1 Betriebsrat: „Wozu braucht man den?“

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Betriebsrat: „Wozu braucht man den?“
Rede
Einleitung
Betriebsräten eilt der Ruf voraus, dass sie einen hohen Kaffeekonsum haben. Das
ist, zumindest was unseren Betriebsrat angeht, richtig. Damit verbunden ist in vielen
Köpfen aber auch die Vorstellung von der Betriebsratssitzung als Kaffeeklatsch bei
… (Onkel/Tante) … (Name des/der Vorsitzenden). In gemütlicher Runde sitzt man
beim Plausch zusammen und macht sich einen schönen Nachmittag. Derweil dürfen
die Kolleginnen und Kollegen die Arbeit für die fehlenden Betriebsratsmitglieder in
den Abteilungen mitmachen. Das ist nicht richtig.
Ich verstehe, dass sich viele von Ihnen fragen, was tut der Betriebsrat sonst noch
außer Kaffeetrinken und ratschen? Woher sollen Sie das auch wissen? Betriebsratsarbeit findet hinter verschlossenen Türen statt. Dennoch ist der Betriebsrat kein
Geheimrat. Sie haben einen Anspruch darauf zu erfahren, wozu Sie uns gewählt
haben. Ich beabsichtige nicht, unsere Betriebsratsarbeit zu rechtfertigen, wenn ich
das Thema „Betriebsrat – wozu braucht man den?“ gewählt habe. Vielmehr möchte
ich Ihnen einen Eindruck davon vermitteln, welchen Einfluss der Betriebsrat auf
Entscheidungen des Arbeitgebers hat und was wir sonst noch tun, um Ihre Interessen als Arbeitnehmer zu vertreten. Wir brauchen bei unserer Arbeit Ihre Rückendeckung. Sonst sitzen wir zwischen allen Stühlen. Dafür möchte ich bei Ihnen werben
und um Ihr Verständnis bitten, wenn Sie gelegentlich die Arbeit für eine Kollegin, die
wegen Betriebsratsarbeit abwesend ist, mit übernehmen müssen.
Hauptteil
In einem Arbeitsverhältnis ist der Arbeitnehmer immer der schwächere Vertragspartner gegenüber dem Arbeitgeber. „Ober sticht Unter“, sagt man in Bayern beim
Schafkopfspiel. Der Arbeitnehmer ist wirtschaftlich und persönlich vom Arbeitgeber
abhängig. Daran können auch die vielen Arbeitnehmerschutzgesetze im Prinzip
nichts ändern. Häufig kennt sie der einzelne Arbeitnehmer zu wenig oder traut sich
nicht, seine Rechte gegenüber dem übermächtigen Arbeitgeber einzufordern. Der
Betriebsrat kann die Interessen der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber besser durchsetzen als der einzelne Arbeitnehmer. Er ist unabhängiger und gleichberechtigter Gegenspieler des Arbeitgebers auf der betrieblichen Ebene. Das Regelwerk der Beteiligungsrechte und der Zusammenarbeit mit dem Arbeitgeber ist im
Betriebsverfassungsgesetz festgelegt. Die Absicht des Gesetzgebers war es, Entscheidungen über Arbeitsbedingungen und die personelle Zusammensetzung des
Betriebs dem Arbeitgeber nicht allein zu überlassen. Ich möchte betonen, dass trotz
der Interessengegensätze und mitunter harter Auseinandersetzungen zwischen uns
und den Arbeitgebervertretern das Vertrauensverhältnis nicht gestört ist. Keine Seite
versucht den anderen über den Tisch zu ziehen.
Der Betriebsrat vertritt gegenüber dem Arbeitgeber die Interessen aller Arbeitnehmer, mit Ausnahme der leitenden Angestellten (§ 5 BetrVG). Um diese Aufgabe
wirksam wahrnehmen zu können, nimmt er auf der Grundlage der gesetzlich festgelegten Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte Einfluss auf Entscheidungen des
Arbeitgebers im Sinne der Interessen der Belegschaft. Die Beteiligungsrechte reichen von der rechtzeitigen und umfassenden Unterrichtung über Anhörung und
Beratung des Betriebsrats bis zur Mitbestimmung bei sozialen (§ 87 BetrVG), personellen (§§ 92 bis 105 BetrVG) und wirtschaftlichen Angelegenheiten (§§ 106 bis 113
BetrVG). Welche Vorteile bringen die Beteiligungsrechte für die Belegschaft? Ich
möchte dies anhand von einigen Beispielfällen aus der Praxis verdeutlichen. Schauen wir uns mal an, wie die jeweilige Problemlösung in einem Betrieb mit Betriebsrat
aussieht und vergleichen sie mit den Auswirkungen auf die Arbeitnehmer eines
betriebsratslosen Betriebs.
Erstes Beispiel: Der Arbeitgeber möchte in einem Betrieb, in dem ein Betriebsrat
besteht, Vertrauensarbeitszeit einführen. Arbeitszeitregelungen unterliegen nach
dem Betriebsverfassungsgesetz der Mitbestimmung des Betriebsrats (§ 87 Abs. 1
Nr. 2 BetrVG). Das bedeutet, dass der Arbeitgeber diese Maßnahme nur mit Zustimmung des Betriebsrats einführen kann und der Betriebsrat ein durchsetzbares
Vorschlagsrecht hat. Beide Seiten müssen über die vom Arbeitgeber vorgeschlagene
neue Regelung verhandeln und sich über den Inhalt einer entsprechenden Betriebsvereinbarung einigen. Das unternehmerische Ziel des Arbeitgebers ist wahrscheinlich, mit der Einführung der Vertrauensarbeitszeit die Arbeit noch rationeller zu
gestalten und damit Kosten zu sparen. Das kann zulasten der Arbeitnehmer gehen.
Dem Betriebsrat muss deshalb daran gelegen sein, dass die Vorteile der Vertrauensarbeitszeit für die Arbeitnehmer nicht mit unangemessenen Belastungen der
Mitarbeiter bezahlt werden. Er wird vor allem nicht hinnehmen, dass durch die freizügige Gestaltung der Arbeitszeit der gesetzliche Arbeitszeitschutz unterlaufen und
die Arbeitnehmer unter Druck gesetzt werden. Kommt eine Einigung nicht zustande,
kann jede Seite die Einigungsstelle anrufen, die die Einigung zwischen Arbeitgeber
und Betriebsrat ersetzt (§ 87 Abs. 2 BetrVG). Zur Erklärung: Die Einigungsstelle ist
eine von Betriebsrat und Arbeitgeberseite gebildete innerbetriebliche Schlichtungsund Entscheidungsstelle, die in mitbestimmungspflichtigen Streitfällen angerufen
werden kann. Sie besteht aus gleich vielen Beisitzern von jeder Seite und einem
unparteiischen Vorsitzenden.
Wie wird der gleiche Fall in einem betriebsratslosen Betrieb gelöst? Da die Arbeitnehmer keine rechtlichen Möglichkeiten haben, die Entscheidung des Arbeitgebers
zu beeinflussen, legt er allein die Spielregeln für die Vertrauensarbeitszeit fest.
Weiteres Beispiel: Der Arbeitgeber will in einem Betrieb, in dem ein Betriebsrat
besteht, wegen Auftragsrückgang in der Abteilung Kundenservice eine Stelle streichen. Er spricht dem 50-jährigen Sachbearbeiter Josef Huber eine betriebsbedingte
Kündigung aus, ohne den Betriebsrat vorher überhaupt zu hören oder bevor die
Anhörungsfrist von einer Woche abgelaufen ist. Diese Kündigung ist von vorneherein
unwirksam (§ 102 Abs. 1 BetrVG), weil das Betriebsverfassungsgesetz bestimmt,
dass eine Kündigung ohne Anhörung des Betriebsrats unwirksam ist. Nehmen wir
an, der Arbeitgeber hätte die Anhörung ordnungsgemäß vorgenommen. Was kann
der Betriebsrat in diesem Falle für den zu kündigenden Arbeitnehmer tun? Der
Betriebsrat hat an Hand der vom Arbeitgeber vorzulegenden Unterlagen und nach
gesetzlich vorgegebenen Kriterien zu prüfen, ob die Kündigung gerechtfertigt ist. Hat
zum Beispiel der Arbeitgeber bei der Festlegung auf diesen Mitarbeiter soziale
Gesichtspunkte ausreichend berücksichtigt? Könnte dem Arbeitnehmer nicht eine
Verwendung auf einem anderen Arbeitsplatz im Betrieb ermöglich werden? usw.
Stellt der Betriebsrat fest, dass die Kündigung dieses Mitarbeiters nicht gerechtfertigt
ist, kann er ihr widersprechen (§ 102 Abs. 3 BetrVG). Dadurch wird zwar der Arbeitgeber nicht gehindert, die Kündigung auszusprechen. Klagt der betroffenen Arbeitnehmer bei Gericht gegen seine Kündigung, muss er bei ordnungsgemäß eingelegtem Widerspruch bis zum Abschluss eines rechtskräftigen Urteils, auch über seine
Kündigungsfrist hinaus, weiterbeschäftigt werden (§ 102 Abs. 5 BetrVG). Obwohl der
Betriebsrat Kündigungen nicht verhindern kann, bilden seine Beteiligungsrechte doch
eine wirksame Barriere gegen willkürliche Arbeitgeberkündigungen.
Bei einer Kündigung in einem betriebsratslosen Betrieb entfällt diese Hemmschwelle
vor dem Aussprechen einer Kündigung. Dem Arbeitnehmer bleibt nur die Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht.
Auch bei sonstigen personellen Maßnahmen kann der Betriebsrat Einfluss auf Arbeitnehmerentscheidungen nehmen. Bei Einstellungen, Ein- und Umgruppierungen
sowie bei Versetzungen kann er seine Zustimmung verweigern, wenn die Maßnahme gegen Gesetze, Verordnungen, Vereinbarungen oder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt oder sozial nicht gerechtfertigt ist. Verweigert der Betriebsrat seine Zustimmung, kann der Arbeitgeber nur über einen Gerichtsentscheid die
personelle Maßnahme durchführen. Jede neu zu besetzende Stelle im Betrieb ist
innerbetrieblich auszuschreiben. Auf diese Weise haben wir die Möglichkeit geschaffen, dass unsere Kollegen die Chance haben, sich zu verändern oder im Betrieb
weiterzuentwickeln. Der Arbeitgeber ist verpflichtet, bei gleicher Qualifizierung betriebsinternen Bewerbern den Vorzug vor externen Stellensuchenden zu geben. In
Betrieben ohne Betriebsrat sind die Arbeitgeber lediglich an Gesetzesvorschriften
gebunden. Ihnen schaut auch niemand genau auf die Finger, ob sie die Bestimmungen einhalten. In einem Betrieb mit Betriebsrat bläst dem Arbeitgeber der Wind
schärfer ins Gesicht. Der Betriebsrat ist gesetzlich verpflichtet, ständig zu überwachen, dass die zugunsten der Arbeitnehmer geltenden Gesetze, Verordnungen,
Tarifverträge und Betriebsvereinbarungen durchgeführt werden. Unser besonderes
Augenmerk ist dabei auf die Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften gerichtet.
Vertrauen ist gut, Betriebsrat ist besser. Schließlich steht unser Betriebsrat jedem
Mitarbeiter, der Fragen, Kummer oder Beschwerden hat, jederzeit mit Rat und Tat
zur Seite.
Betriebsräten wird insbesondere von Arbeitgeberseite manchmal vorgeworfen, sie
seien die Fortschrittsbremser des Betriebs. Sie würden Maßnahmen allein deswegen
blockieren, weil sie vom Arbeitgeber vorgeschlagen werden. Es mag Betriebsräte
geben, die nach dem Motto handeln: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es
heraus. Wir verstehen Betriebsratsarbeit als Auftrag, die Arbeitsbedingungen im
Betrieb mitzugestalten. Zu unserem Selbstverständnis gehört es, Maßnahmen der
Geschäftsführung, die der Wettbewerbsfähigkeit unseres Betriebs und der Arbeitsplatzerhaltung dienen, zu fördern. Wir wollen aber nicht nur reagieren, sondern auch
unser Initiativrecht ausschöpfen, um eigene Vorschläge dazu einzubringen. Wie das
Gesetz es befiehlt, haben wir uns bei allen Entscheidungen, liebe Kolleginnen, liebe
Kollegen, an Ihren berechtigten Interessen zu orientieren, ohne das Wohlergehen
des Betriebs aus dem Auge zu verlieren. Wir verstehen uns, mal etwas pathetisch
formuliert, als das soziale Gewissen des Betriebs, das sich immer dann zu Wort
meldet, wenn die Geschäftsführung ihre soziale Verantwortung mal wieder an der
Garderobe der Führungsetage abgegeben hat.
Schluss
Liebe Kolleginnen, liebe Kollegen, es soll ja bei einem großen Autohersteller in
Wolfsburg Betriebsratsmitglieder gegeben haben, die sich in ihrem Amt vorwiegend
als „Imker“ betätigt und mit flotten Bienen beschäftigt haben. Und das auf Kosten und
mit Wissen des Arbeitgebers. Dieser Skandal hat dem Ansehen der Betriebsräte in
der öffentlichen Meinung erheblich und nachhaltig geschadet. Ich brauche sicher
nicht zu betonen, dass wir ein anderes Verständnis von Betriebsratsarbeit haben.
Das wollte ich mit meinen Ausführungen rüberbringen. Ich wollte auch um Ihr Ver-
trauen in unsere Arbeit werben. Wir brauchen Ihre Rückendeckung, wenn wir in den
Verhandlungen mit dem Arbeitgeber Ihre Interessen noch überzeugender vertreten
wollen.
Welche Fragen kann ich Ihnen noch beantworten?
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