Der kleine \Yolf und die F`rauen - Adler

Werbung
MAGAZIN
New Kreüterbuch 8
Derkleine\Yolf
unddieF'rauen
Peter Hardy Kahr, Rengsdorf
l{ichtnur im ununterbrochenen
Dahinplätscherngorundeter
Tagesabläufe
im Fluß
der Zeit,nichtnur im abwechslungsleichsten,streßdurchflochtenslen
Job,sondern
kühleSachlichkeit
auchin der nüchterne,
gilt cs für den
verlangenden
Wissenschaft
Klugen,stelsdaranzu denken,daßnichts
Tatsotückischistwie eineoffensichtliche
sache.Diekonscquente
Umsetzung
dicscr
unauffälligen
Lebenswahrundseltsamen
heitbcdeutel,immerncuzu hinteilragcn,
was s0 ausschaut,
als sei es schonlange
b e ka nntDc
. rHopf enH, u mu l u lsu p u l u sL .,
im NcwKreüterbuch
desLeonhart
Fuchs.)
untcrKapitelrömisch58 beschrieben,
ist
eingutesBeispielfür
einesicholfenbarcnde Füllevon Uberraschungen,
wennman
nur hartnäckiggenugist, den staubigcn
Mantel des Allenreltswissensvorsichtig
zu lütten.
Sprache ist manchmal verräterisch.
Vermeintlich männliche und weibliche
Eigenschaften sind mit Hilfe der unscheinbaren Wörter namens rdera
oder rdiert mit einer Sache für immer
verschmolzen.Dabei ist es keinesfalls
so, daß in verschiedenenKulturen und
SprachenBegriffe immer mit dem gleichen Geschlecht belegrtwerden. Dem
kühlen Nordmenschenkann eine Sache
typisch männlich erscheinen, die für
den temperamentvollen Südländer
selbstverständlich weiblich ist. Daß
man beispielsweise in Spanien die
Mond und der Sonne sagt, zeigrt,wie
amüsant es sein kann, den Sinn oder
Unsinn manchen Artikels aufzuspüren.
Der Hopfen, soviel ist klar, müßte von
Menschen, die scharfen Intellekt, Humor und ungetrtibten Gerechtigkeitssinn besitzen, sofort in die Hopfen umbenannt werden.
Humulus lupulus L. ist nämlich eine
zweihäusige Pflanze.Wie bei uns Menschen gibt es männliche und weibliche
Exemplare, die sich auch äußerlich,jedenfalls in den meisten Fällen, gut unterscheidenlassen.
Für die Bierproduktion und die Verwendung zu arzneilichen Zwecken
Abbildung obigen Blattes mit freundlicher Genehmigung der österreichischen
Nationalhibliothek,
Wien.
T6
3368
(letztere immerhin noch fünf Promille
der Jahresernte ausmachend) werden
ausschließlich weibliche Hopfenpflanzen benötigrt.So müssen die Anbaugebiete systematischnach eventuell wild
vorkommenden männlichen Exemplaren durchforstet werden, um diese radikal zu entfernen, damit sie nicht
durch Befruchtung beziehungsweise
genetische Rekombination das wertvolle Erbgut der Zuchtsorten durcheinanderwürfeln.
DieHopfen.Dieattraktive
undschwungvolle
Zeichnungeinerweiblichen
lülltdie
, Hopfenpflanze
aus.
Seitevollständig
Heinrich
Füllmaurer
konnte
wohldas
rechteckige
Formatdes
späterzumAusdruck
verwendeten
Holzblocks
nicht
ausdemKopfbekommen.
Kräuterbuchhandschrift
von
Leonhart
Fuchs,
2. Band
(Godex
11118),
Seite379.
gewindt
nAn
dem stengel
er
drauschlechte fiies: drauschl echte:
doldenförmigel getrungne weißgeele
blfimle. . . Auß gemeLlten blt;imlin
wachsen gantz lucke fiockerel/gefüIlte/leichte secklin/zwüschen welchen
ligt der braun/rund samen verborgen.u
Aber es gibt noch weitere gute Gründe, den Hopfen in die Hopfen umzutaufen. Aufgrund einer detaillierten Studie
wissen wir, daß je nach Zuchtsorte
100 g Hopfendolden zwischen 20 000
und
30 000 IE estrogene Substanzen
Die weiblichen Blütenstände, die in
dichtblütigen Scheinährenstehen, ver- enthalten, was einer Menge von 2 bis
größern sich auch unbestäubt zu den 30 mg Estradiol entspricht. Keine andeHopfenzapfen (Strobuli lupuli), deren re phytochemisch untersuchte Pflanze
dachziegelartig übereinanderstehende hat gleiches zu bieten.
Schuppen auf der Innenseite mit gelb- So erklärt sich auch die volksheilkundrötlichen Drüsen (Glandulae lupuli), liche Anwendung des Hopfens als
den Hauptträgern der essentiellen Anaphrodisiakum und seine WirksamHopfenwirkstoffe, besetzt sind.
keit bei Periodenbeschwerden.Auch
Diese morphologischen Einzelheiten die frühere Beobachtung häufiger Regelanomalien bei den Hopfenpflückehat Leonhart Fuchs in seinem Kräuterrinnen
während der Erntezeit wird dabuch nicht erwähnt. Für ihn war die
plausibel.
mit
Beschreibung der vegetativen Pflanzenorgane sicher viel wichtiger als die Schließlich beweisen uns brandneue
der Blüten, zumal er deren Wesen und Forschungsergebnissevon der RuhrFunlrtion noch nicht exakt zu deuten Universität Bochum, daß sich windenvermochte. Trotzdem macht es immer de Kletterpflanzen mit einer wichtigen
wieder Spaß,im alten Text zu lesen:
weiblichen Eigenschaft,nämlich einem
PZ Nr. 38. 140.Jahrgang.21.September1995
MAGAZIN
erstaunlich präzisen Gefühlsvermögen,
ausgestattet sind. Sie enthalten auf der
Oberfläche ihrer Ranken sensible Hügel, die nach Berührung in Sekundenschnelle die Oberflächenbeschaffenheit einer möglichen Stütze erfassen
und durch feinabgestimmte biochemische Steuerungsmechanismen zum
HaltePunlrte
dieser
Umschlingen
führen.
Zaletzt soll nicht verschwiegen werden, daß das Bierbrauen in seiner mindestens 6000 Jahre währenden Geschichte meistens Frauensache war.
Ein liebenswertes Beispiel weiblicher
Braukunst offenbart ein Brief von Martin Luther an seine Frau, die im Kloster
das Bierbrauen erlernt hatte und in
ihrem Haushalt weiter praktizierte. Er
schreibt an seine rgnädige Jungfer
Katharina Lutherin von Bora und Zulsdorf, mein Liebchen. . . rt von unterwegs, sie möge ihm doch rein Pfloschen( ihres Bieres schicken,so oft sie
könne, ansonsten würde er rvor dem
neuen Biera einfach nicht nach Hause
kommen.
PZ Nr.38.140. Jahrgang,21.September1995
nWir w&len auch sonderlichen/das
kainem
allenthalben/. . . /z&
füran
Pier/merer Stückh/dan aLlain Gerste/
Hopffen/uff wasser/genomen u.D gepraucht slLle werdn.r
Dieser Kernsatz einer Verordnung des
bayerischen Landstädtetages in Ingolstadt vom 23. April 1516, heute bekannt als das deutscheReinheitsgebot,
läßt vermuten, daß der Hopfen in das
Bier gehört wie das Salz in die Nordsee. Auch Fuchs sagt 27 Jahre später
deutlich:
nDes Hopffen seind zweyerley gesclilecht/zam unnd wild/... Der zam
Hopff wüfi im Teütschen land/an den
ofien d.a nit wein wechst/in den gärten
und äckern gepflantzt/ztt dem bier.r
In Wahrheit offenbart sich wiederum
eine Schlüsseleigenschaftweiblichen
Geschlechts, nämlich von Kopf bis Fuß
voller Rätsel zu stecken. Die Geschichte des Hopfens als Bierbestandteil,also
nicht bloß zum Verbessern des Geschmacks und Stabilisieren des
Schaums,sondernvor allem als konservierender Zusatz, ist viel jünger, als
man denlrt.
Bis in das 15. Jahrhundert hinein beherrschte anstelle des Hopfens eine
die sogenannte
Kräutermischung
Grut - als Würzzusatz die Bierherstellung. Hauptbestandteil der Grut war
der damals weitverbreitete GaUeli
strauch, Myrica gale L.
\
Grutbier schmeckte süß und wir}ce
durch die alkoholpotenzierende Wirkung des Gagels außerordentlich berauschend, und man vermutet heute
nicht ohne Grund, daß die damalige
Obrigkeit die Produ}ition des haltbareren Hopfenbieres auch deswegen
kräftig unterstützte, weil es durch seine sedierenden Wirkstoffe die Bürger
nach einem tüchtigen Zechgelage eher
ruhig stimmte.
Um das Maß der Rätselvoll zu machen,
soll nicht unerwähnt bleiben, daß es
bis zum heutigen Tag durch kein noch
so ausgefuchstes Untersuchungsver-
336e 77
fahren gelungen ist, diese sedierenden Fund war vor einigen Wochen ein Drei- Symbol mehr für männlichen Chauvi
Substanzendingfest zu machen.Einer- zehnmonatskalender,in dem Ansich- nismus, denn mit ihm löscht mittlerseits liegrtdie Vermutung auf der Hand, ten von bekannten Frauen zur Emanzi- weile drei Viertel des weiblichen Gedaß die hautnahe Verwandtschaft zum pation aufgezeichnet sind. Unter dem schlechts gerne und regelmäßig den
Hanf das Vorhandensein psychotroper 1,7. Dezember ist nachzulesen: rBei Durst.
Wirkstoffe mit sich bringrt. Anderer- den Jacanas, einer Vogelart im Okaseits kennen wir durch die enorme In- vango-Delta in Afrika, ist die Emanzi- Mit dieser Anspielung auf den ins
stabilität der harzigen Bittersäuren der pation am weitesten fortgeschritten. Haus stehenden Apothekertag endet
Hopfenpflanze und ihr reiches Spek- Dort brüten die Männer die Eier aus, unsere kleine Geschichte. Vielleicht
tnrm wenig spezifischer Inhaltstoffe
während sich die Weibchen nach neu- überlegrtman in einer Beratungspause,
daß dem Verkauf von Bier als milde\
jetzt
schon
mehr als 200 chemisch defi- en Partnern umsehen.rr
Tranquilizer, Schlankheitsmittel (Bier'
nierte Substanzen, die allein oder in
Eine
Steigerung
dieses
an
sich
schon
ist
kalorienarm und diuretisch wirkKombination für die beruhigende Wirkung von Hopfenextra}rten in Frage kä- beeindruckenden Beispiels liefert der sam) oder diätetisches Lebensmittel
Hopfenanbau. Hier werden umher- (Vitamine, Enzyme, Spurenelemente)
men.
streunende Männer erbarmungsloser- in der Apotheke nichts mehr im Wege
Da die Zulassungs-und Aufbereitungs- mordet, damit die Frauen ungestört be- steht. Im Hinblick auf den skeptischkommission für Phytopharmaka in ei- weisen können, daß auch der schönste sten Zweifler sei auf die antiseptische
ner Monographie den Hopfenzapfen und stärkste Mann nicht so wichtig ist Itaft des Hopfens verwiesen, die Leonberuhigende und schlaffördernde Ei- wie kein Mann.
han Fuchs ganz plastisch beschreibt
genschaften bescheinigrthat, bleibt zu
und die vielleicht manchem Bonzenunhoffen, daß die wissenschaftlicheNeu- Aber deswegen braucht keine Frau serer wehen Welt die offenbare
gier zugunsten des Lebens vieler La- über den aus dem dampfenden Olrto- Schwerhörigkeit vertriebe :
berfestbierzelt in die herbstlich kühle
bortiere tüchtig gebremst wird.
Münchner Abendluft hinausschwan- nGedachter safft [aus Hopfen]in die ohIn der kargen Seehoferzeit wird nur kenden
Zecher schadenfroh zu ren gethon/enthelt sie vor allerley feünoch selten Treibgrut an die Ufer der schmunzeln. Der Zuspruch zum Hop- lung/und vertreibt den gestanck darinHV-Tische gespült. Ein solch seltener fen- und Gerstensaft ist längst kein
nen.((
n
'fuä
G}
LIEBE
LESERIN,
LIEBER
LESER
In der PZ 57/52, der Ausgabe zu
Weihnachten und zum Jahresende,
werden wir uns in der Titelgeschichte der Rolle von Apothekerin und
Apotheker in der neueren Literatur
zuwenden.
Derzeit sind wir noch auf der Suche
nach Beispielen. Der Trend scheint
momentan dahin zu gehen, daß
Apothekerinnen und Apotheker besonders in der Itiminalliteratur
des 20. Jahrhunderts eingesetzt werden. Läßt sich dieser Verdacht erhärten?
Das, liebe Leserinnen und Leser, können Sie mitbestimmen. Liefern Sie
uns Ihre Beispiele für Romane,Kurzgeschichten, Dramen, Komödien, Comics et cetera,in denen Apotheker ei-
ne Haupt- oder Nebenrolle spielen.
Auch kleinste Spuren können von
großerBedeutung sein. Sachdienliche,
Hinweise bitte an die
/,/ /t
',lf
PZ-Redaktion
Kennwort Krimi
Ginnheimer Straße 26
65760Eschborn
Belohnung: Jeder Hinweis, der zur
Ergreifung eines neuen Beispiels
führt, wird mit je einem Buchgeschenk aus der Produlrtion des
Govi-Verlagesbelohnt.
frc.
Zeichnung: Steffen Köpf
lrr,
78 ssTo
PZ Nr. 38' 140.Jahrgang'21.September1995
Herunterladen