Yoga statt Zähne zusammenbeißen

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Mittwoch, 1. Dezember 2010
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Yoga statt
Zähne zusammenbeißen
Wieso soll Entspannung gut
für die Zähne sein? Stress
kann sich zum Beispiel auf
die Kiefermuskulatur auswirken – und zu Schmerzen und
Zähneknirschen führen.
Von Marina Martin (Hochschule Coburg)
D
er schnarchende Partner ist
für einige Paare ein bekanntes Problem. Dass auch das
Zähneknirschen den Schlaf
rauben kann, ist vielen neu.
Doch tatsächlich knirschen manche Menschen nachts so laut mit den Zähnen, dass
dadurch störende Geräusche entstehen.
Bruxismus, so der Fachbegriff, wird häufig
unterschätzt.
Doch was genau versteht man unter
Bruxismus? Es handelt sich nicht um eine
eigenständige Krankheit, sondern um ein
Symptom, das auf verschiedene Probleme
hindeuten kann. Die Betroffenen reiben
unbewusst im Schlaf die Zähne aneinander oder pressen diese zusammen. Dabei
kann ein enormer Druck von 300 bis 400
Kilo entstehen. Das Zähneknirschen
bleibt oft lange unerkannt. Häufig bemerkt es der Partner oder die Partnerin,
wenn das Geräusch des Knirschens den
Schlaf raubt. Oder der Zahnarzt stellt es
bei einer Routineuntersuchung fest.
Die Folgen sind von der Intensität abhängig. Je mehr man knirscht, desto mehr
wird der Zahnschmelz beschädigt. Dadurch wird der Zahn dauerhaft anfälliger
für Erkrankungen wie Karies. Im
schlimmsten Fall kann der Zahn wegen
des hohen Drucks der Länge nach durchbrechen. Oft treten zeitgleich andere Beschwerden auf. Typisch sind Schlafstörungen, Verspannungen im Hals-, Nackenund Schulterbereich sowie Schmerzen
und knackende Geräusche im Kiefergelenk. Auch Kopfschmerzen und
Migräne können ihre Ursachen im
nächtlichen Knirschen haben. Sogar Tinnitus kann damit zusammenhängen.
„Knirschen kann sowohl Ursache als auch Folge sein. Deshalb
ist es notwendig alle Auslöser zu
finden und den Körper als Gesamtes zu betrachten“, betont
die Coburger Zahnärztin Dr. Jana Edelmann. Anhand der Beschwerden, die Patienten schildern, oder der so genannten
Knirschrillen kann sie schnell
eine
Diagnose
stellen.
„Wenn der Verdacht erst
einmal besteht“, sagt
Edelmann, „ist es
möglich, den Ursachen durch
gezielte
Fragen auf den Grund zu gehen.“ Sie gibt
den Patienten zusätzlich Fragebögen zu
Stressbelastung und eventuell vorhandenen Funktionsstörungen mit. Neben einer
Fehlstellung des Kiefergelenks können
eine falsche Bissstellung, zum Beispiel
durch eine zu hoch sitzende Krone, oder
eine falsche Belastung der Muskulatur
Schuld an der nächtlichen Kieferarbeit
sein. Die Funktionsanalyse ist Grundlage
für den weiteren Therapieverlauf. „Wenn
lediglich eine Krone nicht angemessen ist,
so kann diese einfach angepasst werden.
Bei einer Funktionsstörung muss man allerdings den Menschen immer ganzheitlich betrachten“, erklärt Edelmann. Die
Zahnärztin schickt ihre Patienten gegebenenfalls zu Orthopäden, Osteopathen,
Neurologen und Physiotherapeuten.
Mit einem Handtuch, auf dem der
menschliche Körper abgebildet ist, verdeutlicht sie die Zusammenhänge: An einer Stelle greift sie zu und rafft
das Tuch zusammen, um
eine Störung zu simulieren. Dabei kann man
erkennen, wie sich
auch der Rest verzieht. So, erklärt
sie, kann sich
auch ein schief
stehendes
Becken bis hin
zum Kiefer auswirken.
Als
Vorbereitung
auf die Therapie ist eine so
genannte JigSchiene oft
sinnvoll,
welche individuell
angefertigt wird. Sie verändert die Bissstellung so, dass nur die vorderen Zähne Kontakt zueinander haben. Dadurch kann der
Kiefer die hohen Kräfte nicht mehr aufbringen und entspannt somit die Muskulatur. Die Schiene trägt man nächtlich für
etwa sechs bis acht Wochen. Danach trainiert man, wenn erforderlich, mit einem
Physiotherapeuten eine bewusste Haltung
ein. In jedem Fall sollte eine auf die Bedürfnisse des Patienten abgestimmte Therapie erfolgen. Die Behandlung muss der
Patient allerdings selbst bezahlen.
Nur die Kosten für die Knirscher-Schiene werden von den Krankenkassen übernommen. Die Schiene muss dauerhaft
nachts getragen werden, und behandelt
nicht die Ursachen, sondern verhindert
lediglich eine weitere Abnutzung der Zähne. Darum halten sie nicht alle Zahnärzten für sinnvoll.
Wegen der unterschiedlichen Ursachen,
auf die man nicht immer Einfluss habe, sei eine Prävention schwierig, sagt Jana
Edelmann. Da Stress jedoch
ein
immer
schwerwiegenderer
Faktor wird, rät sie, als
Vorsorge auf Entspannung
zu
achten. Dies bestätigt eine Studie der
Heinrich-HeineUniversität
in
Düsseldorf, woraus hervorgeht,
dass sich Stress direkt auf das Knirschen auswirkt.
„Dies ist nicht
verwunderlich“,
meint Dr. Tobias
Esch, Professor
für Integrative
Ge-
Watte im Ohr:
Hörsturz?
sundheitsförderung an der Hochschule
Coburg. „Schließlich ist es evolutionär bedingt, dass wir unter Stress diverse Muskelpartien anspannen und sprichwörtlich die
Zähne zusammenbeißen. Jedoch setzen
wir uns in der heutigen Zeit immer mehr
in dumpfes Gefühl im Ohr
Stress aus und vernachlässigen die notkann ein erstes Zeichen für eiwendige Entspannung.“
nen Hörsturz sein. Betroffene
Wie geht man richtig mit Stress um? Da
sollten schnell einen Arzt aufsuchen,
viele Menschen heute sitzend tätig sind,
empfiehlt der Deutsche Berufsverkann Bewegung als Ausgleich dienen.
band der Hals-Nasen-Ohrenärzte in
Und: Kaum jemand baut Entspannung beNeumünster. Das watteartige Gefühl
wusst in den Tagesablauf ein. Genauso
könne verschiedene Formen annehwichtig ist der kognitive Umgang mit
men – von verzerrter Wahrnehmung
Stress. Am besten sei, wenn sich diese drei
bis hin zu völliger Taubheit. Hinzu
Bereiche ergänzen, sagt der Stressforscher.
kämen manchmal Schwindel oder
Allerdings hat nicht jeder ausreichend
Benommenheit. Ein Hörsturz sollte
Zeit, um Techniken zu lernen oder an einach Angaben des Verbandes behannem Stressmanagement-Kurs teilzunehdelt werden. Sonst drohe ein dauermen. Für all jene hat er ein paar Tipps:
hafter Verlust des Hörvermögens
„Beim Laufen, sei es auf dem Weg zum
oder ein Tinnitus. HörsturzbehandDrucker oder zum Arbeitsplatz selbst, ist es
lungen werden von den gesetzlichen
sinnvoll, sich nur auf das Laufen zu konKrankenkassen meist nicht überzentrieren. Auch beim Essen ist es hilfnommen. Betroffene sollten sich dareich, sich zumindest für wenige Bissen
her vor der Therapie beim Arzt über
bewusst auf das Kauen zu konzentrieren,
die Kosten informieren.
dpa
und dies mit Achtsamkeit zu tun.“ Viele
Menschen sind stattdessen mit den Gedanken woanders, überlegen sich vielleicht, was sie erledigen
müssen.
Zähne im Test
Das lässt sich auch auf
den Sport übertragen. So
kann man beim Laufen,
Für alle, die das Risiko einer Funktistatt belastende Gedanken
onsstörung einschätzen wollen, gibt
mitzuschleppen oder Mues im Internet einen Selbsttest. Diesik zu hören, das Bewusstser bezieht sich auf die Craniomandisein gezielt auf die eigenen
buläre Dysfunktion (CMD), also ProSchritte lenken und daraus
blemen mit Kiefermuskeln und Kieeine Art Meditation mafergelenken. Sie gehören zu den körchen. Eine weitere Übung,
perlichen Ursachen für Zähneknirdie man ohne Zeitaufwand
schen. Der Test ist in sechs Fragen
in den Tagesablauf inteunterteilt und bietet eine ausführligrieren kann, ist das beche Anleitung.
wusste Atmen. „Atmen Sie
—————
ein paar Mal täglich für
www.prodente.de
zwei bis drei Atemzüge
ganz bewusst tief ein und
aus“, rät Esch. „Dafür machen Sie sich am
besten Eselsbrücken als Gedächtnisstütze,
nehmen Sie es sich beispielsweise immer
vor, wenn Sie eine SMS erhalten.“ Stress
führt nicht nur zum Zähneknirschen. An
erster Stelle seien die Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu nennen, sagt der Professor;
gefolgt von Kopf- und Rückenschmerzen,
ucht hat viele Gesichter. MillioSchlafproblemen, negativen Auswirkunnen Deutsche sind abhängig
gen auf die Partnerschaft, Ausbleiben von
von Tabak, Alkohol oder MediSchwangerschaften, Depressionen und
kamente, Hunderttausende von
Burnout. Somit sind psychische BelasCannabis oder Glücksspielen. Auch
tungen ein Risikofaktor für ganz unterOnline-Sucht ist inzwischen ein Theschiedliche Erkrankungen. Ganz zu
ma. Ein Überblick nach Angaben der
schweigen davon, dass wohl jeder Stress
Drogenbeauftragten der Bundesreals unangenehm empfindet. Also lautet
gierung, Mechthild Dyckmans:
die Devise: seltener die Zähne zusammenbeißen, öfter entspannen. Man
쮿 Tabak: In Deutschland raucht
tut damit nicht nur den Zährund ein Drittel der Erwachsenen.
nen etwas Gutes.
Insgesamt sind das etwa 16 Millionen Menschen.
E
Süchtige in
Deutschland
S
쮿 Alkohol: 9,5 Millionen Menschen in Deutschland konsumieren
Alkohol in riskanter Form, rund 1,3
Millionen sind Alkoholiker.
쮿 Medikamente: Bis zu 1,9 Millionen Menschen sind nach Schätzungen
medikamentenabhängig.
Rund 70 Prozent davon sind Frauen,
viele älter als 60 Jahre alt.
쮿 Cannabis: Rund 400 000 Menschen konsumieren die Droge in einer Weise, die als problematisch eingestuft wird. Viele davon gelten als
abhängig.
쮿 Glücksspiel: Bis zu 400 000
Bundesbürger gelten als glücksspielsüchtig. Sie können ihr Spielverhalten nicht mehr richtig kontrollieren.
쮿 Online- und Mediensucht: Experten gehen davon aus, dass rund
drei Prozent der jugendlichen und
erwachsenen Internetnutzer von
dem Medium abhängig sind – viele
von Online-Computerspielen. dpa
Stress ist die häufigste ursache von Zähneknirschen. Deshalb hilft, sich zu entspannen.
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