Untersuchungen zur experimentellen Simulation des Eintritts von Raumflugkörpern in die Marsatmosphäre Von der Fakultät Luft– und Raumfahrttechnik und Geodäsie der Universität Stuttgart zur Erlangung der Würde eines Doktor–Ingenieurs (Dr.–Ing.) genehmigte Abhandlung vorgelegt von Pia Endlich aus Tsumeb, Namibia Hauptberichterin: Prof. Dr.–Ing. habil. Monika Auweter–Kurtz Mitberichter: Prof. Dr.–Ing. Stefanos Fasoulas Tag der mündlichen Prüfung: 21. Dezember 2007 Institut für Raumfahrtsysteme Universität Stuttgart 2008 2 Kurzfassung Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Untersuchung der Plasma-WandWechselwirkung von drucklos gesintertem Siliziumkarbid als Hitzeschutzmaterial für Eintrittsmanöver von Raumflugkörpern in die Atmosphäre des Mars. Als Basis dazu werden geeignete Plasmabedingungen, die mittels des induktiv beheizten Plasmagenerators IPG4 am Plasmawindkanal PWK3 des IRS erzeugt werden, charakterisiert. Als Arbeitsgas für das Plasma wird ein der Marsatmosphäre ähnliches Gasgemisch aus 97% CO2 und 3% N2 verwendet. Die Bestimmung der Eigenschaften des Plasmastrahls wird hinsichtlich Wärmestromdichte, Pitotdruck, Plasmageschwindigkeit und Plasmazusammensetzung messtechnisch durchgeführt. Analytische Modelle, die auf einer vorangegangenen theoretischen Beschreibung des axialsymmetrischen Plasmafreistrahles mit einer unterexpandierten Düsenströmung basieren, ermöglichen es, die Länge der Strahlanfangszone und der ersten Strahlzellen zu bestimmen. In Kombination mit den experimentellen Ergebnissen wird weiterhin die qualitative Verteilung der spezifischen Enthalpie im Plasmaquerschnitt ermittelt. Das Einblasen von Eisenoxidpartikeln in den Plasmastrahl, wie sie durch Staubstürme in der Marsatmosphäre in höheren Atmosphärenschichten vorkommen können, zeigt eine deutliche Erhöhung der Wärmestromdichte auf einen Probenkörper im Plasmastrahl. Tests mit SSiC–Hitzeschutzmaterialproben deuten unter Einsatz der Untersuchungsmethoden Photoelektronenspektrometrie und REM–Aufnahmen auf eine aktive Oxidation der Hitzeschutzmaterialprobe aus drucklos gesintertem Siliziumkarbid im Plasma bei hohen Wärmestromdichten hin. 3 Abstract This work addresses the investigation of the plasma wall interaction of pressureless sintered siliconcarbide SSiC used as thermal protection for the entry maneuvers of spacecraft entering Mars’ atmosphere. The basis for the investigation is provided by characterizing appropriate plasma conditions. These conditions are produced using the inductively heated plasma generator IPG4 at the plasma wind tunnel PWK3 at the Institute for Space Systems. The working gas used for the plasma is a mixture of 97% CO2 and 3% N2 , which is very similar to the gas found in Mars’ atmosphere. Determining the characteristics of the plasma jet is carried out by measuring the heat flow density, the Pitot pressure, the plasma velocity and the plasma composition. Analytical models, based on a previous theoretical description of the axially symmetric plasma free jet with an under expanded nozzle flow, make it possible to determine the length of the beam’s inception zone and the first beam cells. Combined with the experimental results, the qualitative distribution of the specific enthalpy in the plasma cross-section will continue to be determined. The injection of iron oxide particles into the plasma jet, such as can occur during dust storms at higher atmospheric levels in Mars’ atmosphere, results in an evident increase of the heat flow density on a sample body in the plasma jet. Tests with SSiC thermal protection samples, using the investigative methods photo-electron spectroscopy and REM micrographs, point to an active oxidation of the thermal protection sample made of pressureless sintered siliconcarbide in the plasma at high heat flow densities. 4 Vorwort Die vorliegende Arbeit entstand zum überwiegenden Teil im Zeitraum von September 2000 bis Dezember 2003 während meiner Tätigkeit als wissenschaftliche Angestellte am Institut für Raumfahrtsysteme der Universität Stuttgart. Bei Frau Prof. Dr.–Ing. habil. Monika Auweter–Kurtz bedanke ich mich besonders für die umfassenden Möglichkeiten zur experimentellen Arbeit und für die Übernahme des Hauptberichts. Herrn Prof. Dr.–Ing. Fasoulas danke ich für das Interesse an der Arbeit und die Übernahme des Mitberichts. Meinen ehemaligen Kollegen am IRS danke ich für die angenehme Arbeitsatmosphäre und die Bereitschaft zur fachlichen Diskussion. Besonders herzlich bedanke ich mich bei Herrn Dr.–Ing. Thomas Stöckle und Herrn Dr.–Ing. Torsten Laux, die immer ein offenes Ohr für mich hatten und mich durch ihre Anregungen bei der Erstellung dieser Arbeit unterstützten. Ohne den Einsatz der mechanischen und elektrischen Werkstatt, insbesondere Herrn Gerd Jaisser, Herrn Gerhard Heithörster und Herrn Manfred Hartling wäre die experimentelle Arbeit nicht möglich gewesen. Deshalb möchte ich hier meinen Dank aussprechen. Ebenfalls möchte ich mich bei Herrn Dr.–Ing. Stefan Löhle, Herrn Dipl.– Ing. Jörg Weber und Herrn Dr.–Ing. Stephan Laure für die jederzeit gewährte Unterstützung bei meinen Versuchen bedanken. Mein besonderer Dank geht an Herrn Dr.–Ing. Thomas Wegmann, Herrn Dr.–Ing. Henri Wagner, Herrn Olaf Riedel, Herrn Dr.–Ing. Felix Huber, Herrn Gunter Kühnhart und Frau Dr. rer. nat. Maria von Schönermark für die äußerst angenehme und freundschaftliche Zusammenarbeit. Schließlich möchte ich mich bei Herrn Dipl.–Phys. Dipl.–Math. Wolfgang Pecho bedanken. Die Zeit die wir gemeinsam verbringen gibt mir die Kraft für Aufgaben wie diese. INHALTSVERZEICHNIS 5 Inhaltsverzeichnis Kurzfassung 2 Vorwort 4 Symbolverzeichnis 6 1 Einleitung 9 2 Versuchsanlage und Testbedingungen 2.1 Der Plasmawindkanal PWK3 mit dem Plasmagenerator IPG4 14 14 2.2 Testbedingungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17 3 Axialsymmetrischer Freistrahl 19 3.1 Freistrahlströmung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19 3.2 Hochdruck-Freistrahl . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24 4 Wärmestromdichtemessungen 28 5 Pitotdruckmessungen 37 6 Bestimmung der spezifischen Enthalpie 43 6.1 Kalorimeter . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 44 6.2 Spezifische Enthalpie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 47 7 Geschwindigkeitsmessungen 55 7.1 Keilsondenmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 55 7.2 Gekreuzte Einzelsondenmessung . . . . . . . . . . . . . . . . . 60 8 Materialuntersuchungen 64 8.1 Spektroskopische Messungen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 68 8.2 Photoelektronenspektrometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . 72 8.3 Rasterelektronenmikroskopie und energiedispersive Röntgenanalyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 84 9 Zusammenfassung 90 Summary 92 Literaturverzeichnis 93 6 INHALTSVERZEICHNIS Symbol a Schallgeschwindigkeit m/s A Strahlquerschnittsfläche m2 Elektrodenmantelfläche m2 c Konstante – cKW spezifische Wärmekapazität des Kühlwassers cp spezifische Wärmekapazität bei konstantem Druck D Ausströmdurchmesser h spezifische Enthalpie Ḣ Enthalpiestrom I elektrische Stromstärke J/(kg · K) J/(kg · K) mm J/kg J/s A 1,5 K gasartspezifische Konstante LS Abstand der Mach’schen Scheibe vom Düsenaustritt LZ Länge der ersten Strahlzelle mm ṁ Massenstrom kg/s Ma Machzahl – n Exponent, Laufvariable – Teilchendichte W · kg/(J · Pa 0,5 ·m ) mm 1/m3 p Druck Pa pdyn dynamischer Druck Pa pt,D Totaldruck im Düsenaustritt Pa q̇ Wärmestromdichte r Radius R spezifische Gaskonstante Ref f effektiver Nasenradius t Zeit T Temperatur K u innere Energie J v Geschwindigkeit V̇ Volumenstrom W/m2 m J/(kg · K) m s m/s m3 /s INHALTSVERZEICHNIS 7 X – Strömungsachse des Plasmastrahles, Koordinatenachse Abstand zwischen Sonde und Düsenendquerschnitt mm Länge des Strahlkernes mm η dimensionsloser Radius – ϑ Umlenkung ◦ κ Adiabatenexponent – µ Machscher Winkel ◦ ν konstante Bezugsgröße ρ Dichte σ Stoßwinkel ψ Stromfunktion Γ Gammafunktion – Θ0 halber Öffnungswinkel ◦ X ′ Tiefgestellte Indizes a Bezugsfläche aus Austritt e Elektron ein Eintritt i Ion KW Kühlwasser m Strahlmitte s Staupunkt th thermisch tot Totalzustand vk vollkatalytisch 0 Düsenendquerschnitt ∞ Tank, Umgebung, m2 /s kg/m3 ◦ m2 /s 8 INHALTSVERZEICHNIS ungestörte Anströmung ⊥ k senkrecht parallel Konstanten e Elementarladung k Boltzmannkonstante ℜ universelle Gaskonstante 1,38066 · 10−23 J/K Abkürzungen AOTV Aeroassisted Orbit Transfer Vehicle DLR Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt EDX energiedispersive Röntgenanalyse IPG Induktiv beheizter Plasmagenerator NASA National Aeronautics and Space Administration PWK Plasmawindkanal REM Rasterelektronenmikroskopie SSiC drucklos gesintertes Siliziumkarbid 1,60218 · 10−19 C 8,3144 J/(mol · K) 1 EINLEITUNG 1 9 Einleitung Die Entdeckung der neuen Welt“ Ende des 15. Jahrhunderts wurde erst ” durch neue wissenschaftlich– technische Errungenschaften und dem mutigen Einsatz dieses Wissens möglich. Als die astronomische Wissenschaft für die Nautik nutzbar gemacht wurde, entstand so die astronomische Navigation. Die Anwendung des Seekompasses wurde üblich und ein neuer Schiffstyp, die Karavelle, wurde gebaut. Erst durch diese Innovationen gelang es Kolumbus den Atlantik zu überqueren. Die neue Welt“ war entdeckt. ” Durch den Aufbau und die Entwicklung der Raumfahrt können wir auch heute ein neues Zeitalter der Entdeckungen“ beschreiten. Wie bei Kolum” bus erfordert heute die Erforschung des Weltraums ebenfalls die Entwicklung und den Einsatz von neuen Techniken. Zum Einen ist für die bemannte Erforschung des Weltraums der Bau von entsprechenden Raketen notwendig, um das Schwerefeld der Erde mit der bei dieser Art der Mission schweren Nutzlast verlassen zu können. Zum Anderen ist für den weiteren Weg in den Weltraum der Einsatz von Raumflugkörpern mit entsprechenden Triebwerken, die das für die Mission nötige Antriebsvermögen zur Verfügung stellen, erforderlich. Soll zudem in die Atmosphäre von Himmelskörpern wie die des Mars eingetreten werden, so ist vor allem ein Hitzeschutzsystem unverzichtbar. Tritt ein Raumflugkörper, der sich mit einer Geschwindigkeit von mehreren tausend Metern pro Sekunde bewegt, in eine Atmosphäre ein, so bildet sich aufgrund der supersonischen Geschwindigkeit vor dem Körper eine Stoßwelle aus. Über diese Stoßwelle wird die kinetische Energie des Atmosphärengases dissipiert und in innere Energie des Gases umgesetzt [1]. Durch die zunehmende Temperatur der Moleküle und die damit verbunde Zunahme der Stöße untereinander, werden die Moleküle dissoziiert und teilweise ionisiert. Es entsteht unmittelbar vor dem Raumflugkörper ein Plasma mit Gleichgewichtstemperaturen von über 7300 K [2]. Die Verweildauer eines Teilchens zwischen Stoß vor dem Flugkörper und dessen Oberfläche liegt meistens im Bereich der Relaxationszeiten für das thermische und chemische Gleichgewicht, so dass thermische und chemische Nichtgleichgewichtseffekte entste- 1 EINLEITUNG 10 hen können [3]. Es ergibt sich durch Konvektion und Strahlung eine hohe thermische [4] Belastung. Zusätzlich kommt es durch chemische Prozesse zu einer weiteren Beanspruchung des Hitzeschutzmaterials. Diese entsteht beispielsweise durch Oxidation des Oberfächenmaterials des Raumflugkörpers. Es kommt weiterhin zu einer zusätzlichen Erhöhung der Wärmelast durch Rekombination und Molekülbildung der dissoziierten Atmosphärengase vor allem in den Staupunktsbereichen aber auch an anderen Bereichen der Fahrzeugoberfläche [5]. Im Falle eines Eintritts in die Marsatmosphäre sind dort auf Grund von Staubstürmen Partikel bis in 78 km Höhe für ca. 20 bis 50 Tage in der Atmosphäre vorhanden [6, 7, 8], die hauptsächlich aus Siliziumdioxid und aus Eisenoxiden [9] mit Korngrößen bis zu 10 µm bestehen. Die größten Wärmestromdichten auf den Raumflugkörper treten zudem je nach Eintrittsszenario etwa in Höhen von 35 km bis 40 km auf. Die Staubpartikel werden auf Grund ihrer hohen Masse im Gegensatz zu den Molekülen der Atmosphäre nur gering abgebremst [10] und verweilen somit auch kürzer in der Stoßfront. Daher schmelzen nur Partikel, die kleiner 1 µm sind, verdampfen teilweise und beteiligen sich an den chemischen Prozessen [11]. Zudem können sie sich auf der Oberfläche ablagern, was aufgrund von katalytischen Effekten zu einer weiteren Erhöhung der Wärmebelastung auf diese Oberfläche führen kann. Neben dieser chemischen Last entsteht zusätzlich auf Grund des Teilcheneinschlags eine mechanische Last [12]. Damit der Raumflugkörper diesen Lasten standhalten kann, sind die stark belasteten Teile, z.B. in den Staupunktsbereichen, mit einem Hitzeschutzsystem zu versehen. Die Entwicklung und Dimensionierung eines Hitzeschutzsystems [13] ist eine der Hauptaufgaben bei der Auslegung eines Raumflugkörpers für den Eintritt. Generell gibt es drei verschiedene Hitzeschutzsysteme. Man unterscheidet zwischen einem strahlungsgekühlten, ablativ gekühlten und aktiv gekühlten Hitzeschutzsystem. Ein aktives Kühlungssystem wird aufgrund seiner hohen Masse bislang nicht eingesetzt. Ablationsmaterialien wandeln thermische Energie in andere Energieformen um, indem das Oberflächenmaterial entweder den Aggregatzustand beispielsweise durch Sublimation ändert, oder endo- 1 EINLEITUNG 11 therme chemische Reaktionen durchläuft. Für die Auswahl des Hitzeschutzsystems ist die aerothermodynamischen Belastbarkeit eines Hitzeschutzmaterials zu betrachten. Strahlungsgekühlte Materialien wie SiC können wiederverwendbar sein, Ablationsmaterialien sind nicht wiederverwendbar, sind jedoch auch für höhere Wärmestromdichten geeignet. Nicht zuletzt ist das Gewicht des Hitzeschutzsystems ebenfalls ein nicht zu vernachlässigender Faktor. Strahlungsgekühlte Materialien können sich hier im wahrsten Sinne des Wortes bezahlt machen. Um Hitzeschutzmaterialien zu entwickeln und zu qualifizieren, werden Bodentestanlagen aufgebaut und betrieben [14], die vorwiegend zur Simulation von Staupunksströmungen eingesetzt werden [15]. Heute können in einer Anlage einzelne Flugzustände des Eintritts in eine Atmosphäre simuliert werden. Um die Flugzustände nachbilden zu können, die in Bezug auf Druck, Geschwindigkeit, Wärmestromdichte und spezifischer Enthalpie größere Bereiche abdecken, werden verschiedene Arten von Anlagen betrieben. Für die Nachbildung der Realgaseffekte zwischen Strömung und Flugkörper werden Stoßrohranlagen eingesetzt [16]. Diese können aber höchstens für eine Dauer von Millisekunden die Eintrittsbedingungen simulieren. In dieser Zeit ist es nicht möglich, das Material hinsichtlich Wärmelast zu untersuchen oder zu qualifizieren. Für die Materialuntersuchungen mit der entsprechenden Wärmelast werden am Institut für Raumfahrtsysteme (IRS) der Universität Stuttgart thermische Lichtbogengeneratoren oder magnetoplasmadynamische Generatoren eingesetzt [17]. Bei diesen Generatoren wird das Plasma mit Hilfe eines Lichtbogens, der zwischen einer Kathode und einer Anode brennt, erzeugt. Dabei kann der Plasmastrahl für die Dauer eines Eintritts stationär aufrecht erhalten oder auch in seinen Eigenschaften gezielt variiert werden. Es ist aber darauf zu achten, dass sich im Betrieb kein Sauerstoff und kein Kohlenstoff in unmittelbarer Nähe der Kathode befindet, da dies sonst durch Oxidation und Karbidisierung zur Zerstörung der Kathode führen würde. Deshalb werden die Kathoden dieser Generatoren nur einem inerten Gas wie Argon oder auch Sickstoff ausgesetzt und sauerstoffhaltige und kohlenstoffhaltige Gase erst weiter stromabwärts im Bereich der Anode zugeführt. Ist es jedoch erforderlich reine Kohlendioxidplasmen 1 EINLEITUNG 12 oder Sauerstoffplasmen zu erzeugen, ist diese Art von Generatoren daher nicht geeignet. Hier kommt ein Generatortyp ohne Elektroden zur Anwendung, der sogenannte induktiv beheizte Plasmagenerator [18, 19]. Bei diesem Generatortyp wird das Plasma durch elektromagnetische Induktion in das Gas erzeugt. Dadurch entfallen Elektroden und deshalb können auch stark sauerstoffhaltige und kohlenstoffhaltige Plasmen erzeugt werden [20]. Am Institut für Raumfahrtsysteme wurde ein solcher Plasmagenerator aufgebaut [21]. Er eignet sich somit auch zur Untersuchung von katalytischen Eigenschaften von Materialien, da keine Elektrodenerosion und damit verbunden, keine Verschmutzung des Plasmas und der zu untersuchenden Oberflächen mit Elektrodenmaterial entsteht. Im Rahmen dieser Arbeit werden Untersuchungen zum Eintritt eines Raumflugkörpers in die Marsatmosphäre unter Verwendung eines Plasmagenerators durchgeführt. Die Atmosphäre des Mars besteht aus 95,3 % CO2 , 2,6 % N2 und 1,6 % Ar [22]. Die restlichen Anteile sind Spurengase wie z.B. Sauerstoff. Beim Eintritt in die Marsatmosphäre entstehen je nach Eintrittsgeschwindigkeit hohe Staudrücke über 10000 Pa [23]. Ebenfalls zeigen Rechnungen der NASA, dass bei einem Eintritt in die Marsatmosphäre mit einem bemannten Raumflugkörper Wärmestromdichten bis zu 1,9 MW/m2 auftreten [24]. Aufgrund dieser Anforderungen an die experimentelle Simulation des Eintritts in die Marsatmosphäre wird der Plasmagenerator mit einem Gasgemisch aus 97 % CO2 und 3 % N2 betrieben. Mit diesem Gasgemisch wird die Marsatmosphäre vereinfacht nachgebildet. Wegen des sehr hohen Kohlendioxidanteils und somit des Sauerstoff- und Kohlenstoffanteils in diesem Arbeitsgas werden die Untersuchungen an einem induktiv beheizten Plasmagenerator (IPG) durchgeführt. In einem ersten Schritt wird dieser Plasmagenerator für den Betrieb auf dieses Arbeitsgas angepasst. Die Generatorparameter werden so eingestellt, dass ein kontinuierliches und stabiles Plasma erzeugt werden kann, mit dem dann die eigentlichen Untersuchungen durchgeführt werden. Mit dem gewählten Plasmagenerator konnten bis zu dieser 1 EINLEITUNG 13 Arbeit leider nur Staudrücke bis 1100 Pa realisiert werden. Um zu höheren Drücken zu gelangen, wird speziell eine konische Düse für den Plasmaaustritt aus dem Generator konstruiert. Dabei sollten im Plasmastrahl Wärmestromdichten bis zu 1,9 MW/m2 mit dem Plasmagenerator erreicht werden. In einem zweiten Schritt werden die Eigenschaften des generierten Plasmas bestimmt. Dazu werden nicht nur die obigen Parameter Wärmestromdichte und Pitotdruck gemessen, sondern auch Enthalpie, Geschwindigkeit und Zusammensetzung des Plasmas bestimmt. In einem dritten Schritt wird das Hitzeschutzmaterial SSiC dem Plasma ausgesetzt, um die Erosionsrate und das Oxidationsverhalten des Materials zu untersuchen. 2 VERSUCHSANLAGE UND TESTBEDINGUNGEN 2 14 Versuchsanlage und Testbedingungen Am Institut für Raumfahrtsysteme stehen mehrere Plasmawindkanäle für die experimentelle Simulation von (Wieder–)Eintrittsmanövern zur Verfügung. Mit ihnen können die beim Eintritt auftretenden aerothermodynamischen Bereiche und deren Gas-Wand-Wechselwirkungen nachgebildet werden [25]. Alle Plasmawindkanäle sind mit Plasmageneratoren ausgestattet, die stationäre kontinuierliche Plasmaströmungen mit relativ hohen spezifischen Enthalpien und Geschwindigkeiten erzeugen [26]. Je nach Anforderung werden dabei thermische Plasmageneratoren, magnetoplasmadynamische Generatoren [27] oder auch induktive Plasmageneratoren eingesetzt. Alle Plasmawindkanäle sind über ein Rohrleitungssystem an eine Vakuumanlage angeschlossen, die über ein 4–stufiges Rootspumpensystem und eine Drehschieberpumpe verfügt und einen Druckbereich von 10 Pa bis 10 kPa abdeckt. Das Saugvermögen dieser Anlage beträgt bei 10 Pa 250 000 m3 /h und garantiert so einen stationären Betrieb der Plasmawindkanäle. 2.1 Der Plasmawindkanal PWK3 mit dem Plasmagenerator IPG4 Die in dieser Arbeit vorgestellten Versuche wurden am Plasmawindkanal PWK3 (Bild 2.1) durchgeführt. Der PWK3 wurde von Herdrich weiterentwickelt und qualifiziert [28]. Der PWK3 besteht aus einem 2 m langen zylindrischen Edelstahltank mit 1,6 m Innendurchmesser. Die Rückwand des Tanks ist doppelwandig ausgeführt und mit Wasser gekühlt, um einen stationären Betrieb zu ermöglichen. In der Mitte des rückwärtigen Deckels ist der Tank über einen Abluftkühler und einen Schieber an die Vakuumanlage angeschlossen. Der Tank verfügt über zahlreiche optische Zugänge und ein 2– achsiges CNC–Positioniersystem, mit dessen Hilfe verschiedene Sonden und Materialhalterungen millimetergenau im Tank platziert werden können. Der ebene vordere Tankdeckel selbst ist auf einer beweglichen Plattform montiert. Der induktive Plasmagenerator IPG4 mit dem dazugehörigen Schwingkreis ist wiederum am vorderen Tankdeckel angeflanscht. 2 VERSUCHSANLAGE UND TESTBEDINGUNGEN 15 Bild 2.1: Aufbau des Plasmawindkanals PWK3 Der Vorteil des IPG4 (Bild 2.2) ist, dass er im Gegensatz zu den Lichtbogengeneratoren mit sauerstoff- und kohlenstoffhaltigen Gasen wie CO2 oder sogar reinem Sauerstoff betrieben werden kann. Somit können unter Einsatz dieses Generatortyps Gas-Wand-Wechselwirkungen wie Oxidationsverhalten oder katalytische Eigenschaften von Materialien im Kontakt mit Gasen untersucht werden [29, 30], mit denen sich elektrodenbehaftete Plasmageneratoren nicht betreiben lassen. Die Funktionsweise des IPG4 basiert auf einem in Meißnerschaltung aufgebauten Schwingkreis, bestehend aus 7 parallel verschaltbaren Kondensatoren mit je 6 nF und einer Induktorspule mit 120 mm Länge und 5,5 Wicklungen. Die Energieversorgung dieses Generators verfügt über eine maximale Eingangsleistung von 375 kW. Die Spule des Generators IPG4 ist um ein Quarzrohr mit dünner Wandstärke, 330 mm Länge und einem mittleren Durchmesser von 86 mm gewickelt, das über einen Zwischenflansch an den Vakuumrezipienten angeschlossen ist. Das andere Ende des Rohres ist mit einem Gaseinspritzkopf verbunden, über den das Arbeitsgas in das Quarzrohr tangential eingeblasen und in den Vakuumtank entspannt wird [31, 32]. Durch den Schwingkreis fließt in der Induktorspule ein hochfrequenter Wechselstrom, der in der Spu- 2 VERSUCHSANLAGE UND TESTBEDINGUNGEN 16 Bild 2.2: Aufbau des induktiven Plasmagenerators IPG4 le wiederum ein hochfrequentes elektrisches Feld induziert. Dieses elektrische Feld erzeugt elektrische Entladungen in dem von der Spule umschlossenen Volumen. Dadurch entsteht ein Plasma. Auf Grund des Skineffekts wird das Plasma hauptsächlich in Spulennähe generiert. Der IPG4 verfügt über eine an der Innenseite des vorderen Tankdeckels angebrachte wassergekühlte konische Düse mit einem Durchmesser von 50 mm an der engsten Stelle. Das Plasma wird in der Düse zusätzlich expandiert und dabei auf Schallgeschwindigkeit am Düsenaustritt beschleunigt. Ab dem Düsenaustritt expandiert der Plasmafreistrahl weiter auf Überschallgeschwindigkeit. Das Quarzrohr des Generators muss im stationären Betrieb vor thermischem Versagen geschützt werden. Daher wird es inklusive der teflonisolierten Spule wassergekühlt. Die Wasserkühlung besteht im Wesentlichen aus zwei Halbschalen, die das Quarzrohr und die Spule umgeben. Die Wasserzu– und Abführung ist so gestaltet, dass sie den spiralförmigen Wasserstrom zwischen den Spulenwicklungen unterstützt, und so Totwassergebiete vermieden werden. 2 VERSUCHSANLAGE UND TESTBEDINGUNGEN 17 Für die Untersuchungen, die im Rahmen dieser Arbeit mit zusätzlich eingeblasenen Eisenoxidpartikeln durchgeführt wurden, war am Einspritzkopf anstelle des axialen optischen Zugangs ein Pulverförderer vom Typ Twin 10C von Sulzer Metco angeschlossen. Dieser bläst die Partikel axial durch den Generator in den Rezipienten. 2.2 Testbedingungen Für den Betrieb des IPG4 mit einem Gasgemisch von 97% CO2 und 3% N2 , das zur Simulation der Marsatmosphäre eingesetzt wird, wurde für diesen Generator und speziell für die so in Grenzen zu haltende Wärmelast auf das Quarzrohr als ideale Schwingkreiskonfiguration fünf parallel geschaltete Kondensatoren mit je 6 nF und einer Spule mit 5,5 Wicklungen als optimal gefunden. Daraus resultiert eine nominelle Betriebsfrequenz von 0,6 MHz. Weiterhin stellte sich für ein stabiles Betriebsverhalten des Generators ein Massenstrom von 3,7 g/s CO2 und entsprechend 70 mg/s N2 als günstig heraus. Die Anodenleistung des Schwingkreises belief sich auf 119,5 kW bei einer geregelten Anodenspannung von 6950 V. Im Betrieb liegt der minimal erreichbare Umgebungsdruck im Tank bei 185 Pa. Dieser relativ hohe Druck entsteht durch das zusätzliche Einblasen von 20g/s N2 . Dies ist aus folgendem Grund notwendig: dissoziert man CO2 , wie in diesem Falle im Generator, so entsteht ein Gemisch aus CO und O. Diese Gase liegen so auch für die Rekombination zu CO2 in einer stöchiometrischen Verteilung vor und bilden ein explosives Gemisch [33]. Explosionsgefahr besteht besonders in Bereichen höherer Drücke, beispielsweise in den Vakuumpumpen. Um dieses Risiko auszuschließen, wurden eben diese 20 g/s N2 am Tankende vor dem Vakuumröhrensystem eingeblasen, die das Gemisch aus der explosiven Zusammensetzung bringen [34]. Dadurch werden die Versuche sehr aufwändig und kostenintensiv. Der maximale Umgebungsdruck im Tank während des Generatorbetriebes mit CO2 liegt bei 900 Pa. Wird dieser Druck überschritten, kann die Entladung nicht mehr stabil aufrechterhalten werden. Für die Versuche mit zusätzlicher Eisenoxidpartikeleinspritzung wurde eine Fördermenge von 0,1 g/s verwendet, da diese die untere Grenze des eingesetzten 18 2 VERSUCHSANLAGE UND TESTBEDINGUNGEN Pulverförderers ist. Die Pulverpartikel, deren Korngrößen entsprechend der Partikelgrößen in der Marsatmosphäre kleiner als 10 µm sind, wurden zusammen mit dem Stickstoffmassenstrom von 70 mg/s eingeblasen. Bei den Versuchen wurde die Partikeleinspritzung auf Eisenoxide beschränkt, da bei diesen der größere chemische Einfluss zu erwarten war. Weniger bedeutend ist der Einluss des Marsstaubhauptbestandteils Siliziumdioxid [9] auf Grund der Ähnlichkeit zum Hitzeschutzmaterial SSiC anzunehmen, da das Material SiC unter Vorhandensein von Sauerstoff im Plasma an der Oberfläche chemisch mit dem Sauerstoff reagiert und normalerweise eine SiO2 –Schicht ausbildet. Die verwendeten Versuchsparameter sind der Übersichtlichkeit halber noch einmal in folgender Tabelle zusammenfefasst: Tabelle 2.1: Versuchsparameter Spulenwicklungen Anzahl der verschalteten Kondensatoren Betriebsfrequenz CO2 -Gasmassenstrom N2 -Gasmassenstrom N2 -Gasmassenstrom zur Deaktivierung Anodenspannung Anodenleistung Verlustleistung durch Kühlung Tankdruck Standardtankdruckbedingungen Eisenoxidpartikelmassenstrom 5,5 5 0,6 MHz 3,7 g/s 70 mg/s 20 g/s 6950 V 119,5 kW 10 kW 185 Pa bis 900 Pa 185 Pa, 500 Pa, 800 Pa 0,1 g/s 3 AXIALSYMMETRISCHER FREISTRAHL 3 19 Axialsymmetrischer Freistrahl In diesem Kapitel wird der Plasmafreistrahl charakterisiert. Damit wird der theoretische Hintergrund für die Untersuchungen zur Wechselwirkung zwischen einem CO2 –Plasma und einem zu testenden Hitzeschutzmaterial beschrieben. 3.1 Freistrahlströmung Im Plasmagenerator strömt das Plasma aufgrund der Druckdifferenz zwischen Brennkammer und Vakuumtank durch die konische Expansionsdüse in den Rezipienten. Es wird also eine axialsymmetrische Strömung eines Freistrahls in eine ruhende Umgebung des gleichen Aggregatszustands und so ohne strahlbegrenzende Wände erzeugt. Die Strahlgrenze wird als eine reibungsbehaftete freie Trennschicht, oder auch Scherschicht betrachtet, die in den meisten Fällen turbulent verläuft. Die Trennschicht ist als der Ort definiert, an dem die Stromlinien den geringsten Abstand zur Achse haben (siehe Bild 3.1 von G.K.Batchelor [35, 36]). Bild 3.1: Stromlinien einer axialsymmetrischen Freistrahlströmung in dimensionsloser Darstellung nach G.K. Batchelor [35, 36] In Bild 3.1 sind beispielhaft die Stromlinien einer axialsymmetrischen Freistrahlströmung dargestellt. Die Abszisse stellt hier eine dimensionslose 20 3 AXIALSYMMETRISCHER FREISTRAHL Strömungsachse und die Ordinate einen dimensionslosen Radius dar. Θ0 ist der halbe Öffnungswinkel der kegelförmigen Freistrahlgrenze, ψ die Stromfunktion und ν eine konstante Bezugsgröße zur dimensionslosen Darstellung. Da in der freien Strahlgrenze immer neues Fluid aus der Umgebung mitgerissen wird und sich so eine turbulente Vermischungszone bildet, nimmt auch der Strahldurchmesser entlang des Öffnungswinkels Θ0 und mit zunehmender Strömungsachse X ständig zu (siehe Bild 3.2). Unter der Annahme dass der statische Druck im gesamten Strömungsfeld konstant ist und die Zustandsgrößen im Austrittsquerschnitt der Düse konstant sind, ist ein Freistrahl durch die Unabhängigkeit des Strahlimpulses des gesamten Strahlquerschnittes von der Lauflänge X charakterisiert. Der Gesamtstrahlimpuls über einen beliebigen Querschnitt ist damit gleich dem aus der Düse austretenden Gesamtstrahlimpuls. Lokal betrachtet wird der Impulsstrom in der Vermischungszone größer und der des Strahlkerns entsprechend kleiner, bis die Vermischungszone den gesamten Strahlquerschnitt umfasst. Die im Strahl beförderte Masse nimmt ständig zu, während die Strahlgeschwindigkeit gleichzeitig abnimmt. Die Entwicklung des Geschwindigkeitsprofiles zeigt Bild 3.2 beispielhaft. v¥ = 0 v0 vm r X Anfangszone X’ Hauptzone Bild 3.2: Schema der Entwicklung des Geschwindigkeitsprofiles einer Freistrahlströmung 3 AXIALSYMMETRISCHER FREISTRAHL 21 Die sich ausbildende Freistrahlströmung lässt sich in eine Strahlanfangszone und eine Strahlhauptzone gliedern. Da die Vermischungszone am Strahlrand beginnend mit dem Düsenaustritt linear mit der Strahllänge in radialer Richtung zunimmt, existiert direkt nach der Düse ein von der Reibung noch unbeeinflusster Strahlkern (in Bild 3.2 hellgrau angedeutet), in dem die Strahlgeschwindigkeit der Düsenaustrittsgeschwindigkeit v0 entspricht. Die Länge dieses Kernes X ′ entspricht der Länge der sogenannten Anfangszone, die auch als Nahfeld bezeichnet wird. Erst danach stellt sich eine voll ausgebildete Freistrahlströmung mit dem entsprechenden Geschwindigkeitsprofil in der Form einer Glockenkurve ein. Dieser Bereich wird als Strahlhauptzone oder auch als Fernfeld bezeichnet. Hier vermindern sich die axialen Strahlgeschwindigkeiten in den Strahlquerschnitten mit zunehmendem Abstand von der Düse. Gleichzeitig wird der Strahlquerschnitt größer. In dieser Zone X > X ′ verhalten sich die Geschwindigkeitsprofile, aber auch die Temperaturprofile, entlang der Strahlachse affin zueinander. Dies bedeutet, dass man mit Kenntnis eines einzigen Profiles alle anderen Profile beschreiben kann. Die Grundlagen für die Theorie der Freistrahlentwicklung liegen auf dem Gebiet der Grenzschichttheorie und sind im Wesentlichen von Prandtl, Abramovich, Schlichting, Reichardt, Truckenbrodt und Regenscheit entwickelt und vorangetrieben worden. Bei der theoretischen Beschreibung des Freistrahls muss unterschieden werden, ob es sich um einen isothermen oder einen anisothermen Freistrahl handelt. Im Falle einer Plasmaströmung kann die Differenz zwischen Umgebungstemperatur des ruhenden Gases T∞ und der Temperatur im Strahlaustritt T0 nicht vernachlässgt werden, d.h. es ist T0 /T∞ ≫ 1. Durch den Temperaturunterschied zwischen Umgebungstempe- ratur im Tank T∞ und der Plasmatemperatur am Düsenaustritt T0 muss die Theorie des für diesen Fall gültigen anisothermen Freistrahles angewendet werden. Für die Beschreibung des in dieser Arbeit vorliegenden rotationssymmetrischen Freistrahles wird angenommen, dass der statische Druck im Freistrahl und in der Umgebung konstant ist, d.h. p = const. Außerdem wird da- 22 3 AXIALSYMMETRISCHER FREISTRAHL von ausgegangen, dass die radialen Geschwindigkeiten in der Vermischungszone klein gegenüber den axialen Geschwindigkeiten sind. Ebenfalls verhält sich das betrachtete Fluid im Idealfall wie ein ideales Gas, so dass die thermische Zustandsgleichung p = ρRT angewendet werden kann. Um diese Freistrahltheorie mit diesen Annahmen auf die in dieser Arbeit vorliegenden Plasmaströmung anwenden zu können, muss von einer chemisch eingefrorenen Plasmaströmung ausgegangen werden. Diese Annahme ist gültig bei einer starken Expansion des Gases und niederen Umgebungsdrücken, so dass sich die Gaszusammensetzung und der Gaszustand entsprechend der Geschwindigkeit nur langsam den neuen Bedingungen anpassen können. Unter diesen Annahmen gelten konstante Stoffgrößen und eine unveränderliche spezifische Gaskonstante R = const kann angenommen werden. Damit folgt die Beziehung ρ T = const oder anders geschrieben: ρ T0 = ρ0 T (1) In obiger Gleichung bezieht sich der Index 0 auf den Zustand am Düsenaustritt. Da der Impulsstrom für jeden Strömungsquerschnitt unter den obigen Annahmen konstant ist, gilt der Zusammenhang ρ0 v02 A0 = Z ρv 2 dA (2) A mit der Strahlquerschnittsfläche A. Die Geschwindigkeit v bezieht sich auf die axiale Komponente. Die radiale Komponente wird, wie bereits oben erwähnt, vernachlässigt. Um die Rechnung zu vereinfachen, wird Gleichung 2 mit der Geschwindigkeit in Strahlmitte vm , der sog. Strahlmittengeschwindigkeit, und einer Bezugsfläche Aa dimensionslos formuliert: v0 vm 2 A0 = Aa Z A ρ ρ0 v vm 2 dA Aa (3) 23 3 AXIALSYMMETRISCHER FREISTRAHL Weiterhin wird angenommen, dass der Enthalpiestrom in jedem Strahlquerschnitt konstant bleibt Ḣ = const, das bedeutet auch, dass es keine Verluste durch Strahlung gibt. Mit den sogenannten Übertemperaturen ∆T = T − T∞ und ∆T0 = T0 − T∞ , den Temperaturdifferenzen zwischen der Temperatur im Strahl T bzw. der Temperatur am Düsenaustritt T0 und der Temperatur der Umgebung T∞ , ergibt sich analog zur Impulserhaltung in Gleichung 2 folgende Bedingung für den Enthalpiestrom: ρ0 v0 ∆T0 A0 = Z ρv∆T dA (4) A Auch hier ergibt eine dimensionslose Schreibweise eine Vereinfachung. v0 ∆T0 A0 Z ρ v ∆T dA = vm ∆Tm Aa ρ0 vm ∆Tm Aa (5) A Wie oben angesprochen verhalten sich die Geschwindigkeits- und Temperaturprofile jeweils affin zueinander. Kennt man deren Verteilungsfunktionen innerhalb eines Strahlquerschnittes und macht diese bezüglich Strahldicke und Strahlmittengeschwindigkeit bzw. Strahlmittentemperatur dimensionslos, ist es möglich alle weiteren Profile zu bestimmen. Der Radius ra der Fläche Aa wird meistens mit dem Radius der Geschwindigkeitshalbwertsbreite berücksichtigt. Zur Bestimmung der Verteilungsfunktion der Geschwindigkeit gibt Reichardt [37] eine Exponentialfunktion in Form einer Gaußfunktion mit der Konstanten c an: v 2 = f (η) = e−cη vm (6) Hier ist η = r/ra der dimensionslose Radius und c eine Konstante, die im Falle von va = 1/2 vm (Geschwindigkeitshalbwertsbreite) den Wert des natürlichen Logarithmus von zwei annimmt. Ebenfalls stellt Reichardt [38] einen Zusammenhang zwischen der Geschwindigkeitsgrenzschicht und der Temperaturgrenzschicht fest und nähert diesen durch die Beziehung 3 AXIALSYMMETRISCHER FREISTRAHL ∆T v = ∆Tm vm 1 2 c 2 = e− 2 η 24 (7) an. Aus dieser Abhängigkeit wird deutlich, dass sich im Freistrahl die Temperaturen schneller als die Geschwindigkeiten der Umgebung anpassen und damit die Temperaturgrenzschicht breiter als die Geschwindigkeitsgrenzschicht ist. Dies ist gleichbedeutend mit der Annahme, dass die Prandtl–Zahl keiner als eins ist [39]. 3.2 Hochdruck-Freistrahl Bei der Strömung aus der Brennkammer durch die konische Düse des IPG4 in den Vakuumtank expandiert das Plasma bis zum Düsenaustritt auf einen statischen Druck, der größer ist als der im Tank. Es handelt sich hier also um eine unterexpandierte Düsenströmung. Der höhere statische Druck am Düsenaustritt gleicht sich durch die anschließende Expansion schnell an den Umgebungsdruck im Tank an, wodurch sich der Strahl hinter der Düse aufweitet. Im Düsenaustritt strömt das Plasma etwa mit Schallgeschwindigkeit in den Tank, also mit Ma ≈ 1, und expandiert im Freistrahl nach der Düse weiter auf Überschallgeschwindigkeit. Der statische Druck sinkt hierdurch sogar unter den Umgebungsdruck, so dass sich eine Kompressionszone anschließt. Diese beiden Zonen der Expansion und der Kompression gemeinsam ergeben die erste Überschallstrahlzelle [40], an die sich je nach Druckverhältnis zwischen dem Druck im Düsenaustritt und der Umgebung auch weitere dieser Zellen anschließen können. Nach einem bestimmten Abstand vom Düsenaustritt verschwindet diese kettenförmige Struktur und der Freistrahl geht im gesamten Strahlquerschnitt in den Unterschall über. Die Stoßstruktur des Überschallstrahls sieht je nach Verhältnis zwischen dem Totaldruck im Düsenaustritt pt,D und dem Umgebungsdruck im Vakuumtank p∞ unterschiedlich aus. Bild 3.3 von Rist [41] zeigt die jeweils 3 AXIALSYMMETRISCHER FREISTRAHL 25 Bild 3.3: Erste Strahlzelle eines ratationssymmetrischen Überschallfreistrahls bei verschiedenen Düsen-Druckverhältnissen nach Rist [41] erste Strahlzelle für verschiedene Druckverhältnisse. Bei relativ niedrigen Druckverhältnissen entstehen schräge Verdichtungsstöße in Form eines Kegelstumpfmantels. Erhöht sich das Druckverhältnis auf pt,D /p∞ ≈ 4, so ver- vollständigt sich die Stoßfläche zu einem ganzen Kegel. Bei noch größeren Druckverhälnissen pt,D /p∞ entsteht in der Strahlmitte ein gerader Verdichtungsstoß, an dem der schräge Verdichtungsstoß vom Strahlrand ansetzt. Die Fläche des geraden Verdichtungsstoßes wird Mach’sche Scheibe genannt. Während hinter schrägen Verdichtungsstößen immer noch Überschall herrschen kann, befindet sich die Strömung hinter einem geraden Stoß also hinter der Machscheibe in jedem Fall im Unterschall. In diesem Fall zeichnet sich die Strahlzelle durch eine komplizierte Stoßstruktur aus, die in Bild 3.4 dar- 26 3 AXIALSYMMETRISCHER FREISTRAHL gestellt ist. Länge erste Strahlzelle LZ Abstand Mach’sche Scheibe LS reflektierter Stoß Expansionsfächer Ma>1 Plasma Ma<1 Ma>1 Machsche Scheibe schräger Stoß Düse Bild 3.4: Erste Strahlzelle eines Hochdruckfreistrahles bei Düsen-Druckverhältnissen etwa größer 4 [41] Die Länge der ersten Strahlzelle LZ und der Abstand der Mach’schen Scheibe vom Düsenaustritt LS sind von Rist [41] aus verschiedenen Literaturen zusammengetragen worden und lassen sich bei Ausströmungen aus einer konischen Düse mit dem Ausströmdurchmesser D und dem Düsendruckverhältnis pt,D /p∞ wie folgt angeben: LZ pt,D ≈ 1, 43 · D p∞ !0,4 pt,D LS ≈ 0, 7 · D p∞ −1 !0,5 (8) (9) Zu beachten ist, dass diese Gleichungen nur für die erste Strahlzelle gelten und dass Gleichung (9) für Werte für κ von 1, 3 bis 1, 67 experimentell entwickelt wurde. Im Fall der im Rahmen dieser Arbeit betrachteten CO2 – Plasmaströmung liegt der Adiabatenexponent κ zwischen 1,1 und 1,2. In Kapitel 4 und 5 wird im Vergleich mit experimentellen Daten gezeigt, dass die 27 3 AXIALSYMMETRISCHER FREISTRAHL Gleichung (8) auch für Werte zwischen 1,1 und 1,2 noch eine gute Näherung darstellt. Im Folgenden werden nun die oben beschriebenen Zusammenhänge auf die in dieser Arbeit dargelegten Plasmaströmungen angewendet. Berechnet man mit Gleichungen (8) und (9) für die Standardversuchsbedingungen die Längen der jeweils ersten Strahlzelle, so gelangt man unter der Annahme, dass der Düsentotaldruck dem Brennkammerdruck bzw. Injektordruck entspricht, zu den in Tabelle 3.1 dargestellten Ergebnissen. Tabelle 3.1: Längen der jeweils ersten Strahlzelle bei verschiedenen Umgebungsdrücken p∞ , Pa pt,D , Pa pt,D /p∞ , – LZ , mm LS , mm 185 2036 11,01 185,6 116,1 500 1989 3,98 123,2 69,8 800 2074 2,59 103,7 56,4 Man erkennt, dass bei 500 Pa und 800 Pa Umgebungsdruck das Druckverhältnis pt,D /p∞ für das Entstehen einer Mach’schen Scheibe nicht ausreicht und LS in diesem Falle den Abstand des Schnittpunktes der schrägen Verdichtungsstöße zum Düsenendquerschnitt entspricht. Insgesamt betrachtet, überlagern sich die beiden Effekte der turbulenten Strahlverbreiterung und der Entstehung der Strahlzellen. Da jedoch beides hoch komplexe Phänomene sind, werden diese meistens in der Praxis, und auch in dieser Arbeit, getrennt betrachtet. 4 WÄRMESTROMDICHTEMESSUNGEN 4 28 Wärmestromdichtemessungen Den Messungen, mit denen der Plasmafreistrahl diagnostiziert wird, kommt eine entscheidende Bedeutung zu [42]. Zum Einen sind sie für das Verständnis der einzelnen Parameter des Generatorbetriebes wichtig. Zum Anderen sind sie für die Spezifikation des Plasmastrahles als Vorbereitung zur Durchführung von aussagekräftigen Materialtests im Plasmawindkanal unentbehrlich. Eine wesentliche Rolle spielt dabei die Messung der Wärmestromdichte auf einen Körper, der den Materialproben strömungstechnisch ähnlich ist. Am Wärmeübertrag von der Plasmaströmung auf den umströmten Körper sind mehrere Prozesse beteiligt. Er entsteht durch Wärmeleitung, Strahlung, Rekombination des teilweise dissoziierten und ionisierten Gases an der Oberfläche und durch die Diffusion, da nicht in jedem Plasmaströmungsbereich von chemischem Gleichgewicht ausgegangen werden kann. Die Wärmestromdichte vom Plasma auf den umströmten Körper hängt somit von der Enthalpie, der Zusammensetzung des Plasmas, den Strömungseigenschaften und der messenden Oberfläche hinsichtlich Temperatur und Katalyzität ab [43, 44]. Zur Bestimmung der Wärmestromdichte wird zunächst möglichst hochkatalytisches Material wie Kupfer verwendet. Nach dieser Charakterisierung wird nach Möglichkeit dazu übergegangen, die Wärmestromdichte auf ähnlich katalytischen Oberflächen wie sie dem zu testenden Hitzeschutzmaterial entsprechen, zu messen. Ist die Plasmaströmung im chemischen Gleichgewicht, so ist die Wärmestromdichte unabhängig von der Materialart des Probenkörpers am größten [45]. Dies gilt ebenfalls auf Grund der stattfindenden Rekombinationen im Falle eines vollkatalytischen Materials in einer Nichtgleichgewichtsströmung, obwohl beide Bedingungen grundsätzlich voneinander verschieden sind [45]. Bei Messungen im PWK3 muss aufgrund des elektromagnetischen Feldes des IPG4 darauf geachtet werden, dass generell Messmethoden gewählt werden, bei denen mögliche Störeinwirkungen auf das Messsignal wie z.B. Induktionsspannungen ausgeschlossen sind. 4 WÄRMESTROMDICHTEMESSUNGEN 29 Bild 4.1: Doppelsonde zur Messung der Wärmestromdichte und des Pitotdruckes Die von Laux [46] weiterentwickelte Doppelsonde zur Messung der Wärmestromdichte und des Pitotdruckes hat sich bei Messungen im PWK3 bewährt [30] und ist in Bild 4.1 dargestellt. Die Doppelsonde, die auf dem CNCWagen im Plasmawindkanal befestigt wird, verfügt über zwei Messseiten. Auf der einen Seite wird die Wärmestromdichte stationär mittels eines von der Sondenhalterkühlung unabhängigen Einsatzes kalorimetrisch gemessen. Dazu wird der Kühlwasservolumenstrom V̇KW durch diesen Einsatz und die Temperatur des einfließenden und des ausfließenden Wassers TKW,ein bzw. TKW,aus bestimmt. Die Wärmestromdichte q̇ ergibt sich aus: q̇ = V̇KW ρKW cKW (TKW,aus − TKW,ein) A (10) Hier stellt ρKW die Dichte und cKW die spezifische Wärmekapazität des 4 WÄRMESTROMDICHTEMESSUNGEN 30 Kühlwassers dar. Die Fläche A des Einsatzes entspricht den Abmaßen einer Materialprobe. Zur Temperaturmessung sind die durch Schirmung gegenüber elektromagnetischen Feldern geschützten Widerstandsthermometer Pt100 der Klasse B eingebaut. Somit ist diese Sonde für den Gebrauch im PWK3 besonders geeignet. Da der Einsatz austauschbar ist, sind Messungen der Wärmestromdichten auf verschiedene Materialien wie Kupfer, Silber oder auch Eisen möglich. Diese Materialien oxidieren jedoch an der Oberfläche bei der Verwendung in einem sauerstoffhaltigen Plasma wie dem CO2 – Plasma. Durch diese Oxidation wird die Wärmestomdichte bezüglich der Metalloxide bestimmt. Es ist daher darauf zu achten, dass zu Beginn der Messung das Metall bereits vollständig oxidiert ist, um Fehler durch die Reaktionswärme der Oxidationsreaktion und durch unterschiedliche Katalyzitäten zu vermeiden. Der Durchmesser aller Einsätze beträgt 26,5 mm und entspricht dem einer europäischen Standardmaterialprobe. Die andere Seite der Sonde dient der Messung des Pitotdruckes und hat ebenfalls einen Durchmesser von 26,5 mm. Der äußere Durchmesser der angeströmten Fläche beträgt auf beiden Seiten 50 mm entsprechend der Halterung von Standardproben. Somit ergibt sich vor der Sonde das gleiche Strömungsfeld wie vor Materialproben. Aufgrund des relativ großen Sondendurchmessers sollte bei Messungen ein minimaler Abstand von ca. 50 mm zwischen Sonde und Düse eingehalten werden um eventuelle Schäden am Generator zu vermeiden. In Bild 4.2 sind die auf Kupferoxid gemessenen Wärmestromdichten in Abhängigkeit des axialen Abstandes der Sonde vom Düsenaustritt in Strahlmitte für verschiedene Umgebungsdrücke aufgetragen. Es ist auffällig, dass bei allen Bedingungen 50 mm hinter der Düse etwa die gleiche Wärmestromdichte von ca. 2,5 MW/m2 auftritt. Dies deutet darauf hin, dass sich der Kernbereich des Freistrahles gerade bis X ′ = 50 mm Abstand von der Düse ausdehnt (siehe Kapitel 3). Erst mit größerem Abstand ergeben sich unterschiedliche Kurvenformen. Bis zu einem Umgebungsdruck von 600 Pa sind optisch im Strahl Verdichtungsstöße zu sehen. Daher deuten die Wellenfor- 31 4 WÄRMESTROMDICHTEMESSUNGEN 3000 Wärmestromdichte, kW/m² 2500 2000 1500 1000 p = 900 Pa p = 800 Pa 500 p = 500 Pa p = 185 Pa 0 50 70 90 110 130 150 170 190 axiale Position, mm Bild 4.2: Wärmestromdichte auf Kupferoxid im Zentrum des Plasmstrahls (in der Legende ist p gleich dem Umgebungsdruck p∞ ) men der Wärmestromdichtekurven bei 185 Pa und 500 Pa auf Strahlzellen des rotationssymmetrischen Überschallfreistrahls hin [41, 47] (siehe Kapitel 3.2). Bei dem minimalen Umgebungsdruck von 185 Pa ist der Strahl aufgrund des größeren Verhältnisses zwischen dem Druck im Düsenaustritt und dem Umgebungsdruck pt,D /p∞ und der daraus resultierenden größeren Expansion divergenter als bei höheren Umgebungsdrücken. Somit nimmt die Wärmestromdichte im Bereich der Expansionszone der ersten Strahlzelle in axialer Richtung rapide ab. Die Wärmestromdichte nimmt für diesen Fall ab 150 mm Abstand von der Düse wieder leicht zu, was darauf hindeutet, dass dort die Kompressionszone der ersten Strahlzelle beginnt. Betrachtet man den Verlauf der Wärmestromdichte bei 500 Pa Umgebungsdruck, so ergibt sich eine gute Übereinstimmung der Länge der ersten Strahlzelle zwischen der in Kapitel 3.2 beschriebenen Theorie mit LZ = 123, 2 mm aus Gleichung (8) und der Messung mit ca. 120 mm. Die höchsten Wärmestromdichten werden bei allen axialen Positionen bei 900 Pa Umgebungsdruck erreicht. 4 WÄRMESTROMDICHTEMESSUNGEN 32 Bild 4.3: Radialer Verlauf der Wärmestromdichte auf Kupferoxid für verschiedene Umgebungsdrücke und axiale Positionen (in der Legende ist p gleich dem Umgebungsdruck p∞ ) Bild 4.3 zeigt den radialen Verlauf der Wärmestromdichten für verschiedene Umgebungsdrücke bei den Abständen 50 mm und 100 mm von der Düse. Alle Messkurven in Bild 4.3 haben die Glockenform gemeinsam. Auch zu erkennen ist, dass sich die Kurven gleichen Umgebungsdruckes affin zueinander verhalten. Dies ist in den verschiedenen Freistrahltheorien nach Abramovich, Schlichting, Truckenbrodt und Reichardt erklärt [48, 49, 50, 37] und in Kapitel 3 erläutert. In diesem Bild wird auch die Divergenz des Strahlprofils in radialer Richtung deutlich. Die Untersuchung der Wärmestromdichte wurde mit den verschiedenen Oberflächenmaterialien Kupferoxid, Silberoxid und auch Eisenoxid durchgeführt. Die Wahl eines Eiseneinsatzes (Fe) wurde wegen des Anteils von Eisenoxidpartikeln im Staub der Marsatmosphäre gewählt. Der Silbereinsatz (Ag) wurde gewählt, um eine Variation in der Katalyzität zu erreichen. Im Falle des Eisenoxids ergibt sich bei 185 Pa Umgebungsdruck, wie in Bild 4.4 zu sehen, eine deutliche Erhöhung der Wärmestromdichte gegenüber den 33 4 WÄRMESTROMDICHTEMESSUNGEN 3500 Ag 3000 Wärmestromdichte, kW/m² Cu Fe 2500 2000 1500 1000 500 0 50 70 90 110 130 150 axiale Position, mm 170 190 Bild 4.4: Axialer Verlauf der Wärmestromdichte auf verschiedene Probekörperoberflächen bei 185 Pa Umgebungsdruck anderen Materialien, während die Werte des Silbereinsatzes nur knapp unterhalb denen des Kupfereinsatzes liegen. Die Gründe für die höhere Wärmestromdichte auf Eisenoxid können nicht nur in einer höheren Katalyzität, sondern auch in einer Vielzahl von möglichen chemischen Reaktionen der Plasmakomponenten mit Eisen liegen. In Bild 4.5 sind die Wärmestromdichten auf Eisenoxid für verschiedene Umgebungsdrücke aufgetragen. Man erkennt, dass die Wärmestromdichten bei der Versuchsbedingung mit 800 Pa Umgebungsruck bis 3,7 MW/m2 reichen. Beim Eintritt in die Marsatmosphäre schmelzen in der Stoßfront die Partikel, die kleiner 1 µm sind, und verdampfen teilweise [11]. Das bedeutet, dass wenn das Hitzeschutzschild beim Eintritt in die Marsatmosphäre durch aufschmelzende und verdampfende Eisenoxidstaubpartikel der Atmosphäre beschichtet wird [11], mit einer deutlich erhöhten Wärmestromdichte zu rechnen ist. Dieses Aussage konnte durch zusätzliche Tests, bei denen Eisenoxidstaub- 4 WÄRMESTROMDICHTEMESSUNGEN 34 Bild 4.5: Wärmestromdichte auf Eisenoxid für verschiedene Umgebungsdrücke (in der Legende ist p gleich dem Umgebungsdruck p∞ ) partikel in den Plasmastrom eingeblasen wurden, bestätigt werden [51]. Hierfür wurde eine Wärmestromdichtesonde mit Kupfereinsatz verwendet. Nach dem Test war die Sonde und auch das Quarzrohr des Generators mit Eisen beschichtet, wie in den Bildern 4.6 und 4.7 zu erkennen ist. Dadurch dass man durch die Einspritzung von Eisenoxidpartikeln in das Plasma den Massenstrom und dadurch auch die Wärmekapazität des Plasmastrahls erhöht, ist ein quantitiver Vergleich der Wärmestromdichten mit und ohne Injektion von Eisenoxidpartikeln nicht zulässig, da nicht gewährleistet werden kann, dass die Plasmaenthalpie mit und ohne Eisenoxidpartikelinjektion bei gleichen Generatorbedingungen die gleiche ist. Auch wird sich durch die Beschichtung des Quarzrohres und die Veränderung der Leitfähigkeit des Arbeitsgases durch das Vorhandensein von Eisen die Energieeinkopplung des Generators in das Plasma verändern. 4 WÄRMESTROMDICHTEMESSUNGEN 35 Bild 4.6: Wärmestromdichtesonde nach einem Test mit Injektion von Eisenoxidpartikeln Bild 4.7: Quarzrohr nach einem Test mit Injektion von Eisenoxidpartikeln 4 WÄRMESTROMDICHTEMESSUNGEN 36 Weiterhin ist zu bemerken, dass bei der Einspritzung der Eisenoxidpartikel die Partikelgeschwindigkeit nicht dem realen Eintrittsfall entspricht, da die Staubpartikel während des Eintritts in die Marsatmosphäre aufgrund ihrer hohen Masse im Gegensatz zu den Molekülen der Atmosphäre nur gering abgebremst werden und so Geschwindigkeiten von mehreren Kilometern pro Sekunde haben. Möchte man diese Geschwindigkeiten simulieren, so sind separate Partikelbeschleuniger nötig [52]. Es ist qualitativ gezeigt worden, dass sich die Wärmestromdichte bei Vorhandensein von Eisenoxid erhöht. Im Rahmen dieser Arbeit wurden je nach Testbedingung Erhöhungen der Wärmestromdichte von 25% bis 120% gemessen. 5 PITOTDRUCKMESSUNGEN 5 37 Pitotdruckmessungen Zur weiteren Charakterisierung des Plasmastrahles unter den in Kapitel 2.2 beschriebenen Versuchsbedingungen und somit zur Vorbereitung von Materialtests ist die Messung des Pitotdruckes, oder auch Total– oder Gesamtdruck genannt, notwendig. Insbesondere zur Vorbereitung von Materialtests im Rahmen dieser Arbeit wird der Druck im Staupunkt der Plasmaströmung mit der in Kapitel 4 beschriebenen Doppelsonde ermittelt. Der Messfehler unter Verwendung dieser Sonde ist hierbei kleiner als 5% des Messwertes. Der gemessene Pitotdruck ptot setzt sich nach der Bernoulli-Gleichung für kompressible Medien wie folgt zusammen: ptot = ρs 1 2 p∞ + ρs (u∞ − us ) + ρs v∞ ρ∞ 2 (11) Hier sind ρ die Dichten, p die Drücke und u die inneren Energien. Der Index s steht für Staupunkt und ∞ für die ungestörte Anströmung mit der Geschwindigkeit v∞ . p∞ wird nach der Freistrahltheorie wegen der Annahme, dass der statische Druck über den Strahlquerschnitt konstant ist, dem Umgebungsdruck gleich gesetzt. Der Pitotdruck hängt damit vom Umgebungsdruck, von der Strömungsgeschwindigkeit und der Dichte, aber auch von der Änderung der inneren Energie – oder im Falle der chemisch eingefrorenen Strömung von der Änderung der Temperatur – in der Grenzschicht vor der Sonde ab. Betrachtet man den gemessenen Pitotdruck in der Strahlmitte für verschiedene Umgebungsdrücke in Abhängigkeit des axialen Abstandes der Sonde vom Düsenaustritt in Bild 5.1, erkennt man zunächst die Ähnlichkeit der Kurvenverläufe mit denen der Wärmestromdichten in Bild 4.2. Ebenfalls auffällig ist in Bild 5.1 der folgende Zusammenhang der Pitotdrücke bei einem Abstand von 50 mm von der Düse: zieht man von diesen Werten den jeweiligen Umgebungsdruck ab, so erhält man in allen Fällen einen Druck von etwa 1000 Pa, der den dynamische Druckanteil darstellt und somit – wie in Kapitel 4 in Bild 4.2 bereits dargelegt – das Ende des Kernstrahls erkennen lässt. 38 5 PITOTDRUCKMESSUNGEN 2000 1800 1600 Pitotdruck, Pa 1400 1200 1000 p = 185 Pa p = 800 Pa 800 p = 500 Pa p = 900 Pa 600 400 200 0 50 70 90 110 130 150 170 190 axiale Position, mm Bild 5.1: Axialer Verlauf des Pitotdrucks im Zentrum des Plasmastrahles bei verschiedenen Umgebungsdrücken p∞ (hier als p bezeichnet) Bei minimalem Umgebungsdruck nimmt der Pitotdruck auf der Strahlachse bis zu einem Abstand von 100 mm aufgrund der mit abnehmenden Umgebungsdruck wachsenden Strahldivergenz schnell ab, verhält sich jedoch dann relativ konstant und steigt ab einer axialen Position 160 mm wieder leicht an, analog zum Verlauf der Wärmestromdichte in Bild 4.2. Der erneute Anstieg deutet auf die Kompressionszone der ersten Strahlzelle hin [41, 47]. Die Wellenform des Pitotdruckes bei p∞ = 500 Pa zeigt – wie schon beim Verlauf der Wärmestromdichte beschrieben – mehrere Strahlzellen, die mit wachsendem Umgebungsdruck entsprechend Gleichung (8) und (9) kürzer werden, wobei gleichzeitig die Ausbildung der Machschen Scheibe (siehe Bild 3.3) schwächer wird. Dieses ist im Bereich der durchgeführten Messungen erkennbar, d.h im Abstand bis 200 mm von der Düse. Bei hohen Umgebungsdrücken von 800 Pa und 900 Pa waren mit dem Auge keine Strahlzellen mehr zu sehen, was im Einklang mit dem flachen axialen Verlauf des Pitotdruckes in Bild 5.1 steht. Betrachtet man das Druckverhältnis von Pitotdruck und 39 5 PITOTDRUCKMESSUNGEN Umgebungsdruck bei diesen hohen Umgebungsdrücken, so liegen diese Werte im Bereich von 2,1 (siehe Bild 5.2). Ab einem Druckverhältnis von 2,055 ist eine Plasmaströmung mit einem Adiabatenexponenten κ < 1,67 nach folgender Rayleigh-Formel (Gleichung (12)) im Überschall. Jedoch liegt damit die Machzahl sehr nahe bei eins und daher sind die Strahlzellen nur sehr schwach aussgebildet. Bild 5.2: Axialer Verlauf des Verhältnises von Pitotdruck zu Umgebungsdruck im Zentrum des Plasmastrahles (in der Legende ist p gleich dem Umgebungsdruck p∞ ) ptot κ+1 = Ma2 p∞ 2 κ κ−1 κ−1 2κ Ma2 − κ+1 κ+1 1 1−κ (12) Für die Durchführung von Materialtests ist es aber nicht nur wichtig den Pitotdruck entlang der axialen Position in der Strahlmitte zu kennen, sondern auch die radiale Verteilung, um Aussagen über Strahlhomogenität, Strahlbreiten und Strömungseigenschaften treffen zu können. Bild 5.3 zeigt 40 5 PITOTDRUCKMESSUNGEN diese Verteilung bei einem axialen Abstand von 50 mm vom Düsenaustritt für verschiedene Umgebungsdrücke. In diesem Diagramm ist der Strahl ab Strahlmitte dargestellt. Das bedeutet, es ist also nur die eine Hälfte des rotationssymmetrischen Strahls sichtbar und die radiale Position 0 mm entspricht der Strahlmitte. 2000 p = 800 Pa 1800 p = 500 Pa 1600 p = 185 Pa Pitotdruck, Pa 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 0 10 20 30 40 50 radiale Position, mm Bild 5.3: Radiale Pitotdruckverteilung für verschiedene Umgebungsdrücke bei einem Abstand von 50 mm zur Düse (in der Legende ist p gleich dem Umgebungsdruck p∞ ) Alle Pitotdruckverteilungen zeigen die Form einer halben Glockenkurve. Deutlich sind die verschiedenen Strahlbreiten erkennbar. Der Plasmastrahl bei 800 Pa Umgebungsdruck ist mit einem Strahldurchmesser von ca. 70 mm wesentlich stärker eingeschnürt als der Plasmastrahl bei 185 Pa Umgebungsdruck mit einem Strahldurchmesser, der größer ist als 100 mm. Im Weiteren wird die Strahlentwicklung entlang der Strahlachse untersucht. Dazu werden in Bild 5.4 die Verläufe der radialen Pitotdruckverteilungen für einen Umgebungsdruck von 185 Pa gezeigt. Auffällig ist hier die Änderung des Strahlprofils zwischen 50 mm und 100 mm 41 5 PITOTDRUCKMESSUNGEN 2000 X = 50 mm X = 100 mm X = 150 mm X = 200 mm 1800 1600 Pitotdruck, Pa 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 0 10 20 30 40 50 60 radiale Position, mm Bild 5.4: Radiale Pitotdruckverteilung bei einem Umgebungsdruck von 185 Pa entlang der Strahlachse bei verschiedenen axialen Positionen Abstand von der Düse. Der Pitotdruck bricht zwischen diesen beiden axialen Positionen in der Strahlmitte ein. Dieses Verhalten kann dadurch erklärt werden, dass bis zur axialen Position von 50 mm noch ein Großteil des Strahlkerns reicht (siehe Bilder 4.3 und 5.1). Bei höherem Abstand von der Düse bildet sich dann ein sogenannter Faßstoß aus, der am Strahlrand eine charakteristische Erhöhung des Pitotdruckes aufweist [53]. Dieses Strömungsbild ist jedoch nur bei minimalem Umgebungsdruck und somit bei einem Düsendruckverhältnis pt,D /p∞ ≈ 11 zu beobachten. In den Bildern 5.5 und 5.6 sind die gemessenen Pitotdruckprofile für Umgebungsdrücke von 500 Pa und 800 Pa dargestellt. Es wird hier deutlich, dass sich die Profile wie in der Theorie in Kapitel 3 beschrieben affin zueinander verhalten. Ebenfalls kann man erkennen, dass sich der Pitotdruck über einen Strahlradius von ungefähr 20 mm sehr homogen verhält. Damit ist eine Materialprobe dieser homogenen Verteilung ausgesetzt. 42 5 PITOTDRUCKMESSUNGEN 2000 X = 50 mm X = 100 mm X = 150 mm X = 200 mm 1800 1600 Pitotdruck, Pa 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 0 10 20 30 40 50 60 radiale Position, mm Bild 5.5: Radiale Pitotdruckverteilung bei einem Umgebungsdruck von 500 Pa entlang der Strahlachse bei verschiedenen axialen Positionen 2000 X = 50 mm X = 100 mm X = 150 mm 1800 1600 Pitotdruck, Pa 1400 1200 1000 800 600 400 200 0 0 10 20 30 40 50 60 radiale Position, mm Bild 5.6: Radiale Pitotdruckverteilung bei einem Umgebungsdruck von 800 Pa entlang der Strahlachse bei verschiedenen axialen Positionen 6 BESTIMMUNG DER SPEZIFISCHEN ENTHALPIE 6 43 Bestimmung der spezifischen Enthalpie Bei der Simulation des Eintritts von Raumflugkörpern in die Atmosphäre von Himmelskörpern ist es für aussagekräftige Simulationsergebnisse wichtig, die thermodynamischen Eigenschaften des im Generator erzeugten Plasmas weitgehendst dem Realfall nachzubilden. Zu diesen Eigenschaften zählt neben Pitotdruck und Wärmestromdichte auch die massenspezifische Enthalpie. Die direkte messtechnische Bestimmung der Enthalpie in Niederdruckplasmen stellt nach wie vor aus Gründen der Komplexität und Fehleranfälligkeit ein Problem dar. Daher wird die Bestimmung der spezifischen Enthalpie h in der Praxis oft durch Messung der Wärmestromdichte und des Pitotdrucks ptot durchgeführt [54] . Dabei muss die Wärmestromdichte q̇vk vom Plasma auf eine möglichst ideale vollkatalytische Oberfläche bestimmt werden. Mit Hilfe einer Beziehung aus der Theorie von Fay und Riddell [45, 55] ist die spezifische Enthalpie dann für super– und hypersonische Strömungen bestimmbar. Für die Anwendung dieser Beziehung müssen jedoch für Plasmen schwer ermittelbaren Größen wie Lewis– und Prandtlzahl, Dichte und Viskosität der Strömung bekannt sein. Deshalb hat Pope [56] eine Näherungslösung (siehe Gl. 13) angegeben, die außer der Wärmestromdichte, dem Pitotdruck und dem effektiven Nasenradius der Messsonde Reff zusätzlich eine gasartspezifische Konstante K enthält. h= q̇vk ptot K Ref f s (13) Die Konstante K ist für Stickstoff und Luft bekannt [57], allerdings nicht für CO2 [58]. Aus diesem Grund wird in den folgenden Abschnitten dieser Arbeit ein anderer Weg beschritten und eine Abschätzung der lokalen Enthalpie mittels einer Kalorimetermessung durchgeführt. 6 BESTIMMUNG DER SPEZIFISCHEN ENTHALPIE 6.1 44 Kalorimeter Um die im Plasma enthaltene Enthalpie zu bestimmen, wurde das in Bild 6.1 dargestellte Kalorimeter konstruiert [59]. Bild 6.1: Aufbau des Kalorimeters Das Kalorimeter basiert auf dem Prinzip, Plasma durch einen Wärmetauscher auszukühlen. Das Plasma strömt in den Hohlraum des Kalorimeters ein und erhitzt dort durch Strahlung, Konvektion und Rekombination die Behälterwand. Auf das Kalorimeter sind wassergekühlte Kupferleitungen gelötet, die die Wärme abtransportieren. Die Gesamtenthalpie des einströmenden Plasmas Ḣ wird ähnlich wie bei der Wärmestromdichte aus Gleichung (10) nach dem ersten Hauptsatz der Thermodynamik bestimmt durch: Ḣ = V̇KW ρKW cKW (TKW,aus − TKW,ein ) (14) Das Kalorimeter wurde aus Kupfer in der Form eines Trichters gebaut, da Kupfer eine hohe Katalyzität besitzt und Rekombinationen an der Oberfläche begünstigt. Aber auch die hohe Wärmeleitfähigkeit von Kupfer ist hier von Nutzen, da sich dadurch schneller ein stationärer Zustand einstellt. Damit die Verluste und die damit verbundenen Messfehler in Folge von Rückströmung und Strahlung in Grenzen gehalten werden, ist auf dem Trichter ein gekühlter Deckel festgenietet, der mittig eine Öffnung mit dem Durchmesser von 6 BESTIMMUNG DER SPEZIFISCHEN ENTHALPIE 45 120 mm aufweist. Dieser Öffnungsdurchmesser ist etwas größer als der Plasmaradius (siehe Kapitel 4 und 5) und das Plasma kann somit ungehindert in das Kalorimeter einströmen. Die Kupferleitungen, die auf den Trichter des Kalorimeters gelötet sind, werden mit Hochdruckwasser als Kühlmittel beschickt. Für die Bestimmung der Temperaturdifferenz zwischen Zu- und Abführung sind am Ein- und Ausgang des Kühlwassers Widerstandthermometer eingebaut. Die Öffnung des Deckels wird im Tank in 100 mm Abstand zum Austritt des Plasmas aus dem Quarzrohr positioniert, damit es zu keiner Strömungsbeeinflussung zwischen Generator und Kalorimetereinlass und unter anderem auch zu keiner Änderung des Entladungsverhaltens kommt. Eine elektromagnetische Wechselwirkung des Kalorimeters mit den Feldern des Generators ist ab einer Entfernung von 100 mm zum Tankdeckel nicht mehr erkennbar. Das ausgekühlte Gas verlässt das Kalorimeter, das eine Gesamtlänge von 900 mm aufweist, durch ein langes Kupferrohr mit einem Durchmesser von 40 mm in Richtung des Anschlusses zur Vakuumanlage. Das Kalorimeter ist auf dem CNC Wagen befestigt, der während des Versuches nicht bewegt wird. Das Kalorimeter kann somit nur die Gesamtenergie im Plasma messen, nicht aber die örtliche Energieverteilung. In Bild 6.2 sind die Kalorimeterleistungen in Abhängigkeit des Umgebungsdruckes aufgetragen. Die Betriebsparameter sind in Kapitel 2.2, in Tabelle 2.1 aufgeführt. Die Gesamtenergie im Strahl nimmt von 17.7 kW bei 185 Pa Umgebungsdruck bis 20,1 kW bei 700 Pa Umgebungsdruck kontinuierlich zu. Aus Tabelle 2.1 geht hervor, dass bei allen Umgebungsdruckbedingungen in etwa die gleiche Anodenleistung des Generators von 119,5 kW in das Arbeitsgas eingebracht und auch ungefähr die gleiche Leistung von 10 kW durch Kühlung des Generators und der Düse wieder aus dem Plasma genommen werden. Es stellt sich deshalb einerseits die Frage, wie es zum leichten Anstieg der Kalorimeterleistung kommen kann. Eine mögliche Antwort ist, dass bei geringeren Umgebungsdrücken aufgrund der größeren Strahldivergenz nicht 46 6 BESTIMMUNG DER SPEZIFISCHEN ENTHALPIE 22 Kalorimeterleistung, kW 21 20 19 18 17 X = 100 mm 16 0 200 400 600 800 1000 Umgebungsdruck, Pa Bild 6.2: Kalorimeterleistung in Abhängigkeit des Umgebungsdruckes der gesamte Plasmastrahl in das Kalorimeter strömt. Die Gesamtenthalpiemessung durch das Kalorimeter stellt jedoch eine Abschätzung nach unten dar, da Verluste durch eine eventuell zu große und nicht sichtbare Strahldivergenz und durch die Plasmastrahlung messtechnisch nicht erfasst werden. Ebenfalls wird der Verlust durch das das Kalorimeter verlassende ausgekühlte Restgas vernachlässigt. Der durch Strahlungsverluste resultierende Messfehler läßt sich mit kleiner 1% angeben [59]. Die Gastemperaturen am Austritt des Kalorimeters lagen im Betrieb mit hohen Generatorleistungen bei maximal 700 K [28]. Andererseits stellt sich zudem die Frage, wo die Differenz aus Anodenleistung, Kalorimeterleistung und Kühlleistung bleibt. Diese Differenz und somit Verlustleistung des Generators setzt sich im Wesentlichen aus der Oszillatoreffizienz der Schwingkreistriode mit ηosz ≈ 70% und der Blindleistung des Generators zusammen [60, 28]. Im Folgenden wird aus der oben gemessenen Kalorimeterleistung eine Verteilung der spezifischen Enthalpie hergeleitet. 6 BESTIMMUNG DER SPEZIFISCHEN ENTHALPIE 6.2 47 Spezifische Enthalpie Die spezifische Enthalpie h ruhender Medien hängt ab von der Temperatur T und der spezifischen Wärmekapazität bei konstantem Druck cp . h= Z T T0 cp (T )dT + h0 (15) Die spezifische Wärmekapazität von Medien gasförmiger Moleküle ist bei Temperaturen größer 2000 K nicht nur eine Funktion der Temperatur, sondern auf Grund des Prinzips vom kleinsten Zwang (oder auch das Prinzip von Le Chatelier) bei einsetzender Dissoziation ebenfalls eine Funktion des Druckes. Jedoch kann bei Sondenmessungen mit wassergekühlten Oberflächen, die zudem aus Kupfer bestehen und damit hochkatalytisch sind, davon ausgegangen werden, dass sich das Gas an der Oberfläche wie ein thermisch ideales Gas mit cp = cp (T ) verhält. Dies gilt deshalb, da die Sondenwandtemperatur durch die Wasserkühlung bei ca. 300 K liegt und die Annahme getroffen werden kann, dass alle vorher dissoziierten Atome an der Sondenoberfläche wieder rekombinieren [61]. Bei Systemen mit Bewegung wie Plasmaströmungen ist zusätzlich zu beachten, dass ein Teil der Gesamtenthalpie in kinetischer Energie mit der Geschwindigkeit v vorliegt. Somit ist Gleichung (15) folgendermaßen zu ergänzen: 1 ht = v 2 + 2 Z T T0 cp (T )dT + h0 (16) Um die Verteilung der lokalen spezifischen Enthalpie im Plasmastrahl abzuschätzen, wird von einem axialsymmetrischen Freistrahl ausgegangen (siehe Kapitel 3). Mit der Kenntnis der Gesamtenthalpie in einem Querschnitt des Freistrahles, die durch die Kalorimeterleistung Ḣ gemessen wurde (siehe Kapitel 6.1), wird der Anfangszustand D des Freistrahls am Düsenaustritt bestimmt. Es werden Strahlungsverluste vernachlässigt, konstante Werte über den Querschnitt im Düsenaustritt vorausgesetzt, und es gelten weiterhin die in Kapitel 3 getroffenen Annahmen. Desweiteren gilt folgende 48 6 BESTIMMUNG DER SPEZIFISCHEN ENTHALPIE Gleichung: 2 Ḣ = hD ṁ = π ρD vD hD RD . (17) Bei einer konischen Düse und einem entsprechend hohen Düsendruckverhältnis pt,D /p∞ herrscht im Freistrahl Überschall. Am engsten Querschnitt RD und bei einer konischen Düse somit am Düsenaustritt gilt für die Schallgeschwindigkeit aD aD = vD = q κRTD . (18) Mit dem Tabellenwerk von Andriatis und Sokolova [62], in dem für den Gleichgewichtszustand die Temperaturen mit der Enthalpie, der Dichte und der Molmasse in Abhängigkeit vom Umgebungsdruck für CO2 aufgelistet sind, können die Größen hD , TD , R, ρD und vD bestimmt werden. Hierfür wurden mit den Kalorimeterwerten nach Gleichung (17) die Enthalpiewerte bestimmt. Diese und die Totaldrücke wurden benutzt, um aus dem Tabellenwerk [62] die Temperaturen zu ermitteln. Damit wurde mit Gleichung (18) die Geschwindigkeit am Düsenaustritt bestimmt. Die Umgebungsdrücke wurden für die Zuordnung der Versuchsbedingungen ebenfalls in Tabelle 6.1 aufgelistet. Tabelle 6.1: Bedingungen am Düsenaustritt p∞ , Pa pt,D , Pa hD , MJ/kg TD , K vD , m/s 185 2036 4,7 3111 1081 500 1989 5,3 3171 1104 800 2074 5,3 3179 1106 Die berechneten Werte der Enthalpie hD sind sehr niedrig. Jedoch sind diese Werte mit Hilfe der Kalorimeterleistung bestimmt worden und diese stellt eine untere Grenze der Plasmagesamtenthalpie dar (siehe Kapitel 6 BESTIMMUNG DER SPEZIFISCHEN ENTHALPIE 49 6.1). Somit beschreiben alle folgenden Größen in dem dargestellten Zusammenhang ebenfalls eine untere Grenze. Auch wurde bei der Verwendung der Tabelle [62] der Stickstoffmassenanteil von 3% vernachlässigt. Für die weitere Herleitung der lokalen spezifischen Enthalpie im Freistrahl wird die Umgebungstemperatur gegenüber der Plasmatemperatur vernachlässigt. Dies führt bei Schwerteilchentemperaturen im Plasma von größer als 3000 K und Umgebungstemperaturen zwischen 320 K und 350 K zu Fehlern kleiner 10%. Dieser 10%–Fehler wird toleriert, da im Folgenden nur Temperaturverhältnisse betrachtet werden. Größere Fehler könnten durch die Vernachlässigung der Umgebungstemperatur gegenüber der Plasmatemperatur entstehen, wenn ausschließlich der Strahlrand untersucht werden würde, in dem geringere Plasmatemperaturen herrschen. Da im Folgenden nur die Geschwindigkeitsgrenzschicht im Freistrahl betrachtet wird und die Temperaturgrenzschicht – wie in Kapitel 3 beschrieben – breiter ist, wird der Randbereich, dessen Werte mit größeren Fehlern behaftet sind, nicht berührt. Ebenfalls wird analog die spezifische Enthalpie der Umgebung gegenüber der des Plasmafreistrahles vernachlässigt. Für den dynamischen Druckanteil einer Freistrahlströmung gilt: pdyn = 1 2 ρv . 2 (19) Setzt man innerhalb eines Strahlquerschnittes den dynamischen Druck in der Strahlmitte pdyn,m in Beziehung zu dem dynamischen Druck an einer beliebigen radialen Position r (pdyn ), so ergibt sich mit ρ(r) T (r) = ρm Tm folgender Zusammenhang: pdyn Tm v 2 ρv 2 = = 2 2 pdyn,m ρm vm T vm (20) Setzt man hier Gleichung (7) von Reichardt ein (siehe Kapitel 3), so erhält man die Beziehung 6 BESTIMMUNG DER SPEZIFISCHEN ENTHALPIE v = vm pdyn pdyn,m !2/3 . 50 (21) In Kapitel 3 wurde erwähnt, dass sich bei einem Freistrahl der Strahlrand linear entlang der Strahlachse aufweitet, wie in Bild 3.2 dargestellt. Fasoulas [63] erhält so folgende Zusammenhänge: vm2 X1 = vm1 X2 2 (22) hm2 X1 = hm1 X2 2 (23) Hier bedeuten die Indizes m1 und m2 verschiedene Strahlmittenwerte in der Strahlhauptzone und X den Abstand dieser Querschnitte jeweils vom Schnittpunkt P der Strahlränder, der noch in der Brennkammer liegt, wie in Bild 6.3 dargestellt. Kombiniert man die obigen Gleichungen, so ergibt sich hm2 vm2 = . vm1 hm1 (24) Betrachtet man einen Querschnitt genau am Anfangspunkt der Strahlhauptzone (X = X ′ ), in dem der Strahlmittenwert nach Definition gerade noch dem Anfangszustand D entspricht, ergibt sich der axiale Bezug zwischen 51 6 BESTIMMUNG DER SPEZIFISCHEN ENTHALPIE Bild 6.3: Geometrie und Geschwindigkeiten der Freistrahlströmung Geschwindigkeit und spezifischer Enthalpie: vm hm = . vD hD (25) Ausgehend von Gleichung (5) lässt sich unter Verwendung von Gleichung (21) folgender Zusammenhang herleiten: vD TD AD = vm Tm Aa Z TD T pdyn pdyn,m !2/3 vD AD = vm Aa vD = vm Z A Z T dA = Tm Aa pdyn pdyn,m pdyn pdyn,m pdyn pdyn,m Z !2/3 !2/3 dA Aa dA AD !2/3 TD dA Tm Aa (26) (27) (28) 6 BESTIMMUNG DER SPEZIFISCHEN ENTHALPIE 52 Damit ist die Strahlmittengeschwindigkeit, und mit Gleichung (25) auch die spezifische Strahlmittenenthalpie, mit der Kenntnis der Strahlanfangsgeschwindigkeit und der radialen Verteilung des dynamischen Druckes bestimmbar. Um jedoch letztlich die radiale Verteilung der spezifischen Enthalpie in einem Querschnitt zu erhalten, wird analog zur Vorgehensweise von Fasoulas [63] die Näherung von Golubev mit ρ2 T1 ≈ ρ1 T2 h1 h2 !n (29) verwendet und der Exponent n mit n ≈ 1 angenähert, wie in Bild 6.4 darge- stellt. Bild 6.4: Dichte in Abhängigkeit der spezifischen Enthalpie bei 10−2 atm für Kohlendioxid [62] 6 BESTIMMUNG DER SPEZIFISCHEN ENTHALPIE 53 Damit gelangt man unter Verwendung der Beziehung von Reichardt (Gl. (7)) zu folgendem Zusammenhang innerhalb eines Strahlquerschnittes Tm hm vm ≈ = T h v 1/2 (30) und mit Gleichung (21) letztlich zu h = hm pdyn pdyn,m !1/3 . (31) In Bild 6.5 ist die radiale Verteilung der lokalen spezifischen Enthalpie gemäß Gleichung (31) bei einem Abstand zum Düsenaustritt von 100 mm dargestellt. Bild 6.5: Lokale spezifische Enthalpie in Abhängigkeit der radialen Position bei verschiedenen Umgebungsdrücken p∞ (hier als p bezeichnet) und einem axialen Abstand zum Düsenaustritt von 100 mm 6 BESTIMMUNG DER SPEZIFISCHEN ENTHALPIE 54 Die Werte sind aufgrund der geringen Kalorimeterleistung sehr klein. Sie geben aber dennoch einen qualitativen Verlauf wieder und stellen auf Grund des Messprinzips des Kalorimeters und der verwendeten Abschätzungen eine untere Grenze dar (siehe Kapitel 6.1). Zur genauen quantitativen Bestimmung der spezifischen Enthalpie im Plasmastrahl ist das Verfahren unter Verwendung der Kalorimeterleistung ungeeignet. Damit ist ein Modell aufgestellt worden, mit dessen Hilfe die qualitative Verteilung der spezifischen Enthalpie bestimmt werden kann. 7 GESCHWINDIGKEITSMESSUNGEN 7 55 Geschwindigkeitsmessungen Zur Messung der Geschwindigkeiten in einem Plasmastrahl können optische Messtechniken wie Fabry-Perot Interferometrie oder Laser-Doppler-Anemometrie, aber auch elektrostatische Sonden wie Flugzeitsonden oder gekreuzte Einzelsonden verwendet werden. Diese Verfahren, insbesondere die ersten beiden genannten, sind aufwendig und vielen Störfaktoren ausgesetzt, z.B. durch das Eigenleuchten des Plasmas oder durch das elektromagnetische Feld des Plasmagenerators. Deshalb wurde für die Vermessung des Geschwindigkeitsfeldes das nachfolgend beschriebene Keilsondenverfahren gewählt. 7.1 Keilsondenmessung Die Keilsonde bietet ein schnelles Verfahren, um die Machzahlen in einem Plasmastrahl zu bestimmen. Voraussetzung dafür ist, dass es sich um eine Überschallströmung handelt. v>a ch Ma ’s ch e eg rK el m J s Stoß Bild 7.1: Keilsonde in einer Überschallströmung Der Anstellwinkel ϑ der für die Messungen verwendeten Sonde beträgt ϑ = 30◦ . Der Messkopf der Keilsonde (siehe Bild 7.1) besteht aus einem wassergekühlten Kupferkeil mit einer zur Plasmaströmung parallel ausgerichteten Oberseite und einer zur Strömung angestellten Unterseite. Im Überschall breitet sich die durch die Sonde bewirkte Störung langsamer aus als 7 GESCHWINDIGKEITSMESSUNGEN 56 die Strömung selbst. Dadurch bildet sich auf der Oberseite der Sonde eine Machsche Welle aus. Sie stellt einen Stoß der Stärke Null dar. Der Winkel µ (siehe Bild 7.1) dieser Welle hängt mit der Machzahl Ma folgendermaßen zusammen: sin µ = 1 . Ma (32) Im Gegensatz zur Oberseite des Keils wird auf der Unterseite die Strömung durch den Anstellwinkel ϑ der Sonde nach unten abgelenkt. Dadurch entsteht ein schräger Verdichtungsstoß unter dem Winkel σ (siehe Bild 7.1). Die Beziehung zwischen σ und der Machzahl ist gegeben durch tan ϑ = cot σ Ma2 sin2 σ − 1 1 + ( κ+1 − sin2 σ)Ma2 2 (33) und damit zusätzlich vom Adiabatenexponenten κ abhängig. In Bild 7.2 ist für κ = 1, 1 diese Schrägstoßbeziehung dargestellt [64]. Für höhere Werte von κ rutscht das Maximum im Punkt c der Schrägstoßbeziehung zu niedrigeren Werten der Umlenkung ϑ. Bild 7.2: Schrägstoßbeziehung mit einem Adiabatenexponenten κ = 1, 1 bis zu einem angenommenen Grenzwert Ma = 100 7 GESCHWINDIGKEITSMESSUNGEN 57 Aus Bild 7.2 (und auch aus Gleichung (33)) ist zu erkennen, dass für eine Machzahl und eine Umlenkung ϑ zwei Lösungen für den Stoßwinkel σ existieren, eine sogenannte schwache und starke Lösung. Die Linien konstanter Machzahl ergeben also für einen festen Umlenkwinkel ϑ zwei Werte für den Stoßwinkel σ. Hier bedeuten die Kurvenbereiche links vom jeweiligen Maximum die schwache Lösung (d) und rechts vom Maximum die starke Lösung (b). Wenn jedoch die Kurve der in der Plasmaströmung existierenden Machzahl unterhalb der Umlenkung ϑ der Sonde bleibt, kommt es zu einer abgehobenen Kopfwelle vor der Sonde, wie in Bild 7.3 dargestellt. Dies bedeutet, dass es in Kopfwellenmitte (Punkt a in den Bildern 7.2 und 7.3) zu einem senkrechten Stoß bei ϑ = 0◦ und σ = 90◦ kommt. e d v>a c b a J > Jmax fwe Kop lle Bild 7.3: Abgehobene Kopfwelle einer Überschallströmung (v > a) vor der Keilsonde [65] Bewegt man sich weiter nach aussen (Punkte b bis e), so nimmt die Stoßstärke ab bis zu dem Punkt der Machschen Welle (Punkt e). Man durchläuft in Bild 7.2 quasi die U-förmige Kurve konstanter Machzahl von rechts nach links [65]. Messtechnisch wird das Strömungsbild, das durch das Eigenleuchten des Plasmas sichtbar wird, mit Hilfe einer Digitalkamera aufgenommen. In Bild 7.4 ist beispielhaft eine Aufnahme gezeigt. Dieses Bild wird dann zur Auswertung mit einer Bildbearbeitungssoftware weiterverarbeitet. So können lokale Verdichtungen des Plasmas, wie sie durch Verdichtungsstöße entstehen, durch Falschfarben deutlicher hervor gehoben werden (s. Bild 7.5). 7 GESCHWINDIGKEITSMESSUNGEN 58 Bild 7.4: Digitale Aufnahme einer Keilsondenumströmung bei einem Umgebungsdruck von 500 Pa und einer axialen Position von 160 mm Bild 7.5: Ergebnis der Bildbearbeitung einer Keilsondenumströmung bei einem Umgebungsdruck von 500 Pa und einer axialen Position von 160 mm 7 GESCHWINDIGKEITSMESSUNGEN 59 Der mit dieser graphischen Auswertung auftretende Fehler wurde mit ± 5 Grad abgeschätzt. Hieraus ergibt sich bei den auftretenden Winkeln ein Fehler in der Machzahl von ± 0,1. Das Ergebnis der durchgeführten Messungen bei den Umgebungsdrücken von 185 Pa und 500 Pa für die so bestimmten Machzahlen ist in Bild 7.6 als Funktion des axialen Abstandes zum Generatoraustritt dargestellt. Bei dem Umgebungsdruck von 180 Pa bei den ersten beiden Punkten, d.h. bei einem axialen Abstand von 50 mm und von 70 mm, haben sich ausgehend von der Vorderkante der Keilsonde Machsche Linien ausgebildet (siehe Bild 7.1). Bild 7.6: Axialer Verlauf der Machzahl aus der Keilsondenmessung bei Umgebungsdrücken von 185 Pa und 500 Pa In diesem Bild erkennt man die Wellenstruktur entlang der Strahlachse, die bereits in Kapitel 3, 4 und 5 erläutert worden ist. Weitere Plasmastrahlbedingungen konnten auf Grund der Beschränkung des Messverfahrens auf die Bedingungen des Überschalls nicht bestimmt werden. Ebenfalls muss die optische Dichte des Plasmas für eine Auswertung geeignet sein, so dass einzelne Punkte z.B. auf Grund von Reflexionen eines gegenüberliegenden Fensters im Tank nicht ausgewertet werden konnten. 60 7 GESCHWINDIGKEITSMESSUNGEN 7.2 Gekreuzte Einzelsondenmessung Gekreuzte elektrostatische Einzelsonden bieten neben der elektrostatischen Flugzeitsonde und der Keilsonde eine weitere Möglichkeit Geschwindigkeiten zu messen. Die dafür zu Grunde liegende Theorie ist ausführlich in der Arbeit von Habiger [66] beschrieben. In der vorliegenden Arbeit wird die Methode dieser Sondenmessung nur kurz erläutert. Der Aufbau der Sonde besteht im Wesentlichen aus zwei 1 mm starken Wolframdrähten, die sich genau im rechten Winkel mittig kreuzen, wie in Bild 7.7 dargestellt. Bild 7.7: Schematischer Aufbau des Messkopfes der gekreuzten elektrostatischen Einzelsonden Diese Wolframelektroden sind, bis auf den vorderen messenden Teil mit 15 mm Länge, mittels Keramikröhrchen elektrisch isoliert und berühren sich nicht. Legt man zwischen Elektrode und Sondenhalter, der auf Masse gelegt ist, ein negatives Potential von einigen Volt an (in diesem Fall 10 V), so driften positiv geladene Ionen aus dem Plasma auf die Elektrode und freie Elektronen werden abgestoßen. Daraus resultiert ein Ionenstrom Ii . Dieser Ionenstrom ist von der Anströmrichtung der Elektrode abhängig. Für die zur Plasmaströmung senkrecht ausgerichtete Elektrode gilt [67]: Ii⊥ = s ∞ X (v/vth )n kTe 2 ne eA √ exp −(v/vth )2 2πmi π n! n=0 !2 3 Γ(n + ) 2 (34) 61 7 GESCHWINDIGKEITSMESSUNGEN wobei A Elektrodenmantelfläche mi Ionenmasse ne Elektronendichte Te Elektronentemperatur v Plasmageschwindigkeit vth thermische Geschwindigkeit Γ Gammafunktion e Elementarladung k Stefan-Boltzmann Konstante Für die zur Plasmaströmung parallel ausgerichteten Elektrode gilt folgende Beziehung [66]: Iik = s kTe ne eA 2πmi (35) Bildet man aus diesen beiden Strömen den Quotienten, ergibt sich: ∞ X Ii⊥ 2 (v/vth )n = √ exp −(v/vth )2 Iik π n! n=0 !2 3 Γ(n + ) 2 (36) Das Verhältnis der Stromstärken Ii⊥ /Iik ist nur noch vom Verhältnis der Geschwindigkeiten v/vth abhängig. Die thermische oder nach einer Maxwell-Verteilung die wahrscheinlichste Geschwindigkeit der Ionen wird durch vth = s 2kTi mi (37) beschrieben. Dies bedeutet, dass durch die Kenntnis der Ionentemperatur Ti und der Ionenmasse mi die Plasmageschwindigkeit bestimmt werden kann. 62 7 GESCHWINDIGKEITSMESSUNGEN Durch die Annahme einer eingefrorenen Strömung lässt sich die Ionentemperatur und die mittlere Ionenmasse über die in das Plasma eingespeiste Enthalpie mit dem Tabellenwerk von Andriatis und Sokolova [62] angeben. In Tabelle 7.1 sind die Ergebnisse bei den dort genannten Messbedingungen zusammengestellt: Tabelle 7.1: Ergebnisse der Messungen mit der gekreuzten Einzelsonde in der Strahlmitte und einer axialen Position von 100 mm bei 185 Pa und 500 Pa Umgebungsdruck 185 Pa 500 Pa Ii⊥ /Iik 1,21 1,67 v/vth 0,66 1,26 Ti 3111 K 3171 K Mi 24,3 kg/kmol 23,8 kg/kmol vth 1456 m/s 1485 m/s v 959 m/s 1876 m/s Eine Gegenüberstellung der Messergebnisse mit der Keilsonde, den gekreuzten Einzelsonden und aus dem Druckverhältnis gibt Tabelle 7.2. Tabelle 7.2: Gegenüberstellung der Messergebnisse bei einer axialen Position von 100 mm in der Strahlmitte mit der Keilsonde, den gekreuzten Einzelsonden und aus dem Druckverhältnis (siehe Kapitel 5, Gleichung (12)) 185 Pa 500 Pa Ma aus gekr. Einzelsonde 0,9 1,7 Ma aus Keilsonde 1,4 1,5 Ma aus Druckverhältnis 1,36 1,45 Man sieht aus Tabelle 7.2, dass die Verfahren der Keilsonde und der Druckverhältnisse ähnliche Machzahlen liefern. Die Machzahlbestimmung 7 GESCHWINDIGKEITSMESSUNGEN 63 aus der Messung mit der gekreuzten Einzelsonde jedoch weicht von diesen Werten um 0,2 bzw. 0,5 ab. Es ist an dieser Stelle zu bemerken, dass die Bestimmung der Machzahl aus der Messung mit der gekreuzten Einzelsonde unempfindlich gegenüber der Bestimmung der Temperatur und der Molmasse der Ionen ist. Ebenso würde nach der Messung mit der gekreuzten Einzelsonde bei einem Tankdruck von 185 Pa und dem Messergebnis von Ma = 0, 9 eine Unterschallströmung vorliegen: das widerspricht den anderen Messwerten und Beobachtungen. Deshalb ist an dieser Stelle zu verdeutlichen, dass die Ungenauigkeiten dieses Messverfahrens zwischen 20% und 50% liegen können [66]. Daraus lässt sich schließen, dass zur zweifelsfreien Bestätigung der Messwerte zur Geschwindigkeitsbestimmung noch weitere Untersuchungen beispielsweise mit Lasermesstechniken nötig sind. 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN 8 64 Materialuntersuchungen Die Charakterisierung des Plasmafreistrahles, die in den vorherigen Kapiteln beschrieben wurde, dient zur Vorbereitung für die Untersuchungen der Wechselwirkung zwischen einem CO2 –Plasma und dem zu testenden Hitzeschutzmaterial. Drucklos gesintertes Siliziumkarbid (SSiC) (siehe auch Kapitel 1) wurde im Rahmen dieser Arbeit als Hitzeschutzmaterial getestet. Für dieses Material liegen zahlreiche Ergebnisse aus Simulationen des Wiedereintritts in die irdische Atmosphäre bereits vor [68, 30]. Mit Hilfe der in Bild 8.1 dargestellten Materialsonde wurden insgesamt vier Materialproben dem CO2 –Plasmastrahl ausgesetzt. Eine Probe bei 185 Pa, eine Probe bei 500 Pa und zwei Proben bei 800 Pa. Diese vier Proben wurden nach den Belastungen im Plasmawindkanal unterschiedlichen Untersuchungen unterzogen. Bild 8.1: Aufbau der Materialsonde Für die hier durchgeführten Messungen wurde nur der linke, Material aufnehmende Teil verwendet. Im Kapitel 4 wurde beschrieben, wie mit einer analogen Sonde die Wärmestromdichte und der Pitotdruck gemessen wurde (siehe Bild 4.1). Somit sind die Strömungsverhältnisse um die Materialsonde 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN 65 die gleichen wie um die Doppelsonde, mit der die Werte der Wärmestromdichte und des Pitotdruckes gemessen worden sind (siehe Kapitel 4 und 5). Für die Charakterisierung der Wechselwirkung von CO2 –Plasma und SiC–Material ist zunächst die Erosionsrate des Hitzeschutzmaterials ein wichtiges Kriterium [69]. Diese wurde für die im Kapitel 2 beschriebenen Testbedingungen und die Umgebungsdrücke von 185 Pa, 500 Pa und 800 Pa durch Messungen vor und nach dem Test mit einer Präzisionswaage vom Typ Mettler HL 52 mit einer Messgenauigkeit von 0,01 mg bestimmt. Dazu wurde auch die Zeit, während der die Probe dem Plasmastrahl ausgesetzt war, gemessen. Bei der Testdurchführung war darauf zu achten, dass die thermalen Spannungen in der Probe gering gehalten wurden, da es sonst sehr leicht zur Zerstörung der Probe kommen kann. Deshalb wurde nach Hochfahren des Generators die Materialsonde an einer axialen Position von 200 mm in der Strahlmitte positioniert und dann langsam auf die axiale Endposition von 100 mm gefahren (siehe Bild 8.2). Bild 8.2: Position der Materialsonde mit SSiC und Vorderseitentemperaturverlauf über der Zeit bei einem Umgebungsdruck von 800 Pa 66 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN Die Probe wurde dann nach Möglichkeit 10 Minuten auf dieser Position dem Plasma ausgesetzt. Bei den Materialuntersuchungen bei 800 Pa Umgebungsdruck wurde diese Zeit aus Generatorgründen bei einer Probe auf 7 Minuten reduziert. Schließlich wurde die Sonde wieder langsam auf eine hintere axiale Position und dann aus dem Strahl heraus gefahren, damit auch beim Auskühlen der Probe keine Materialspannungen zur Zerstörung führten. Die Materialprobe wurde vor und nach dem Test gewogen. Der Masseverlust wurde dann in Abhängigkeit der Verweildauer auf der Endposition und der Probenoberfläche berechnet. Die so ermittelten Erosionsraten sind in Tabelle 8.1 dargestellt. Es ist zu erkennen, dass die Erosionsraten mit zunehmendem Umgebungsdruck, mit dem sich auch die Wärmestromdichte und der Pitotdruck erhöhen, stark ansteigen. Tabelle 8.1: Erosionsraten von SSiC bei einer axialen Position von 100 mm nach Düsenaustritt mit den entsprechenden Werten für die Wärmestromdichte, den Pitotdruck und die Oberflächentemperatur 185 Pa 500 Pa 800 Pa Erosionsrate, kg/m2 h 0,61 1,28 5,59 Wärmestromdichte, kW/m2 1023 1708 1706 Pitotdruck, P a 474 1410 1854 Vorderseitentemperatur, K 1637 2045 2121 Da die Erosionsrate auch von der Temperatur der Materialprobe abhängt, wurde diese Temperatur ebenfalls gemessen (siehe Bild 8.2). Wichtig ist hier die Temperatur an der Oberfläche, die dem Plasma zugewandt ist. Diese wird mittels eines Infrarot-Strahlungspyrometers vom Typ Maurer TMR85d mittig auf der Materialprobe gemessen. Außerdem war es mit Hilfe eines Miniaturpyrometers, das in eine für diesen Zweck hergestellte Sonde eingebaut werden kann, auch möglich die Rückseitentemperatur der Probe zu bestimmen. Bei diesen optischen Messungen 67 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN wurde für dieses Probenmaterial bei der Messung der Vorderseitentemperatur eine Emissivität von 0,8 angenommen [30]. Die Messung der Rückseitentemperatur wurde aufgrund des geschlossenen Raumes hinter der Probe mit einer Emissivität von 1 durchgeführt. Die Ergebnisse sind in den Tabellen 8.2 und 8.3 dargestellt. Tabelle 8.2: Vorderseitentemperaturen von SSiC in der Strahlmitte bei verschiedenen axialen Positionen und Umgebungsdrücken 185 Pa 500 Pa 800 Pa 100 mm 1637 K 2045 K 2121 K 130 mm 1474 K 1961 K 2047 K 180 mm 1998 K Tabelle 8.3: Rückseitentemperaturen von SSiC in der Strahlmitte bei verschiedenen axialen Position und Umgebungsdrücken 185 Pa 500 Pa 800 Pa 100 mm 1602 K 130 mm 1405 K 1787 K 180 mm 1872 K 1811 K Es ist deutlich zu erkennen, dass die Temperatur der Materialprobe mit zunehmendem Umgebungsdruck und mit abnehmendem Abstand der Sonde vom Düsenaustritt steigt. Die höchsten Temperaturen treten bei einem Umgebungsdruck von 800 Pa auf. Hier sind ebenfalls die höchsten Wärmestromdichten gemessen worden (siehe Kapitel 4). 68 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN 8.1 Spektroskopische Messungen Um die Wechselwirkung der Materialprobe mit dem CO2 –Plasma noch detailierter zu untersuchen, wurden mittels eines Minispektrometers vom Typ AVANTES Emissionsspektren sowohl im Freistrahl, als auch in der Grenzschicht vor der Probe aufgenommen [70, 71]. Bei diesen Untersuchungen wurden die oben erwähnten 4 Materialproben, die sowohl für die Bestimmung der Erosionsraten als auch den in Kapiteln 8.2 und 8.3 dargestellten Untersuchungen, nicht eingesetzt. Über die gemessenen Emissionsspektren ist es möglich einzelne Spezies im Plasma zu bestimmen, die Aufschluss über die Gas–Wand–Wechselwirkung geben können. Der Aufbau des verwendeten Messsystems ist in Bild 8.3 dargestellt. Plasma X Probe Tankwand Optisches Fenster 700 mm 500 mm Sensorkopf Spektrometer 2000 mm Blende Sphärischer Spiegel Bild 8.3: Aufbau des Minispektrometers 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN 69 Da die miniaturisierten Linsen des Minispektrometers einen über den Plasmastrahl hinausgehend weiten Raumwinkel einfangen, wurde mittels zusätzlicher Optiken der Strahlengang und damit das Messvolumen eingeschränkt. Hierfür wurde ein sphärischer Spiegel mit einer Brennweite von 500 mm eingesetzt, der in einem Abstand von 2 m senkrecht zur Plasmastrahlachse positioniert war. Das fokusierte Messvolumen in der Strahlmitte ist 100 mm vom Düsenaustritt entfernt und wurde auf den Sensorkopf des Spektrometers projiziert. Dieser ist durch eine Glasfaserleitung an das eigentliche Spektrometer angeschlossen. Um das Messvolumen weiterhin definiert einzugrenzen, wurde in den Strahlengang im Abstand von 1300 mm vom Plasmastrahl eine verstellbare Blende gesetzt (siehe Bild 8.3). Das verwendete Minispektrometer wurde im Wellenlängenbereich von 200 nm bis 900 nm betrieben. Der Detektor enthält im Spektrometer 2000 Pixel. Es können Linien in einem Abstand größer 0,3 nm getrennt erkannt werden. In Bild 8.4 ist das Spektrum des CO2 –Plasmafreistrahles 100 mm nach Düsenaustritt bei einem Umgebungsdruck von 185 Pa gezeigt. Bild 8.4: Emissionsspektrum des untersuchten Plasmafreistrahls bei 185 Pa Umgebungsdruck und einer axialen Position von 100 mm Es sind starke Emissionen von Kohlenstoff, aber auch von atomarem Sauerstoff und CN zu sehen [72]. 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN 70 Bild 8.5 zeigt das Spektrum bei den gleichen Bedingungen, jetzt aber in der Grenzschicht der SiC–Probe. Im Unterschied zum Freistrahl wurde hier von der Probe kommendes freies Silizium detektiert, es sind aber auch die Kohlenstofflinien wesentlich stärker ausgeprägt. Bild 8.5: Emissionsspektrum der Grenzschicht vor der SiC–Probe bei 185 Pa Umgebungsdruck und einer axialen Position von 100 mm Das steht im Einklang mit den Arbeiten von Jentschke und Hirsch, die bereits freies Silizium und Kohlenstoff bei Luftplasmen in der Grenzschicht vor einer Probe detektierten [73, 74]. Bei einem Umgebungsdruck von 800 Pa ist die Lage der Emissionslinien sehr ähnlich denen bei 185 Pa Umgebungsdruck, wie in den Bildern 8.6 und 8.7 zu erkennen ist. Jedoch sind hier vor allem in der Grenzschicht die Linien von Silizium und Kohlenstoff wesentlich stärker ausgeprägt, was auf eine höhere Erosion hindeutet, wie auch die Erosionsdaten in Tabelle 8.1 bestätigen. Der im Freistrahl vorkommende Kohlenstoff muss aus der Dissoziation von CO2 kommen, genauer gesagt aus der Dissoziation von CO. Hierfür ist jedoch eine Dissoziationsenergie von 38,3 MJ/kg nötig [75]. Dies bedeutet, dass zumindest lokal, z.B. im Randbereich im Quarzrohr des Generators [76], Enthalpien in dieser Größenordnung auftreten müssen. 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN 71 Bild 8.6: Spektrum des Freistrahls bei 800 Pa Umgebungsdruck und einer axialen Position von 100 mm Bild 8.7: Spektrum der Grenzschicht vor der SiC–Probe bei 800 Pa Umgebungsdruck und einer axialen Position von 100 mm 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN 8.2 72 Photoelektronenspektrometrie Bei der Photoelektronenspektrometrie werden die in der Probe vorhandenen chemischen Elemente und deren Verbindungen bestimmt. Dabei werden die Proben im Ultrahochvakuum mit Röntgenstrahlen beschossen. Die Atome der Probe emittieren daraufhin Elektronen, deren kinetische Energien für das jeweilige chemische Element charakteristisch sind. Durch Messung der Elektronenenergien mit einem Energieanalysator können so Aussagen über die Art der in der Probe vorhandenen chemischen Elemente gemacht werden. Da sich der Bindungszustand der Atome ebenfalls auf die Elektronenenergie auswirkt, ist oftmals eine zusätzliche Aussage über die chemischen Verbindungen der Atome möglich. Da die Elektronen nur sehr geringe Strecken innerhalb der Probe zurücklegen können, werden fast nur Elektronen von Oberflächenatomen erfasst. Ein Tiefenprofil ist durch Entfernen der Oberflächenatome mittels Beschuss mit hochenergetischen Ionen ( Sputtern“) möglich. Der Aufbau des für diese ” Untersuchungen eingesetzten Photoelektronenspektrometers der Firma Specs ist in Bild 8.8 wiedergegeben. Dieses Photoelektronenspektrometer besteht im Wesentlichen aus folgenden Komponenten: ein Energieanalysator Specs HSA3500, einer Ionenquelle PU-IQE 12/38 und ein Controller Specs XRC1000. Das Auflösungsvermögen dieser Anlage reicht aus, um beispielsweise bei Zirkonium die beiden Einzelpeaks Zr3d 5/2 und Zr3d 3/2 voneinander zu trennen, die aus quantenphysikalischen Gründen einen Abstand von 2,39 eV haben. Mittels der Photoelektronenspektrometrie wurden drei Proben des Hitzeschutzmaterials SSiC untersucht, nachdem sie dem Plasma ausgesetzt waren. Die Probe Nr. 1 bezieht sich auf 800 Pa Umgebungsdruck und die Probe Nr. 2 auf 185 Pa Umgebungsdruck. Beide Proben wurden dem Plasmastrahl auf einer axialen Position von 100 mm und für jeweils 10 Minuten ausgesetzt. Die dabei aufgetretenen Temperaturen des Hitzeschutzmaterials entsprechen denen aus Tabelle 8.2. Die Probe Nr. 3 diente zu Vergleichszwecken. Diese wurde dem Plasma nicht ausgesetzt. Die Proben wurden auf dem Materialprobenhalter des Photoelektronen- 73 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN Energieanalysator Röntgenquelle Prozesskammer Probenschleuse Steuereinheit Vorvakuumpumpen Bild 8.8: Aufbau des Photoelektronenspektrometers spektrometers fixiert. Bezüglich der Versuchsanordnung gibt Bild 8.9 Auskunft. Bei Probe Nr. 1 sind zwei Zonen erkennbar, zum Einen eine runde und hellere Zone mit höherer Abtragung, in dieser Zone liegt Messposition 1, und zum Anderen eine dunklere Zone mit weniger Abtragung, in der Messposition 2 liegt. Probe Nr. 2 hat eine homogene helle Farbe und es konnten visuell keine besonderen Abtragungen erkannt werden. Die Proben gelangen über eine Schleusenkammer in die Prozesskammer. Bei jeder Probe wurden durch Sputtern an jeweils zwei Positionen Tiefenprofile aufgenommen. Eine Umrechnung der Sputterzeit auf eine Tiefenskala ist schwierig, da die Sputterrate stark vom Probenmaterial abhängig ist, und für Siliziumkarbid bislang keine Vergleichswerte vorliegen. Jedoch ist die Abtragungsrate mit 100 nm pro Stunde grob abschätzbar. Der in Bild 8.9 dargestellte kreisförmige Bereich, die sogenannte Akzeptanzfläche, von dem Photoelektronen in den Energieanalysator gelangen, hat einen Durchmesser von ca. 4 mm. Die Spuren des Sputterprozesses sind auf den Proben als ca. 5 x 5 mm große helle Quadrate zu erkennen. Bild 8.10 zeigt ein Über- 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN 74 Bild 8.9: Materialproben montiert auf dem Probenhalter des Photoelektronenspektrometers sichtsspektrum, das an der Messposition 1 der Probe Nr. 2 direkt nach dem Einschleusen aufgenommen wurde. Bild 8.10: Übersichtsspektrum der Probe Nr. 2 an Messposition 1 vor dem Sputtern 75 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN Die Zuordnung der gemessenen Spitzen bei einer Bindungsenergie zu einem bestimmten Element geschieht über die Daten von Christian [77] und Nist [78]. Die Spitzen werden im Wesentlichen von Sauerstoff (O), Kohlenstoff (C) und Silizium (Si) hervorgerufen. Außerdem sind noch geringe Mengen an Titan (Ti), Aluminium (Al) und Calcium (Ca) vorhanden. Solche Spuren wurden ebenfalls in den Arbeiten von Laux und Hald erwähnt. Dort wurde die Vermutung geäußert, dass die Herkunft dieser Spuren im Herstellungsprozess der Probe begründet ist [68, 30]. Die Spitzen bei Bindungsenergien von weniger als 600 eV werden dabei durch die Photoelektronen hervorgerufen. Die Angaben hinter den Elementnamen bezeichnen dabei die Schalen und Orbitale, aus denen die Elektronen emittiert wurden. Die beiden Spitzen oberhalb von 600 eV stammen von Auger-Elektronen (K und L bezeichnet die Schalen), die durch einen separaten Prozess entstehen. Unter Berücksichtigung der elementspezifischen Sensitivität des Photoelektronenspektrometers lässt sich aus den Flächen unter den lokalen Maxima der Zählraten auf die quantitative Zusammensetzung der Probe schließen. In Tabelle 8.4 ist das Ergebnis dieser Analyse zusammengefasst. Tabelle 8.4: Zusammensetzung der Probenoberfläche Nr. 2 an der Messposition 1 Element Atom-% Sauerstoff 40,7 Kohlenstoff 25,8 Silizium 30,6 Aluminium 1,4 Kalzium 0,8 Titan 0,7 Hierbei muss jedoch berücksichtigt werden, dass das Spektrum nur die Zusammensetzung der obersten Atomlagen wiederspiegelt. Jede Oberfläche, 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN 76 die der normalen Umgebung ausgesetzt wird, wird von einer Schicht aus adsorbierten Fremdatomen, hauptsächlich Kohlenstoff und Sauerstoff, bedeckt. Daher sind diese beiden Elemente im Spektrum stark überrepräsentiert. Sehr gut zu erkennen sind in Bild 8.11 die beiden Kohlenstoffarten: adsorbierter Kohlenstoff und in SiC gebundener Kohlenstoff, die sich in der Bindungsenergie unterscheiden und beide in der Probe vorliegen. Bild 8.11: C 1s Spitze aus Bild 8.10 mit höherer Auflösung aufgenommen (Probe Nr. 2) In diesem Bild ist eine detaillierte, mit höherer Auflösung aufgenommene Messung der C 1s–Spitze aus Bild 8.10 dargestellt. Man sieht deutlich, dass diese sich in zwei Spitzen aufspaltet. Der rechte bei 283 eV resultiert aus Kohlenstoffatomen, die in einer SiC-Verbindung vorliegen, während die linke Spitze vom adsorbierten Kohlenstoff stammt. Im Falle des Siliziums in Bild 8.12 (entspricht Bild 8.10 rechts) verhält sich das Spektrum analog, dort geht die rechte Spitze auf Siliziumatome zurück, die an Kohlenstoff gebunden sind. Die linke Spitze allerdings wird von SiO2 –Molekülen emittiert, da das Silizium an der Luft sofort oxidiert und eine dünne Siliziumdioxidschicht bildet. Das Abtragen dieser Oxidschicht mittels Sputtern bewirkt, dass die SiO2 – Spitze abnimmt und außerdem mehr Elektronen von den SiC–Molekülen die Oberfläche erreichen können (s. Bild 8.13). 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN 77 Bild 8.12: Si 2p Spitze aus Bild 8.10 mit höherer Auflösung aufgenommen (Probe Nr. 2) Bild 8.13: Si 2p Spitzen für verschiedene Sputterzeiten (Probe Nr. 2) 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN 78 Als Referenz zu den Proben, die dem Plasmastrahl ausgesetzt waren, ist zusätzlich eine Messung an einer unbenutzten Probe, die also nicht dem Plasmastrahl ausgesetzt war, für verschiedene Sputterzeiten durchgeführt worden. Das Ergebnis ist in Bild 8.14 gezeigt. Bild 8.14: Zählraten für Sauerstoff, Kohlenstoff und Silizium in Abhängigkeit der Sputterzeit für die Referenzprobe Es sind jeweils die Zählraten von Sauerstoff, Kohlenstoff und Silizium als Funktion der Sputterzeit dargestellt. Die Zählraten werden dabei gemäß der elektronenspezifischen Empfindlichkeit des Spektrometers korrigiert. Diese Referenzprobe zeichnet sich durch einen hohen Kohlenstoff– und Siliziumgehalt sowie geringen Sauerstoffgehalt aus. Diese Zusammensetzung ist auf Grund der nicht stattgefundenen Oxidation erklärbar, da diese Probe dem Plasma nicht ausgesetzt war. Die Bilder 8.15 und 8.16 zeigen das Ergebnis der Messungen der dem Plasma ausgesetzten Probe Nr. 1 an beiden Messpositionen für verschiedene Sputterzeiten. In den Bildern 8.15 und 8.16 ist zu erkennen, dass in beiden Fällen Silizium den größten Anteil aufweist. An der Messposition 1 ist jedoch deutlich mehr Kohlenstoff als Sauerstoff vorhanden, während das Verhältnis der Zählraten an der Messposition 2 gerade umgekehrt ist. Die Verhältnisse vor dem Sputtern (also bei Sputterzeit t=0) sollten nicht überbewertet werden, da hier die an der Oberfläche adsorbierten Fremdatome mit enthalten sind. 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN 79 Bild 8.15: Zählraten für Sauerstoff, Kohlenstoff und Silizium in Abhängigkeit der Sputterzeit für Probe 1 an der Messposition 1 Bild 8.16: Zählraten für Sauerstoff, Kohlenstoff und Silizium in Abhängigkeit der Sputterzeit für Probe 1 an der Messposition 2 Eine Hypothese zur Erklärung der Unterschiede zwischen Bild 8.15 und 8.16 könnte sein, dass bei der Probe Nr. 1 im Bereich der Messposition 1 auf Grund des relativ geringen Anteils an Sauerstoff eine aktive Oxidation begonnen hat [79], die sich ringförmig ausgebreitet hat (siehe Bild 8.9) und dort zu einer mit bloßem Auge sichtbar höheren Erosion geführt hat. Das Bild 8.16 spricht wegen des hohen Anteils an Sauerstoff für einen Vorgang passiver Oxidation. 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN 80 Bild 8.17: Zählraten für Sauerstoff, Kohlenstoff und Silizium in Abhängigkeit der Sputterzeit für Probe 2 an der Messposition 1 Bilder 8.17 und 8.18 zeigen die Verhältnisse an den beiden Messpositionen auf Probe Nr. 2. Bild 8.18: Zählraten für Sauerstoff, Kohlenstoff und Silizium in Abhängigkeit der Sputterzeit für Probe 2 an der Messposition 2 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN 81 Während die qualitative Bestimmung der in den Proben enthaltenen Elemente relativ einfach und zuverlässig ist, ist die quantitative Zuordnung der gemessenen Mengen an O, C und Si zu bestimmten chemischen Verbindungen deutlich schwieriger. Der Grund dafür ist, dass die unterschiedlichen chemischen Bindungen, wie erwähnt, Verschiebungen in den BindungsenergieSpitzen der einzelnen Elemente hervorrufen. Die Auswertung dieser Verschiebungen in den untersuchten Proben wird dadurch stark erschwert, dass die Proben aus elektrisch leitenden (freies Si) und nichtleitenden Bereichen (SiC, SiO2 ) zusammengesetzt sind. Das liegt daran, dass elektrisch isolierende Substanzen die Eigenschaft haben, sich durch die Emission von Photoelektronen elektrisch positiv aufzuladen. Da die Photoelektronen diese positive Ladung, die eine anziehende Kraft auf sie ausübt, zusätzlich beim Verlassen der Probe überwinden müssen, bewirkt eine positive Aufladung eine Verschiebung der Spitzen im Spektrum hin zu höheren Bindungsenergien. Die Stärke der elektrischen Aufladung, und damit die Höhe der Verschiebung, ist zwar nur sehr schwer quantifizierbar, stellt bei homogenen Proben aber kein Problem dar, da sie alle Elektronen in gleicher Weise betrifft und der Effekt daher bei der Auswertung des Spektrums durch eine entsprechende Bindungsenergie-Korrektur kompensiert werden kann. Als Referenz benutzt man dabei beispielsweise, dass adsorbierter Kohlenstoff bei einer Energie von 284,8 eV auftritt. Bei inhomogenen Proben jedoch, die aus unterschiedlich stark aufgeladenen Inseln bestehen, sind die Verschiebungen entsprechend unterschiedlich. Eine eindeutige Zuordnung zu bestimmten chemischen Verbindungen gelingt daher nur schwer. So ergeben sich beispielsweise für SiO2 bei der Probe Nr. 2 Verhältnisse von Sauerstoff zu Silizium von lediglich 1,55 bis 1,96. Aus stöchiometrischen Gründen wäre aber 2,0 zu erwarten. Da die Gesamtmengen an Sauerstoff, Kohlenstoff und Silizium bekannt sind, wurde deshalb ohne Berücksichtigung der Spitzenverschiebung davon ausgegangen, dass in tieferen Schichten der gesamte Sauerstoff in SiO2 –Molekülen gebunden vorliegt, während der Kohlenstoff in der Verbindung SiC vorliegt. 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN 82 Die Bilder 8.19 bis 8.22 zeigen das Ergebnis dieser Analyse für die beiden Proben. Die Messdaten für die Sputterzeit t=0 wurden nicht berücksichtigt, da hier aufgrund einer nicht bekannten Menge an adsorbiertem Sauerstoff bzw. Kohlenstoff die stöchiometrischen Annahmen nicht gelten. Bild 8.19: Zählraten für SiC, SiO2 und Si als Funktion der Sputterzeit für Probe 1 an der Messposition 1 Bild 8.20: Zählraten für SiC, SiO2 und Si als Funktion der Sputterzeit für Probe 1 an der Messposition 2 In Bild 8.20 (Probe Nr. 1 Messposition 2) ist im Verhältnis zu SiC fast genauso viel SiO2 vorhanden. Vergleicht man hierzu die gleiche Probe, jedoch 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN 83 Messposition 1, so ist hier im Verhältnis zu SiC wesentlich weniger SiO2 vorhanden. Hier knüpft die bereits oben beschriebene Hypothese der aktiven Oxidation im Bereich der Messposition 1 der Probe Nr. 1 wiederholt an. Bild 8.21: Zählraten für SiC, SiO2 und Si als Funktion der Sputterzeit für Probe 2 an der Messposition 1 Bild 8.22: Zählraten für SiC, SiO2 und Si als Funktion der Sputterzeit für Probe 2 an der Messposition 2 Vergleicht man wieder die dunklere Stelle der Probe Nr. 1 (Messposition 2) mit der Probe Nr. 2 an Hand der Bilder 8.20 und 8.21, so ist im Verhältnis zum SiC-Anteil beider Proben in Probe Nr. 1 wesentlich mehr SiO2 vorhanden als in Probe Nr. 2, das wie bereits oben erwähnt auf einen intensiveren Vorgang passiver Oxidation bei Probe Nr. 1 und somit bei 800 Pa Umgebungsdruck hindeutet. 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN 8.3 84 Rasterelektronenmikroskopie und energiedispersive Röntgenanalyse Zur weiteren Untersuchung der Wechselwirkung zwischen CO2 –Plasma und SiC–Probe wurde zusätzlich zu den oben genannten Methoden eine Rasterelektronenmikroskopie (REM) und eine energiedispersive Röntgenanalyse (EDX) zur Untersuchung der Oberflächenbeschaffenheit der Materialproben durchgeführt. Die hierfür verwendete REM-Anlage ist vom Typ JEOL JSM5400 mit integrierter EDX. Die Beschleunigungsspannung der REM beträgt bis zu 30 kV und die maximale Auflösung 4 nm. Die Bilder werden mit einer digitalen Bildauswertung erfasst und ermöglichen eine visuelle Beurteilung der Oberflächenbeschaffenheit. Die EDX-Analyse detektiert qualitativ die vorhandenen chemischen Elemente an der Oberfläche, jedoch ist eine quantitative Aussage mit dieser Analyse schwer möglich. Hier ist das vorherige Verfahren der Photoelektronenspektrometrie besser geeignet. Die Untersuchungen mittels REM und EDX wurden auf zwei Proben angewendet, die dem Plasma bei 500 Pa und bei 800 Pa Umgebungsdruck für jeweils 10 Minuten ausgesetzt waren. Die Untersuchung einer Referenzprobe, die dem Plasma nicht ausgesetzt war, wurde ausführlich in der Arbeit von Laux beschrieben [30]. Die Bilder der dem CO2 –Plasma ausgesetzten Proben sind in den Bildern 8.23 und 8.24 zu sehen. Bild 8.23: Probe nach dem Test bei 500 Pa Umgebungsdruck 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN 85 Bild 8.24: Probe in der Probenhalterung nach dem Test bei 800 Pa Umgebungsdruck Betrachtet man zunächst die Probe, die dem Plasma bei 500 Pa ausgesetzt war, so hat diese eher eine homogene Oberfläche, jedoch in der Mitte eine dunklere Schattierung als am Rand. Die REM Aufnahmen mit 750-facher Vergrößerung, zu sehen in den Bildern 8.25 und 8.26, zeigen ein ähnliches Bild. Jedoch ist die etwas hellere Stelle feiner in der Oberflächenstruktur (Bild 8.25) als die dunklere Probenmitte (Bild 8.26). Bild 8.25: REM-Aufnahme der helleren Stelle der Probe von Bild 8.23 mit 750-facher Vergrößerung 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN 86 Bild 8.26: REM-Aufnahme der dunkleren Stelle der Probe von Bild 8.23 mit 750-facher Vergrößerung Bild 8.27: EDX-Analyse des in Bild 8.26 gezeigten Probenteils 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN 87 In der Analyse mittels EDX, in Bild 8.27 dargestellt, wurde hauptsächlich Silizium, aber auch Kohlenstoff und etwas Sauerstoff nachgewiesen. Diese Ergebnisse der Probe, die dem Plasma bei 500 Pa Umgebungsdruck ausgesetzt war, stimmen auch qualitativ mit der Analyse aus der Photoelektronenspektrometrie der Probe, die bei 185 Pa Umgebungsdruck dem Plasma ausgesetzt war, überein (Bild 8.15). In Bild 8.24 ist die Probe, die dem Plasma bei 800 Pa Umgebungsdruck ausgesetzt worden ist, im eingebauten Zustand in der Materialhalterung dargestellt. Es sind deutlich eine dunklere und eine hellere Zone zu erkennen. Diese Zonen wurden getrennt untersucht. In der REM-Aufnahme der dunkleren Stelle, Bild 8.28, sind kleinste tröpfchenartige Strukturen zu erkennen. Die dazugehörige EDX Analyse in Bild 8.29 zeigt Sauerstoff, aber wenig ausgeprägt. Ebenso ist auch die Kohlenstoffanzeige in diesem Bild wenig ausgeprägt. Dieses Ergebnis korrespondiert mit dem Bild 8.16, das die Ergebnisse aus der Photoelektronenspektrometrie darstellt. Eine Erklärung für die tröpfchenartige Struktur ist die passive Oxidation von SiC zu SiO2 , das auch in flüssiger Form vorliegen und so die kleinen Tröpfchen bilden kann. Bild 8.28: REM-Aufnahme der dunkleren Stelle der Probe von Bild 8.24 mit 750-facher Vergrößerung 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN 88 Bild 8.29: EDX-Analyse des in Bild 8.28 gezeigten Probenteils Besonders interessant ist die hellere Region der Probe von Bild 8.24. Betrachtet man die REM–Aufnahme (siehe Bild 8.30), so sind kleine bläschenartige Strukturen zu erkennen, die den Eindruck erwecken, als ob sie gerade am Aufplatzen wären, oder wie im Bild links oben bereits aufgeplatzt sind. Dies würde, wie in der Arbeit von Laux [30] beschrieben, darauf hinweisen, dass die Probe im Plasma aktiv oxidiert ist und Blasen gebildet hat [80]. Dies wird durch die Ergebnisse aus Kapitel 8.2 bestärkt. Jedoch ist zu bemerken, dass entgegen den Ergebnissen bei Laux [30] kein Sprung der Oberflächentemperatur nachgewiesen wurde (siehe auch Bild 8.2). Bei der EDX–Analyse wurde wesentlich Kohlenstoff und Silizium, aber auch Sauerstoff und Verunreinigungen von Titan gemessen. Mit den Ergebnissen dieser Arbeit wird damit verstärkt ein Hinweis darauf gegeben, dass aktive Oxidation von SSiC bei niedrigen Gesamtdrücken nicht nur in einer irdischen Atmosphäre sondern auch in CO2 –haltigen Atmosphären auftreten und so zu einer starken Erosion dieses Hitzeschutzmaterials führen kann. 8 MATERIALUNTERSUCHUNGEN 89 Bild 8.30: REM-Aufnahme der helleren Stelle der Probe von Bild 8.24 mit 750-facher Vergrößerung Bild 8.31: EDX-Analyse des in Bild 8.30 gezeigten Probenteils 9 ZUSAMMENFASSUNG 9 90 Zusammenfassung Innerhalb der vorliegenden Arbeit wurden Untersuchungen zur experimentellen Simulation des Eintritts von Raumflugkörpern in die Marsatmosphäre durchgeführt. Dazu wurde der Betriebsbereich des induktiv beheizten Plasmagenerators IPG4 des PWK3 mit dem Arbeitsgas Kohlendioxid mit 3% Stickstoffanteil erweitert und charakterisiert. Daraus resultierten erste Untersuchungen der Plasma-Wand-Wechselwirkung von drucklos gesintertem Siliziumkarbid. Die Erweiterung des Betriebsbereiches des IPG4 wurde einerseits durch die Wahl einer niedrigeren Betriebsfrequenz und andererseits durch einen höheren Massenstrom erzielt. Dadurch wurde es möglich den Generator stabil und stationär über längere Zeiträume für aussagekräftige Materialuntersuchungen zu betreiben und dabei die Wärmelast auf das Quarzrohr des Generators in einem moderaten Rahmen zu halten, so dass dieses nicht versagt. Der Betriebsbereich des IPG4 wurde von 400 Pa Umgebungsdruck auf 900 Pa erweitert. Die Entwicklung einer wassergekühlten konischen Düse führte zur zusätzlichen Erhöhung des Pitotdrucks von 11 mbar auf 19 mbar des Plasmafreistrahles. Dabei konnte die Wärmestromdichte auf einen Sondenkörper von 0,9 MW/m2 auf 2,5 MW/m2 und Kalorimeterleistungen von 14 kW auf 20 kW gesteigert werden. Nach einer theoretischen Beschreibung des axialsymmetrischen Plasmafreistrahles mit einer unterexpandierten Düsenströmung wurden die Eigenschaften des Plasmafreistrahles hinsichtlich Wärmestromdichte, Pitotdruck, Plasmageschwindigkeit und Plasmazusammensetzung experimentell untersucht. Mit Hilfe eines theoretischen Modells konnten die gemessenen Plasmafreistrahleigenschaften Länge der Strahlanfangszone und der ersten Strahlzellen erklärt werden. Weiterhin wurde gezeigt, dass durch das Vorhandensein von Eisenoxid, wie es durch Staubstürme in der Atmosphäre des Mars vorkommt, sich die Wärmestromdichte auf einen Körper im Plasmastrahl deutlich erhöht. Die Charakterisierung der Eigenschaften des Plasmafreistrahls 9 ZUSAMMENFASSUNG 91 war die Basis für die Untersuchung der Plasma–Wand–Wechselwirkung von drucklos gesintertem Siliziumkarbid in einem Kohlendioxidplasma. Hier konnten durch die Untersuchungsmethoden Photoelektronenspektrometrie und REM–Aufnahmen starke Hinweise auf ein aktives Oxidationsverhalten des Hitzeschutzmaterials bei hohen Wärmestromdichten gefunden werden. 92 Summary Within this manuscript investigations on the experimental simulation of the entry of spacecraft into Mars’ atmosphere were performed. For this purpose the operating range of the inductively heated plasma generator IPG4 of PWK3 with carbon dioxide plus 3% nitrogen was expanded and characterized. Initial investigations of the plasma-wall interaction of pressureless sintered silicon carbide resulted. The expansion of the operating range of IPG4 was, on the one hand, achieved by choosing a lower operation frequency and, on the other hand, by using a higher mass flow. This made it possible to operate the generator stably and stationary over long periods of time for significant material investigations. Here the heat load on the generator’s quartz tube was kept at a moderate level to avoid malfunctioning. The operating range of IPG4 was expanded from 400 Pa ambient pressure to 900 Pa. The development of a water-cooled conical nozzle led to an additional increase in the Pitot pressure from 11 mbar to 19 mbar of the plasma free stream. Here the heat flow density of a probe body could be increased from 0,9 MW/m2 to 2,5 MW/m2 and calorimeter performance increased from 14 kW to 20 kW. After a theoretical description of the axial-symmetrical plasma free stream with an under-expanded nozzle flow, the characteristics of the plasma free stream relating to heat flow density, Pitot pressure, plasma velocity and plasma composition were investigated. With the help of a theoretical model, the following measured plasma free stream characteristics could be explained: length of the stream onset zone and length of the initial stream cells. Furthermore, it was shown that the existence of iron-oxide, as it occurs during dust storms in Mars’ atmosphere, increases the heat flow density to a sample in the plasma stream. The characterization of a plasma free stream was the basis for the investigation of the plasma-wall interaction of pressureless sintered silicon carbide in a carbon dioxide plasma. Using the methods of photo-electron spectroscopy and REM micrographs, strong indications of active oxidation behavior of the thermal protection material at high heat flow densities could be found. LITERATUR 93 Literatur [1] Gorelov, V.A.; Gladyshev, M.K.; Kireev, A.Yu.; Tchebureev, V.G.; Shilenkov, S.V.: Nonequilibrium Ionization and Radiation behind Shock Wave in Martian Atmosphere. In: Proceedings of the Third European Symposium on Aerothermodynamicsfor Space Vehicles. ESTEC, Noordwijk, The Netherlands, 1998. ESA SP–426. 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April 1973 Geburtsort: Tsumeb (Namibia) Staatsangehörigkeit: deutsch Familienstand: ledig Schulbildung 1985 – 1993 Gymnasium der Maria-Ward-Schule in Nürnberg Studium 1993 – 2000 Luft- und Raumfahrttechnik an der Universität Stuttgart, studienbegleitende Praktika und Werksstudententätigkeit in der Industrie und hilfswissenschaftliche Tätigkeiten an der Universität Stuttgart 2000 Diplomarbeit bei ABB ALSTOM POWER Technology Ltd. in Baden-Dättwil/Schweiz, Studienabschluss: Diplom–Ingenieurin der Luft- und Raumfarttechnik Berufliche Tätigkeiten 2000 – 2003 Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Raumfahrtsysteme der Universität Stuttgart 2004 – 2006 Mitarbeiterin der IABG mbH in Ottobrunn 2006 Mitarbeiterin der ASTRIUM Space Transportation GmbH in Lampoldshausen Auszeichnungen 2003 / 2004 Verleihung des Amelia Earheart Fellowship Award