Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr

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Bundesrat
5. April 2013
819. Sitzung / 1
9.49
Bundesrat Efgani Dönmez, PMM (Grüne, Oberösterreich): Sehr geehrter Herr
Vizekanzler! Hohes Präsidium! Geschätzte Kolleginnen und Kollegen! Werte
ZuseherInnen zu Hause! „Initiative für Religionsfreiheit und gegen Christenverfolgung“
ist das Thema dieser Aktuellen Stunde. Unter der politischen Federführung der ÖVP
und durch finanzielle Unterstützung von Saudi-Arabien wurde unter dem Deckmantel
des interreligiösen Dialoges ein King-Abdullah-Zentrum in Wien installiert. Ein Land, in
dem Christen und Angehörige anderer Religionen Verfolgungen ausgesetzt sind,
finanziert nicht nur ein interreligiöses Dialogzentrum in Österreich, sondern auch
bestimmte terroristische Gruppierungen.
Das doppelbödige Spiel der ÖVP ist genau an dieser Themensetzung der Aktuellen
Stunde erkennbar: auf der einen Seite sich gegen Christenverfolgung einzusetzen und
auf der anderen Seite jene salonfähig zu machen und zu hofieren, die im eigenen Land
Christen und Angehörige anderer Religionen verfolgen. Das ist ein Spiel, welches in
Österreich mit politischer Unterstützung der Regierungsparteien an Kabarettreife kaum
zu übertreffen ist.
Eine einzige Abgeordnete in dieser Kammer – bis auf die Kolleginnen und Kollegen der
freiheitlichen Fraktion – hat dagegen gestimmt, nämlich Kollegin Anneliese Junker von
der ÖVP, die da Standhaftigkeit bewiesen hat.
Ihre Weltanschauung und ihre gesellschaftliche Einstellung gegenüber Frauen,
ethnischen Minderheiten, religiös Andersgläubigen und ihre wirre Interpretation des
Islams sind allzu bekannt. Und mit Leuten aus diesem Dunstkreis suchen Sie den
Dialog, das sind Ihre Ansprechpartner für die Lösung der Probleme.
Wissen Sie, was wirklich ein Lösungsansatz wäre? – Wenn man erkennt, dass der
Osten seine Schätze hat, die religiösen Techniken, und der Westen seine Schätze hat,
die wissenschaftlichen Techniken. Und wenn sich diese treffen könnten, könnte diese
Welt zum Paradies werden. Dann wäre es nicht mehr notwendig, sich nach einer
anderen Welt zu sehnen. Wir sind zum ersten Mal in der Lage, hier auf dieser Erde das
Paradies zu schaffen, und wenn wir es nicht tun, dann liegt das nur an uns, kein
anderer ist dafür verantwortlich!
Ich bin für eine Welt, eine Menschheit und letztlich eine Wissenschaft, die beides
umfassen, die Verbindung von Religion und Wissenschaft, eine Wissenschaft, die sich
sowohl um die äußere als auch um die innere Welt kümmert. Angehörige einer
Religion, welche Angehörige einer anderen Religion oder Atheisten verfolgen,
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erniedrigen, ihnen Rechte vorenthalten, sie sogar ermorden, haben den Kern, welcher
allen Religionen zugrunde liegt, nicht verstanden.
Wir dürfen einander nicht als Fremde betrachten. Wir sind die Früchte eines Baumes
und die Blätter eines Zweiges. Und ich bin der tiefsten Überzeugung, dass keiner das
Recht hat – keiner! –, sich über den anderen zu erheben. (Bundesrat Kneifel: Jetzt
wird es lyrisch!) Blindheit und Hass haben seit Jahrtausenden die Menschheit an den
Abgrund geführt, zumeist geführt von zwei Kräften: der Politik und einer
instrumentalisierten Religion. Wahre Religion bedarf keiner politischen
Instrumentalisierung. Wahre Religion kommt aus dem Inneren des Menschen, so wie
das Haci Bektas Veli bereits im 13. Jahrhundert gesagt hat: Was immer du auch
suchst, suche es in dir!
Die Trennung von Staat und Religion bedeutet für mich nicht, Religionen zu verbieten
oder Gläubige als Staatsbürger zweiter Klasse zu behandeln. Als Beispiel möchte ich
hier die Türkei anführen. Was ist passiert? – Die ehemals säkular-kemalistische Elite
des Landes hat genau durch diese Verhaltensweisen bewirkt, dass jetzt eine islamischislamistische Elite diese abgelöst hat. Die Situation der religiösen Minderheiten wie
etwa der Christen oder der Aleviten in der Türkei sorgt nach wie vor für
Diskussionsstoff, insbesondere das Kloster Mor Gabriel oder auch die
Nichtanerkennung des Alevitentums als eigenständige Religion in der Türkei, wo die
meisten Aleviten und Alevitinnen leben.
Österreich hat da eine Vorreiterrolle eingenommen, und darauf können wir alle stolz
sein. Österreich hat die 60 000 Aleviten und Alevitinnen, die in Österreich leben, als
eigenständige Religionsgemeinschaft anerkannt. Damit haben sie natürlich Rechte
erhalten, die ihnen bis vor Kurzem noch vorenthalten wurden.
Die Situation der religiösen Minderheiten in anderen Ländern steht ebenfalls unter
internationaler Beobachtung, seien es Verfolgungen gegenüber den Bahai im Iran oder
den christlichen Minderheiten in den arabischen Ländern, den Zeugen Jehovas in
Russland oder in der Ukraine oder auch in der Türkei und in Aserbaidschan wegen der
Wehrdienstverweigerung. Aber auch Angehörige des jüdischen Glaubens werden seit
Tausenden von Jahren verfolgt, und ihnen wird von manchen Gruppen und
Bewegungen jegliche Existenzberechtigung abgesprochen.
Angehörige dieser Religionen sind nach wie vor mehr oder weniger Gewalt ausgesetzt,
und an der Spirale der Gewalt wird im Zuge der Umbrüche in der arabischen Welt mit
unüberschaubarer Geschwindigkeit gedreht, die Gewalt nimmt dramatisch zu. Da
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spielen eine doppelbödige Politik und auch eine falsch interpretierte und
instrumentalisierte Religion eine wesentliche Rolle.
Sehen wir uns die Situation etwas genauer an: Was erkennen wir? Wer verfolgt wen?
Wer bekommt von wem Unterstützung? Wer finanziert Waffen? Welche Allianzen –
innerislamisch und seitens der westlichen Mächte – werden eingegangen? Welche
Rolle spielen die Machteinflüsse des Westens im Kampf um Absicherung und Zugang
zu den Ressourcen?
Wir befinden uns im Krieg! Wir befinden uns im Krieg um die verbleibenden und
knapper werdenden Ressourcen. Die Religion wird dabei missbraucht, um die Massen
zu mobilisieren. Wer würde schon in den Krieg ziehen, damit wir genügend Treibstoff
für unsere Tanks bekommen? Durch eine falsch verstandene und instrumentalisierte
Religion gepaart mit politischen Interessen werden Angehörige zuerst diffamiert,
ausgegrenzt und dann verfolgt. Diese Systematik ist ja nichts Unbekanntes und tritt seit
Menschengedenken in unterschiedlichen Schattierungen zutage. (Präsident Mayer gibt
das Glockenzeichen.)
Deswegen ist es meiner Meinung nach extrem wichtig, dass wir in der Politik, aber
auch in den Religionen Menschen haben, die das Gemeinsame in den Vordergrund
stellen und nicht das Trennende heranziehen – ohne alles gleichzumachen. Wir sind
nicht alle gleich, und die Gesellschaft lebt von Vielfalt. Dazu gehören religiöse
Menschen und Atheisten. Keiner hat das Recht, sich über den anderen zu stellen, und
jeder hat die Pflicht, hinzusehen, wo Unrecht geschieht – egal, von wem wem
gegenüber.
Ein Nebensatz sei mir noch erlaubt: Wenn sich die Kollegin von der FPÖ hier gegen
die Verfolgung von religiösen Minderheiten in unterschiedlichen Ländern stark macht,
dann werden ihre Aussagen meiner Meinung nach dann authentisch und glaubhaft,
wenn die FPÖ auch gegenüber Asylsuchenden, Asylwerbern nicht mehr diese
ablehnende Haltung zeigt (Zwischenruf der Bundesrätin Mühlwerth), wie das bis dato
der Fall ist. (Bundesrat Kneifel: Wann und wo?) Letztendlich zählen nicht die Worte,
sondern die Taten, die wir setzen. – Danke. (Beifall bei Grünen und SPÖ.)
9.57
Präsident Edgar Mayer: Als Nächster zu Wort gelangt Herr Kollege Köberl. – Bitte.
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