamten Temperaturverlauf zu machen. a) Berechnen sie das genäherte Polynom unter Zuhilfenahme der Newtonschen Form und sämtlicher verfügbarer Stützstellen! Die Newtonsche Form lautet: Pn (x) = n X ci ni (x) (1) i=0 mit den Stützpolynomen: ni (x) = (x − x0 ) (x − x1 ) . . . (x − xi−1 ) ∀ i = 0, 1, . . . , n (2) Für diese Aufgabe folgt somit: P3 (x) = 3 X ci ni (x) (3) i=0 mit: n0 = 1 n1 = (x − x0 ) n2 = (x − x0 ) (x − x1 ) n3 = (x − x0 ) (x − x1 ) (x − x2 ) Die Bestimmung der Interpolationskonstanten gungen: =1 = (x − 1) (4) = (x − 1) (x − 3) = (x − 1) (x − 3) (x − 6) ci erfolgt durch die Interpolationsbedin- P3 (1) = c0 P3 (3) = c0 + c1 (3 − 1) P3 (6) = c0 + c1 (6 − 1) + c2 (6 − 1) (6 − 3) P3 (10) = c0 + c1 (10 − 1) + c2 (10 − 1) (10 − 3) + c3 (10 − 1) (10 − 3) (10 − 6) = 13 = 16 = 30 = 23 (5) Klausur Numerische Methoden II Universität Siegen, Fachbereich Maschinenbau, 29.09.2009 Lösen der Gleichungssysteme ergibt: c0 = 13 16 − 13 c1 = 2 30 − 13 − 1, 5 · 5 c2 = 15 23 − 13 − 1, 5 · 9 − 0, 6333 · 63 c3 = 9·7·4 Somit folgt das Polynom zu: = 1, 5 (6) = 0, 6333 = −0, 1722 P3 (x) = c0 n0 (x) + c1 n1 (x) + c2 n2 (x) + c3 n3 (x) = 13 · 1 + 1, 5 (x − 1) + 0, 6333 (x − 1) (x − 3) − 0, 1722 (x − 1) (x − 3) (x − 6) = 13 + 1, 5 x − 1, 5 + 0, 6333 (x2 − 4 x + 3) − 0, 1722 (x3 − 10 x2 + 27 x − 18) = −0, 1722 x3 + 2, 3553 x2 − 5, 6826 x + 16, 4995 (7) b) Welche Temperatur herrscht in Athen nach der numerischen Berechnung im Monat August? Die Temperatur im Monat August (x = 8) kann nun durch das Polynom berechnet werden: P3 (8) = −0, 1722 · 83 + 2, 3553 · 82 − 5, 6826 · 8 + 16, 4995 = 33, 6115 [◦C] (8) Eine Woche später sieht er noch einmal im Internet nach. Diesmal kann er die Tabelle ganz einsehen. Im August herrscht eine Temperatur von 28◦ C. c) Wie groß ist der Fehler, den er bei seiner Berechnung gemacht hat? |f (8) − P3 (8)| = |28◦C − 33, 6115◦C| = | − 5, 6115◦C| = 5, 6115◦C 40 Interpolation Internet 30 Temperatur (9) 20 10 0 −10 −20 2 4 6 Monate 8 10 12 Klausur Numerische Methoden II Universität Siegen, Fachbereich Maschinenbau, 29.09.2009 Aufgabe 2 Der Student interessiert sich nicht nur in seinem Urlaub für Temperaturen. Auch in seiner Freizeit beschäftigt er sich gerne mit Thermodynamik. Seit längerem stellt er sich die Frage, wie der Temperaturverlauf aussieht, wenn zwei Stäbe gleichen Materials unterschiedlicher Temperatur miteinander Wärme austauschen. Dieser Vorgang soll lediglich den Wärmeaustausch untereinander, aber nicht den Wärmeaustausch an die Umgebung berücksichtigen. Durch die Clausius-Planck Ungleichung in Entropieform, das Fourier Gesetz der Wärmeleitung und die spezielle konstitutive Gleichung folgen die beiden Differentialgleichungen: κ −1 1 θ̇ = θ (10) 1 −1 c0 mit: θ̇ θ̇ = 1 θ̇2 θ θ= 1 θ2 (11) und Dabei sind die Temperaturen der Stäbe θ1 , θ2 , der Wärmeleitkoeffizient κ = 300 W K J die Wärmekapazität c0 = 1200 K . Die exakte Lösung ist von den Anfangstemperaturen θ10 = 380 K und θ20 = 310 K abhängig. Es folgt die exakte Lösung: 1 −2 cκ t 1 e 0 + 0, 5 z0 θ = 0, 5 w0 (12) −1 1 mit w0 = θ10 + θ20 und z0 = θ10 − θ20 . a) Berechnen Sie die ersten drei Schritte der numerischen Lösung des Temperaturverlaufes mit dem Heunverfahren (Zeitschrittweite h = 0, 5 s)! Das Heunverfahren lautet: y n+1 = y n + h [f (xn , y n ) + f (xn , y n + h f (xn , y n ))] 2 (13) Für dies Aufgabe folgt: κ −1 κ −1 0, 5 κ −1 1 1 1 θ + θ n + 0, 5 θ θ n+1 = θ n + 1 −1 n c0 1 −1 1 −1 n 2 c0 c0 1 κ −1 κ2 1 −1 1 θ = θn + 2 θ + 1 n 1 −1 n c20 −1 4 c0 " # 2 1 κ 1 κ2 1 − 21 cκ0 + 41 κc2 − 2 2 c0 4 c0 0 = θn 1 κ 1 κ2 1 κ2 1 κ − + 1 − 2 2 c0 4 c0 2 c0 4 c20 0, 8906 0, 1094 = θ 0, 1094 0, 8906 n (14) Klausur Numerische Methoden II Universität Siegen, Fachbereich Maschinenbau, 29.09.2009 Für den ersten Schritt folgt: 0, 8906 0, 1094 θ1 = 0, 1094 0, 8906 0, 8906 0, 1094 = 0, 1094 0, 8906 372, 3420 = 317, 6580 θ0 380 310 (15) Für den zweiten Schritt: 0, 8906 0, 1094 372, 3420 θ2 = 0, 1094 0, 8906 317, 6580 366, 3596 = 323, 6404 Und für den dritten: (16) (17) 0, 8906 0, 1094 366, 3596 θ3 = 0, 1094 0, 8906 323, 6404 361, 6861 = 328, 3139 θ1 θ2 θ1 exakt θ2 exakt 380 370 Temperatur 360 350 340 330 320 310 0 1 2 3 4 5 Zeit b) Ist das Heunverfahren explizit oder implizit? Begründen Sie! Das Heunverfahren ist explizit, da das neu zu berechnende θ n+1 nur von den Werten θ n aus dem vorherigen Schritt abhängt! Klausur Numerische Methoden II Universität Siegen, Fachbereich Maschinenbau, 29.09.2009 c) Berechnen Sie den globalen Fehler jeder einzelnen Komponente des Vektors θ! Der globale Fehler wird wie folgt berechnet: gn = |y(xn ) − yn | (18) g31 = |θ1 (t = 1, 5) − θ31 | g32 = |θ2 (t = 1, 5) − θ32 | (19) Für diese Aufgabe folgt: Laut Aufgabenstellung lautete die exakte Lösung: 300 1 −2 1200 1 361, 5328 1,5 e + 0, 5 (380 − 310) θ(1, 5) = 0, 5 (380 + 310) (20) = −1 1 328, 4672 Somit folgt der globale Fehler für jede einzelne Komponente zu: g31 = |361, 5328 − 361, 6861| = 0, 1533 g32 = |328, 4672 − 328, 3139| = 0, 1533 (21) Aufgabe 3 Ein weiteres Interessengebiet des Studenten ist die Mathematik. Sein Problem ist jedoch die Differenziation. Bei komplizierteren Ableitungen ist er sich nie sicher, ob seine Ergebnisse stimmen. Deshalb versucht er seine Ergebnisse an einigen Stützstellen mit der numerischen Lösung zu vergleichen. Die zu differenzierende Funktion lautet: f (x) = 1 − x2 x4 − ln(x) (22) Er möchte die Ableitung mit Hilfe der numerischen Differenzenformeln herleiten. Berechnen Sie die Ableitung der Funktion an den Stellen x = [1, 2, 3] mit dem a) Rückwärtsdifferenzenquotienten, Der Rückwärtsdifferenzenquotient lautet: δ− f (x̄) = f (x̄) − f (x̄ − h) = 10 (f (x̄) − f (x̄ − 0, 1)) h (23) Für die angegebenen Stützstellen folgt: x = 1: δ− f (1) = 10 (f (1) − f (0, 9)) = 10 (0 − 0, 2495) = −2, 495 (24) δ− f (2) = 10 (f (2) − f (1, 9)) = 10 (−0, 196 + 0, 2106) = 0, 146 (25) δ− f (3) = 10 (f (3) − f (2, 9)) = 10 (−0, 1001 + 0, 1064) = 0, 063 (26) x = 2: x = 3: Klausur Numerische Methoden II Universität Siegen, Fachbereich Maschinenbau, 29.09.2009 b) zentraler Differenzenquotienten. Der zentrale Differenzenquotient lautet: δf (x̄) = f (x̄ + h) − f (x̄ − h) = 5 (f (x̄ + 0, 1) − f (x̄ − 0, 1)) 2h Für die angegebenen Stützstellen folgt: x = 1: δf (1) = 20 (f (1, 1) − f (0, 9)) = 5 (−0, 1534 − 0, 2495) = −2, 0145 (27) (28) x = 2: δf (2) = 20 (f (2, 1) − f (1, 9)) = 5 (−0, 1823 + 0, 2106) = 0, 1415 (29) δf (3) = 20 (f (3, 1) − f (2, 9)) = 5 (−0, 0944 + 0, 1064) = 0, 06 (30) x = 3: Die Schrittweite soll dabei jeweils h = 0.1 sein. Aufgabe 4 Als Übung möchte der Student zum Schluss von der Funktion aus Aufgabe 3 die numerische Integration bilden. Das betrachtete Intervall ist x ∈ [1, 10]. a) Verwenden Sie für die numerische Integration die Gaußsche Quadraturformel mit drei Stützstellen! Das Integral lautet: I= Z10 1 − x2 dx x4 − ln(x) (31) 1 Zunächst müssen die Integrationsgrenzen x ∈ [a, b] in x̄ ∈ [−1, 1] überführt werden. Dies funktioniert über den Zusammenhang: b−a 1 (a + b) + x̄ 2 2 10 − 1 1 x̄ = (1 + 10) + 2 2 = 5, 5 + 4, 5 x̄ x= (32) aus dieser Transformation folgt: dx = 4, 5 d x̄ ⇒ d x = 4, 5 d x̄ (33) Somit folgt für das Integral: I = 4, 5 Z1 −1 1 − (5, 5 + 4, 5 x̄)2 d x̄ (5, 5 + 4, 5 x̄)4 − ln(5, 5 + 4, 5 x̄) (34) Klausur Numerische Methoden II Universität Siegen, Fachbereich Maschinenbau, 29.09.2009 Die zu betrachtende Funktion f¯ ist nun: f¯(x̄) = 4, 5 1 − (5, 5 + 4, 5 x̄)2 (5, 5 + 4, 5 x̄)4 − ln(5, 5 + 4, 5 x̄) (35) Die Gaußsche Quadraturformel lautet: r ! r ! 5 8 5 3 3 Q2 (f¯) = f¯ − + f¯(0) + f¯ 9 5 9 9 5 5 8 5 (−0, 0551) + (−0, 1441) + (−0, 8729) 9 9 9 = −0, 6436 = (36) b) Welchen Genauigkeitsgrad m hat die Gaußsche Quadraturformel mit drei Stützstellen? Was bedeutet dies für die obige Funktion? Der Genauigkeitsgrad ist m = 5. Die Funktion wird nicht exakt integriert! c) Wie viele Stützstellen benötigt man, um die Funktion exakt zu integrieren? Unendlich viele! 0 −0.05 f (x) −0.1 −0.15 −0.2 −0.25 −0.3 −0.35 2 4 6 x 8 10