Es gibt viele, die die Ursachen unserer Probleme nur oder

Werbung
M1
5
10
15
20
25
30
35
40
45
Es gibt viele, die die Ursachen unserer Probleme nur oder überwiegend auf
die allgemeine schwache Weltkonjunktur oder auf Währungseinflüsse
zurückführen, also auf externe Einflüsse. Ich meine, dass diese Diagnose so
nicht stimmt bzw. einseitig ist. Nach meiner Ansicht - und darin stimmen auch
andere Sachkenner überein - sind unsere Probleme zum wesentlichen Teil
hausgemacht, haben also interne Ursachen. Was wir tun können -und darauf
kommt es letztlich an - ist, die binnenwirtschaftlichen Ursachen unserer
Probleme zu lösen. Je besser das gelingt, umso eher sind wir in der Lage, die
internationalen Einflüsse besser zu verkraften sowie unsere Partner zu
ermuntern, ebenfalls ihre Probleme zu lösen und gemeinsam alle
Anstrengungen zu unternehmen, um den internationalen Handel liberal zu
halten. (...) Bei meiner Ursachenanalyse will ich also auf die Darstellung der
internen Ursachen abstellen. Die nachfolgende Ursachenanalyse soll der
Versuch einer sachbezogenen Aufreihung von Fehlentwicklungen sein, die
ihren Ursprung nicht allein in der jüngsten Vergangenheit haben. Ich
unterscheide vier Ursachenkomplexe, wovon jeder dieser Komplexe aus
zahlreichen Einzelursachen besteht. Erstens:
Die Kosten-, Steuer- und Abgabenbelastungen sind auf eine kaum noch
erträgliche Höhe gestiegen und haben im Bereich der Wirtschaft viele
Unternehmungen wie auch Produktgruppen in eine Rentabilitätskrise gestürzt.
Davon sind die Arbeitnehmer ebenfalls betroffen, weil sich als Folge der
Rentabilitätskrise das Arbeitslosenproblem verschärft hat. Darüber hinaus
aber haben die hohen Lohnsteuern und Abgabenbelastungen bei den
Arbeitnehmern auch den Leistungswillen beeinträchtigt, weil Mehrarbeit in
einem zunehmenden Maße weggesteuert wird. Dadurch wächst das Gefühl:
Es lohnt nicht mehr, sich anzustrengen. (...) Die Wirtschaft ist durch
Gewinnkompressionen in ihrem Lebensnerv getroffen worden. Viele, die
Entscheidungen mit Auswirkungen auf die Wirtschaft fällen, sehen das
offenbar anders. Sie glauben immer noch, die Gewinne sind eine
Umverteilungsreserve, weil sie in vollem Umfange den Unternehmern zur
privaten Einkommensverwendung zufließen. In Wirklichkeit aber bildet der
Hauptteil der Gewinne die finanzielle Grundlage für Investitionen und
Innovationen, also zur Stärkung und Erhaltung von Betriebsstätten und
Arbeitsplätzen. (...)
Nun zum zweiten Ursachenkomplex. Dieser besteht in den wachsenden
bürokratischen Eingriffen in die Wirtschaft, die die Handlungsspielräume der
Unternehmer stark einschränken. und die zeitlich parallel mit dem
"Kostenbelastungstest" (dem ersten Ursachenkomplex) begannen. Durch eine
wahre Flut von Gesetzen, Verordnungen, bürokratischen Bevormundungen
und Aufbürdung von unproduktiven Aufgaben, bleibt dem Unternehmer immer
weniger Zeit und Raum für seine eigentlichen unternehmerischen Aufgaben
und Initiativen. Dieser Zustand ist für einen Unternehmer mehr als nur
unbefriedigend - er wirkt lähmend. (...) Der Staat hat ohne Zweifel
ordnungspolitische Aufgaben. Aber Ordnungspolitik darf kein Selbstzweck
sein. (...)
Der dritte Ursachenkomplex besteht in der zweiten Seite des dirigistischen
Bürokratismus, nämlich in seiner Wirkung auf den Staat selbst. Der Dirigismus
M1
50
55
60
65
70
erzeugt einen immer stärker werdenden staatlichen Bürokratisierungsprozess,
der ständig neue Probleme schafft, aber sie nicht lösen kann, weil die
Probleme so vielschichtig geworden sind, und zudem der Staat sich bei seinen
eigenen Aktionen selbst behindert. Man kann das auch schlicht als
überproportionale Selbstverwaltung bezeichnen. (...)
Und damit komme ich zum vierten Ursachenkomplex, den ich kurz darstellen
will.
Ich meine, wir haben bei der Schaffung unseres sozialen Sicherungsnetzes
das rechte Augenmaß verloren.
Ich möchte nicht missverstanden werden: Einer Demontage des sozialen
Netzes das Wort zu reden, wäre nicht nur unrealistisch, sondern auch
unredlich. Der Konsolidierung unseres sozialen Systems Vorrang zu geben,
scheint mir allerdings notwendig und - bei Licht betrachtet - ist das wohl auch
die Auffassung aller, die in der Bundesrepublik an der Verantwortung
mittragen.
Denn wir haben ein soziales System, das in vielen Fällen so gestaltet ist, dass
aufgrund hoher staatlicher Sozialleistungen die Eigeninitiativen, z. B. für das
Bemühen um Arbeitsplätze - verhindert werden. Es ist dann kaum
verwunderlich, wenn viele Arbeitslose sich nicht um einen Arbeitsplatz
bemühen. Aber umgekehrt gilt auch, dass diejenigen, die mehr tun wollen,
durch Entzug von Leistungsanreizen daran gehindert werden. Denn die hohen
Kosten des sozialen Systems müssen die produktiv Tätigen durch immer
höhere Steuern und Abgaben bezahlen. Mehr-Arbeit wird weggesteuert; es
lohnt sich nicht mehr, sich anzustrengen. Unzufriedenheit ist die Folge und die
Anzahl derjenigen wächst, die ebenfalls in den Genuss von Einkommen ohne
Arbeit gelangen wollen.
Quelle: Von Brauchitsch, Eberhard: Marktwirtschaft und Unternehmen, Köln 1979, S.11 f
Angaben zum Autor: Eberhard von Brauchitsch war bis 1982 als
Manager beim Flick – Konzern tätig.
Aufgaben:
Arbeiten Sie aus dem vorliegende Material die Kritik des Managers an
der nachfrageorientierten Wirtschaftspolitik heraus und
stellen Sie (z.T. auch im Umkehrschluss) , die daraus abzuleitenden
Leitlinien einer einer im Schwerpunkt angebotsorientierten
Wirtschaftspolitik heraus.
Herunterladen