Anlage-Umwelt (VL 04.02.) Grundlegende Frage: Wie und in welcher Kombination nehmen Umwelt und Genom Einfluss auf die Entwicklung des Menschen? Frage muss spezifisch beantwortet werden, da untersch genetische Dispositionen+Umweltbedingungen versch. Interagieren, Fall zu Fall verschieden. Es ist NICHT sinnvoll nach dem Gewicht von Anlage und Umwelt zu fragen, SONDERN welche interindividuellen Unterschiede im Genom und in der Entw-Umwelt bei der Herausbildung von interindividuellen Unterschieden bedeutsam sind (Da Gewicht in verschiedenen Sit variiert und durch Wechselwirkung nicht klar definiert werden kann wie die beiden Faktoren interagieren und kovariieren) Relevanz:---Klarstellung intuitiver Theorien---Haben Pädagogische Maßnahmen als Umwelteinflüsse überhaupt Sinn?--gesellschaftlich aktuelles Thema (ethnische Unterschiede im Genom?) Positionen in der Anlage-Umwelt-Debatte 1.) endogenistisch: Primäre Determination durch Gene z. B. soziobiologische Aufassungen 2.) Exogenetisch: Primäre Prägung durch Umwelt z. B. behaviorale Aufassungen (Millieutheorie) Heutzutage kaum noch ernsthaft vertreten, sondern eher Wechselwirkung (s 3.) 3.) Wechselwirkung: Analage und Umwelt als notwendige Entwicklungsbedingungen(100% beides) Konzeptionen zu Umwelteinflüssen Wohlwill: Stimulusmodell+Kontextmodell. Stimulusmodell: behavioral. Individuum passiv, Umwelt/Kultur wirken als Stimuli (z. B. Vorbilder, Strafen…) Kontextmodell: Umwelt bietet Kontext zur aktiven Exploration (s. Piaget) Vier Arten des Umwelteinflusses : Im Sinne des Stimulusmodelles: I Krankenbettmodell (passiv) I’ Vergnügungsparkmodell (Auswahl von Kontexten) Im Sinne des Kontextmodelles: II Wettschwimmen-Modell (Schwimmen im Kontext als Medium) II’ TennismatchModel (Aktion+Reaktion von Individuum und Umwelt) Objektive+subjektive Umwelt: Objektiv gleiche (o ähnliche) Umwelten wirken auf versch. Phänotypen versch bzw. haben verschiedene Bedeutung für sie (z. B. Stadion für Sportler vs. PC-Freak). Diese selektive Wahrnehmung und die Reaktion darauf, die sich wieder auf die Umwelt auswirkt, zeigt Interaktion zw. Indiv. und Umwelt. Objektiv unterschiedliche EntwKontexte können für die Herausbildung eines Merkmals aber auch funktionsgleich sein (Stadion/Tischfußball können Leidenschaft für Fußball wecken). Spezies-normale Umwelt: Die Verhaltensgenetik unterscheidet Entw-Ergebnisse, die normal sind für eine Spezies, von solchen, die normal sind für eine Kultur. Genetisch normale Kinder lernen eine Sprache, Werte, Normen+Fertigkeiten einer Kultur, wenn sie in einer normalen kulturellen Umwelt aufwachsen (Achtung! Was gelernt wird ist untersch, aber die Funktion äquivalent. ¡normal hier als Spannbreite von individuellen Variationen!) Bedeutung von Erbanlagen - Eindeutig bei engem Zusammenhang (wie Geschlecht, Trisomie 21) - Ziemlich eindeutig bei Auftreten in aufeinander folgenden Generationen nach Erbgesetzen und klarer Abgrenzbarkeit (Erbgangsanalyse) - Weniger eindeutig bei Zusammenspiel mehrerer Gene (polygene Vererbung) Lösung: Populationsgenetische Analysemethode oder Reinzüchtung (z. B. Bevorzugung eines Partners mit ähnlicher Intelligenz (ist bei uns r=.50!...“Hi, ich bin die Gertraud und habe einen iq von 125 und Du?“ *g*). Zeigen die Nachkommen weniger Varianz deutet das auf Erbeinfluss hin) - Reifung (negativ definiert als Prozess, der anzunehmen ist, wenn Erwerbungen nicht auf Erfahrung, Übung, Erziehung, Sozialisation oder gedankliche Erkenntnisgewinnung zurückgeführt werden können) - Sensible Phasen (Lorenz’ Graugänse; Entwicklungsabschnitte, in denen spezifische Erfahrungen maximale positive oder negative Wirkungen haben: Bloom: Erste Lebensjahre sensible Periode für die Intelligenz. Eher unwahrscheinlich) - Biologisch vorbereitetes Lernen (Angst vor Spinnen leichter konditionierbar als vor Autos(Kommentar Kathrin: „In ein paar Jahren haben die dann vmtl evolutionär bedingt mehr Angst vor Autos“)) (s. auch primary abilities nach Geary (weiter unten)) Erblichkeitskoeffizineten Erblichkeit ist definiert als der Anteil an der Gesamtvarianz eines phänotypischen Merkmals in einer Population, der auf Anlageunterschiede in dieser Pop zurückzuführen ist. Einschränkungen: - Teils wacklige Annahmen (war Umwelt bei Zwillingen gleich ähnlich?, wurden Adoptivkinder vielleicht selektiv platziert (bei ähnlich intelligent eingestuften Eltern z. B.)?) Anteil individueller Unterschiede ist nicht = Anteil am Merkmal Hoher Koeffizient bedeutet nicht Determination Implizite Annahmen der Unabhängigkeit von Analage-/Umwelteinflüssen (ABER: Interaktion, Indirektheit, Kovariation) Annahme der Altersabhängigkeit Populationsgenetische Analyse: Mit populationsgenetischen Methoden versucht man, die in einer Pop gegebenen phänotypischen Unterschiede auf Anlageund/oder Umweltunterschiede zurückzuführen. Methodisches Problem ist die Konfundierung von Anlage- und Umweltähnlichkeiten der unterschiedlichen Individuen. Da in „normalen“ Familien Gene und Umwelteinflüsse (wie Erziehung) schwer zu trennen sind, hat man die Zwillings-/Adoptivkind-/Geschwisterforschung entwickelt. Da eineiige Zwillinge gleiche Anlagen haben, sind phänotypische Unterschiede auf die Umwelt rückführbar. Umgekehrt erlauben Unterschiede bei gleicher Umwelt Rückschlüsse auf die Gene (¡Achtung! Allein gemeinsames Aufwachsen bedeutet nicht gleiche Umwelt (ein Kind könnte z. B mehr gemocht worden sein (weil es die Farbe grün mochte))) Problem bleibt immer, dass nur auf die zugrunde liegende Pop geschlossen werden kann und, dass u. U. in anderen Pop andere Umweltunterschiede und Anlageuntershciede bestehen können. Interaktion+Kovariation von Genom+Umwelt (Asendorpf) 1.) Wirkung von Genom+Umwelt auf die Entw.: Die gesamte genetische Information eines Menschen wird Genom genannt. Genom verändert sich nicht im Laufe des Lebens, aber die Genaktivität unterliegt Entw-Prozessen. Da genetische Wirkungen von der Genaktivität abhängen, sind sie im Laufe der Entw nicht konstant. Die Genaktiv. beeinflusst über biochemische Prozesse Entw und Verhalten und kann über das Verhalten auch Einfluss auf die Umwelt nehmen (und umgekehrt). Wegen dieser Wechselwirkung kann die Umwelt teilweise genetisch bedingt sein (durch genetische Prädisposition best. Umwelten aufzusuchen oder zu vermeiden) Trennung Genaktiv/Umwelt schwer Merke: Wirkung von Genaktivität und Umwelt auf Persönlichkeit schwer zu trennen 2.) Genom/Umwelt Interaktion: Unterschiede im Genom wirken in Abhängigkeit von Unterschieden in der Umwelt auf Persönlichkeitsunterschiede (+vice versa). Genetische Risiken wirken sich demnach nicht direkt aus, sondern erhöhen die Vulnerabilität durch belastende Umweltbedingungen (Untersuchung meist in Adoptions-/Zwillings/Geschwisterstudien). In neuster Zeit gibt es erste Ergebnisse, die spezifische Gene mit spezifischen Umweltbedingungen in Verbindung setzen (vorher global und indirekte Bestimmung). (Beispiel: unzureichende Aktivität eines Allels (MAOA) führt bei Männern nach erfahrener Kindesmisshandlung eher zur Entw antisozialer Tendenzen). Merke: Genom wirkt in Abhängigkeit von Umwelt auf Persönlichkeitsunterschiede (und >) 3.) Genom/Umwelt Kovarianz: Best. Genome gehäuft in best Umwelten. 3 Formen: 1.) passive Genom/Umwelt Kovarianz: aus genetischen Gründen hat ein grünes Kind auch grüne Eltern, die aus genetischen Gründen für eine grüne Umgebung sorgen (nimmt mit der Zeit ab, da das Kind aktiver wird und auch das Elternhaus verlässt) 2.) reaktive G/U Kov: Gen wirkt sich auf Persönlichkeit aus, die andere veranlasst zu reagieren (Kind mag grün. Das merken die Eltern und gestalten ihm ein grünes Zimmer). 3.) aktive G/U Kov: Träger von Genen wählen/gestalten passende Umwelt aus (älteres grünes Kind baut Baumhaus auf grüner Wiese) Umweltbedingungen können über vermittelnde Persönlichkeitsmerkmale genetisch beeinflusst sein. Korrelation zw. Umwelt und Persönlichkeitsmerkmalen ist nicht kausal (z. B. Interaktion Umwelt/Gene möglich). Interaktion als Wechselwirkung und Kovariation als „Hand in Hand“ von Genom und Umwelt wenden sich gegen reine „Verhältnisschätzung“ zw G+U Das Ansteigen des Erblichkeitskoeffizienten mit dem Alter kann mithilfe der Genom/Umwelt Kovarianz darauf zurückgeführt werden, dass im frühen Kindesalter Milieuunterschiede Einfluss haben, mit der zunehmenden aktiven Gestaltung des Kindes aber Umwelten gesucht werden, die den Erbanlagen entsprechen. Evolutionsbasiertes Modell (Geary) 2 generelle Klassen kognitiver Fähigkeiten: 1.) biologisch primäre Fähigkeiten: entstanden durch evolutionäre Selektion, angeboren (z. B. Spracherwerb, basale Mathematik, Navigation im Lebensraum). Kriterien: Über versch. Kulturen hinweg auffindbar, plausible evolut. Funktion erkennbar. Konzeptuelles Wissen implizit 2.) biologisch sekundäre Fähigkeiten: biolog. primäre F werden für andere als die evolutionär entstandenen Funktionen angewendet. Biolog. sek F entw sich im kulturellen Kontext. Kriterien: sind in versch. Kulturen untersch. ausgeprägt (z. B. Lesen, Arithmetik, Geometrie). Konzeptuelles Wissen meistens abrufbar. Beide Fähigkeiten brauchen Erfahrungen mit der Umwelt, um sich zu entwickeln. Frage: Unterscheiden sich die notwendigen Erfahrungen für 1ere und 2ere Fähigkeiten? 1.) Erwerb biologisch primärer Fähigkeiten: beruht auf neurobiologischen Systemen, die spezialisiert sind, domänenspezifische Infos zu verarbeiten. Das Informationsverarbeitungssystem beinhaltet implizites Basiswissen oder „skeletthafte Grundlagen“ der Domäne, führt das Kind zu relevanten Umweltgegebenheiten und verarbeitet diese. Durch die Verarbeitung relevanter Infos aber auch durch top-down Induktionen des Kindes über die entsprechende Domäne werden die „skeletthaften Grundlagen“ ausgefüllt. Entwicklung durch „Skeletthafte G“+ Motivation an Aktivitäten zur Ausformung der Grundlagen teilzunehmen (die meisten Aktivitäten sind wohl an sich schon angenehm, wie Spielen (dient wohl um erwachsenenähnliche Fähigkeiten zu üben und mit ihnen zu experimentieren)). Es zeigt sich, dass zum Beispiel das Spielen mit mathematischen Grundlagen (Spielzeuge zählen zum Beispiel) über Kulturen hinweg verbreitet ist (das spricht für die Rolle des Spiels beim Erwerb biolog. 1erer Fähigk.) 2.) Erwerb biologisch sekundärer Fähigkeiten: haben nicht den Vorteil biologisch vorbereitet zu sein und intrinsische Motivation zum Erwerb zu wecken, daher ist die Aneignung generell langsamer, anstrengend und durch formelle oder informelle Instruktion gestützt. In komplexen Gesellschaften, die die Ausbildung von biolog. 2eren Fähigk. verlangen, ist der Erwerb dieser Fähigkeiten durch die Schule formalisiert. Implikationen: Wie sehr biolog. 2erer Fähigk. ausgebildet sind, hängt also stark davon ab, wie sehr diese in der Schule aufgebaut und gefördert werden. Kulturelle Unterschiede der biolog. 2erern Fähigk. reflektieren direkt Unterschiede in der formalen Bildung Kulturelle Unterschiede im Erwerb biolog. 2erer Fähigk. sind unabhängig vom Erwerb Biolog. 1erer Fähigk. Die Motivation 2ere Fähigk. zu erwerben ist nicht intrinsisch (wie bei den 1eren) sondern von dem größeren gesellschaftlichen Kontext abhängig und damit neben der Übung und Vermittlung Teil des Schulsettings. (Es gibt auch selbst-motiviertes Engagement, das ist aber eher die Ausnahme) Einflüsse auf beide Fähigkeiten. Zum Beispiel zielgerichtetes Handeln. Wenn das Ziel bekannt ist, werden sofistiziertere Lösungsstrategien angewendet (wobei es sein könnte, dass manche Ziele implizierte Teile des neurokognitiven Systems biolog. 1erer F. sind, Zielstrukturen biolog. 2erer F. aber erlernt werden müssen). Prozedurale Fähigk., konzeptuelles Wissen. Biologisch primäre mathematische Fähigkeiten: Anzahlen, größer/kleiner Relationen, Zählen (bis drei), Addition+Subtraktion bei kleinen Zahlen Auch bei Tieren kann ein Gefühl für Anzahlen und größer/kleiner Relationen, sowie Addition+Subtraktion bei kleinen Zahlen nachgewiesen werden! Biologisch sekundäre mathematische Fähigkeiten: Algebra, Geometrie, Zählen (mehr als 3). Umwandlung von Textaufgaben in mathematische Formeln (mathematisches Problemlösen) Pädagogische Implikationen: Biologisch primäre Fähigkeiten entw sich meistens in der normalen Umgebung, auch wenn man sie fördern kann. Biolog.2ere F. bedürfen formaler Instruktion: Prozedurale Inhalte: Sollten ausführlich über einen langen Zeitraum und in kleinen Einheiten geübt werden, allerdings mit Methodenvielfalt und auf verschiedene Probleme angewendet (da sonst eine Methode übergeneralisiert wird und inkorrekt auf alle möglichen Probleme angewendet wird) bis das Kind sie automatisiert hat. Konzeptuelle Inhalte: Bedürfen Erfahrung aber nicht unbedingt extensiven Wiederholens. Möglichkeit sie zu fördern: Fragen nach verschiedenen Lösungswegen, Probleme in bekannten Kontexten präsentieren, so dass an Vorwissen angeknüpft werden kann.