Ausarbeitung und Bewertung von Schülerübungen Didaktische Analyse von StD Rainer Hoff Zusammenfassung Dieser Artikel beschreibt, wie wissenschaftliche Schülerübungen von den Schülerinnen und Schülern dokumentiert werden können, diese Ausarbeitungen vom Lehrer bewertet werden und die Korrekturen von den Schülerinnen und Schülern wiederum gewinnbringend aufgenommen werden, um aus ihren Fehlern zu lernen. Dabei spielt gerade auch die Einübung der deutschen Sprache in den Naturwissenschaften eine große Rolle. Diese Unterrichtssequenz wurde von Januar 2014 bis April 2014 durchgeführt. Schlagwörter: Schülerübungen, Ausarbeitungen, Fehleranalyse, Bewertung, Sprachbeherrschung Sachanalyse Die hier vorgestellte Unterrichtseinheit ist inhaltlich der Physik der 8. Jahrgangsstufe zuzuordnen. Allerdings liegt der Schwerpunkt der dargestellten Methodik nicht auf einer sachlichen Komponente, sondern ist auf jede naturwissenschaftliche Schülerübung in Natur und Technik, Biologie, Chemie oder Physik anwendbar. In der Wärmelehre der Physik der 8. Jahrgangsstufe lernen die Schüler die Temperatur als physikalische Größe genauer kennen. Die Eichpunkte der Celsius-Skala eignen sich dabei besonders gut, um ein eigenes Messinstrument zu bauen bzw. zu kalibrieren. Dieses Themengebiet wurde im hier vorgestellten Beispiel behandelt. Didaktische Analyse Lehrplanbezug Der bayerische Lehrplan (vgl. [1]) sieht in der Unter- und Mittelstufe das selbstständige Experimentieren und die Gewinnung von Erkenntnissen durch eigene praktische Tätigkeiten besonders in den naturwissenschaftlichen Fächern Natur und Technik, Biologie, Chemie und Physik vor. Gerade in der 8. Jahrgangsstufe soll die Darstellung, Weitergabe und Präsentation der Ergebnisse eigenständiger Experimente besonders geübt werden und mit den Lerninhalten des Fachs Deutsch verknüpft werden. 1 Lernziele Die vorgestellte Methodik verfolgt folgende Lernziele. Projektbezogene Lernziele Die Schülerinnen und Schüler verstehen sich als Teil des Forschungsteams des Mission2MarsProjektes. Als solcher sind sie auf die Zusammenarbeit mit anderen Forschungsgruppen angewiesen, bzw. andere Gruppen müssen die Ergebnisse eigener Tätigkeiten nachvollziehen, anwenden und weiter verwenden können. Daher sollen die sozialen und kommunikativen Kompetenzen im Rahmen des Projekts gestärkt werden. Fachspezifische Lernziele Die Schüler sollen … … ein Experiment planen und durchführen können, … eine zum Experiment passende, schlüssig Auswertung erarbeiten können. Überfachliche Lernziele Die Schüler sollen … … den gesamten Arbeitsprozess eines naturwissenschaftlichen Experiments umfassend darstellen, die Ergebnisse sinnvoll präsentieren und bewerten können. … die Korrektur der Ausarbeitung als Hilfestellung begreifen und eine nachträgliche Verbesserung als sinnvoll erachten lernen. Methodischer Aufbau Einführung Meist werden für die Durchführung von Schülerexperimenten oder Schülerübungen in Kleingruppen Übungsblätter verwendet, die vom Hersteller physikalischer Übungskästen oder von der Lehrkraft selbst erstellt wurden. Dabei werden die Versuche häufig in detaillierten Schritt-für-SchrittAnleitungen dargestellt und die Schüler sowohl beim Aufbau wie bei der Durchführung und der Auswertung eng geführt. Bei dieser Art der Schülerübung füllen die Schülerinnen und Schüler ihre Arbeitsblätter oft nur oberflächlich aus und hinterfragen nicht die eingeschlagene Methodik und können diese auch nicht wiedergeben. Aus diesem Grund soll hier eine alternative Vorgehensweise entwickelt werden, die die geleitete Durchführung nicht komplett ersetzen kann – dazu nimmt sie für die Schüler wie für die Lehrkraft zu viel Zeit in Anspruch – sie aber immer wieder ersetzt, um die erworbenen Kompetenzen besser zu sichern. Bei der hier beschriebenen Methodik arbeiteten die Schülerinnen und Schüler in Dreiergruppen und hatten eine Doppelstunde Zeit. 2 1. Schritt: Ersatz der Schritt-für-Schritt-Anleitungen durch einen Forschungsauftrag Anstatt kompletter und detaillierter Anleitungen erhalten die Schülerinnen und Schüler einen Forschungsauftrag (vgl. Material 1), der ihnen das sachliche Umfeld beschreibt und dabei eine Problemsituation und ein Ziel formuliert. Im vorliegenden Beispiel wurde den Schülerinnen und Schülern auch noch eine Liste der bereitgestellten Materialien gegeben. Dies muss aber nicht sein. Man kann ebenso auf einem bereitgestellten Tisch eine große Bandbreite evtl. auch „unnützer“ Experimentiermaterialien zur Verfügung stellen, aus der sich die Schüler ihre Materialien selbst suchen sollen. Die Schülerinnen und Schüler sind nun gezwungen sich einen eigenen Aufbau und eine individuelle Vorgehensweise zu überlegen und diese in ihrer Kleingruppe zu diskutieren. 2. Schritt: Ausarbeitung statt Ausfüllen Die Schüler füllen keinen vorgefertigten Bogen aus, sondern jede Schülergruppe hält ihre Ergebnisse während des Experimentierens vorläufig formlos auf einem eigenen Blatt fest. Im zweiten Teil der Doppelstunde formulieren die Gruppenmitglieder eine vollständige Ausarbeitung nach einer vorgegebenen Gliederung. Dazu haben die Schülerinnen und Schüler zu Beginn der 8. Klasse eine Anleitung erhalten, wie wissenschaftliche Ausarbeitungen zu formulieren und zu gliedern sind (vgl. Material 2). In dieser Darstellungsform sind bewusst grafische, mathematische und besonders sprachliche Elemente enthalten, die den wissenschaftlichen Sachverhalt und den Ablauf möglichst gut abbilden sollen und die den Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit geben sollen, alle Darstellungsformen einzuüben. Die Ausarbeitung selbst kann auf einem Poster geschehen oder in Form einer klassischen schriftlichen Formulierung, so wie sie hier gewählt wurde. Alle Auswertungen der Fächer Biologie, Chemie und Physik werden dabei in einem eigenen Mission2Mars-Ordner (Portfolio) gesammelt. Da jeder Einzelne einer Schülergruppe das Experiment in seinem Ordner dokumentiert haben soll, muss auch jeder seine eigene Ausarbeitung schreiben, obwohl die Gruppe gemeinsam formulieren darf. Eine Ausnahme ist dann gegeben, wenn die Gruppe sich darauf einigt, die Ausarbeitung digital in einer Textverarbeitung zu machen, da jeder sich das Dokument dann ausdrucken kann. Bei der Durchführung wurden die Schülerinnen und Schüler dazu ermuntert die digitale Form zu wählen und dabei den Umgang mit einer Textverarbeitung einzuüben. Motivierend war die Möglichkeit, den Versuchsverlauf mit Handykameras zu fotografieren und die Bilder in die Ausarbeitungen einzubinden. 3. Schritt: Besondere Bewertungsmatrix mit Verbesserungsmöglichkeit Bei der Bewertung der angefertigten Ausarbeitungen kann man entweder das gesamte Portfolio epochenhaft benoten oder die Ausarbeitungen jeweils einzeln korrigieren. Letzteres ist zwar zeitintensiver, bietet aber die Möglichkeit besser auf Fehler einzugehen und den Schülerinnen und Schülern Hinweise bzw. Verbesserungsvorschläge zu machen, was hier angestrebt werden soll. Für die Bewertung der Ausarbeitungen wurde eine bepunktete Bewertungsmatrix mit Notenschlüssel entworfen (vgl. Material [3]), die vorerst nur im Fach Physik getestet wurde. Die darauf genannten Bewertungskriterien sind als positive Sätze formuliert, um den Schülerinnen und Schülern das Erkennen von Defiziten zu erleichtern. Die bei den Kriterien verwendeten Operatoren machen deutlich, dass es nicht nur um ein naturwissenschaftliches Verständnis und Darstellung des Sachverhaltes geht, sondern um eine möglichst gute und verständliche sprachliche Formulierung der Ausarbeitung, die ihren Beitrag zur Stärkung des Fachs Deutsch auch in den Naturwissenschaften liefern soll. 3 Was diese Bewertungsmatrix von anderen zudem unterscheidet, ist der Umstand, dass vier von 30 Punkten auch für eine nachträgliche Verbesserung vorgesehen sind: „10. Du hast die Verbesserungen umgesetzt.“ Die Bepunktung ist dabei so gewählt, dass: eine perfekte Ausarbeitung ohne die Verbesserungspunkte (also 26 von 30) auch schon die Note 1 ergäbe. die bei einer nachträglichen Verbesserung möglichen vier Punkte ausreichend viele sind, dass nahezu immer eine Verbesserung um eine Notenstufe zu erreichen wäre. Durch dieses Bepunktungssystem ist die Motivation, sich mit den eigenen Fehlern auseinanderzusetzen und eine echte Verbesserung der Ausarbeitung durchzuführen sehr hoch. Bei drei mit dieser Methode durchgeführten Schülerübungen hat jeweils die ganz große Mehrheit der Klasse die Chance zu einer Verbesserung im doppelten Sinne (Ausarbeitung und Note) genutzt. Unter Materialien [4] – [6] ist das Beispiel einer Ausarbeitung ausschnittsweise dargestellt: Material [4] ist die erste von zweieinhalb Seiten der Ausarbeitung mit Korrekturbemerkungen. Material [5] ist die Verbesserung der Schülerin nach der ersten Lehrerkorrektur. Material [6] zeigt die ausgefüllte Korrekturmatrix. Die Erstkorrektur wurde in rot, die Zweitkorrektur in grün durchgeführt. Die grüne Note ersetzt bei einer Verbesserung die vorherige rote Note. Weitere Hinweise Doppelstunden Die Schülerübungen waren im hier beschriebenen Fall in Doppelstunden mit halben Klassen organisiert, d.h. eine halbe Klasse hatte Physikübung beim Physiklehrer, die andere Hälfte hatte Chemieübung beim Chemielehrer. In der darauffolgenden Woche wurden die Gruppen getauscht. Die halbierten Klassen bieten die Möglichkeit, dass auch bei begrenzter Ausstattung der Übungsräume kleinere Arbeitsgruppen gebildet werden können. Die Doppelstunden haben den Vorteil, dass die Schülerinnen und Schüler in der ersten Stunde das Experiment aufbauen und durchführen können und in der zweiten Stunde die Ausarbeitung dazu schreiben können. Nicht immer hat den Schülern die Zeit dazu gereicht. Einen Teil mussten sie daher als Hausaufgabe bis zur nächsten Physikübungsstunde in zwei Wochen erledigen. Zeitliche Belastung Die Anfertigung der Ausarbeitungen und evtl. deren Verbesserung kosten die Schülerinnen und Schüler Zeit. Ebenso ist die Korrektur der Ausarbeitungen für die Lehrkraft eine zeitliche Belastung. Insofern sollte diese Form der Schülerübung nicht die einzige gewählte Methode sein. Sie kann aber gerade zu Beginn der Jahrgangsstufe einen wichtigen Beitrag zur Sicherung des Unterrichtserfolgs auch für andere Formen der Schülerübung liefern: Bei der Durchführung hat sich gezeigt1, dass die Schülerinnen und Schüler nach der Erstellung eigener Ausarbeitungen ein vorgefertigtes, vom Lehrer erstelltes, auszufüllendes Übungsblatt wesentlich mehr schätzen als zuvor. Zudem lasen sie Arbeitsanweisungen deutlich konzentrierter und hatten weniger Probleme beim Ausfüllen der geforderten Auswertung. Sie überblickten die Struktur eines solchen Arbeitsblattes deutlich besser und kamen somit leichter auch mit komplizierteren Anweisungen zu Recht. 1 Es handelt sich hierbei um subjektive Wahrnehmungen der Lehrkraft aus folgenden Unterrichtsstunden. Ein empirischer Beleg konnte dafür noch nicht erbracht werden. 4 Unterrichtssequenz Schuljahresanfang Zu Beginn des Schuljahres werden die Schülerinnen und Schüler mit dem Konzept der Ausarbeitungen von Schülerübungen vertraut gemacht. Sie lernen den Aufbau kennen (Material [2]) und machen einen ersten korrigierten aber unbenoteten Versuch einer Ausarbeitung. Möglich ist es auch den Schülerinnen und Schülern eine Musterlösung zu einem behandelten Thema zu geben. Schülerübung Für einen passenden Inhalt erhalten die Schülerinnen und Schüler einen Forschungsauftrag (vgl. z. B. Material [1]) und die entsprechenden Materialien. Ideal ist es die Übungen in geteilten Gruppen und in einer Doppelstunde abzuhalten (vgl. obige Hinweise). In der ersten Stunde sollen die Arbeitsgruppen das Experiment planen, durchführen und Ergebnisse mitschreiben. In der zweiten Stunde ist dann Zeit für die Ausarbeitung. Fertige Ausarbeitungen können dann schon am Ende der Doppelstunde abgegeben werden, der Rest sollte die Ausarbeitungen spätestens eine Woche später zur Korrektur abgeben. Korrektur und Verbesserung Die Lehrkraft korrigiert nun die Ausarbeitungen und bewertet sie mit Hilfe einer aufgeklebten Kopie der Bewertungsmatrix (Material [3]). Zwei Wochen nach der Durchführung der Übung erhalten alle Arbeitsgruppen ihre Auswertungen zurück und erhalten einige Tage Zeit für eine mögliche Verbesserung der Ausarbeitung. Die Lehrkraft korrigiert und bewertet die abgegebenen Verbesserungen und ändert gegebenenfalls die Note ab. Schließlich erhalten die Schülerinnen und Schüler ihre Ausarbeitungen zurück und heften sie in ihren Ordner ab. Die meisten freuen sich dabei über eine gelungene Verbesserung. 5 Liste der Materialien Material 1 Forschungsauftrag der physikalischen Schülerübung 6 Material 2 Gliederung bzw. Anleitung zur Ausarbeitung von naturwissenschaftlichen Schülerübungen (Erstellt von StR Johannes Almer, LTG Prien) 7 Material 3 Bewertungsmatrix 8 Material 4 Beispiel einer Schülerarbeit (erste von drei Seiten) 9 Material 5 Beispiel einer Schülerarbeit: Verbesserung 10 Material 6 Beispiel einer Schülerarbeit: ausgefüllte Korrekturmatrix nach der zweiten Korrektur Literaturverzeichnis [1] ISB Bayern: Physik Jgst. 8 - Lehrplan für das Gymnasium in Bayern. Bayrisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus. München (2009). Anschrift des Verfassers StD Rainer Hoff Mitarbeiter in der Schulleitung Ludwig-Thoma-Gymnasium Seestraße 25 83209 Prien 11