60 Jahre Bretton Woods-Institutionen

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Gemeinsame Broschüre von BMF und BMZ
60 Jahre Bretton Woods-Institutionen:
Standortbestimmung und Ausrichtung
-2-
Einleitung und Grußwort
Foto
BM Eichel
Bessere Lebensverhältnisse weltweit: Dafür
müssen wir die Chancen der Globalisierung
für alle nutzbar machen und die damit einhergehenden Risiken begrenzen.
Die vor 60 Jahren gegründeten Bretton
Woods-Institutionen, der Internationale
Währungsfonds (IWF) und die Weltbank,
leisten hierzu einen unersetzlichen Beitrag.
Ein stabiles internationales Finanzsystem
und effektive Armutsbekämpfung sind wesentliche Zwischenziele einer Globalisierung für alle. Beide Institutionen ergänzen
sich dabei und sind gleichzeitig beide Institutionen nicht nur Instrumente zur Gestaltung der Globalisierung, sie operieren auch
in einem sich wandelnden globalen Umfeld. Sie müssen sich also auch mit Globalisierung fortentwickeln und auf kommende
Herausforderungen einstellen.
Der IWF ist wesentlicher Bestandteil eines
globalen Ordnungsrahmens zur Sicherung
der internationalen Finanzstabilität. Damit
der IWF diese Aufgabe angesichts langfristiger Entwicklungstrends weiterhin wahrnehmen kann, muss er seine Arbeit auf
bestimmte Kernkompetenzen fokussieren
und sein Wirken noch enger mit den
Marktkräften und anderen Institutionen
verzahnen.
Insbesondere sollte er seine katalytische
Funktion stärken. Dazu muss er zum einen
seine Kreditvergabe begrenzen. Zum anderen muss er zentrale Dienstleistungen für
seine Mitglieder und die internationale
Gemeinschaft als Ganzes stetig verbessern.
Hierzu zählt insbesondere die ständige
Verbesserung der Qualität seiner Analyseund Überwachungstätigkeit, aber auch die
Stärkung des Angebots an technischer Hilfe
oder die Schaffung von Instrumenten, die
Foto
BM’in Wieczorek-Zeul
Wir schauen zurück auf die letzen 60 Jahre,
die seit der Gründung der Bretton-WoodsInstitutionen vergangen sind. Die Herausforderungen, vor denen die Welt damals
stand, sind zum Teil auch heute noch relevant. 1,2 Mrd. Menschen auf dieser Erde
müssen mit weniger als 1 Dollar am Tag
auskommen. Es geht darum, alle Menschen
in die Weltgemeinschaft zu integrieren.
Beginnend mit der Kölner Initiative zur
Entschuldung der ärmsten Entwicklungsländer wurde ein grundlegender Wandel in
der Politik der Weltbank eingeleitet. Seit
dem haben 54 Entwicklungsländer sogenannte
Armutsbekämpfungsprogramme
erstellt. Diese Länder haben die Bekämpfung der Armut zu ihrer politischen Priorität gemacht. Parallel haben wir die Weltbank schrittweise aus dem sog. „Washington Consensus“ der Bretton-WoodsInstitutionen gelöst, also der einseitigen,
neoliberalen Rezeptur in ihren wirtschaftspolitischen Empfehlungen und Auflagen.
Die Weltbank wurde geöffnet für einen
breiteren Ansatz, der den komplexen und
länderspezifisch unterschiedlichen politischen, institutionellen und sozialen Gegebenheiten besser Rechnung trägt. Auch die
Politik der Bank zur Unterstützung von
Reformprogrammen (bisher „Strukturanpassungsprogramme“) wurde vor kurzem
entsprechend angepasst.
Die eingeleiteten Reformen müssen nun
konsequent umgesetzt werden. So wissen
wir heute: Für den Erfolg von Entwicklungsanstrengungen ist es unabdingbar,
dass die Länder selbst die entsprechenden
Reformen konzipieren. Deshalb geht es
z.B. darum, die „Ownership“ der Partnerländer weiter zu stärken, u.a. durch eine
Reform der Auflagenpolitik der Weltbank
-3das IWF-„Gütesiegel“ in den Vordergrund
stellen.
oder durch die Integration ihrer Verfahren
in die Prozesse der Partnerländer.
Für eine solche Rolle des IWF sind Glaubwürdigkeit, Nachhaltigkeit und Transparenz seiner Entscheidungen und Empfehlungen die größeren Vermögenswerte. Die
wesentliche Aufgabe für die Zukunft wird
darin bestehen, bei der Ausrichtung auf
langfristig zu erwartende Herausforderungen genau diese Werte zu schützen und zu
stärken.
Die Weltbank wird diesen Herausforderungen nur gerecht werden, wenn es ihr gelingt, ihre Legitimität und Leistungsfähigkeit weiter zu stärken. Hierfür gilt es, die
Beteiligung der Entwicklungsländer an den
Entscheidungsstrukturen der Weltbank zu
verbessern.
Z.U.
M
Die Erde wird derzeit von 6 Mrd. Menschen bewohnt, wovon 1 Mrd. über 80 Prozent des Gesamteinkommens verfügen. Der
wachsenden Ungleichheit und Ausgrenzung zu begegnen, ist nicht nur ein humanitäres Ziel. Dies ist auch notwendig, um den
Frieden und die Sicherheit für uns alle
nachhaltig zu sichern. Die Weltbank ist
hierfür ein unersetzbarer Partner.
BM’in HWZ
-4-
Inhaltsverzeichnis
I.
Die Rolle der Bretton Woods Institutionen in einer globalisierten Welt ................5
A.
Sechzig Jahre Bretton Woods: Entwicklung, Trends und Herausforderungen.......................... 5
B.
Der Platz der Bretton Woods Institutionen im globalen Kontext............................................. 13
C.
Gemeinsame Prinzipien für die zukünftige Ausrichtung von IWF und Weltbank .................... 15
II.
Der Internationale Währungsfonds ..........................................................................17
A.
Wirtschaftspolitische Überwachung ........................................................................................ 17
B.
Kreditvergabe und Krisenbewältigung .................................................................................... 20
C.
Technische Hilfe....................................................................................................................... 24
D.
Rolle des IWF in den armen Ländern ...................................................................................... 25
E.
Repräsentanz, Stimmrechte, Mitsprache.................................................................................. 28
III.
Die Weltbank .............................................................................................................. 30
A.
Armutsbekämpfung und internationale Entwicklungsziele ...................................................... 30
B.
Wachstums- und Investitionsstrategien.................................................................................... 32
C.
Institutioneller Fokus ............................................................................................................... 34
D.
Sicherung der Schuldentragfähigkeit und Schutz vor externen Schocks.................................. 35
E.
Globale öffentliche Güter......................................................................................................... 37
F.
Ownership, Repräsentanz und Stimmrechte............................................................................. 38
G.
Verbesserung der Erfolgsmessung ........................................................................................... 40
H.
Zusammenarbeit der Geberorganisationen ............................................................................. 41
-5-
I. Die Rolle der Bretton Woods Institutionen in einer globalisierten Welt
A. Sechzig Jahre Bretton Woods:
Entwicklung, Trends und Herausforderungen
Als Kerninstitutionen einer neuen Weltwirtschaftsordnung dieses Rahmens wurden 1944 im
US-amerikanischen Bretton Woods der Internationale Währungsfonds (IWF) und die Weltbank (mit Sitz in Washington D.C.) konzipiert. Der IWF und die Weltbank sind Schwesterinstitutionen im System der Vereinten Nationen. Sie werden von den Regierungen ihrer –
inzwischen nahezu alle Staaten der Welt umfassenden – 184 Mitgliedsländer verwaltet und
sind ihnen gegenüber rechenschaftspflichtig. IWF und Weltbank haben als gemeinsames Ziel
die Erhöhung des Lebensstandards in ihren Mitgliedsländern. Bei ihrem Hinwirken auf dieses
Ziel ergänzen sich die beiden Organisationen:
Aufgabe des IWF ist es, die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der Geld- und
Währungspolitik zu fördern sowie politische Beratung und technische Hilfe anzubieten, um
den Aufbau und Erhalt starker, international wettbewerbsfähiger Volkswirtschaften zu unterstützen. Außerdem vergibt der IWF kurzfristige Kredite, wenn zur Erfüllung internationaler
Zahlungsverpflichtungen keine ausreichenden Finanzmittel erhältlich sind.
Die Weltbank fördert die langfristige wirtschaftliche Entwicklung und die Armutsbekämpfung durch die Bereitstellung technischer und finanzieller Hilfe zur Unterstützung der Länder
bei strukturellen Reformen oder der Umsetzung konkreter Projekte Die Unterstützung der
Weltbank ist in der Regel langfristig angelegt und wird sowohl mit Beiträgen der Mitgliedstaaten als auch durch Anleiheemissionen finanziert.
Das Ziel der Bretton Woods-Institutionen (BWI) ist weiterhin aktuell, angesichts des schnellen Globalisierungstempos vielleicht sogar mehr denn je. Zeitgemäß ist auch weiterhin die
Arbeitsteilung zwischen den Institutionen. Allerdings haben sich die beiden Institutionen und
ihre Arbeit im Verlauf der letzten 60 Jahre deutlich verändert und weiterentwickelt.
Diese Veränderungen waren das Ergebnis bewusster politischer Entscheidungen, mit denen
man auf historische Veränderungen reagiert hat. Die Geschichte ihrer Entwicklung zeigt, wie
stark sich die Welt in diesen 60 Jahren verändert hat, aber auch wie dringend in diesem Wandel Institutionen gebraucht wurden, um einen Teil der benötigten globalen Regierungsleistung
zu erbringen. Dass IWF und Weltbank nach wie vor zu den zentralen internationalen Organisationen zählen, illustriert aber nicht nur diesen Bedarf, sondern auch, dass beide in der Lage
waren aus Fehlern zu lernen.
Die Gründung der beiden Institutionen stand unter dem starken Eindruck der Erfahrungen der
Zwischenkriegsjahre, geprägt vom Goldstandard, der Weltwirtschaftskrise und dem Rückfall
in Protektionismus und Autarkie durch Strafzölle und Abwertungswettlauf. Unter dem Eindruck des II. Weltkrieges war zudem die Einsicht in die Notwendigkeit multilateraler Zusammenarbeit noch deutlich stärker als schon wenige Jahre später. So wurden die Mitgliedsländer im Rahmen eines Systems fester Wechselkurse auf ein kooperatives Verhalten verpflichtet, das durch finanzielle Unterstützung bei Zahlungsbilanzstörungen (IWF) und beim
Wiederaufbau (Weltbank) abgesichert werden sollte. Das System fester Wechselkurse stützte
sich dabei auf Goldparitäten und die volle Konvertibilität des US-Dollar, welcher als Leitwährung fungierte.
-6Ab den 1960er Jahren gab es eine Reihe tiefgreifender Veränderungen, deren Ergebnis die
Aufgabe des Bretton Woods-Systems fester Paritäten zugunsten eines Systems beweglicher
Wechselkurse zwischen den meisten Währungen war: Da die Dollarbestände über die Goldbestände der Vereinigten Staaten hinauswuchsen und somit die volle Konvertibilität in Gold
gefährdet schien, kam es zu Mängeln bei der Liquiditätsversorgung. Zudem verhielten sich
nicht alle Mitglieder systemkonform, so dass anhaltende Zahlungsbilanzdefizite zu einer Reihe von Währungskrisen führten.
Die Flexibilisierung der Wechselkurse stärkte die Glaubwürdigkeit des Systems, brachte aber
neue Herausforderungen mit sich. Dazu zählten insbesondere eine hohe kurzfristige Wechselkursvariabilität und starke langfristige Schwankungen der realen Wechselkurse. Mit der Aufgabe des Festkurssystems wurde deshalb eine Intensivierung der Überwachung der wirtschaftlichen Entwicklung und der Wechselkurse durch den IWF in seinen Mitgliedsländern vereinbart. Zugleich wuchs mit der Unabhängigkeit afrikanischer Staaten sowie der ehemaligen
Ostblockstaaten auch die Zahl der Mitglieder bei IWF und Weltbank. Der hohe Bedarf dieser
Länder an Integration in die Weltwirtschaft, Wachstumsförderung und Entwicklungszusammenarbeit stellte die Institutionen vor neue Herausforderungen. Bei den großen wirtschaftlichen Probleme vieler dieser Länder sind makroökonomische und gravierende strukturelle
Herausforderung sehr eng miteinander verknüpft, was einerseits zu einer engeren Verzahnung
dieser beiden Bereiche der Wirtschaftspolitik beigetragen, andererseits aber auch zu einer
zunehmenden Überlappung der Aktivitätsfelder von IWF und Weltbank geführt hat.
Erhebliche Bedeutung für die Rolle der beiden Institutionen und deren Arbeitsweise hatte die
rasante Globalisierung und die damit einhergehende Zunahme der weltweiten Handels- und
Kapitalströme, insbesondere ab den 1970er Jahren. Für Industrie- und viele der heutigen
Schwellenländer wurden im Lauf der Zeit die grenzüberschreitenden Kapitalströme zu einer
wesentlichen Finanzierungsquelle. Der IWF entwickelte das Konzept der „katalytischen Finanzierung“: Die Institutionen vereinbaren mit einem Mitgliedsland durchzuführende Reformen, deren Umsetzung und Glaubwürdigkeit durch die an Konditionen geknüpfte Kreditvergabe gestärkt wird und so den Weg für den neuerlichen Zufluss privaten Kapitals oder auch
Entwicklungshilfemittel anderer Geber ebnen soll.
Durch die internationale Schuldenkrise der 1980er Jahre (v.a. Lateinamerika) sowie die
schweren Finanz- und Währungskrisen der 1990er Jahre in Asien, Lateinamerika und Russland musste in den Institutionen die bisherige Politik hinterfragt und die Krisenprävention und
-bewältigung zu einer vorrangigen Aufgabe gemacht werden. Das Ausmaß der Krisen und
ihre gravierenden Folgen, aber auch, dass sie weder vom öffentlichen noch vom privaten Sektor antizipiert worden waren, haben einen umfassenden Änderungsbedarf im internationalen
Finanzsystem offen gelegt, zu dem auch einschneidende Reformen der Bretton Woods Institutionen gehörten. Im Bereich der Entwicklungspolitik machten die insbesondere offensichtlich
gewordenen Defizite der einseitigen Strukturanpassungsprogramme für die Armutsbekämpfung sowie die starke Überschuldung der ärmsten Entwicklungsländer ein grundsätzliches
Umdenken erforderlich. So mussten die standardisierten marktliberalen Politikempfehlungen
des „Washington Consensus“ stärker differenziert und ergänzt werden. Auch wurde erkannt,
dass selbst hochkonzessionäre Kredite arme Entwicklungsländer in die Verschuldung treiben
können. IWF und Weltbank haben aus dieser Erfahrung gelernt und Reformen eingeleitet, in
deren Mittelpunkt die „Ownership“ der Entwicklungsländer für ihren Entwicklungsprozess
stehet.
Es spricht vieles dafür, dass nun eine Zeit der Konsolidierung und strategischen Ausrichtung
notwendig ist. Konsolidierung heißt, die eingeleiteten Reformen abzuschließen, beschlossene
-7Reformen glaubwürdig umzusetzen, verbleibende Lücken zu schließen und die reformierten
Regeln so weit wie möglich zu institutionalisieren. Strategische Ausrichtung heißt hier, langfristige Trends ernst zu nehmen, die Fähigkeit der Institutionen zu stärken, stetig zu lernen
und sich frühzeitig auf neue Trends und Herausforderungen vorzubereiten.
Die Veränderungen der Bretton Woods Institutionen entstanden historisch oft aus einem konkreten Regelungsbedarf, also dem Willen zur politischen Gestaltung in einem sich verändernden Umfeld. Entsprechend ist es aus heutiger Sicht ist vor allem wichtig, sich bei der Frage
nach ihrer strategischen Ausrichtung mit wesentlichen globalen Trends zu befassen, die IWF
und Weltbank vor veränderte Anforderungen stellen könnten. Auch ohne Anspruch auf Vollständigkeit lassen sich einige globale Mega-Trends benennen, aus denen sich veränderte Anforderungen an IWF und Weltbank ergeben dürften:
So wird voraussichtlich die realwirtschaftliche Globalisierung weiter voranschreiten. Dies ist
nicht nur durch den allgemeinen Trend zur internationalen Spezialisierung begründbar, sondern auch durch die zunehmende weltwirtschaftliche Integration vieler Schwellen- und Entwicklungsländer. Damit steigt auch die Zahl der Schwellenländer ebenso wie deren jeweiliges
(und aggregiertes) weltwirtschaftliches Gewicht. Dies dürfte sich auf die weltwirtschaftliche
Konjunkturentwicklung, die Stabilität des weltwirtschaftlichen Systems auswirken und wirft
Fragen nach der Entscheidungsfindung und Stimmgewichtung in beiden Institutionen auf.
Weltweite Exporte in % des BIP 1970 - 2003
28%
26%
24%
22%
20%
18%
16%
14%
12%
10%
1970 1972 1974 1976 1978 1980 1982 1984 1986 1988 1990 1992 1994 1996 1998 2000 2002
Quelle: International Monetary Fund, World Economic Outlook Database, April 2004
-8Bruttonationaleinkommen nach Ländergruppen
in Mrd USD, 1970-2003
7000000
6000000
5000000
4000000
Alle
Entw.länder
3000000
Ärmste
Entw.länder
2000000
Schwellenländer
1000000
0
1970
1980
1990
2000
2003
Quelle: World Bank, Global Development Finance II Summary and Country Tables, 2004, Washington DC
Noch augenfälliger ist die fortschreitende finanzielle Globalisierung. Privates Kapital wird
noch mehr als heute schon zur wesentlichen internationalen Finanzierungsquelle werden.
Damit werden IWF und Weltbank mit ihren begrenzten Mitteln als Finanzierungsquelle für
die meisten Schwellenländer immer mehr an Bedeutung verlieren. Dies wirft viele Fragen
über die Bedeutung der Kreditvergabe der Institutionen, ihre Finanzausstattung und ihre mögliche Rolle in Mitgliedsländern mit Kapitalmarktzugang auf. In diesem Zusammenhang ist
auch das Zusammenspiel von Kreditvergabe mit anderen wesentlichen Funktionen der IFIs zu
klären. Denn jenseits der Kreditvergabe bieten die Institutionen im Rahmen ihres jeweiligen
Mandats technische Hilfe und Beratung an, befördern den Wissenstransfer, die Mobilisierung
heimischer Ressourcen, stabile makroökonomische Rahmenbedingungen, die Verbesserung
von Umwelt- und Sozialstandards etc.
-9Devisentransaktionen von in Mio. SZR 1970 - 2003
2.501.000
2.001.000
1.501.000
1.001.000
501.000
1.000
1970
1973
1976
1979
1982
1985
1988
1991
1994
1997
2000
2003
Quelle: International Financial Statistic 2004, IWF, Washington
Privates Kapital wir immer wichtiger:
Nettoressourcenströme in Entwicklungs- und Schwellenländer,
1970-2003, in Mrd. USD
250000
200000
150000
gesamt
öffentlich
privat
100000
50000
0
1970
1980
1990
2000
Quelle: World Bank, Global Development Finance II Summary and Country Tables, 2004, Washington DC
2003
- 10 Die ärmsten Länder zählen weiterhin auf öffentliche Transfers:
Nettoressorcenströme in arme Entwicklungsländer in Mrd. USD,
1970-2002
40000
35000
30000
25000
gesamt
öffentlich
privat
20000
15000
10000
5000
0
1970
1980
1990
2000
2002
Quelle: World Bank, Global Development Finance II Summary and Country Tables, 2004, Washington DC
Es ist allerdings auch erkennbar, dass sich private Investitionen stark regional konzentrieren,
so dass gerade in vielen ärmsten Entwicklungsländern, welche kaum Zugang zu privatem
Auslandskapital haben, die Finanzhilfe der beiden Institutionen weiterhin eine wichtige Rolle
spielt. Deshalb dürften sich in Zukunft die Unterschiede in den Aufgaben von IWF und Weltbank, die sich je nach Kapitalmarktzugang ihrer Mitgliedsländer ergeben, weiter ausprägen.
Eng verknüpft mit der Globalisierung ist die Frage nach der externen Krisenanfälligkeit der
Mitgliedsländer. Die zunehmende Verflechtung und der Umfang der internationalen Transaktionen legen nahe, dass die Dimension externer Schocks größer werden könnte. Gleichzeitig
sprechen andere Entwicklungen für eine Abnahme der Häufigkeit von internationalen Finanzund Währungskrisen, wie z.B. der Trend zu flexibleren Wechselkursen, steigende Währungsreserven und institutionelle Verbesserungen in einigen Schwellenländern sowie die differenziertere Risikobewertung durch die Märkte im Gefolge der Reformen des internationalen Finanzsystems der letzten Jahre. Anlass zur Sorge gibt der hohe Stand der externen Verschuldung einiger Schwellen- und Entwicklungsländer. Es wäre jedoch falsch und politisch gefährlich, dies als einen langfristigen Trend zu akzeptieren. Allerdings wird die Trendumkehr und
der Abbau länderspezifischer Verwundbarkeiten realistischerweise einige Zeit brauchen. Ebenso macht dies deutlich, dass beide Institutionen noch wesentlich mehr als bislang die Tragfähigkeit der Schuldenstände und der wirtschaftlichen Entwicklung und Politik im Auge behalten müssen.
- 11 Gesamter Schuldenstand der
Entwicklungs- und Schwellenländer, 1970-2003, in Mrd. USD
3000000
2500000
2000000
1500000
1000000
500000
0
1970
1980
1990
2003
Quelle: World Bank, Global Development Finance II Summary and Country Tables, 2004, Washington DC
An dieser Stelle wird bereits ein wesentliches Ziel für die künftige Ausrichtung von IWF und
Weltbank erkennbar: Die Schwellenländer müssen sich von Wachstumspolen zu Stabilitätspolen für die Weltwirtschaft und ihre jeweiligen Regionen entwickeln und die Entwicklungsländer müssen zunehmend privates Kapital intern und im Ausland für ihre
Entwicklung mobilisieren.
Ein weiterer beobachtbarer Trend ist die zunehmende regionale Zusammenarbeit und Integration. Die Zahl regionaler Abkommen und ihr Inhalt sind heute so vielfältig und unterschiedlich, dass sich die Implikationen dieses Trends schwer prognostizieren lassen. Z.B. ist unklar,
inwieweit parallel zum Trend zu flexibleren Wechselkursen regionale Währungsräume entstehen und eine Konzentration auf einige Schlüsselwährungen stattfinden wird (durch gemeinsame Währungen wie den Euro, de facto durch weltweite Prozesse der Dollarisierung1
und durch die Anbindung an Währungskörbe). Jedoch würden die Auswirkungen sowohl für
die makroökonomische als auch die institutionelle Entwicklung der betroffenen Länder und
der Welt bedeutsam sein.
Schließlich gibt es weitere langfristige Trends, die weniger offensichtlich mit den Mandaten
der Institutionen verknüpft sind, zugleich aber wegen der tief greifenden Umwälzungen, die
sie mit sich bringen werden, auch die Arbeitsgebiete von IWF und Weltbank berühren. Hierzu
zählt insbesondere die weltweite demographische Entwicklung – sowohl das weltweite Bevölkerungswachstum, das v.a. in den Entwicklungsländern stattfinden wird, als auch die
weltweite (wenn auch zeitlich versetzte) Alterung. Die Dimension dieser Entwicklungen und
1
Der Begriff Dollarisierung kann sich auch auf andere Währungen beziehen, z.B. Euro, Yen oder Pfund. Er
beschreibt die schrittweise Übernahme einer fremden Währung als inländisches Zahlungsmittel (unabhängig
davon, ob dies durch politischen Beschluss geschieht oder nicht).
- 12 der Grad der internationalen Verflechtungen legen nahe, dass es zu zahlreichen grenzüberschreitenden Auswirkungen kommen wird. So sind z.B. deutliche Verschiebungen der Sparquoten sowie der internationalen Kapitalströme zu erwarten, möglicherweise auch eine Zunahme der Migrationsbewegungen (einschließlich der Abwanderung qualifizierten Personals,
das sog. „brain drain“), welche erheblichen Anpassungsbedarf für alle betroffenen Länder mit
sich bringen werden. Je nach Land können IWF und Weltbank innerhalb ihres Mandats hier
eine wichtige Rolle spielen.
Weltbevölkerung nach Ländergruppen, 1970-2050
(mittlere Variante, Mrd. Menschen)
10000000
9000000
8000000
7000000
Welt
6000000
Industrieländer
5000000
Alle
Entw.länder
4000000
3000000
2000000
1000000
0
1970
1980
1990
2000
2010
2020
2030
2040
2050
Quelle: The 2002 Revision and World Urbanization Prospects: The 2001 Revision
Weltweiter Alterungsprozess: Entwicklung des Medianalters
(mittlere Variante) nach Ländergruppen 1970-2050
50
45
40
35
30
Industrieländer
25
Ärmste
Entw.länder
20
Schwellenländer
15
10
5
0
1970
1980
1990
2000
2010
2020
2030
Quelle: The 2002 Revision and World Urbanization Prospects: The 2001 Revision
2040
2050
- 13 Ebenso gilt inzwischen als nachgewiesen, dass es einen globalen Klimawandel gibt. Dessen
zeitlicher Ablauf und regionale Auswirkungen sind noch nicht genau bekannt, die Risiken
sind jedoch hoch. Leidtragende des Klimawandels werden nach wissenschaftlichen Erkenntnissen insbesondere die armen Menschen in Entwicklungsländern sein. Ohne eine Begrenzung des Klimawandels durch die deutliche Reduzierung der Emissionen von Treibhausgasen
und die gleichzeitige Unterstützung der Entwicklungsländer bei der Anpassung an den Klimawandel, wird die Entwicklung dieser Länder an Grenzen stoßen.
Weitere Trends mit potentiell wichtigen Auswirkungen auf die Arbeit der Institutionen sind
z.B. die Entwicklung medizinischer Kosten, die Verbreitung von Infektionskrankheiten (HIV
Aids), Urbanisierung, zunehmende Umweltverschmutzung in den stark wachsenden Schwellenländern und der Verlust der natürlichen Rohstoffbasis in vielen Entwicklungsländern.
Solche langfristigen Trends werden einschneidende Konsequenzen nach sich ziehen und sie
haben erhebliche Implikationen für das langfristige Wachstum und die damit verbundenen
politischen Reform- und Entwicklungsstrategien. Diese Aspekte sollten deshalb in die Arbeit
und Ausrichtung der Institutionen einfließen.
B.
Der Platz der Bretton Woods Institutionen im globalen Kontext
Die Bretton Woods Institutionen sind unverzichtbar, aber sie können nicht alles und vor allem
nicht alles am besten. Weil die Bretton Woods Institutionen mit öffentlichen Geldern arbeiten
und z.T. ins Marktgeschehen eingreifen, müssen ihre Aktivitäten nicht nur wichtig, sondern
auch im Verhältnis zu den Märkten und anderen öffentlichen Institutionen gut begründet sein.
Ihre Rolle im Verhältnis zu den Märkten ergibt sich aus der Existenz verschiedener Formen des Marktversagens. Hierzu zählen u.a. externe Effekte, also wenn die Politik in einem
Land zu einem Ergebnis führt, das auch gravierende Auswirkungen auf die Wohlfahrt anderer, unbeteiligter Länder hat, z.B. wenn eine nationale Finanzkrise durch Ansteckungseffekte
zu einer internationalen Krise wird oder im Fall eines Abwertungswettlaufs. Ein weiteres
mögliches Marktversagen kann entstehen, wenn die individuellen Anreize zu einer Verhaltensweise führen, die ein schlechteres Ergebnis für alle produziert als wenn es eine Koordinierung gegeben hätte. Dies kann insbesondere bei Panikreaktionen bei der Bewältigung von
Krisen oder bei der Bereitstellung von globalen öffentlichen Gütern eine große Rolle spielen.
Globale Liquiditätsengpässe, die früher oft als wichtige Begründung für die Existenz des IWF
angeführt wurden, stellen heute angesichts stark integrierter und effizienter internationaler
Kapitalmärkte sowie gut koordinierter Zentralbanken kein Marktversagen mehr dar, für welches der IWF benötigt würde. Auch die fehlende Existenz von Kapital zur Entwicklungsfinanzierung kann für sich genommen angesichts der hohen privaten Investitionen in einigen
Ländern heute nicht mehr pauschal als Marktversagen bezeichnet und als Rechtfertigung für
die Kreditvergabe herangezogen werden.
Allerdings zeigt die sehr ungleiche regionale Verteilung privater Kapitalströme, dass viele
Länder hierzu kaum Zugang haben. Um private Investitionen anzuziehen, sind oft umfangreiche Voraussetzungen erforderlich, wie z.B. politische und soziale Stabilität, effiziente Institutionen wie Rechtsstaatlichkeit, Eigentumsrechte und funktionierende Verwaltungen, weiterhin
monetäre Stabilität, aber auch Infrastruktur. Oft kann erst dann genug Vertrauen in das jeweilige Land als Investitionsstandort entstehen, damit ausreichende Gewinnerwartungen gebildet
werden. Diese Prozesse sind oft langwierig und für viele Länder ohne erhebliche Unterstützung, Beratung und finanzielle Zusatzmittel kaum zu bewältigen. Insoweit Marktkräfte hier
- 14 nicht zuverlässig in vertretbaren Zeiträumen zu einer Lösung führen, kann der fehlende Zugang zu internationalem Kapital auch als Marktversagen verstanden werden, welches eine
Rolle von IWF und Weltbank begründet.
Schließlich hängt die Effizienz von Märkten maßgeblich davon ab, dass Informationen richtig
verarbeitet werden. Durch die Bereitstellung von Daten, aber auch Analysen, die Veröffentlichungen von Länderdokumenten und Prüfberichten können beide Institutionen einen wichtigen Beitrag zum besseren Funktionieren von Märkten leisten.
Das Verhältnis der Bretton Woods Institutionen zu ihren Mitgliedsländern muss – so wie
das Verhältnis zu den Märkten – gut begründet werden. So wird z.B. neben „Marktversagen“
oft auch die Bekämpfung von „Politikversagen“ als eine mögliche Rolle von IWF und Weltbank gesehen. Das vermeintliche „Politikversagen“ in einem Mitgliedsland korrigieren zu
wollen (wenn dessen Politik keine deutlich negativen Effekte für andere Mitglieder hat, also
zu seinem eigenen Wohl) ist allerdings aus mehreren Gründen höchst problematisch: Vor
allem wäre es ein massiver außenpolitischer Eingriff in die Souveränität eines Mitgliedes, der
den Bretton Woods Institutionen schlicht nicht zusteht. Aber genauso zeigen empirische Untersuchungen und die Erfahrungen der letzten 60 Jahre, dass dieses Bemühen meist erfolglos
bleibt. Ohne einen starken politischen Willen im Land selbst, der für die Durchsetzung und
Akzeptanz auch schwieriger Reformen ausreicht, bleiben die Instrumente von IWF und Weltbank wirkungslos. Erschwerend wirkt hierbei, dass es zwar allgemeingültige Prinzipien, aber
keine Standardrezepte für richtige Politik gibt. Jede erfolgreiche Politik muss länderspezifische Aspekte berücksichtigen. Es bestünde das Risiko, dass die Institutionen nicht alle relevanten Aspekte in solch komplizierten sozioökonomischen Systemen und Prozessen kennen
und richtig bewerten können. Daher ist es umso wichtiger, dass lokale bzw. nationale Erfahrungen und Analysen sowie einheimisches Know-how von den BWI in ihren Politikempfehlungen berücksichtigt werden.
An dieser Stelle ist es wichtig, sich eine zentrale Eigenschaft der beiden Institutionen klar zu
machen, welche sowohl eine besondere Stärke als auch Schwäche begründet: Es sind politische, inter-gouvernementale Institutionen, die von ihren Mitgliedsländern getragen und gesteuert werden. Dies ist eine Stärke, weil sich die größte politische Handlungskompetenz und
Legitimität auf nationalstaatlicher Ebene konzentriert. Wenn dann in internationalen Institutionen der politischen Willensbildung der Mitgliedsländer aufgegriffen, Ideen gefiltert und politische Maßnahmen koordiniert werden, ist die enge Beziehung zu den Mitgliedsländern eine
wichtige Stärke.
Dennoch kann dies zugleich auch eine Schwäche sein: Als inter-gouvernementale Institutionen zeichnen sie sich durch die kooperative Suche nach gemeinsamen Lösungen aus. Im Idealfall sind die Lösungsangebote von IWF und Weltbank mehrfach gefilterte „best practice“.
Schlimmstenfalls kann es jedoch auch sein, dass der Nenner, auf den man sich einigen kann,
sehr klein ist. Klar ist, dass es keine Alternative zur Suche nach gemeinsamen Lösungen geben kann – Globalisierung lässt sich nicht anders als kooperativ gestalten. Folglich muss diese
Gefahr begrenzt werden, indem man diese Besonderheit der BWI produktiv nutzbar macht:
Die von den BWI vertretene Politik muss robust sein, d.h. sie sollte Lösungen anbieten, die
im Zweifel mehrere mögliche Problemursachen gleichzeitig behandeln können und alternative
Zukunftsszenarien zulassen.
Als von den Regierungen der Mitgliedsländer gesteuerte Institutionen sind sie zudem in Gefahr politisch missbraucht zu werden, also für die Durchsetzung nationaler Partikularinteressen zulasten der Allgemeinheit. Dies kann auf Industrieländer zutreffen (die Interessen durch
- 15 ihre höheren Stimmrechte voran treiben können2), aber auch auf Kreditländer, etwa wenn
diese versuchen, durch außenpolitischen Druck die sachbezogene Entscheidungsfindung im
Direktorium zu unterlaufen. Dieses Dilemma lässt sich nur bewältigen, indem die Institutionen so viel wie möglich „Rechenschaft“ („accountability“) gegenüber der Öffentlichkeit und
ihren Mitgliedsländern (und deren Parlamenten) ablegen. Dazu muss das Verhalten der Institutionen möglichst stark durch klare Regeln gebunden und eine hohe Transparenz gewährleistet werden. Insgesamt sind die Entscheidungen und die Arbeitsweisen der beiden Institutionen
heute wesentlich transparenter und regelgebundener als früher. Dennoch kann durch zu flexible Regeln oder deren inkonsistente Anwendung die Berechenbarkeit und Transparenz der
Institutionen und damit auch ihre Glaubwürdigkeit leiden. Das wiederum würde über längere
Sicht auch ihrer Wirksamkeit schaden.
Im Verhältnis zu anderen internationalen Institutionen und Gremien der Finanz- und
Entwicklungspolitik kennzeichnet die Bretton Woods Institutionen ihre Brückenfunktion
zwischen Analyse einerseits und Umsetzung andererseits. Im Vergleich zu informellen
„Clubs“ wie der G7/8 oder G20 haben sie einen spezifischen komparativen Vorteil, da sie die
weltweiten Informationen aufnehmen und katalysieren können. Dadurch können sie selbst zur
Fortentwicklung des Wissensstands beitragen. Dies verbessert die Entscheidungsgrundlagen
und erleichtert die Konsensbildung, auch in anderen internationalen Gremien. In diesem Zusammenhang können sie oft die wichtige Aufgabe eines „ehrlichen Vermittlers“ einnehmen.
Insofern ist es durchaus wichtig, dass die BWI Forschungsarbeit leisten. Im Unterschied zu
stark analyseorientierten Institutionen wie z.B. der OECD oder manchen UNUnterorganisationen nehmen die BWI jedoch eine Brückenfunktion zur Umsetzung wahr,
welche vor allem durch ihre Programme und Kreditvergabe ermöglicht wird. Deshalb sollten
die Institutionen vorrangig umsetzungsorientierte „clearance of ideas“ zu aktuellen Themen
und langfristigen Trends betreiben.
C.
Gemeinsame Prinzipien für die zukünftige Ausrichtung von IWF und Weltbank
In dem Bestreben, die weltweite Armut substanziell zurück zu führen und die internationalen
Entwicklungsziele zu erreichen sowie die Schwellenländer zu Stabilitätspolen der Weltwirtschaft zu entwickeln, muss die Arbeit der beiden Bretton Woods-Institutionen vor allem wirksam, glaubwürdig und nachhaltig sein.
Aufbauend auf den bisherigen allgemeinen Überlegungen lassen sich einige gemeinsame
Prinzipien für die strategische Ausrichtung der Bretton Woods Institutionen ableiten:
1. Klare Mandate: Die Arbeit von IWF und Weltbank ist dann am wirkungsvollsten,
wenn sie in klarer Aufgabenteilung und engem, präzisem Zusammenspiel erfolgt – untereinander, mit den Märkten, mit anderen multilateralen Institutionen und Foren und
mit ihren Mitgliedsstaaten. Durch die Konzentration auf das eigene Mandat können
zum einen Kernkompetenzen gestärkt, zum anderen Doppelarbeiten und Ineffizienzen
reduziert werden. Das ist wichtig für die Qualität ihrer Arbeit und die bestmögliche
Verwendung öffentlicher Ressourcen. Es ist aber auch eine Voraussetzung für klare
2
deshalb gibt es bei besonders wichtigen Entscheidungen das Erfordernis großer Mehrheiten.
- 16 Verantwortlichkeiten und damit für die Erfüllung der Rechenschaftspflicht gegenüber
den Anteilseignern und der Öffentlichkeit.
2. Transparenz: Dies ist nicht nur ein eigenständiges Ziel, Transparenz ist auch ein unverzichtbares Mittel zur politökonomischen Kontrolle der Institutionen durch die
Märkte, die Mitgliedsstaaten und die Öffentlichkeit. Sie ist ebenso unverzichtbar, um
den Dialog und das o.g. enge Zusammenspiel zwischen all diesen Akteuren umzusetzen.
3. Berechenbarkeit und Glaubwürdigkeit: Die Funktion von Transparenz kann nur erfüllt werden, wenn das Verhalten der Institutionen an klare Regeln gebunden ist, welche konsequent und glaubwürdig umgesetzt werden. Ebenso wichtig ist der Realismus
aller Analysen und Prognosen. Ohne dies würden IWF und Weltbank eine ihrer wesentlichen Aufgaben, nämlich die Schaffung von Informationen, nicht erfüllen. Wenn
nicht eindeutig ist, welche Probleme wann, wie und in welchem Umfang von den Institutionen gelöst werden, so leistet dies spekulativem und strategischem Verhalten
Vorschub (etwa durch Marktteilnehmer, bilaterale Geber oder die Regierungen von
Schuldnerländern).
4. Ownership: Sowohl für einzelne Länderprogramme als auch für die Institutionen insgesamt gilt, dass „ownership“, also die Identifikation der Mitglieder mit der Arbeit
und den Lösungsangeboten der Institutionen, Voraussetzung ist für deren Wirksamkeit. Dies bedeutet zum einen eine starke Rolle für die betroffenen Länder bei der
Konzeption und Umsetzung von Reformstrategien, also länderspezifische Lösungen,
die Berücksichtigung des institutionellen und politischen Rahmens sowie eine ausreichende Diversität der Konzepte. Zum anderen bedeutet dies, dass ohne „ownership“
für ein überzeugendes Reformkonzept auch keine Kredite bzw. Zuschüsse vergeben
werden dürfen.
5. Robuste Lösungen: Die von den Institutionen angebotenen Lösungen müssen solide
genug sein, um angesichts der großen Unsicherheiten in sozioökonomischen Prozessen mehrere mögliche Problemursachen gleichzeitig behandeln zu können. Dazu müssen sie zum einen länderspezifisches Wissen und praktisches Erfahrungswissen berücksichtigen. Zum anderen müssen sie den gefilterten Prozess einer weltweiten wissenschaftlichen Diskussion darstellen. Das setzt eine breite Diversität des Denkens
auch in den eigenen Reihen voraus. Wichtig ist in diesem Zusammenhang außerdem
der Fokus auf die Wirksamkeit der Lösungswege, die Vorrang vor theoretischen Optimallösungen haben muss.
6. Langfristigkeit: Beide Institutionen müssen der langfristigen Tragfähigkeit der Politik in den Mitgliedsländern hohe Priorität einräumen – sowohl bei der Analyse als
auch bei der Politikberatung und bei konkreten Kreditentscheidungen. Nachhaltigkeit,
die institutionelle Einbettung guter Wirtschaftspolitik sowie gute Regierungsführung
sind damit nicht nur Ziele, sondern auch wesentliche Kriterien und Schwerpunkte der
Unterstützung durch IWF und Weltbank. Dazu müssen die Institutionen trotz der bekannten Prognoseschwierigkeiten frühzeitig über langfristige Herausforderungen in
den Mitgliedsländern sowie auf globaler Ebene nachdenken und diese Überlegungen
in die eigene Arbeit integrieren. Zugleich sollte die Möglichkeit von Schocks nicht
unterschätzt werden. Selbst wenn Schocks seltener werden, kann es dennoch sein, dass
die verbleibenden Schocks heftiger sind. Das Bestehen und „Bereit stehen“ der beiden
Institutionen ist ein Wert an sich, der geschützt werden muss.
- 17 -
II. Der Internationale Währungsfonds
Aufgabe des IWF ist es, die Stabilität des internationalen Währungs- und Finanzsystems zu
gewährleisten, um dadurch Handel und eine Steigerung des Lebensstandards weltweit zu fördern. Dazu bemüht sich der IWF, die wirtschaftliche Stabilität in den Mitgliedsländern zu
stärken, Finanz- und Währungskrisen vorzubeugen, im Notfall zur Krisenbewältigung beizutragen, Wachstum zu fördern und Armutsbekämpfung zu unterstützen. Hierfür stehen ihm
drei Arten von Instrumenten zur Verfügung, die er einzeln oder in Kombination einsetzt:
Wirtschaftspolitische Überwachung, Kreditvergabe und technische Hilfe.
Grundsätzlich setzt der IWF diese Instrumente für alle seine Aufgaben ein. Allerdings gibt es
auch Unterschiede bei diesen Instrumenten und ihrem Zusammenspiel je nachdem, ob der
Schwerpunkt jeweils auf dem Schutz der Systemstabilität oder auf der Armutsbekämpfung
liegt. Deshalb wird der Rolle des IWF in den armen Ländern ein eigner Abschnitt gewidmet.
A.
Wirtschaftspolitische Überwachung
Der internationale Kapitalverkehr leistet in vielen Ländern einen unverzichtbaren Beitrag dazu, dass die für hohes Wachstum erforderlichen Investitionen erreicht und aufrechterhalten
werden können. Gleichzeitig setzen sich damit die betroffenen Länder jedoch auch einer höheren Anfälligkeit gegenüber äußeren Einflüssen aus. Die entscheidende Verteidigungslinie
gegen solche Verwundbarkeiten ist die eigene Wirtschaftspolitik eines jeden Landes. Die
Wirtschaftskrisen der Vergangenheit haben gezeigt, dass typischerweise die Krisenursachen
innerhalb des jeweiligen volkswirtschaftlichen Systems selbst zu finden waren. So wurden die
großen Kapitalbilanzkrisen der 90er Jahre durch eine Akkumulation von Verwundbarkeiten in
den Bilanzen und Wirtschaftsstrukturen, inkonsistente makroökonomische Politik sowie unangemessene Wechselkursregime ausgelöst und verstärkt. Solche Probleme lassen sich durch
ein Bekämpfen der Symptome nicht nachhaltig lösen; vielmehr müssen die Ursachen behoben
werden. Das kann dementsprechend ebenfalls nur auf der Ebene der jeweiligen Volkswirtschaft geschehen, also durch die Regierung des betreffenden Nationalstaats. Die Lösungen
müssen deshalb auch an der nationalen Wirtschaftspolitik ansetzen.
Es ist deshalb entscheidend, dass potentielle Schwachstellen von allen Beteiligten frühzeitig
erkannt werden – von einheimischen Politikern, damit sie behoben werden können, vom IWF,
damit er bei seiner Politikberatung die richtigen Empfehlungen gibt und von Marktteilnehmern, damit sie ihre Investitionsentscheidungen auf eine richtige Informationsgrundlage stellen. Denn die effiziente Verarbeitung von Informationen durch die Märkte setzt die Verfügbarkeit und richtige Bewertung wesentlicher Informationen voraus.
Dem dient die wirtschaftspolitische Überwachung des IWF. So führt der IWF alle ein bis zwei
Jahre (je nach Bedeutung der jeweiligen Volkswirtschaft) im Rahmen der sog. Artikel IVKonsultationen eine umfassende Analyse der Wirtschaftslage der einzelnen Mitgliedsländer
durch. Seine Bestandsaufnahmen aus den einzelnen Ländern werden zweimal jährlich zusammengeführt und im World Economic Outlook und im Global Financial Stability Report
veröffentlicht. Im Licht der Erfahrungen mit den Finanz- und Währungskrisen seit Mitte der
1990er Jahre3 hat der IWF zahlreiche Maßnahmen ergriffen, um seine Fähigkeit zur frühzeiti-
3
v.a. Thailand, Indonesien, Südkorea, Brasilien, Russland
- 18 gen Erkennung von Schwachstellen und Risiken zu stärken. Entsprechend werden heutzutage
weite Bereiche der Wirtschaftspolitik überwacht, wobei der Grad der Überwachung einzelner
Politikbereiche von den Gegebenheiten des jeweiligen Landes abhängt.
Die Wechselkurs-, Geld- und Finanzpolitik steht im Zentrum der IWF-Überwachung. Der
IWF bietet zu verschiedenen Themen Beratung an, von der Wahl des Wechselkursregimes bis
hin zur Gewährleistung einer Übereinstimmung zwischen dem Wechselkursregime und dem
Kurs der Finanz- und Geldpolitik. Seit den 1980er Jahren werden im politischen Dialog zwischen IWF und seinen Mitgliedsländern auch Strukturreformen angesprochen, die zentrale
Bedeutung für die makroökonomische Stabilität haben, wie z.B. internationaler Handel, Arbeitsmarktfragen und die Reformen im Energiesektor.
Zudem wurden nach den Erfahrungen der 1990er Jahre Finanzmarktfragen in die IWFÜberwachung integriert. So beschlossen IWF und Weltbank 1999 die Einrichtung eines gemeinsamen Programms, um die Stärken und Schwächen der Finanzsektoren eines Landes zu
analysieren (Financial Sector Assessment Program, FSAP). In diesem Zusammenhang wurden in den letzten Jahren von der internationalen Gemeinschaft international anerkannte Standards und Kodizes entwickelt, die für das effiziente Funktionieren einer modernen Wirtschaft
wichtig sind. Bei der Entwicklung mancher dieser Standards, insbesondere aber bei der Prüfung der Umsetzung und Bewertung nimmt der IWF eine zentrale Rolle ein. Außerdem finden
heute auch institutionelle Aspekte, wie z.B. die Unabhängigkeit der Zentralbank, Finanzmarktregulierung, Unternehmensführung sowie politische Transparenz und Rechenschaftspflicht („good governance“) mehr Beachtung.
Angesichts der angesprochenen langfristigen Trends, insbesondere der wachsenden und sich
möglicherweise verschiebenden Kapitalströme stellt sich die Frage, wie die Wirksamkeit der
IWF-Überwachung weiter gestärkt werden kann:
1. Fokussierung auf das Kernmandat: Grundsätzlich sollte die wirtschaftspolitische
Überwachung so weit wie möglich auf das Kernmandat des Fonds fokussiert werden, d.h.
auf die makroökonomische Entwicklung, Finanzmärkte, Krisenanfälligkeit, Schuldentragfähigkeit und internationale Rückwirkungen nationaler Politiken. Auch die Diskussion
von Strukturpolitiken im Rahmen der wirtschaftspolitischen Überwachung muss in einem
deutlichen Zusammenhang zur makroökonomischen Lage stehen. Das hat mehrere Gründe: (i) Die Eigenverantwortung der Mitgliedsländer wird durch die Konzentration auf
Kernelemente gestärkt; (ii) der Fonds trägt das bei, was er am besten kann und baut diese
Kompetenz aus; (iii) es werden Doppelarbeiten vermieden. Wenn für die Beurteilung der
makroökonomischen Lage auch eine Einbeziehung anderer Bereiche, wie z.B. Handel relevant ist, so sollten hier verstärkt Erkenntnisse und Erfahrungen anderer Institutionen,
insbesondere der Weltbank und OECD genutzt werden.
2. Neue thematische Schwerpunkte: Inhaltlich sollte der Fonds noch mehr Aufmerksamkeit als bisher auf den Aufbau stabiler und effizienter Institutionen im Finanzsektor sowie
auf gesamtwirtschaftliche Bilanzen („balance sheet effects“) richten. Ebenso sollte der
IWF sehr aufmerksam die Tendenz zur intensiveren regionalen Zusammenarbeit und deren mögliche Implikationen beobachten. Bereits heute untersucht der IWF regelmäßig die
wirtschaftlichen Entwicklungen regionaler Zusammenschlüsse wie der Eurozone und der
Westafrikanischen Wirtschafts- und Währungsunion sowie die dort verfolgte Wirtschaftspolitik. Mit wachsender Bedeutung mancher Regionen scheint es sinnvoll, mittelfristig die
regionale Überwachung zu intensivieren und die Überwachung v.a. sehr kleiner Mitgliedsländer zu reduzieren. In diesem Zusammenhang steht auch die grundsätzliche Frage
- 19 nach der weiteren Entwicklung der weltweiten Wechselkursregime. In den vergangenen
Jahrzehnten ist es zu einer zunehmenden Differenzierung der Wechselkursregime gekommen. Insgesamt ist dies begrüßenswert, weil es dazu beitragen kann, dass das Wechselkursregime besser als in der Vergangenheit an länderspezifische Gegebenheiten angepasst ist.
3. Länderspezifische Kompetenz: Aus methodischer Sicht sollte die länderspezifische Perspektive und Kompetenz des Fonds weiter gestärkt werden. Die Erfahrungen der letzten
60 Jahre und die robusten Erkenntnisse der Wissenschaft im Bereich der Institutionenökonomik bestätigen: Es kann keine „one size-fits-all“-Politik oder „blueprints“ für
Wachstum und Entwicklung geben. Die richtige Politik für ein Mitgliedsland zu identifizieren, erfordert deshalb neben dem international vergleichenden auch einen länderspezifisch-historischen Blick. Es ist eine besondere Herausforderung für den IWF, bei der Fokussierung auf sein Kernmandat gleichzeitig seine länderspezifische Kompetenz zu stärken. Aus diesem Grund wäre im übrigen auch eine institutionelle Trennung der Überwachungsfunktion von der Programmvergabe und –überprüfung problematisch, wie sie von
manchen Mitgliedern vorgeschlagen wird: Abgesehen von Effizienzverlusten und der ungeklärten Frage, ob das Ziel einer kritischeren Kontrolle der Programmerfolge dadurch
tatsächlich zu erreichen ist, ginge insbesondere wertvolles länderspezifisches Wissen verloren.
4. Transparenz: Neben der eigentlichen Analyse ist ebenfalls ein wesentliches Instrument
des Fonds die Schaffung größtmöglicher Transparenz durch einfache, zeitnahe und umfassende Veröffentlichung von Daten und Analysen: Letztlich dient Transparenz dazu, sowohl Informationsdefizite als auch -asymmetrien abzubauen und wirkt dadurch langfristig
stabilisierend. Insbesondere seit den 90er Jahren hat sich die Transparenz wesentlich verbessert. Grundsätzlich sollten alle Artikel-IV-Dokumente des IWF veröffentlicht werden.
Allerdings finden manche Untersuchungen, wie FSAPs oder Prüfberichte zur Umsetzung
von Standards & Kodizes, nur auf freiwilliger Basis statt und ohne Pflicht zur Veröffentlichung. Grund hierfür ist, dass die Analyse die allererste Voraussetzung für bessere Information ist, und gerade dann nicht unterbleiben sollte, wenn Vorbehalte gegenüber einer
Veröffentlichung bestehen. Dennoch sollten alle Länder ermutigt werden, sich solchen
Prüfungen zu unterziehen und deren Ergebnisse öffentlich zugänglich zu machen. Deshalb
sollte insbesondere jedes Industrieland mit gutem Beispiel voran gehen und ein FSAP
durchführen, das regelmäßig aktualisiert wird. Schließlich sollten die Finanzmarktteilnehmer mit vom IWF gelieferten vielfältigen Informationen noch besser vertraut gemacht
werden.
5. Langfristanalysen: Die langfristige Tragfähigkeit der Wirtschafts- und Finanzpolitik in
jedem Mitgliedsland ist ein wesentlicher Faktor für die Vermeidung von Krisen und sollte
deshalb ein wesentlicher Fokus der wirtschaftspolitischen Überwachung des IWF werden.
Die IWF-Mitglieder sehen sich dabei zunehmend langfristigen Herausforderungen gegenüber (z.B. demographische Veränderungen, steigende medizinische Kosten oder der Klimawandel), die ihre Finanzpolitik prägen werden und auch Auswirkungen auf globaler
Ebene haben dürften. Der IWF sollte daher systematisch z.B. alle vier Jahre im Rahmen
seiner Artikel IV-Konsultationen eine integrierte, gründliche Analyse fiskalischer Implikationen langfristiger Probleme für jedes Land erstellen, ebenso die Implikationen für privatwirtschaftliche Pensions- und Krankenversicherungssysteme. Die länderspezifischen
Analysen des IWF könnten dann aggregiert z.B. der G-20 als Informationsbasis dienen.
- 20 6. Non-Borrowing-Program: Die Wirksamkeit der wirtschaftspolitischen Überwachung
könnte möglicherweise durch Schaffung eines neuen Instrumentes, ein sog. „NonBorrowing-Program“ (NBP) gestärkt werden. Dabei würde ein Land ein eigenes nationales Reformprogramm entwickeln und dem IWF zur Bewertung, Begleitung und Billigung
vorlegen. Das Land würde keinen Kredit beanspruchen, jedoch die Konzeption des Reformprogramms sowie seine konsequente und fristgerechte Umsetzung durch den IWF
kontrollieren lassen. Über die reine Überwachung hinaus könnte so das betroffene Land
(i) das wirtschaftspolitische Know-how des IWF nutzen, (ii) durch die Billigung von einer
externen Autorität das Vertrauen externer Investoren und bilateraler Geber stärken („Gütesiegel“). Denn die Erfahrung hat gezeigt, dass über manche, insbesondere ärmere und
kleinere Länder oft ein Mangel an Informationen über die Qualität und Glaubwürdigkeit
der Wirtschaftspolitik herrscht. Aus diesem Grund ist in der Praxis ein IWF-Programm oft
zur Voraussetzung für ein Engagement anderer Investoren und Entwicklungshilfegeber
geworden. Es sollte jedoch grundsätzlich möglich sein, auch ohne Schuldenaufnahme das
Gütesiegel eines IWF-Programms zu erhalten. Damit es diesen Zweck erfüllen kann, sollte ein NBP ohne Kreditzugang, aber in allen anderen Aspekten den bekannten IWFProgrammen möglichst ähnlich sein. Insbesondere muss es Erfüllungskriterien und regelmäßige Überprüfungen beinhalten. Eine Aufweichung der Kriterien unter dem Vorwand,
dass der IWF finanziell nicht engagiert ist, darf es dabei nicht geben.
B.
Kreditvergabe und Krisenbewältigung
Es ist zwar strittig, ob die Kreditvergabe das wichtigste Instrument des IWF ist; sicherlich
aber ist sie das prominenteste und meist diskutierte. Grundsätzlich kann ein Mitgliedsland
Finanzhilfe vom IWF anfordern, wenn es einen Zahlungsbilanzbedarf aufweist, d. h., wenn es
zur Erfüllung seiner internationalen Zahlungsverpflichtungen keine ausreichenden Finanzmittel zu finanzierbaren Bedingungen mobilisieren kann. Ein Kredit des IWF erleichtert die Anpassung und die Reformen, die ein Land zur Überwindung seiner Zahlungsbilanzschwierigkeiten und zur Wiederherstellung der Bedingungen für Wirtschaftswachstum umsetzen muss.
IWF-Kredite werden im Rahmen einer „Vereinbarung“ bereitgestellt, in der die zur Überwindung der Zahlungsbilanzschwierigkeiten eines Landes umzusetzenden Maßnahmen festgelegt
sind. Das einer solchen Vereinbarung zugrunde liegende Wirtschaftsprogramm wird von dem
Land in Abstimmung mit dem IWF formuliert und dem Exekutivdirektorium des Fonds zur
Billigung vorgelegt. Die Freigabe der Kreditmittel wird dabei an die Umsetzung der im Programm vereinbarten Schritte geknüpft, im Rahmen der sog. Konditionalität. Mit Erfüllung der
vereinbarten Konditionen werden dementsprechend nach Zwischenüberprüfung die Finanzmittel in Raten ausgezahlt.
Im Laufe der Jahre hat der IWF eine Anzahl von Kreditinstrumenten bzw. „Fazilitäten“ entwickelt, die auf die jeweiligen Verhältnisse in den unterschiedlichen Mitgliedsländern bzw.
potentielle Gründe für die Zahlungsbilanzschwierigkeiten zugeschnitten sind. Abgesehen von
der Armutsbekämpfungs- und Wachstumsfazilität, die wegen ihrer Sonderrolle im nächsten
Abschnitt (III.C.) behandelt wird, werden die vier Hauptfazilitäten4 aus den allgemeinen Mit-
4
Das sind: Die Bereitschaftskreditvereinbarung (Stand-By Arrangement, SBA), die Erweiterte Fondsfazilität
(Extended Fund Facility, EFF), die Fazilität zur Stärkung von Währungsreserven (Supplemental Reserve Facili-
- 21 teln des IWF gespeist. Zwar stellt dabei der IWF den Kreditnehmern seine eigenen Finanzierungskosten voll in Rechnung. Diese sind allerdings deutlich günstigere Konditionen als es
viele Länder am Markt bekommen könnten5. Insofern beinhalten IWF-Kredite ein bedeutendes Subventionselement.
Der Umfang der möglichen Kreditaufnahme beim IWF ist nach oben begrenzt. Diese Begrenzung – die so genannte Ziehungsgrenze – liegt bei 300% der sog. IWF-Quote eines jeden
Mitgliedslandes. Eine ausnahmsweise Überschreitung der Ziehungsgrenze ist nur unter genau
geregelten, sehr spezifischen Bedingungen möglich und hängt insbesondere von der Art des
Kredits ab.
Diese Beschränkung hat mehrere Gründe: Zum einen dient die Ausrichtung an der Quote der
Gleichbehandlung der IWF-Mitglieder, da die Quote die Höhe der Einzahlungen und das relative weltwirtschaftliche Gewicht des jeweiligen Mitgliedslandes spiegelt. Weiterhin tragen die
Ziehungsgrenzen auch zum Schutz der begrenzten finanziellen Ressourcen des IWF bei – im
Interesse aller Länder. Vor allem aber soll damit die Transparenz und Berechenbarkeit eines
IWF-Engagements im Falle von Finanzkrisen verbessert und damit die Einbeziehung des Privatsektors in die Krisenbewältigung gestärkt werden.
Es steht außer Frage, dass der IWF notfalls auch mit großen Summen Liquidität bereitstellen
muss, wenn eine Kapitalbilanzkrise in einem Land droht, systemische Ausmaße zu bekommen, d.h. durch Ansteckungseffekte auch andere, unbeteiligte Länder zu destabilisieren.
Wenn aber ein solches systemisches Risiko nicht vorliegt, sollten grundsätzlich private Investoren auch die Risken tragen, die sie eingegangen sind – und für die sie auch eine entsprechende Risikoprämie in Form einer höheren Rendite erwarten. Andernfalls könnte es zu einer
Situation des „moralischen Risikos“ (moral hazard) kommen, die durch Fehlanreize zu ineffizienten Allokationen führt: Wenn sich private Investoren darauf verlassen sollten, dass im
Falle jeder Finanzkrise der IWF mit immer größeren Finanzierungspaketen einspringen wird,
besteht die Gefahr, dass die tatsächlichen wirtschaftlichen Risiken unterschätzt werden und
falsche Investitionsentscheidungen getroffen werden. Dies würde dann zu einer Verzögerung
der Lösungen und dem Aufbau einer noch größeren Krisenanfälligkeit beitragen.
Neben der Kreditvergabe fördert der IWF auch eine schnellere Bewältigung von Finanzkrisen, indem er Ansätze für eine geordnete und schnelle Umschuldung von Staatsschulden zwischen Ländern und privaten Gläubigern unterstützt. So fordert der IWF seine Mitgliedsländer
ausdrücklich auf, bei neuen internationalen Anleiheverträgen Umschuldungsklauseln (Collective Action Clauses) aufzunehmen. Weiterhin knüpft er die Vergabe von Krediten an Mitgliedsländer mit Rückständen gegenüber privaten Gläubigern an die Kondition fairer Umschuldungsverhandlungen. Darüber hinaus hat der IWF 2002 versucht, einen formalen, vertraggestützten Umschuldungsmechanismus zu schaffen (der sog. SDRM: Sovereign Debt
Restructuring Mechanism). Dieses Verfahren wäre aus deutscher Sicht ein wichtiger Beitrag
zur Stärkung der internationalen Finanzarchitektur gewesen; es konnte jedoch nicht die für
eine Umsetzung erforderliche politische Unterstützung durch die Mehrheit der Mitgliedstaa-
ty, SRF) und die Fazilität zur kompensierenden Finanzierung (Compensatory Financing Facility, CFF). Für weitere Infromationen siehe z.B. http://www.imf.org/external/np/exr/facts/howlend.htm .
5
Die Gebühren für die Hauptfazilitäten basieren auf dem Zinssatz für Sonderziehungsrechte, der entsprechend
den Änderungen bei kurzfristigen Zinsen auf den wichtigsten internationalen Geldmärkten wöchentlich korrigiert wird. Auf besonders umfangreiche Kredite wird ein zusätzlicher Aufschlag erhoben. Die aktuellen Werte
stehen unter http://www.imf.org/external/fin.htm .
- 22 ten finden. Dennoch hat diese Diskussion zu einem besseren Verständnis der Problematik
beigetragen und anderen Maßnahmen neuen Impuls verliehen.
Die Zunahme der internationalen Kapitalverflechtungen und der dabei bewegten Volumina
stellen den IWF vor die Notwendigkeit einer grundsätzlichen Richtungsentscheidung: Entweder er stellt seine Kreditvergabe in den Vordergrund und dehnt diese erheblich aus oder er
konzentriert sich auf wirtschaftspolitische Überwachung, Beratung und Vermittlung von
Know-how und begrenzt den Umfang der Kreditvergabe. Dahinter stehen zwei konzeptionell
verschiedene Auffassungen. Dreh- und Angelpunkt dieser Kontroverse ist die Frage, welche
Bedeutung die schnelle Bereitstellung umfangreicher Liquidität für die Stabilität des internationalen Finanzsystems hat6. Die Vorstellung der Befürworter größerer IWF-Kredite orientiert
sich an der typischerweise von Zentralbanken wahrgenommenen Rolle des „Kreditgebers
letzter Instanz“ (Lender of Last Resort). Demnach soll eine Zentralbank im Falle einer Bankenkrise zum Schutz des Gesamtsystems Liquidität bereitstellen – und zwar im Prinzip in
unbegrenztem Umfang, da im Falle einer Panikwelle eine partielle Versicherung von Forderungen wirkungslos sei. Da jede Form der Versicherung ein gewisses Maß an „moral hazard“
impliziert, soll jedoch das Ob, Wann und Wie einer solchen Liquiditäts-Nothilfe im Unklaren
gelassen werden („constructive ambiguity“). Eine Übertragung dieses Konzepts auf den IWF
ist jedoch aus mehreren Gründen problematisch:
●
Im Unterschied zu Zentralbanken hat der IWF kein Geldschöpfungsmonopol und ist daher faktisch gar nicht in der Lage, unbegrenzt Liquidität bereitzustellen. Da dies Marktteilnehmern und Mitglieder bekannt ist, kann auch keine wirklich „constructive ambiguity“ gewährleistet werden. Eine eigene Liquiditätsschöpfung durch den IWF ist auch entbehrlich, weil hinter dem IWF die nationalen Zentralbanken seiner Mitglieder stehen mit der entsprechenden Fähigkeit, internationale Liquidität zu schöpfen.
●
Eine unbegrenzte Kreditvergabe durch eine politische Institution birgt grundsätzlich die
Gefahr des politischen Missbrauchs. Zwar kann der IWF heute ein beachtliches Maß an
Unabhängigkeit und Objektivität für sich beanspruchen, welches durch zahlreiche Kontrollmechanismen gewährleistet wird7. Dennoch kann er nicht die Unabhängigkeit einer
Zentralbank haben8, was im Fall der Geldschöpfung immer politökonomische Risiken
impliziert. Von politischen Eigeninteressen geleitete Kreditvergaben hätten aber nicht nur
eine Ungleichbehandlung zur Folge. Sie dürften auch eine effiziente Informationsverarbeitung durch die Märkte behindern und zu internationalen Fehlallokationen führen. Zudem können politische Interessen oft berechenbar sein, was auch „moral hazard“ und
spekulativem Verhalten Vorschub leisten kann.
●
Auch ohne politischen Missbrauch kann es zu „moral hazard“ kommen, wenn auf ein
Rettungspaket des IWF spekuliert wird. Die Existenz dieser Gefahr ist weitgehend unbestritten; diskutiert wird jedoch die Bedeutung des „moral hazard“-Problems. So wurden
6
Der weitere Anstieg des Handels kann nur bedingt eine Zunahme der IWF-Kredite begründen, da durch noch
stärkere Zunahme des internationalen Kapitalverkehrs eventuelle Finanzierungsengpässe zunehmend durch privates Kapital überbrückt werden können – soweit Zugang zu den Kapitalmärkten besteht.
7
insbesondere seinen qualifizierten Stab, das Direktorium und die zahlreiche Mitgliedschaft, das unabhängige
Evaluierungsbüro und Transparenz gegenüber der Öffentlichkeit.
8
Eine solche zentralbankähnliche Unabhängigkeit für den IWF wäre nicht nur kaum umzusetzen. Sie wäre auch
nicht wünschenswert, da sie erhebliche Legitimationsprobleme aufwerfen würde.
- 23 einerseits in der Vergangenheit teilweise solche Verhaltensweisen beobachtet9 . Andererseits sind die empirischen Belege für „moral hazard“ als signifikante Einflussgröße relativ knapp. An dieser Stelle ist es jedoch entscheidend, dass die Frage nach der Bedeutung
von „moral hazard“ nicht allein empirisch zu beantworten ist, weil dies eine ex post –
Betrachtungsweise darstellt. Vielmehr muss die als mögliche ex ante-Wirkung im Auge
behalten und deshalb ernst genommen werden.
Welche Maßnhmen sind angesichts der langfristigen Trends für die weitere Entwicklung des
IWF wichtig?
1. Strikte Begrenzung der Kreditvergabe: Anfang 2003 wurden vier strenge Kriterien für
die Überschreitung der Ziehungsgrenzen bei der Kreditvergabe („exceptional access criteria“) vereinbart10. Die strikte Anwendung dieser Kriterien trotz z.T. schwieriger, ungelöster Altfälle, ist entscheidend, um den Privatsektor in die Krisenbewältigung einzubeziehen
und die Transparenz und Berechenbarkeit der IWF-Politik zu erhöhen. Die Einhaltung
dieser Kriterien ist ebenfalls ein wichtiges Instrument um die Konzentration von Kreditrisiken des IWF in einigen Ländern zu reduzieren.
2. Stärkung der katalytischen Funktion: Neben der Selbstbeschränkung bei der Kreditvergabe muss auch deren Funktion, andere Geldquellen (insbesondere privates Kapital) zu
mobilisieren, gestärkt werden. Diese katalytische Funktion ergibt sich daraus, dass der
IWF durch Analyse, Beratung, Programmkonditionen und die Überwachung der Umsetzung vorher nicht verfügbare Informationen schafft und damit ein „Gütesiegel“ vergibt. Je
besser diese Information ist, d.h. je objektiver, realistischer und umfassender, desto
glaubwürdiger ist sie und umso stärker ist dann der katalytische Effekt.
Zur Stärkung des katalytischen Effekts sollte daher die hohe Qualität der Analysen und
Programme des IWF stetig weiter verbessert werden: z.B. könnte der Realismus der
Wachstumsprognosen weiter verbessert werden, indem verschiedene Szenarien entwickelt
und die Annahmen ausführlicher begründet werden. Ebenso könnten fiskalische Konditionen regelmäßig an den tatsächlichen Ergebnissen überprüft werden, um systematische
Fehler auszuschließen. Bei der Programmgestaltung sollte noch mehr Aufmerksamkeit auf
die Einnahmeseite gelenkt werden, insbesondere Steuerflucht, Einkommens- und Vermögenssteuer. Schließlich sollten politische und andere Risiken der Programmumsetzung
möglichst transparent gemacht werden.
Analyse und Beurteilung der Schuldensituation eines Landes spielen eine entscheidende
Rolle für ein fundiertes Krisenmanagement des Fonds. Eine Trennung der Schuldentragfähigkeitsanalyse von den Kreditentscheidungen ist sinnvoll, wenn damit die Analyseergebnisse objektiver und den Entscheidungen tatsächlich zugrunde gelegt werden. Neben
herkömmlichen Verschuldungsindikatoren sollte die länderspezifische Qualität von Institutionen und der Politikgestaltung sowie die Verletzlichkeit gegenüber externen Schocks
bewertet werden. Erforderlich ist, Signale für drohende Engpässe („debt distress“) frühzeitig zu erkennen und kurzfristig Simulationen alternativer Szenarien („stress tests“) zu
erstellen.
9
Z.B. im Fall der Russland-Krise 1998.
10
Die genauen Kriterien für Überschreitung der Ziehungsgrenze wurden Anang 2003 beschlossen und sind einzusehen unter http://www.imf.org/external/np/sec/pn/2003/pn0337.htm .
- 24 Im Kontext der katalytischen Finanzierung bekommt auch die Kreditvergabe eine andere
Bedeutung: (i) sie dient als Hebel, um die Umsetzung der Programmkonditionen glaubwürdig zu machen (ii) manche Markteilnehmer bewerten die Tatsache, dass der IWF eigenes Geld an die Umsetzung des Programms bindet, als ein Signal, welches die Glaubwürdigkeit des Programms zusätzlich stärkt („commitment device“). In diesem Sinne wird
derzeit diskutiert, die Rolle von vorsorglichen Kreditvereinbarungen („precautionary arrangements“) – innerhalb der regulären Zugangsgrenzen – zu stärken. Bei solchen Vereinbarungen stellt der IWF sein Geld bereit, das jeweilige Land beansprucht den Kredit
jedoch nur im Notfall. Tatsächlich belegen empirische Untersuchungen, dass vorsorgliche
Kreditvereinbarungen den mit Abstand stärksten katalytischen Effekt haben.
3. Weitere Fokussierung der Konditionalität: Schließlich sollte die bereits fortgeschrittene
Straffung der IWF-Konditionalität fortgesetzt werden. Die Programmziele sollten zukünftig noch klarer spezifiziert werden und sich auf solche makroökonomischen und strukturellen Maßnahmen beschränken, die für die Erreichung der Programmziele zwingend
notwendig sind. Die Einbeziehung der Weltbank ist erforderlich bei Konditionen, die außerhalb des IWF-Mandats liegen. Art und Umfang der Konditionalität sollten stärker als
bisher der Charakteristika des Programmlandes Rechnung tragen. Insbesondere sollten
Konditionen stärker als bisher auf Verfahren, Regeln und Institutionen fokussieren, statt
auf einmalige Aktionen.
4. Fortgesetzte Arbeit an möglichen Umschuldungsinstrumenten: Die Beschränkung der
IWF-Kreditvergabe und ein stärkeres Vertrauen auf Marktmechanismen erfordern institutionelle Verbesserungen bei den Verfahren zur Restrukturierung staatlicher Schulden gegenüber privaten Gläubigern. Mehrheitsklauseln in Staatsanleihen sind ein wichtiger Fortschritt, jedoch nicht ausreichend. Ergänzend hierzu sollte der IWF die im Rahmen der
Diskussion um ein SDRM aufgeworfenen und weiterhin ungelösten Fragen11 weiter analysieren und Vorschläge für deren Lösung entwickeln.
C.
Technische Hilfe
Technische Hilfe ist eine wichtige, oft sogar entscheidende Ergänzung der anderen Instrumente des IWF. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die Entwicklung und Umsetzung von Reformprogrammen oder Armutsbekämpfungsstrategien Kapazitäten und Kompetenzen im jeweiligen
Land voraussetzt. Wenn Kapazitätsengpässe bestehen, kann dies die Umsetzung von Reformen auf nationaler Ebene behindern, den Erfolg eines IWF-Programms gefährden und damit
auch dessen Realismus und seine katalytische Wirkung erheblich schwächen.
Der IWF bietet technische Hilfe in allen Bereichen seiner Expertise an, insbesondere in den
Bereichen Fiskalpolitik (v.a. Steuerpolitik, Finanzverwaltung, Verwaltung der öffentlichen
Ausgaben), Geldpolitik (einschließlich Wechselkurspolitik, Finanzsektorregulierung und Zahlungssysteme) sowie Wirtschafts- und Finanzstatistik.
11
z.B. die Mehrheitsregeln bei der Aggregation über mehrere Anleiheemissionen, die Frage nach Auslösung und
Dauer eines „standstill“ sowie die Problematik von „vulture funds“ und einer temporären Aussetzung des Klagewegs.
- 25 Die Bereitstellung der technischen Hilfe erfolgt durch Stabsmissionen in das betroffene Land,
Entsendung von Experten (auch für längere Zeiträume), Kurse, Seminare, Erstellung von Diagnoseberichten oder auch durch Online-Beratung. In den vergangenen Jahren hat der IWF
zunehmend technische Hilfe über regionale Zentren bereitgestellt. Dies ermöglicht einerseits
eine unmittelbare Nähe zum spezifischen Umfeld, in dem technische Hilfe nachgefragt wird,
andererseits die Bündelung von Ressourcen und einen verbesserten Informationsfluss zwischen den Experten. Derzeit bestehen Regionalzentren für technische Hilfe für die Pazifikregion, die Karibik und für Ost- und Westafrika. Kürzlich wurde ein weiteres Zentrum für den
Nahen und Mittleren Osten in Beirut eröffnet. Hinzu kommen regionale Ausbildungszentren
in Brasilien, Tunesien, Singapur und Österreich.
Das gewachsene Verständnis der Bedeutung des Aufbaus effizienter Institutionen für den
wirtschaftlichen Entwicklungsprozess wird von den Erfahrungen des IWF mit der technischen
Hilfe bestätigt: die Nachfrage nach technischer Hilfe ist deutlich größer als das Angebot, also
die beim IWF vorgehaltenen Kapazitäten. Angesichts der Schlüsselrolle der technischen Hilfe
für die katalytische Wirksamkeit der anderen IWF-Instrumente, besteht hier Bedarf für einen
Ausbau der technischen Hilfe. Hierzu könnte auch erwogen werden, verstärkt die technischen
Hilfsangebote nationaler Zentralbanken zu vermitteln.
D.
Rolle des IWF in den armen Ländern
Zur Unterstützung seiner ärmsten Mitgliedsländer setzt der IWF im Prinzip dieselbe Art von
Instrumenten ein: Wirtschaftspolitische Überwachung, Kreditvergabe und technische Hilfe.
Die spezifischen Herausforderungen, vor denen die ärmsten Entwicklungsländer stehen, erfordern jedoch eine ebenso spezifische Abstimmung des IWF-Instrumentariums auf deren
Bedürfnisse.
Trotz der in den letzten Jahrzehnten erzielten Fortschritte stellt die in Entwicklungsländern
vorherrschende extreme Armut die internationale Gemeinschaft vor große Herausforderungen. Zurzeit leben über eine Milliarde Menschen von weniger als 1 US$ am Tag.
750 Millionen Menschen sind unternährt, ein Fünftel davon sind Kinder12. Die Ursachen der
Armut und die Gründe für ihr Fortbestehen sind äußerst komplex, vielfältig und bis heute
nicht vollständig erfasst. Nahezu unumstritten ist allerdings, dass eine nachhaltige, hohe
Wachstumsrate beim durchschnittlichen Pro-Kopf-Einkommen für eine spürbare Armutsminderung entscheidend ist. Dafür kommt es u.a. auf solide Wirtschaftspolitik, starke Institutionen und rechtliche Rahmenbedingungen sowie gute Regierungsführung und die Öffnung für
internationalen Handel an. Hierzu leistet der IWF einen wichtigen Beitrag.
Die armen Länder profitieren vom gesamten Spektrum an wirtschaftspolitischer Beratung, die
der IWF über die so genannte Überwachung seinen Mitgliedern zur Verfügung stellt. Diese
Beratung ist auch für die ärmsten Länder ein zentraler Beitrag, um wirtschaftliche Rahmenbedingungen zu schaffen, die zu nachhaltigem Wachstum und Armutsbekämpfung beitragen,
Ursachen für makroökonomische Risiken und krisenanfällige Bereiche zu erkennen und zu
überwinden und um die für ein solides gesamtwirtschaftliches Management erforderlichen
12
Wesentliches Ziel der von den Vereinten Nationen aufgestellten Milleniums-Entwicklungsziele (Millenium
Development Goals – MDGs) ist deshalb die Halbierung der Armut bis 2015 (Basisjahr 1990). Eine Darstellung
der Millenium-Entwicklungsziele und weiterführende Hinweise finden sich unter www.un.org/millenniumgoals/
- 26 Institutionen und politische Instrumente zu stärken. Dabei profitieren die Entwicklungsländer
nicht nur von ihrem bilateralen wirtschaftspolitischen Dialog mit dem IWF, sondern auch
über die IWF-Überwachung anderer Länder und des internationalen Währungssystems. So
nutzt der IWF den Überwachungsprozess auch zur Aufforderung an die Industrieländer, ihre
Zusagen im Zusammenhang mit den Milleniums-Entwicklungszielen einzuhalten, insbesondere den erforderlichen Abbau von Subventionen und anderen Handelshemmnissen, um den
Marktzugang für Exporte aus einkommensschwachen Staaten in ihre Länder zu verbessern.
Durch Kreditvergabe leistet der IWF finanzielle Unterstützung an arme Länder mit Zahlungsbilanzschwierigkeiten über seine Armutsbekämpfungs- und Wachstumsfazilität (Poverty Reduction and Growth Facility – PRGF), die sich in einigen Punkten von den Hauptfazilitäten
des IWF unterscheidet, insbesondere ist sie zinssubventioniert und hat längere Laufzeiten13.
PRGF-Kreditprogramme stützen sich auf so genannte Strategiedokumente zur Armutsbekämpfung (Poverty Reduction Strategy Papers – PRSP). Ein PRSP wird von der Regierung
eigenverantwortlich und in enger Abstimmung mit der Weltbank, der Zivilgesellschaft und
anderen Entwicklungspartnern erstellt. Neben wirtschaftspolitischen Maßnahmen enthält ein
PRSP meistens auch Strukturreformen und sozialpolitische Maßnahmen zur Verbesserung des
Gesundheits- und Bildungswesens sowie zum Umweltschutz.
Durch PRGF und PRSP greifen in den armen Ländern das makroökonomische Engagement
des IWF und das struktur- und entwicklungspolitische Engagement der Weltbank deutlich
enger ineinander als bei anderen Ländern. Dies birgt ein potentielles Risiko von Doppelarbeiten und impliziert damit auch einen engeren Abstimmungsbedarf zwischen den beiden Institutionen. Es ist aber zugleich durch die besonderen Umstände der Armutsbekämpfung gerechtfertigt. Die ausgeprägten strukturellen und institutionellen Schwächen sowie die Kapazitätsengpässe in diesen Ländern erfordern ein stark an diesem Bedarf ausgerichtetes Vorgehen.
Dazu gehört ein umfassendes Verfahren für die strategische Einbettung der verschiedenen
Politikbereiche, wie es das PRSP bietet. Ein PRSP bietet darüber hinaus einen operativen
Rahmen, der es ermöglicht, die vielen Beiträge unterschiedlichster Entwicklungspartner
(IWF, Weltbank, zahlreiche bilaterale Geberinstitutionen) zu koordinieren. Und schließlich
gehört zum PRSP auch der vergleichsweise aufwändige partizipative Prozess, der angesichts
der genannten institutionellen Schwächen jedoch wesentlich ist, um „ownership“ und eine
erfolgreiche Programmgestaltung und –umsetzung zu befördern.
Die Förderung der makroökonomischen Stabilität und die dauerhafte Stärkung der Zahlungsbilanz in den unterstützten Ländern ist eine zentrale Voraussetzung für das Erreichen der
Millenniumsziele, ohne die Armutsprobleme nicht zu überwinden sind. Aus diesem Grund
weisen viele andere Geberinstitutionen dem IWF oft eine Schlüsselrolle zu, indem sie ihren
entwicklungspolitischen Beitrag an ein makroökonomisches Reformprogramm des IWF
knüpfen. Obwohl diese Länder typischerweise keinen Kapitalmarktzugang haben, kommt
dem IWF insofern in der Praxis also auch in den ärmsten Ländern oft eine „katalytische“
Funktion (für Hilfsmittel anderer Geber) zu. Diese katalytische Rolle ist letztlich ein weiterer
wichtiger Grund, warum die Einbettung des IWF-Engagements in den Kontext der PRSP
sinnvoll ist.
13
PRGF-Kredite werden v.a. aus separaten Mittelbeiträgen einiger Geberländer gespeist und zu subventionierten
Bedingungen vergeben (Zinssatz von 0,5 %). Sie sind über einen Zeitraum von 10 Jahren zurückzuzahlen, wobei
die ersten 5½ Jahre tilgungsfrei sind. Siehe hierzu auch http://www.imf.org/external/np/exr/facts/prgf.htm.
- 27 Besonders hoch verschuldete arme Länder (Heavily Indebted Poor Countries – HIPC) haben
außerdem Zugang zu der 1999 unter deutschem G7-Vorsitz initiierten Kölner Schuldeninitiative (enhanced HIPC-Initiative). Nach Vollendung der Initiative werden Schulden von
42 Ländern erlassen worden sein. 15 Länder haben bereits den vollständigen Erlass erhalten.
Die 27 HIPC-Länder, denen bereits eine Schuldenerleichterung gewährt wurde, geben heute
durchschnittlich das Vierfache mehr für soziale Dienste als für den Schuldendienst aus und
konnten in ihrem Haushalt im Rahmen ihrer PRGF-Programme den Ausgabenanteil für Gesundheit und Bildung beträchtlich erhöhen. Die HIPC-Initiative wurde kürzlich mit deutscher
Unterstützung bis Ende 2006 verlängert.
Die technische Hilfe des IWF ist von besonderer Bedeutung für die ärmsten Länder: Fast die
Hälfte der gesamten technischen Hilfe des IWF geht an einkommensschwache Länder. Die
Tätigkeitsbereiche der technischen Hilfe unterscheiden sich dabei nicht grundsätzlich vom
generellen Angebot, d.h. sie deckt die Bereiche ab, in denen der IWF eine besondere Expertise vorweisen kann.
Wie sollte sich das Engagement des IWF in den ärmsten Mitgliedsländern weiter entwickeln?
1. Engagiert bleiben: Angesichts der Größe der Herausforderung ist mittelfristig ein Zurückfahren des Engagements des IWF in diesen Ländern nicht wünschenswert. Vielmehr
ist zur Gewährleistung des nötigen Ausleihvolumens eine Aufstockung der PRGF durch
externe Geber erforderlich. Andernfalls käme es ab 2006 zu einer Halbierung des
PRGF-Vergabevolumens. Der konzeptionelle Rahmen für dieses Engagement sollte weiterhin der PRGF/PRSP-Rahmen sein, der die „ownership“, Politikformulierung und
-implementierung in vielen Ländern verbessert hat. Langfristig sollte mit zunehmender
Graduierung der ärmsten Länder ein Übergang zu einer rein überwachungsbasierten Beziehung angestrebt werden, in dessen Folge dann auch PRGF-Mittel reduziert werden
können. Diese Reduzierung sollte jedoch nicht technisch, sondern durch tatsächliche Entwicklungsfortschritte begründet sein.
2. Engere Verzahnung mit PRSP: Um die Effizienz zu erhöhen und die katalytische Rolle
zu stärken ist eine noch engere Verknüpfung der PRGF-Programme mit den PRSP sowie
eine Abstimmung mit den Zielen bilateraler Geber und der Weltbank erforderlich – insbesondere, da von Beginn an der Aufbau funktionsfähiger Institutionen und die Mobilisierung interner Ressourcen im Mittelpunkt stehen sollten. Armutsbekämpfungsstrategien
müssen auf einer möglichst realistischen Planung beruhen, die Ziele müssen stärker auf
Prioritäten fokussiert und eine engere Verknüpfung mit dem Budget sollte gewährleistet
werden. Dabei sollte der Fonds noch ausführlicher analysieren, welche makroökonomischen Variablen tatsächlich durch das Programmland beeinflussbar sind und welchen im
Hinblick auf Armutsbekämpfung besondere Bedeutung zukommt. Stabilisierung als alleinige Bedingung für Wachstum ist unzureichend. Weiterhin sollte der Fonds die Wirkungsanalyse der Programme ausbauen (Poverty and Social Impact Analysis, PSIA).
3. Präzise Aufgabenteilung: Die andere Seite einer engeren Verzahnung ist eine möglichst
präzise abgestimmte Aufgabenteilung mit der Weltbank. So muss grundsätzlich gelten,
dass die knappen PRGF-Mittel nur dann eingesetzt werden, wenn eine Grundvoraussetzung – d.h. Zahlungsbilanzbedarf des Kreditnehmers – erfüllt ist. In anderen Fällen
muss auf alternative IWF-Instrumente zurückgegriffen werden. .
4. Abbau dauerhafter Kreditbeziehungen: Der Zugriff auf PRGF-Kredite darf nicht zur
Gewohnheit werden. Tatsächlich hat sich jedoch gezeigt, dass manche Länder sich nur
- 28 noch schwer von der Unterstützung durch IWF-Programme lösen können. Im Rahmen einer Graduierungsstrategie könnten deshalb vermehrt PRGF-Programme mit schrittweise
abnehmendem Umfang eingesetzt werden. Allerdings dürfen progressiv abnehmende
PRGF-Kredite nicht dazu führen, dass der Übergang zu einer rein überwachungsbasierten
Beziehung unnötig lang hinausgeschoben wird. Grundsätzlich muss gelten, dass die Kreditvergabe selektiv erfolgt, d.h. dass reformunwilligen Regierungen der Zugang zu den
begrenzten IWF-Mitteln verwehrt wird. Die Gütesiegelfunktion der PRGF könnte evtl.
auch durch „Non-Borrowing“-Programme hergestellt werden.
5. Technische Hilfe und länderspezifische Kompetenz: Für die ärmsten Länder gilt grundsätzlich auch, was bereits in den vorangegangenen Abschnitten zu technischer Hilfe und
zur wirtschaftspolitischen Überwachung dargestellt wurde: Die Förderung länderspezifischer Kompetenz sowie die Stärkung der technischen Zusammenarbeit sind Bereiche, die
der IWF künftig stärken sollte. In armen Ländern ist hier insbesondere eine stärkere strategische Prioritätensetzung der technischen Hilfe sowie die Erschließung externer Finanzierungsquellen von Bedeutung.
E.
Repräsentanz, Stimmrechte, Mitsprache
Der IWF wird von seinen Mitgliedern, d.h. Anteilseignern, gesteuert, deren relatives Stimmgewicht sich aus der Einzahlung durch die IWF-Quote ergibt – die wiederum deren relatives
weltwirtschaftliches Gewicht abbildet. Die unterschiedlichen Stimmrechte der einzelnen Mitgliedstaaten sind zu insgesamt 24 Sitzen im Exekutivdirektorium zusammengefasst; dahinter
stehen 5 Exekutivdirektoren der Hauptanteilseigner und 19 Direktoren von Stimmrechtsgruppen. Letztere vertreten eine Gruppe mehrerer Länder mit unterschiedlichen Stimmgewichten.14.
Die heutige Form und Stimmgewichtung des Exekutivdirektoriums ist historisch gewachsen
und hat sich in vielerlei Hinsicht bewährt, sie ist jedoch nicht in allen Aspekten befriedigend.
So wäre eine größere „ownership“ der Institution IWF durch seine Mitglieder wünschenswert.
Das kann nicht den Übergang zu einer „Kreditnehmerdemokratie“ bedeuten. Eine kreditgebende Institution kann nicht die grundlegende asymmetrische Beziehung zwischen Gläubigern und Schuldner aufheben, ohne dabei handlungsunfähig zu werden – gerade wenn sie
insgesamt dem Gedanken der Zusammenarbeit Rechnung tragen will. Eine „ownership“ der
kreditgebenden Länder wäre dann sicherlich nicht mehr gegeben. Um die Rolle der Mitgliedsländer im IWF zu stärken, könnte jedoch bei folgenden Maßnahmen angesetzt werden:
1. Basisstimmen: Eine Stärkung der Mitsprachemöglichkeiten von Entwicklungs- und
Schwellenländern sollte angestrebt werden. Dabei muss das relative weltwirtschaftliche
Gewicht weiterhin die Höhe der Quote seiner Mitgliedsländer bestimmen; denkbar wäre
jedoch eine substantielle Erhöhung der Grundstimmen sowie eine Transparenzsteigerung
durch eine Vereinfachung der Quotenformel.
14
Eine detaillierte Aufstellung der Mitglieder, ihrer Stimmrechte und findet sich unter
http://www.imf.org/external/np/sec/memdir/members.htm eine Darstellung der Stimmrechtsgruppen und Direktoren unter http://www.imf.org/external/np/sec/memdir/eds.htm .
- 29 2. Kapzitätsaufbau: Ergänzend könnten weitere Maßnahmen zur Stärkung der administrativen Kapazitäten der Entwicklungsländer im IWF ergriffen werden, etwa eine Stärkung der
Qualifikation der Mitarbeiter, längere Vorlaufzeiten für die Bearbeitung von IWFDokumenten sowie eine generelle Verbesserung der technischen Voraussetzungen für die
Kommunikation mit den Heimatbehörden.
3. Diversität: Die stetige, weitere Förderung der Diversität sowohl bzgl. der Herkunft als
auch der Kulturen und Denkschulen auf der Seite des IWF-Stabes kann ebenfalls zu besseren Mitsprachemöglichkeiten beitragen, wenn dadurch möglichst viele fachlich fundierte Perspektiven in die länderspezifische Lösungssuche einfließen. Schon heute beschäftigt
der IWF Mitarbeiter aus 140 Ländern.
4. Neuordnung des Exekutivdirektoriums: Mit Blick auf längerfristige Entwicklungstrends wäre auch eine Neuordnung der Sitze des Exekutivdirektoriums z.B. nach Regionen denkbar, um eine weniger heterogene Zusammensetzung der einzelnen Stimmrechtsgruppen zu erreichen. So hat heute Europa mit Einführung des Euro zwar erheblich an finanz- und geldpolitischer Bedeutung gewonnen, ist jedoch vor allem durch „gemischte“
Stimmrechtsgruppen vertreten, d.h. durch Exekutivdirektoren, welche bspw. nicht nur für
Irland sprechen, sondern gleichzeitig auch für so verschiedene Länder wie die Bahamas,
Kanada, Belize und sieben andere. Langfristig sollte im Rahmen einer solchen Neuordnung des Direktoriums ein gemeinsamer europäischer Stuhl geschaffen werden, der alle
Mitglieder der EU zusammenfasst.
- 30 -
III.
Die Weltbank
Die Weltbankgruppe (WBG) mit Sitz in Washington D.C., USA, setzt sich aus fünf rechtlich
selbständigen Institutionen zusammen:
•
Die Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (International Bank for Reconstruction
and Development, IBRD) mit heute 184 Mitgliedern.
•
Die Internationale Entwicklungsorganisation (International Development Agency,
IDA), als Tochterorganisation der Weltbankgruppe 1960 gegründet, heute 165 Mitglieder.
•
Die Internationale Finanz-Corporation (International Finance Corporation, IFC), gegründet im Jahre 1956, heute 176 Mitglieder.
•
Die Multilaterale Investitionsgarantie-Agentur (Multilateral Investment Guarantee
Agency, MIGA), gegründet im Jahre 1988, heute 164 Mitglieder.
•
Das Internationale Zentrum zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID); gegründet im Jahre 1966, heute 140 Mitglieder.
Die gemeinsame Kernaufgabe dieser Organisationen ist es, zur Umsetzung der internationalen
Entwicklungsziele (Millenium Development Goals, MDGs) beizutragen, vor allem den Anteil
der Armen an der Weltbevölkerung bis zum Jahr 2015 um die Hälfte reduzieren zu helfen.
Hierzu fördern sie in den weniger entwickelten Mitgliedsländern nachhaltiges Wirtschaftswachstum und soziale Entwicklung.
Hauptinstrumente der IBRD und der IDA sind die Gewährung von Darlehen zu annähern
Marktkonditionen an die fortgeschrittenen Entwicklungsländer (IBRD) und die Gewährung
von zinslosen Krediten sowie zunehmend auch Zuschüssen an die ärmeren Entwicklungsländer (IDA). Damit werden Investitionsprojekte, technische Hilfe sowie wirtschaftliche Reformprogramme finanziert. Die Leistungen der IBRD sind weit größer als die Einzahlungen
ihrer Mitglieder. Sie verfügt nur über ein relativ geringes, von den Mitgliedstaaten eingezahltes Eigenkapital, im Übrigen über Haftungskapital. Auf dieser Grundlage mobilisiert sie in
erheblichem Umfang zu günstigen Konditionen Mittel auf dem Kapitalmarkt, die sie mit geringem Aufschlag zur Deckung ihrer Verwaltungskosten weitergibt.
IDA wird durch Geberbeiträge, in zunehmendem Maße aber auch durch Rückflüsse früher
gewährter Kredite gespeist. Die Finanzierungsbasis der IFC und der MIGA besteht wie bei
der IBRD in dem von den Mitgliedstaaten eingezahlten Eigen- und Haftungskapital. Auf dieser Basis können sich beide Organisationen auf dem Kapitalmarkt günstig refinanzieren und
mit ihren Leistungen weit über das von den Mitgliedern eingezahlte Eigenkapital hinausgehen. Hauptziel von IFC und MIGA ist die Förderung privatwirtschaftlicher Investitionen.
Während die IFC direkt Kredite an den Privatsektor aushändigt, vergibt die MIGA privatwirtschaftliche Direktinvestitionen durch Garantien gegen nicht kommerzielle Risiken.
A.
Armutsbekämpfung und Internationale Entwicklungsziele
Beginnend mit der Kölner Initiative zur Entschuldung der ärmsten Entwicklungsländer wurde
die Weltbank-Politik auf eine neue Grundlage gestellt:
- 31 1. Verknüpfung mit Armutsbekämpfung. Mit der Kölner Entschuldungsinitiative
wurde 1999 nicht nur die erweiterte Entschuldung der ärmsten Länder eingeleitet,
sondern diese auch an eine Ausrichtung der Politik der Partnerländer am Ziel der Armutsbekämpfung geknüpft. Die sog. HIPC-Länder (Heavily Indebted Poor Countries)
haben sich im Rahmen des Schuldenerlasses dazu verpflichtet, Armutsbekämpfung zu
ihrer politischen Priorität zu machen, Programme zur Bekämpfung der Armut durchzuführen (PRS: Poverty Reduction Strategies oder Armutsbekämpfungsstrategien)
sowie die durch den Erlass von Schulden eingesparten öffentlichen Mittel für Armutsbekämpfung einzusetzen. Damit wurde der erste Schritt hin zu einer neuen Entwicklungspartnerschaft getan. Im Einklang mit der „Millenniums-Erklärung“ im Rahmen
der Vereinten Nationen wurde die Armutsbekämpfung als überwölbende Aufgabe sowohl der deutschen Entwicklungspolitik als auch der Politik der Weltbank definiert.
2. Geberkoordinierung. Mit der nationalen und internationalen Verankerung der Armutsbekämpfung als überwölbendem Ziel wurde ein Rahmen für die Geberkoordinierung geschaffen. Sowohl der IWF und die Entwicklungsbanken als auch die bilateralen und multilateralen Geber sind so gehalten, sich mit ihren Programmen an den
Armutsbekämpfungsstrategien der Partnerländer zu orientieren.
3. Anpassung des „Washington Consensus“. Parallel hat die Bundesregierung dazu
beigetragen, die Weltbank schrittweise aus dem sog. „Washingtoner Konsensus“ der
Bretton Woods-Institutionen zu lösen, also der einseitigen neoliberalen Rezeptur in ihren wirtschaftspolitischen Empfehlungen und Auflagen. Die Weltbank wurde geöffnet
für einen breiteren Ansatz, der den komplexen und länderspezifisch unterschiedlichen
politischen, institutionellen und sozialen Gegebenheiten besser Rechnung trägt. Auch
die Politik der Bank zur Unterstützung von Reformprogrammen (bisher „Strukturanpassungsprogramme“) wurde entsprechend angepasst.
4. „Ownership“ und Partizipation der Bevölkerung. Ausschlaggebend für die Abkehr
von vorgefertigten Rezepten war die Erkenntnis, dass die Entwicklungsinstitutionen
davon Abstand nehmen sollten, den Partnerländern ihre Vorstellungen aufzuzwingen.
Denn: Für den Erfolg von Entwicklungsanstrengungen ist es unabdingbar, dass die
Entwicklungsländer selbst die entsprechenden Reformen konzipieren und umsetzen.
Die Armutsbekämpfungsstrategien sollen von den betreffenden Ländern unter Beteiligung ihrer Zivilgesellschaften erarbeitet werden. Die Strategien stellen so einen Katalysator für eine breite politische Diskussion in den Partnerländern und eine größere
Teilhabe der Bevölkerung in allen Politikbereichen dar. Dadurch wird „ownership“ als
entscheidende Voraussetzung für eine erfolgreiche Armutsbekämpfung gefördert.
Mit der Millennium Vollversammlung der Vereinten Nationen und der „Konferenz über Entwicklungsfinanzierung“ im März 2002 in Monterrey gibt es nicht nur eine gemeinsame Verpflichtung auf die internationalen Entwicklungsziele. Darüber hinaus wurde mit dem „Monterrey Consensus“ ein Rahmen geschaffen, innerhalb dessen alle Akteure ihre jeweilige Verantwortung für die Umsetzung dieser Ziele übernommen haben. Die im „Monterrey Consensus“ vereinbarte Partnerschaft baut auf ein Zusammenwirken von Staat und Markt, von Industrie- und Entwicklungsländern sowie multilateralen Institutionen. Der Weltgipfel zur
nachhaltigen Entwicklung hat Mitte 2002 diesen Rahmen weiter konkretisiert.
Vor diesem Hintergrund geht es künftig darum, die Tätigkeit der Weltbank auf die internationalen Entwicklungsziele hin zu fokussieren und so einen messbaren Beitrag zur Reduktion
der weltweiten Armut und zu anderen Entwicklungszielen zu leisten. Hierfür müssen die eingeleiteten Reformen konsequent zu Ende geführt werden. Das Ziel der Armutsbekämpfung
- 32 muss in allen Gliederungen der Weltbankgruppe fest verankert werden. Es muss sich in ihren
jeweiligen Strategien und Arbeitsprogrammen widerspiegeln. Neue Aufgaben oder Initiativen
der Weltbank müssen sich durch einen klaren Bezug zur Armutsbekämpfung rechtfertigen,
aber auch dem komparativen Vorteil der Institution entsprechen.
•
Länder mit niedrigem Einkommen: Hier kommt es vor allem darauf an, die PRSProzesse in die nationalen Verfahren zu integrieren und die Armutsbekämpfungsprogramme inhaltlich weiter zu entwickeln. Sie müssen zu einer konkreten Planungsgrundlage für politische Entscheidungen werden und insbesondere klar aufzeigen, wie mögliche
Wachstumspotentiale mobilisiert werden können. Außerdem geht es darum, die Transparenz der Wirtschaftsprozesse zu verbessern und aktiver gegen Korruption vorzugehen.
Ohne Rechtssicherheit, Rechenschaftslegung und Beteiligungsprozesse (z.B. durch verbessertes Budgetmanagement, Transparenz bei öffentlichen Ausgaben/tracking) wird sich
weder nachhaltig die Armut bekämpfen lassen, noch wird sich die private Investitionstätigkeit maßgeblich erhöhen. Daneben muss die Wirkungsmessung im Hinblick auf die
Millenniums-Ziele, aber auch im Hinblick auf die Wirkung der IDA-Maßnahmen auf die
Situation in Ländern mit Konfliktneigung verbessert werden.
•
Länder mit mittlerem Einkommen: In den Ländern mit mittlerem Einkommen, die vielfach auch Zugang zum privaten Kapitalmarkt haben, ist es ebenfalls erforderlich, die Aktivitäten der Weltbank stärker auf das Ziel der Armutsreduzierung durch nachhaltiges und
sozial ausgewogenes Wirtschaftswachstum auszurichten. Weit mehr als die Hälfte der
Armen, die täglich mit weniger als zwei US-$ pro Kopf auskommen müssen, leben in diesen Ländern. Es ist zwischenzeitlich bekannt, dass Länder mit einer relativ ausgewogenen
Verteilung von Einkommen durchschnittlich ein höheres Wirtschaftswachstum aufweisen;
eine der wichtigsten Vorbedingungen, um die Armut zu vermindern.
B.
Wachstums- und Investitionsstrategien
Ohne eine wirtschaftliche Dynamisierung der Entwicklungsländer und damit einhergehend
eine deutliche Steigerung des Wirtschaftswachstums kann weder die Schuldentragfähigkeit
langfristig gesichert, noch können die Millenniums-Entwicklungsziele erreicht werden. Die
internationale Gemeinschaft steht vor zwei zentralen Herausforderungen: Zum einen besteht
die Verpflichtung, die Millenniums-Entwicklungsziele zu erreichen; zum anderen das Ziel,
die Verschuldung auf ein Niveau zurückzuführen, das für die Länder langfristig tragbar ist.
Dies ist vor allem deshalb schwierig, weil die beiden Ziele in einem Spannungsverhältnis zueinander stehen: Wenn wir die MDGs erreichen wollen, bedarf es u.a. zusätzlicher externer
Finanzmittel, und diese stehen z.T. nur in Form von Krediten zur Verfügung. Nur durch erhöhtes Wachstum wird es gelingen, beide Ziele miteinander zu vereinbaren. Die Armutsreduzierung wird umso ausgeprägter sein, je besser die Produktivkräfte der Armen durch breitenwirksame und armutsreduzierende Wachstumsstrategien mobilisiert werden.
Entscheidend ist dabei Erkenntnisdefizite abzubauen. Zu wenig ist bekannt über die Zusammenhänge zwischen Politiken und armutsbezogenen Wirkungen. Das Zurückfahren der sektorspezifischen Analysetätigkeit zugunsten von Grundlagenfragen ("core diagnostics") seitens
der Bank hat zu diesen zentralen Erkenntnislücken beigetragen. Es bedarf daher einer verstärkten Untersuchung der potenziellen wachstumsbegünstigenden Faktoren und der Wege zu
ihrer Mobilisierung. Da diese Themen – insbesondere die potenziellen Wachstumsfaktoren
und die diversen Makro-Mikro-Verbindungen – sehr länderspezifisch sind, müssen die Lü-
- 33 cken in erster Linie auf Länderebene angegangen werden. Die Weltbank sollte daher die Länder prioritär dabei unterstützen, Kapazitäten zur Überwindung von zentralen Analysedefiziten
im Hinblick auf die Armutswirkungen von Politiken aufzubauen.
Die Armutsbekämpfungs- und anderen Entwicklungsstrategien müssen konkreter ausgestaltet
und so zu wirklichen Planungsgrundlagen werden. Es ist bekannt, dass die PRSPs (Poverty
Reduction Strategy Papers) häufig unzureichend Prioritäten setzen, Spannungsfelder zwischen
den verschiedenen Zielen und Maßnahmen kaum benennen und die budgetären Implikationen
der geplanten Maßnahmen nicht ausreichend aufzeigen. Das Problem liegt zum Teil darin,
dass die Armutsbekämpfungsprogramme unterschiedliche Funktionen erfüllen sollen. Zum
einen sollen sie aufzeigen, wie – vor dem Hintergrund der MDGs - die Armut in den betreffenden Ländern perspektivisch zurückgeführt werden kann. Zum anderen sollen sie – vor dem
Hintergrund begrenzter Mittel – den Referenzrahmen für kurzfristige Budgetplanungen abgeben. Derzeit besteht zwischen beiden Prozessen eine relativ breite Kluft: hier die langfristige
Vision, weitgehend losgelöst von budgetären Zwängen; dort die harte Realität, die sich zum
Beispiel in den mit dem IWF vereinbarten Ausgabenrahmen widerspiegelt. Diese Kluft gilt es
künftig zu überwinden. Zum einen sollten die Armutsbekämpfungsprogramme konkreter formuliert und Prioritäten vor dem Hintergrund budgetärer Zwänge klarer benannt werden. Zum
anderen sollten die kurzfristigen Planungen, insbesondere die makroökonomischen Vereinbarungen mit dem IWF (z.B. im Rahmen der Poverty Reduction and Growth Facility, PRGF),
die längerfristigen Ziele stärker berücksichtigen. Die Schwierigkeit besteht vor allem darin,
dass die Erreichung der längerfristigen Entwicklungsziele auch davon abhängt, in welchem
Maße externe Ressourcen zur Verfügung gestellt werden. Es kann deshalb sinnvoll sein, dass
sowohl die PRSPs, als auch die kurzfristigen makroökonomischen Projektionen – auf der
Grundlage der verschiedenen Annahmen bezüglich der Verfügbarkeit externer Ressourcen –
mehrere unterschiedliche Szenarien aufzeigen.
Es muss zudem über Fragen der Allokationseffizienz hinausgegangen werden: Die meisten
entwicklungspolitischen Theoretiker und Praktiker konzentrieren sich auf die Frage, wie sich
die Ressourcenallokation verbessern lässt, beispielsweise durch die Liberalisierung von Handel und Preisen, die Privatisierung von Versorgungsbetrieben, die Deregulierung der Wirtschaft begleitet durch die Schaffung effizienter Institutionen. Um Volkswirtschaften auf einen
langfristigen, nachhaltigen Wachstumskurs zu bringen, muss jedoch das Ziel der Allokationseffizienz um drei weitere Ziele ergänzt werden: Anpassungsfähigkeit, Erhöhung der Produktionskapazität und Verteilungsgerechtigkeit.
•
Anpassungseffizienz und robuste Lösungen. – In einer idealen Welt kann man sich auf
die Politiken der ersten Wahl konzentrieren. In der Praxis hingegen fehlt es diesen Lösungen oft an Flexibilität und Kohärenz mit bestehenden Strukturen und Institutionen sowie
mit der politischen Ökonomie der jeweiligen Länder. Daher ist es notwendig, sich verstärkt mit den Spannungsfeldern auseinander zu setzen, die sich aus diesem Dilemma ergeben. Häufig wird das darauf hinauslaufen, auf einige mögliche Gewinne bei der Allokationseffizienz zugunsten von Verlässlichkeit, Funktionsfähigkeit und Anpassungseffizienz
zu verzichten. (Vgl. auch Ziffer D unten.)
•
Erhöhung der Produktionskapazität. – Zur Förderung des Wachstums sind der Ausbau
der Produktionskapazität und die Förderung der Kapitalbildung unerlässlich. In den meisten Ländern mit niedrigem Einkommen sind die Investitionsraten viel zu niedrig. Daran
zeigt sich die Wichtigkeit des Investitionsklimas. Es ist aber auch ein Hinweis auf eine
mögliche aktive Rolle des Staates bei der Suche nach Wachstumsfaktoren und bei der
Förderung von Investitionen in bestimmten Bereichen und Regionen.
- 34 •
Verteilungsgerechtigkeit und Armutsbekämpfung. – Es gibt zunehmende Belege dafür, dass eine extreme Ungleichverteilung destabilisierend wirken und Wachstumsprozesse stark behindern kann. Bisher waren die Bemühungen zur Armutsbekämpfung auf die
Verbesserung der sozialen Sicherung, Bildung und medizinischer Versorgung durch die
Erhöhung und Umschichtung öffentlicher Ausgaben konzentriert. Es bedarf nun größerer
Aufmerksamkeit für andere für die Armutsbekämpfung relevante Bereiche, beispielsweise
Zugang zu Land (insbesondere durch eine Verbesserung im Bereich der Eigentumsrechte),
Zugang zu Finanzierungen, gerechteren Besteuerung und rechtliche Rahmenbedingungen.
Allgemein muss die Bank ihre Expertise im Bereich der Wirtschaftspolitik weiter stärken.
Dies betrifft insbesondere das Zusammenwirken von makroökonomischen mit mikroökonomischen Fragen. Die Bank hat sich in den letzten Jahren stark auf die Mikroebene konzentriert. Dabei stehen in der Regel allokative Gesichtspunkte im Vordergrund. Verbesserungen in
der Ressourcenallokation sind aber keine Garantie für Wirtschaftswachstum und Armutsreduzierung, denn Allokationsverbesserungen können ihr wachstumsförderndes Potenzial nur unter günstigen gesamtwirtlichen Bedingungen entfalten. Die Wirkungszusammenhänge zwischen der Makro- und Mikroebene müssen deshalb stärker berücksichtigt werden. So müssen
z.B. Antworten auf die folgenden Fragen gefunden werden:
1. Wie unterstützen makroökonomische wirtschaftspolitische Maßnahmen die Förderung
von Wachstum und Armutsbekämpfung?
2. Welche strukturellen Reformen sind notwendig, um makroökonomische Stabilität
langfristig abzusichern?
3. Welche Risiken bergen Strukturreformen für die makroökonomische Stabilisierung?
In diesen Bereichen geht es um eine enge Zusammenarbeit zwischen der Weltbank und
dem IWF. Zwar gilt grundsätzlich, dass der IWF für makroökonomische Politikempfehlungen und die Weltbank für strukturelle und institutionelle Fragen zuständig ist. Effiziente Strategien zur Förderung des Wirtschaftswachstums und zur Bekämpfung der Armut sind jedoch
nur möglich, wenn die Makro- und die Mikropolitik sinnvoll ineinander greifen. Hier muss
die Zusammenarbeit beider Institutionen noch weiter verbessert werden.
Beispiel öffentliche Investitionen: Es ist erforderlich, die Haushaltsspielräume für höhere öffentliche Investitionsausgaben genau zu sondieren. Die Ziele für die Haushaltsausgaben müssen die unterschiedliche Art der verschiedenen Ausgabenkategorien berücksichtigen, insbesondere die potenzielle positive Wachstumswirkung von öffentlichen Infrastrukturinvestitionen.
C.
Institutioneller Fokus
Die Erfahrungen der letzten Jahre haben verdeutlicht, dass effiziente Institutionen (Regeln,
Normen und deren Umsetzung) für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung von ganz entscheidender Bedeutung sind. Politikmaßnahmen sind zwar wichtig; jedoch wirken sie sich vor
allem indirekt auf den Entwicklungsprozess aus, nämlich wenn und insofern sie den institutionellen Rahmen verändern. Institutionen sind aber nur in begrenzten Umfang von einem auf
das andere Land übertragbar. Sie müssen um effizient zu sein, in das lokale Umfeld integriert
- 35 werden. Reformen in diesem Bereich müssen deshalb ausgehend von den jeweiligen lokalen
Voraussetzungen konzipiert werden.
Die Weltbank muss künftig der institutionellen Entwicklung eine größere Bedeutung beimessen, die Wirkungszusammenhänge zwischen institutionellen Reformen und Maßnahmen im
Bereich der Liberalisierung klarer benennen und daraus konsequent die entsprechenden
Schlussfolgerungen ziehen. Die Qualität von Institutionen, der Regelsysteme, der Regierungsführung und die Frage von Eigentumsrechten müssen als Faktoren betrachtet werden, welche
allen anderen wachstumsfördernden Faktoren zugrunde liegen. Dies sollte bei der Konzeption
von Wirtschaftsreformen, insbesondere im Bereich der Liberalisierung und Privatisierung
systematisch berücksichtigt werden. Darüber hinaus bedarf die Frage, wie Institutionen in
verschiedenen lokalen Umfeldern wirken und damit auch die polit-ökonomische und kulturelle Verankerung von Reformen, verstärkter Beachtung. Ziel muss es sein, in Entwicklungsländern erfolgreich angewandte institutionelle Lösungen (best practices) zu identifizieren und
auf ihre Übertragbarkeit zu prüfen. Angesichts der schwachen finanziellen und administrativen Leistungsfähigkeit der Empfängerländer geht es dabei um institutionelle Lösungen, die
relativ einfach und kostengünstig sind. Zum Beispiel in den folgenden Bereichen gibt es aktuell einen besonders hohen Bedarf an tragfähigen Konzepten: Landreform, Reform öffentlicher
Unternehmen, Reform von Staatsbanken, Schaffung eines Systems zum Schutz geistiger Eigentumsrechte. Dies bedeutet auch, dass sich die Bank stärker als Institution verstehen muss,
die Information bereitstellt, Erfahrungen verfügbar macht und Lernprozesse unterstützt. Dagegen tritt die klassische Beratung in den Hintergrund.
Der Verbesserung der Regierungsführung sowie einer gezielten Stärkung staatlicher Kapazitäten kommt eine herausragende Bedeutung zu. Das Dilemma der Entwicklungsländer besteht
darin, dass sie nicht nur mit einem hohen Grad an Marktversagen, sondern auch mit schwachen und ineffizienten staatlichen Strukturen, also „Staatsversagen“ konfrontiert sind. Ein
ineffizienter und/oder korrupter öffentlicher Sektor, der sich einer Rechenschaftslegung weitgehend entzieht, stellt nicht nur ein wichtiges Investitionshemmnis dar. Er behindert in besonderem Maße die Chancen armer Menschen, am Entwicklungsprozess teilzuhaben. Deshalb
ist es von entscheidender Bedeutung die Anreize und Möglichkeiten für Korruption zu reduzieren und die Effizienz staatlichen Handelns zu verbessern. Die Weltbank spielt in diesem
Bereich bereits eine herausragende Rolle, muss aber diese Arbeit fortführen und dabei insbesondere verstärkt Beiträge leisten und allgemein das politökonomische Umfeld bei der Planung ihrer Maßnahmen stärker berücksichtigen.
D.
Sicherung der Schuldentragfähigkeit und Schutz vor externen Schocks
Hohe Verschuldung und allgemein die starke Verletzlichkeit der Entwicklungsländer gegenüber sich verändernden Rahmenbedingungen gefährden eigene Entwicklungsbemühungen.
Die Ausleihpolitik der IFIs muss deshalb künftig Gesichtspunkte der Schuldentragfähigkeit
besser berücksichtigen. Darüber hinaus müssen flexiblere Instrumente zur präventiven Eingrenzung der Risiken für Schuldenkrisen, insbesondere gegenüber externen Schocks entwickelt werden.
Ausleihpolitik. – Die Weltbank und die regionalen Entwicklungsbanken müssen gemeinsam
mit der Gebergemeinschaft ihre Ausleihpolitik in Niedrigeinkommensländern reformieren,
um die langfristige Schuldentragfähigkeit zu sichern. Durch die HIPC-Entschuldung wurde
zwar die Schuldenlast der betreffenden Länder erheblich vermindert. Dadurch allein kann
aber nicht dauerhaft sichergestellt werden, dass die Schulden für die Länder tragfähig bleiben.
Notwendig ist es, einen Rahmen zu schaffen, der künftige Verschuldungssituationen verhin-
- 36 dert. Neben ausreichendem Wirtschaftswachstum ist es hierfür unumgänglich, dass die Kreditvergabe der multilateralen Geber begrenzt und für die betroffenen Länder verstärkt Zuschüsse gewährt werden. Dabei sind vor allem zwei Grundsätze zu beachten:
1. Die Weltbank sollte zwar grundsätzlich auch weiterhin an die armen Länder Kredite
vergeben. Sofern jedoch durch die Kreditvergabe die Schuldentragfähigkeit gefährdet
wird, sollten in dem jeweils erforderlichen Umfang auch Zuschüsse gewährt werden.
Die Entscheidung, ob Niedrigeinkommensländer in Form von Zuschüssen oder Krediten unterstützt werden, sollte deshalb in erster Linie von deren Schuldentragfähigkeit
abhängig gemacht werden. Das derzeit in Arbeit befindliche Konzept von WB/IWF
geht in diese Richtung. Es ist wichtig, dass der Charakter der Weltbank als Bank aufrechterhalten wird und gleichzeitig die Möglichkeit einer begrenzten Zuschussvergabe
nach den o.g. Prinzipien (bisher nur ein Prinzip: Tragfähigkeit) ermöglicht wird.
2. Wichtig ist auch, die Auswirkungen einer wachsenden Zuschussvergabe auf die Autonomie der Weltbank und der anderen Entwicklungsbanken und die finanzielle Integrität ihrer Entwicklungsfonds klar zu benennen. Deutschland will weiterhin finanzstarke
Entwicklungsbanken mit hoher Eigenfinanzierungsfähigkeit. Diese müssen ein klares,
von anderen multilateralen Institutionen abgegrenztes entwicklungspolitisches Mandat
haben und auch zukünftig eine zentrale Rolle in der internationalen Entwicklungszusammenarbeit spielen. Auch die Implikationen für die internationale Entwicklungsarchitektur sind zu berücksichtigen.
Krisenprävention und Schutz vor externen Schocks. Gerade arme und verschuldete Länder
sind häufig auch dadurch gekennzeichnet, dass sie relativ stark von externen Schocks betroffen sind sowie auch über weniger Mittel und Instrumente verfügen, sich dagegen zu schützen.
So sind die Niedrigeinkommensländer durchschnittlich alle vier Jahre mit einem externen
Schock konfrontiert. Die sog. Terms of Trade der Länder Subsahara Afrikas sind etwa doppelt
so volatil wie die der Länder Ostasiens und schwanken viermal stärker als die Terms of Trade
der OECD-Länder. Über die letzten Jahre ist außerdem ein deutlicher Anstieg der Volatilität
bei den Rohstoffpreisen zu verzeichnen.
Eine hohe Verschuldung macht Länder besonders verletzlich. Die Verschuldung, insbesondere im Ausland, sollte deshalb möglichst niedrig gehalten und „mismatches“ vermieden werden. Es gibt kaum Beispiele von Ländern, die über einen längeren Zeitraum hohe Wachstumsraten und gleichzeitig hohe permanente kreditfinanzierte Leistungsbilanzdefizite aufwiesen.
Fast alle Länder mit permanent hohen Leistungsbilanzdefiziten gerieten in größere Finanzbzw. Verschuldungskrisen. Dagegen gibt es eine Reihe von Ländern, die erfolgreich Exportüberschüsse als Wachstumsmotor eingesetzt haben (z.B. Deutschland und Japan nach dem
Krieg, Taiwan und andere ostasiatische Länder, die Volksrepublik China und Irland seit den
neunziger Jahren). Eine hohe Auslandsverschuldung schränkt die Handlungsfähigkeit der
betreffenden Regierungen beträchtlich ein. Bei sinkender Wettbewerbsfähigkeit und steigender Inflation steht den betroffenen Ländern auch kaum mehr die Option zur Verfügung, die
nationale Währung abzuwerten. Im Falle einer Abwertung würde die Verschuldung sprunghaft ansteigen. Es besteht dann ein klarer Zielkonflikt zwischen einerseits dem Bestreben, die
Verschuldungssituation nicht zu verschlechtern und andererseits die Wettbewerbsfähigkeit
durch eine Abwertung aufrecht zu erhalten.
Die multilateralen Entwicklungsbanken müssen ihre Konzepte im Bereich der Krisenvorbeugung und insbesondere der Verarbeitung externer Schocks und des Risikomanagements verstärken. Finanzierungsinstrumente sind möglichst so auszugestalten, dass Risikofaktoren bzgl.
- 37 der Aufbringung des Schuldendienstes vermindert werden. So könnte grundsätzlich durch
Anleihen, deren Zinszahlungen an die Entwicklung des BIP gekoppelt ist, eine rasche Verschlechterung der Schuldendienstindikatoren in einer Wirtschaftskrise vermieden und die
Gläubiger an den Risiken beteiligt werden. In ähnlicher Form könnte die „Bedienung“ konzessionärer Kredite flexibel ausgestaltet werden. Um das Wechselkursrisiko auszuschalten,
könnten auch ODA-Kredite (Official Development Assistance, also öffentliche Entwicklungshilfe) verstärkt in lokaler Währung bereit gestellt werden. Die Umsetzbarkeit dieser Optionen sollte dringend geprüft werden.
Daneben sollte die Diversifizierung der Volkswirtschaften gezielt vorangetrieben und Verletzlichkeiten konsequent zurückgedrängt werden. Neben allgemeinen Maßnahmen zur Verbesserung des Investitionsklimas kann es, insbesondere in Ländern mit relativ guter Regierungsführung, nützlich sein, dass die staatlichen Stellen gezielt prioritäre wirtschaftliche Aktivitäten
fördern und so zur Überwindung von Marktunvollkommenheiten beitragen. Häufig kommt es
darauf an, die Diversifizierung der Volkswirtschaft aktiv voranzutreiben und die Exportentwicklung gezielt zu fördern; z.B. durch eine Politik, die auf einen niedrigen (realen) Wechselkurs abzielt oder durch die Förderung von nicht traditionellen Exporten. Durch die Diversifizierung der Volkswirtschaften wird auch deren Anfälligkeit gegenüber externen Schocks
vermindert. Auch die Diversifizierung der Importstruktur kann dazu beitragen, Risikofaktoren
durch exogene Schocks zurück zu drängen. So hat die Ölpreisentwicklung der letzten Jahre
gezeigt, dass die hohe Abhängigkeit vieler Entwicklungsländer von Ölimporten die Volkswirtschaften sehr verletzlich macht. Es ist deshalb wichtig, neue Energiequellen im Bereich
der erneuerbaren Energieträger zu erschließen sowie die Energieeffizienz weiter voran zu
treiben. Die Weltbank muss eine Führungsrolle in diesem Bereich übernehmen.
E.
Globale öffentliche Güter
Mit der zunehmenden Globalisierung der Wirtschaftsprozesse und der steigenden gegenseitigen Abhängigkeit der Länder und Regionen wird es immer wichtiger, ein tragbares Konzept
und einen Rahmen für die Bereitstellung globaler öffentlicher Güter zu etablieren; also für
solche öffentlichen Güter, die mit grenzüberschreitenden Nutzen oder Schäden sind. Dabei
kommt den multilateralen Institutionen wie der Weltbank eine besondere Bedeutung zu. Die
Weltbank ist in besonderer Weise dazu geeignet, mulilaterale Prozesse mit einer Vielzahl von
Akteuren zu initiieren, die Diskussion zu strukturieren und Beiträge zu koordinieren. Dabei
kommen ihr natürlich ihr globales Mandat, ihre große Reichweite sowie ihre Möglichkeiten
finanzielle Ressourcen zu mobilisieren zu Gute. Diese Fähigkeiten legen eine Rolle der Bank
als Intermediär, der Informationen vermittelt und Ressourcen kanalisiert, nahe.
Die Weltbank ist dieser Aufgabe noch nicht ausreichend gerecht geworden. Einerseits hat sie
ihren Beitrag zur Bereitstellung von globalen öffentlichen Gütern gesteigert – andererseits
haben diese Bemühungen bisher ein ausreichend klares Konzept mit deutlichen Prioritäten
vermissen lassen. Dafür ist unter anderem die in den Jahren 1998-2000 verfolgte „bottom-up“
Strategie verantwortlich: Programme wurden auf ad-hoc-Basis initiiert, ein strategischer Ansatz fehlte weitgehend. Deshalb wurden vom Development Committee in 2000 Auswahlkriterien verabschiedet, die das Engagement auf solche Bereiche einschränken sollen, in denen die
Bank eindeutige Vorteile gegenüber anderen Akteuren geltend machen kann.
Vor diesem Hintergrund ist die Weltbank gehalten, die begonnene strategische Ausrichtung
ihrer „Globalen Programme“ weiter zu verfolgen und zu stärken. Diesbezüglicher Hndlungs-
- 38 bedarf wird auch aus neueren internen Evaluierungen deutlich. Sie kann in diesem Bereich –
ihre angesprochenen Vorteile als Vermittler nutzend – mit „gutem Beispiel voran gehen“;
denn auch die anderen Akteure sind gefordert: Bisher steht eine Koordinierung der Anstrengungen und eine Priorisierung der Güter in einem multilateralen Rahmenwerk aus. Ähnlich
dem PRS Prozess auf Länderebene sind Wege zu suchen, die Handlungsbereitschaft von Regierungen, Nichtregierungsorganisationen und privaten Gebern zu konzentrieren. Was die
Weltbank leisten kann und sollte, ist diesen Prozess anzustoßen und zu strukturieren, an dessen Ende der dringend benötigte, strategische Rahmen für die Bereitstellung von globalen
öffentlichen Gütern steht.
Bei der Erarbeitung dieses Rahmens, sollen folgende Orientierungen beachtet werden:
1. Die Bereitstellung von globalen öffentlichen Gütern muss verstärkt im Armutszusammenhang gesehen werden. Die Bereitstellung dieser Güter und die Bekämpfung der Armut müssen einhergehen, damit Entwicklung auf Dauer gesichert werden
kann; denn schließlich steht Armut nicht nur vielen öffentlichen Gütern entgegen (z.B.
dem Umweltschutz), sondern sie verhindert auch eine gerechte Teilhabe an entsprechenden politischen Prozessen.
2. Vor diesem Hintergrund muss ein “crowding out” verhindert und die Finanzierung von globalen öffentlichen Gütern auf eine gesicherte und angemessene
Grundlage gestellt werden. Bisher gehen die Anstrengungen zur Bereitstellung globaler öffentlicher Güter zu weiten Teilen zu lasten anderer ODA Leistungen, was an
steigenden Anteilen an den insgesamt stagnierenden Transfers zu erkennen ist. Deshalb muss auch die Erschließung zusätzlicher Finanzquellen geprüft werden.
3. Der Zusammenarbeit mit anderen Gebern kommt eine zentrale Bedeutung zu.
Die Hauptaufgabe der Weltbank ist es, einen wesentlichen Beitrag zur Verminderung
der weltweiten Armut zu leisten. Ihre Ressourcen und Finanzmittel müssen für diese
Zwecke eingesetzt werden. Auch deshalb muss sie bei ihrer Aufgabe, internationale
öffentliche Güter zu erstellen, eng mit den anderen Akteuren, insbesondere den nationalen Regierungen und Gebern zusammenarbeiten.
F.
Ownership, Repräsentanz und Stimmrechte
Wirtschaftliche und soziale Entwicklungsprozesse sind essenziell mit dem Begriff der Eigenverantwortung ("Ownership") verknüpft. Es gibt für erfolgreiche Entwicklung kein Patentrezept. Notwendig sind maßgeschneiderte, länderspezifische Lösungen. Ein wichtiger Aspekt
ist in diesem Zusammenhang, dass die Reformen fest im kulturellen und politischwirtschaftlichen Umfeld verankert sein müssen. Deshalb ist die Stärkung der „Ownership“ der
Empfängerländer unabdingbar. Die folgenden Ansatzpunkte erscheinen besonders relevant:
1. Die Verfahren und Berichterstattungsanforderungen sollten sich besser an die
örtlichen Prozesse und Entscheidungsverfahren anpassen. Der PRS-Prozess sollte
so weit wie möglich mit den bestehenden Planungsprozessen der Länder zusammengeführt werden. Das "Joint Staff Assessment" (JSA) sollte so umgestaltet werden,
dass es den PRS-Prozess besser unterstützt und nach und nach in ein "Joint Donor Assessment" eingebunden wird. Ziel dieser Bewertungen ist es, der Regierung im Hinblick auf die Qualität des PRSP eine ehrliche, transparente und analytisch gründliche
Rückmeldung zu geben.
- 39 2. Da erfolgreiche Entwicklungsstrategien im jeweiligen Länderkontext verankert
sind, müssen die einheimischen Analysefähigkeiten besser genutzt oder gezielt
aufgebaut werden. Es ist inzwischen allgemein anerkannt, dass Normen und Regelwerke für Entwicklungsprozesse von entscheidender Bedeutung sind und dass institutionelle Lösungen sehr stark länderspezifisch sind. Daraus folgt, dass zur Umsetzung
erfolgreicher Wachstumsstrategien genaue Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten erforderlich sind. Die internationale Gemeinschaft muss daher die Entwicklungs- und
Transformationsländer aktiver bei der Gestaltung ihres eigenen Kurses unterstützen.
So kommt es zum Beispiel darauf an, dass die Programme in vollem Umfang berücksichtigen, welche ursächlichen wachstumsbestimmenden Elemente es gibt und welche
Faktoren die Reaktion der realen Wirtschaft auf die Gesamtwirtschaftspolitik beeinflussen. Ein solcher Ansatz erfordert länderspezifische Annahmen über die zugrunde liegenden wirtschaftlichen und strukturellen Beziehungen. Solche analytischen Erkenntnisse lassen sich nur in Zusammenarbeit mit einheimischen Wissenschaftlern
gewinnen. In diesem Zusammenhang sind die PSIAs (Analysen der Armuts- und Sozialwirkungen) ein wichtiges Instrument. Sie sollten systematisch eingesetzt werden.
(letzter Satz ist ebenfalls eine Wiederholung)
3. Die Weltbank muss bereit sein, im Rahmen einer breiten Palette von Politikoptionen beratend tätig zu werden. Sie sollte auch die Partnerländer aktiv bei der
Entwicklung und Umsetzung unkonventioneller Politikvorstellungen unterstützen. Es geht künftig weniger um „Politikberatung“ im klassischen Sinn. Vielmehr ist
es erforderlich, dass die internationalen Finanzinstitutionen verstärkt untersuchen, wie
wirtschaftspolitische Maßnahmen und Institutionen in verschiedenen länderspezifischen Kontexten wirken und wie diese Erkenntnisse in konkrete Politikansätze umgesetzt werden können. Insbesondere müssen sie Spannungsfelder zwischen verschiedenen Reformen benennen, unterschiedliche Politikoptionen aufzeigen, Erfahrungen von
anderen Ländern zugänglich machen, die makroökonomischen Implikationen von Reformen darstellen und einen Beitrag zum Aufbau eigener analytischer Kapazitäten
leisten. Die jüngsten Weltbank bezogenen Evaluierungsberichte und auch der CASRückblick (Country Assistance Strategy, CAS) zeigen, dass in diesem Bereich weiter
Defizite bestehen - insbesondere bzgl. der Einbettung der Weltbankprogramme in die
politische Ökonomie der Partnerländer, des effektiven Einsatzes von analytischen und
Ausleihinstrumenten und der Überprüfung von Wirkungen und Fortschritten.
4. Wichtig ist auch, dass makroökonomische Themen im PRSP–Prozess Berücksichtigung finden. So zeigen die bisherigen Erfahrungen mit den PRSPs, dass die
Frage alternativer makroökonomischer Politiken kaum behandelt wird. Auch die zur
Erstellung von PRSPs erforderliche Partizipation der Zivilgesellschaft hat sich bisher
nicht auf makroökonomische Fragen erstreckt. Die Optionen und die jeweils damit
verbundenen Spannungsfelder müssen bezogen auf die Situation der einzelnen Länder
diskutiert werden. Der PRSP Prozess sollte hierfür genutzt werden. So könnten z.B.
im Rahmen der von den Ländern eingesetzten technischen Ausschüsse zur Begleitung
der PRSP-Erstellung Arbeitsgruppen für makroökonomische Fragen eingesetzt werden.
5. Außerdem muss die Konditionalität von Weltbank-Programmen weiter auf
Kernbereiche konzentriert und stärker auf Ergebnisse fokussiert werden. Erfahrungen mit Strukturanpassungsprogrammen haben gezeigt, dass Konditionalität in der
Regel nur dann zielführend ist, wenn sie die allgemeine Politik des Empfängerlandes
unterstützt. Mit dieser Erkenntnis verliert jedoch die traditionelle Konditionalität ihre
- 40 Grundlage. Sofern eine Regierung ein starkes Reformprogramm aufweist und Übereinstimmung mit den Vorstellungen der internationalen Gebergemeinschaft besteht,
sind Konditionen – von den wenigen Auflagen, die sich auf die Ausgabenplafonds beziehen abgesehen - obsolet: statt „Konditionen“ geht es um (mit den externen Partnern
abgestimmte) Eckpunkte des von der Regierung vorgesehenen Reformprogramms. Die
anderen („reformunwilligen“) Länder können in der Regel durch Auflagen nur begrenzt zu den angestrebten Reformen bewegt werden. Deshalb sind hier zusätzliche
Instrumente notwendig; diese befinden sich weitgehend außerhalb der Möglichkeiten
der Weltbank. Zur „Ownership“ würde es außerdem beitragen, wenn die Leistungskriterien soweit wie möglich in Form von Output- bzw. Outcome- Indikatoren formuliert
würden. Der IWF und die Weltbank haben bereits in den letzten Jahren beschlossen,
die Zahl der Konditionen zu reduzieren und auf Kernbereiche zu konzentrieren. Diese
Politik sollte in dem genannten Sinne konsequent fortgesetzt werden.
6. Schließlich bedarf es einer besseren Beteiligung der Entwicklungsländer an den
Entscheidungsstrukturen der Weltbank. Die Stärkung der Mitspracherechte der
Entwicklungs- und Transformationsländer in den Gremien der Weltbank ist zentral,
um die Glaubwürdigkeit der Institution zu erhalten. Die Möglichkeit einer aktiven
Teilhabe aller Anteilseigner an den Entscheidungsprozessen ist Voraussetzung für die
Akzeptanz der Maßnahmen15. Die Monterrey-Konferenz “Financing for Development” von 2002 und der Monterrey-Consensus bestätigen, dass es hier Handlungsbedarf gibt. Deutschland hat deshalb den "Voice"-Prozess nachdrücklich unterstützt und
schlägt – neben den bereits genannten Maßnahmen zur Stärkung der „Ownership“ vor,
die Beteiligungsmöglichkeiten der Entwicklungs- und Transformationsländer in den
Entscheidungsstrukturen der Weltbank zu stärken. Deutschland setzt sich hier vor allem dafür ein, die Basisstimmrechte der Entwicklungsländer substanziell zu erhöhen.
Außerdem sollte geprüft werden, für Entscheidungen im operativen Geschäft sowie
für Personalentscheidungen das Institut der „doppelten Mehrheiten“ pilotweise einzuführen (ähnlich wie das bereits bei der Globalen Umweltfazilität/GEF praktiziert
wird).
G.
Verbesserung der Erfolgsmessung
Eine Orientierung der Entwicklungszusammenarbeit an den Armutsbekämpfungsstrategien
der Partnerländer macht es möglich, klare gemeinsame Ergebnisse zu definieren, die durch
partnerschaftliches Handeln erreicht werden sollen. Bereits vor einigen Jahren wurde die
Weltbank aufgefordert, den eigenen Beitrag zu den angestrebten Entwicklungszielen sichtbarer zu machen und ein System einzuführen, das die Armutswirkungen der jeweiligen Aktivitäten deutlicher aufzeigt. Dazu wurde in einer ersten Phase ein Monitoring-System eingeführt,
das einerseits die analytischen länderspezifischen Arbeiten der Weltbank erfasst (u.a. Armutsanalysen, Untersuchung des Systems der öffentlichen Ausgaben, Untersuchung des Beschaf-
15
Die Forderung nach einer Stärkung der Mitspracherechte von Entwicklungs- und Transformationsländern in
den Entscheidungsprozessen der Internationalen Finanzinstitutionen wurde schon von der Brandt-Kommission
erhoben, die bereits im Jahr 1980 feststellte, dass „the developing countries do not have an adequate share of
responsibility for decision making, control and management of the existing international financial institutions“
(North South – A programme for Survival. The Report of the Independent Commission in International Development Issues under the Chairmanship of Willy Brandt, PAN Books, 1980, p. 223).
- 41 fungswesens) und andererseits die nachkontrollierbare Entwicklung einzelner Armutsindikatoren (u.a. Einschulungsrate, Impfraten bei Kindern) aufzeigt.
Das Aufzeigen von konkreten Entwicklungserfolgen ist für die Legitimation der gemeinsamen Entwicklungsanstrengungen unerlässlich; daher muss die Weltbank der Entwicklung und
Verfeinerung von Erfolgsmessungsmethoden weiterhin höchste Priorität zukommen lassen. In
der jetzt beginnenden zweiten Phase soll das System weiter ausgebaut werden , indem – gestützt auf verbesserten Monitoring-Kapazitäten der Partnerländer – zusätzliche Armutsindikatoren erfasst werden, die sich gleichzeitig auch in den Armutsbekämpfungsstrategien der
Partnerländer widerspiegeln. In diesem Zusammenhang gilt es v.a. auch die Kapazitäten der
jeweiligen Partnerländer im Bereich des Monitoring und der Erfolgsmessung auszubauen sowie einen unter den Gebern abgestimmten Ansatz zu etablieren. Andererseits müssen die
Länderstrategien der Weltbank noch deutlicher auf die Erreichung der Armutsbekämpfungsziele ausgerichtet werden und jedes Vorhaben bereits bei der Planung den Nachweis erbringen, wie es zur Zielerreichung beitragen wird.
H.
Zusammenarbeit der Geberorganisationen
Die Rollen und Mandate der jeweiligen Entwicklungsorganisationen müssen deutlicher voneinander abgegrenzt werden, um die jeweiligen Stärken der Institutionen besser nutzen zu
können. Für die Weltbank kommt es dabei v.a. darauf an, dass sie eigene Instrumente mit den
Instrumenten anderer bi- und multilateraler Geber sinnvoller kombiniert, z.B. Finanztransfers
mit technischer Beratung. Die Entwicklung von Konzepten zum Aufbau von Kapazitäten auf
nationaler, sektoraler und lokaler Ebene muss ein integrales Element eines gemeinsamen Geberansatzes sein und auf einem soliden und gemeinsamen Analysefundament beruhen. Dabei
ist es wichtig, dass die jeweiligen Potenziale und Stärken der verschiedenen Geberorganisationen, ihre komparativen Vorteile und ihre Erfahrung bei der Weitergabe von Wissen und Fähigkeiten in vollem Umfang genutzt werden. Die Weltbank als Finanzierungsinstitution sollte
Capacity-Building nicht als ihre prioritäre Aufgabe betrachten, sondern in diesem Bereich
besonders eng mit anderen Institutionen, wie z.B. den bilateralen Gebern sowie den UNInstitutionen, zusammenarbeiten.
Auch die Erfahrungen mit den Prozessen um die Armutsstrategien (PRSPs) legen eine engere
Kooperation der Geber untereinander nahe. Seit der Einführung der zweiten Generation der
PRSPs in einer Reihe von Ländern wird es immer deutlicher, dass Verbesserungen der PRSPbezogenen Zusammenarbeit erforderlich sind, um die Eigenverantwortung der Länder zu stärken und den Dialog zwischen den Gebern und den PRSP-Ländern über zentrale Entwicklungsfragen konzentrierter und einheitlicher zu führen. Wichtig ist dabei auch eine möglichst
starke Dezentralisierung der Geberstrukturen.
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