5. Elektromagnetische Schwingungen 2 von 28 Fachliche und didaktisch-methodische Hinweise Fachlicher Hintergrund II/C Die Erzeugung elektromagnetischer Schwingungen erfolgt in Oszillatoren. Das sind schwingungsfähige Systeme, die periodische sinusförmige Signale erzeugen können. Aus physikalischer Sicht ist ein elektrischer Oszillator ein Verstärker, bei dem ein Teil der Ausgangsspannung über ein Netzwerk wieder auf den Eingang des Verstärkers zurückgeführt bzw. zurückgekoppelt wird (Abb. 1). Aufgabe des Verstärkers ist es, dem Rückkoppelnetzwerk so viel Energie zuzuführen, dass auftretende Energieverluste ersetzt und ungedämpfte Schwingungen aufrechterhalten werden. Rückkoppelnetzwerk U A Ausgangsspannung Verstärker H C Abb. 1 Die vom Ausgang des Verstärkers auf seinen Eingang zurückgeführte Wechselspannung muss dort die gleiche Frequenz und die gleiche Phasenlage haben wie die Ausgangswechselspannung. Das bedeutet, dass es durch das Rückkoppelnetzwerk keine Phasenverschiebung geben darf. Dieses Prinzip wird als Mitkopplung bezeichnet. S R Mit einem Bipolartransistor in Emitterschaltung lässt sich ein einfacher Sinus-Oszillator herstellen (Abb. 2). Das Rückkoppelnetzwerk kann z. B. ein Schwingkreis (a), eine Wienbrückenschaltung (b) oder eine Phasenschieberkette sein (c, Abb. 3). Die Bauelemente des Rückkoppelnetzwerks bestimmen dabei die Frequenz der Schwingung. O V Rückkoppelnetzwerk N1 N2 C L R0 a) C R C R b) C C R C R R c) Abb. 2 38 RAAbits Physik Februar 2015 Abb. 3 zur Vollversion 5. Elektromagnetische Schwingungen 3 von 28 Da ein Verstärker in Emitterschaltung die Phase zwischen Eingangs- und Ausgangsspannung um 180° dreht, muss das Rückkoppelnetzwerk eine weitere Phasendrehung um 180° gewährleisten. Ist das Rückkoppelnetzwerk ein LC-Schwingkreis, wird die auf den Eingang zurückzuführende Wechselspannung mithilfe einer induktiv an die Schwingkreisspule N2 gekoppelten Rückkopplungsspule N1 dem Schwingkreis entnommen (Abb. 3a). N1 und N2 bilden einen Transformator, der eine Phasendrehung von 180° hervorruft. Die Frequenz eines LC-Oszillators hängt von den frequenzbestimmenden Bauelementen Spule und Kondensator ab. Sie wird nach der Thomson’schen Schwingungsgleichung 1 f= 2 π L⋅C berechnet und ist in weiten Bereichen variierbar – von niedrigen Frequenzen bis in den Hochfrequenzbereich. Bekanntestes Beispiel eines LC-Oszillators ist die Meißner-Schaltung (M 8). II/C Das Wienbrückennetzwerk besteht aus zwei Kondensatoren und zwei Ohm’schen Widerständen. Es ruft eine bauelementabhängige Phasendrehung zwischen 0° und 90° hervor. Sind die R- und C-Werte jeweils gleich, ergibt sich nur bei einer ganz bestimmten RCKombination eine Phasendrehung von null. Der Verstärker muss deshalb mit einer zweiten Emitterstufe aufgebaut werden. Wienbrücken-Oszillatoren sind nur für den mittleren Frequenzbereich geeignet. Auf dieser Frequenz schwingt der Oszillator: 1 f= . 2 π ⋅R ⋅ C U A H C Auch die Phasenschieberkette ist ein Netzwerk, das nur bei einer ganz bestimmten Kombination der drei Widerstände und Kondensatoren eine Phasendrehung von 180° hervorruft. Jedes RC-Glied verschiebt dabei um 60°, sodass mit drei Gliedern bei genau einer Frequenz die gesamte Phasendrehung von 180° erreicht wird. S R Hinweise zur Gestaltung des Unterrichts Für den Physikunterricht sind elektromagnetische Schwingungen ein interessantes Thema. Sie treten in Technik und Medizin sehr häuig auf. Viele Geräte der Unterhaltungselektronik (z. B. Rundfunk- und Fernsehgeräte, Mobiltelefone, elektronische Musikinstrumente) besitzen Schwingkreise, in denen elektromagnetische Schwingungen verschiedener Frequenzen erregt werden. Das Thema ermöglicht somit die praktische Realisierung der didaktischen Forderung nach Alltagsorientierung des Physikunterrichts. O V In den Physik-Lehrplänen der einzelnen Bundesländer inden die elektromagnetischen Schwingungen deshalb auch entsprechende Berücksichtigung. Beispielsweise indet man im Lehrplan der gymnasialen Oberstufe von Brandenburg folgende Stichworte: • periodische Energieübergabe zwischen Spule und Kondensator beim Schwingkreis • Analogie zwischen mechanischer und elektromagnetischer Schwingung • Abhängigkeit der Schwingungsdauer von Kapazität und Induktivität • Prinzip der Erzeugung ungedämpfter, elektromagnetischer Schwingungen; Rückkopplung Im Lehrplan von Nordrhein-Westfalen werden im Inhaltsfeld „Elektrik“ die Eigenschaften elektrischer Ladungsträger und ihr Verhalten in elektrischen und magnetischen Feldern untersucht. Weitere Schwerpunkte liegen auf den Beziehungen zwischen elektrischen und magnetischen Erscheinungen, insbesondere auf der Beschreibung von elektromagnetischer Induktion und von elektromagnetischen Schwingungen und Wellen. Der Lehrplan von Bayern sieht für die Jahrgangsstufe 11/12 vor: „11.5 Elektromagnetische Schwingungen und Wellen (ca. 24 Std.)“. zur Vollversion 38 RAAbits Physik Februar 2015 5. Elektromagnetische Schwingungen 5 von 28 Bezug zu den Bildungsstandards der Kultusministerkonferenz Allg. physikalische Kompetenz Inhaltsbezogene Kompetenzen Anforderungsbereich Die Schüler … F 1, F 4, F 5 E 1, E 3, E 5 … kennen den Aufbau eines Schwingkreises und können die Vorgänge in ihm beschreiben (M 2), I, II F 1, F 2, B 1, K 1, K 3, K 7 … können Analogiebetrachtungen zwischen elektromagnetischen und mechanischen Schwingungen herstellen (M 2), I–III F 1, F 3 E 3, E 5 … können die Erzeugung gedämpfter und ungedämpfter Schwingungen erklären (M 4, M 7), I–III E 7, E 8, E 9, E 10 … können verschiedene Experimente zur Erzeugung gedämpfter und ungedämpfter elektromagnetischer Schwingungen durchführen und auswerten (M 3, M 5, M 6, M 8), I, II … kennen den Begriff „Rückkopplung“ und können ihn aus Beispielen aus Natur und Technik ableiten (M 7), I, II … können physikalische Fragestellungen und Zusammenhänge zwischen mehreren physikalischen Größen mittels eines vorstrukturierten Experiments untersuchen (M 8), I, II K 5, K 6 … interpretieren experimentell gewonnene Daten im Hinblick auf die Fragestellung (M 3, M 5, M 6, M 8), I, II F 4, B 2 K3 … kennen verschiedene alltagsnahe Anwendungen elektromagnetischer Schwingungen und können deren Funktionsweise beschreiben (M 9). I–III F 4, B 2 K3 E 7, E 8, E 9, E 10 U A S R H C II/C O V Für welche Kompetenzen und Anforderungsbereiche die Abkürzungen stehen, finden Sie auf der beiliegenden CD-ROM 38. zur Vollversion 38 RAAbits Physik Februar 2015 5. Elektromagnetische Schwingungen 7 von 28 Materialübersicht · V = Vorbereitungszeit SV = Schülerversuch · D = Durchführungszeit LV = Lehrerversuch Ab = Arbeitsblatt/Informationsblatt Fo = Folie WH = Wiederholungsblatt M1 WH Frischen Sie Ihr Wissen zur Elektrizitätslehre auf! M2 Ab Elektromagnetische Schwingungen in einem Schwingkreis M3 SV / LV Ein Experiment zur Erzeugung elektromagn. Schwingungen · D: 15 min rSpule mit großer Induktivität, 500 H · V: 10 min rNetzgerät, 0 bis 20 V rStrommesser mit NullpunktMittellage, 10 mA rKondensator, 50 µF rWiderstand, 1 kΩ rUmschalter U A M4 Ab Gedämpfte elektromagnetische Schwingungen M5 SV / LV Ein Experiment zur Erzeugung gedämpfter elektromagnetischer Schwingungen · V: 10 min · D: 10 min M6 SV / LV · V: 10 min · D: 10 min rNetzgerät, 0 bis 20 V rKondensator, 1 µF rOszilloskop rUmschalter rU- und I-Eisenkern, geblättert Ab M8 SV / LV · V: 10 min · D: 15 min H C S R rU- und I- Eisenkern, geblättert rSpule, 500 Windungen rKondensator, 0,1 µF Ungedämpfte elektromagnetische Schwingungen Experiment zur Erzeugung ungedämpfter elektromagnetischer Schwingungen mit einer Meißner’schen Rückkopplungsschaltung rNetzgerät, 0 bis 20 V rSpule, 250 Windungen rU- und I- Eisenkern, geblättert rOszilloskop rKondensator, 1 µF rTransistor BD 137, o. Ä. Ab rFunktionsgenerator rKondensator, 10 nF rZweikanal-Oszilloskop rveränderlicher Widerstand, 0 … 1 kΩ rveränderlicher Widerstand, 100 kΩ M9 rSpule, 1500 Windungen Ein Experiment zur Untersuchung der Abhängigkeit der Dämpfung einer elektromagnetischen Schwingung vom Ohm’schen Widerstand O V M7 II/C rSpule, 500 Windungen rLautsprecher rSchalter Anwendungen ungedämpfter elektromagnetischer Schwingungen Die Erläuterungen und Lösungen zu den Materialien finden Sie ab Seite 20. Minimalplan Bei Zeitknappheit können Sie Material M 9 weglassen. Falls das noch nicht reicht, streichen Sie auch Material M 6. zur Vollversion 38 RAAbits Physik Februar 2015 5. Elektromagnetische Schwingungen 10 von 28 M2 Elektromagnetische Schwingungen in einem Schwingkreis Ein elektrischer Schwingkreis ist eine Zusammenschaltung von einem Kondensator und einer Spule. In ihm können nach Zufuhr elektrischer Energie elektromagnetische Schwingungen angeregt werden. Dabei wird die im Kondensator gespeicherte elektrische Feldenergie in der Spule in magnetische Feldenergie umgewandelt. Danach wird diese Energie wieder abgebaut und in elektrische Feldenergie des Kondensators umgewandelt. Es entsteht eine elektromagnetische Schwingung (siehe M 3). Den zeitlichen Verlauf von Spannung U und Stromstärke I zeigt Abb. 1. II/C U A U, I 1 4 T H C 1 2T S R Abb. 1 3 4T U t I O V Vorgänge im Schwingkreis Zum Zeitpunkt t = 0 ist die Spannung U am Kondensator maximal und die Stromstärke I null. Dann entlädt sich der Kondensator, und es fließt ein Strom durch die Spule. In der Zeit 0 < t < T/4 nimmt die Spannung am Kondensator ab, während die Stromstärke im Schwingkreis ansteigt. Wenn der Kondensator völlig entladen ist, hat die Stromstärke ihren betragsmäßig höchsten Wert erreicht (t = T/4). Obwohl zu diesem Zeitpunkt zwischen den Kondensatorplatten keine Spannung mehr besteht, hört der Stromfluss nicht auf. Durch den Abbau des Magnetfeldes wird in der Spule eine Spannung induziert, die den Schwingkreisstrom weiterfließen lässt. Ursache für das Weiterfließen des Stromes ist die Selbstinduktion in der Spule. Infolge des Lenz’schen Gesetzes fließt der Induktionsstrom in der gleichen Richtung wie der Entladestrom. Dadurch wird der Kondensator erneut aufgeladen, diesmal jedoch mit umgekehrter Polung. Beim Aufladen nimmt die Stromstärke ab und die Spannung am Kondensator zu (T/4 < t <T/2). Der Ladevorgang ist beendet, wenn die magnetische Feldstärke null ist (t = T/2). Danach entlädt sich der Kondensator erneut, und die Vorgänge wiederholen sich. Stromstärke und Spannung sind um eine Viertelperiode phasenverschoben (Abb. 1). Die Frequenz der Schwingung hängt von der Kapazität des Kondensators und der Induktivität der Spule ab. Man bezeichnet sie als Eigenfrequenz des Schwingkreises. Es gilt die Thomson’sche Schwingungsgleichung: 1 1 bzw. ω = . f= 2π LC LC 38 RAAbits Physik Februar 2015 zur Vollversion 5. Elektromagnetische Schwingungen M4 13 von 28 Gedämpfte elektromagnetische Schwingungen In einem Schwingkreis wird immer ein Teil der elektrischen Energie in thermische Energie umgewandelt. Ursache hierfür ist der Ohm’sche Widerstand in den Zuleitungen und im Draht der Spule. Die Amplituden von Schwingkreisstromstärke und Schwingkreisspannung nehmen ab, wenn nicht von außen Energie zugeführt wird (Abb. 1). Die Abnahme der Amplituden erfolgt nach einer e-Funktion (einhüllende Kurve). Wie schnell die Amplitude abnimmt, hängt von der Größe des Ohm’schen Widerstands ab (siehe M 6). II/C I in mA 30 U A 20 10 0 –10 H C –20 –30 4 2 6 S R Abb. 1 8 10 12 14 t in s 16 Mathematische Beschreibung der gedämpften Schwingung Für die gedämpfte elektromagnetische Schwingung in einem Schwingkreis gilt der Energieerhaltungssatz O V Emag(t) + Eel(t) + Eth(t) = konstant. Daraus kann man folgende Gleichungen zur Beschreibung der gedämpften Schwingung herleiten: U(t) = Umax ⋅ (cos ω 't) ⋅ e ω' = − R ⋅t 2L 1 R2 − L⋅C 4 L2 R = Ohm’scher Widerstand (Drahtwiderstand der Spule + eventueller Festwiderstand) C = Kapazität des Kondensators L = Induktivität der Spule ω‘ = Kreisfrequenz der gedämpften Schwingung β= R heißt „Abklingkoefizient“. 2L zur Vollversion 38 RAAbits Physik Februar 2015 5. Elektromagnetische Schwingungen 14 von 28 M4 Gedämpfte elektromagnetische Schwingungen Aufgaben 1. Beschreiben Sie die Abnahme der Amplituden in einem Schwingkreis, die durch einen Ohm’schen Widerstand zustande kommt. Für Experten Begründen Sie, dass durch den Ohm’schen Widerstand die Amplituden der Schwingung exponentiell abnehmen. II/C 2. Ermitteln Sie aus Abb. 1 die maximale Amplitude der Stromstärke Imax und die Frequenz f der gedämpften Schwingung des Schwingkreises. 3. An den Kondensator mit C = 47 µF eines einfachen Schwingkreises wird kurzzeitig eine Gleichspannung von 12 V angelegt. Die Spule hat einen Ohm’schen Widerstand von 300 Ω und eine Induktivität von 500 H. U A a) Berechnen Sie die Spannung im Schwingkreis nach 0 s, 0,5 s, 1 s, 1,5 s und 2 s. b) Zeichnen Sie den ungefähren Verlauf der Schwingung. H C Merke Der Ohm’sche Widerstand in einem Schwingkreis dämpft die Schwingung und ist vergleichbar mit der mechanischen Reibung bei einem Pendel. Die elektrische Energie wird teilweise in thermische Energie umgewandelt. Die Abnahme der Amplituden stellt eine Abklingkurve dar, die durch die Größe des Ohm’schen Widerstands bestimmt wird. S R zu Aufgabe 1 Vergleichen Sie die Wirkung des Stromflusses in einem elektrischen Leiter mit der mechanischen Reibung bei einem Pendel. O V zu Aufgabe 2 Bestimmen Sie die Frequenz aus der Schwingungsdauer T. Diese ermitteln Sie am einfachsten mithilfe der Nulldurchgänge der Schwingung. (Ergebnis: T = 0,9 s) zu Aufgabe 3 Berechnen Sie zuerst aus den angegebenen Werten für C, L und R die Kreisfrequenz der gedämpften Schwingung ω‘. Dann setzen Sie diesen Wert in die Gleichung für U(t) ein und berechnen nacheinander U(0 s), U(0,5 s), U(1 s), U(1,5 s) und U(2 s). Stellen Sie Ihren Taschenrechner auf „RAD“ um. Stellen Sie mithilfe der berechneten Werte das t-U-Diagramm dar. 38 RAAbits Physik Februar 2015 zur Vollversion