Veronika Lange BASICS Kardiologie

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Veronika Lange
BASICS Kardiologie
Leseprobe
BASICS Kardiologie
von Veronika Lange
Herausgeber: Elsevier Urban&Fischer Verlag
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Klinik
Die Hypertonie ist eine Volkskrankheit der
westlichen Bevölkerung. In der Gruppe der
über 45-Jährigen liegt die Hypertonie-Rate
bereits bei 25%.
Physiologisch sind Blutdruckwerte definitionsgemäß < 130/85 mmHg, hochnormal
bei Werten <140/90mmHg. Nachdem der
Hypertonus zumeist asymptomatisch ist und
sich erst in späteren Stadien durch seine
Folgeerkrankungen zeigt, befinden sich nur
die wenigsten Betroffenen in Behandlung.
Die Hypertonie ist meist bis zum Auftreten
der ersten Komplikationen asymptomatisch oder verursacht lediglich uncharakteristische Beschwerden wie Kopfschmerzen,
Schwindel oder Nasenbluten. Durch regelmäßige Blutdruckmessungen sollte deshalb
versucht werden, den Bluthochdruck im
asymptomatischen Stadium, also noch vor
Manifestation der ersten Komplikationen,
zu entdecken.
Pathogenese
Folgeerkrankungen
Der Blutdruck wird vom ausgeworfenen
Blutvolumen und dem peripheren Gefäßwiderstand bestimmt. Durch Veränderung
einer der Komponenten kann eine Hypertonie entstehen:
• Widerstand: Ist der periphere Gefäßwiderstand durch generalisierte Vasokonstriktion erhöht, resultiert eine meist starke
Blutdruckerhöhung.
• Volumen: Aus einer Erhöhung des Blutvolumens resultieren meist etwas geringere
Blutdruckerhöhungen. Erhöhte Herzarbeit
kann ein großes Blutvolumen „vortäuschen".
Die unbehandelte Hypertonie führt bei 40
% der Patienten nach 10 Jahren zu Organschäden, die Lebenserwartung sinkt um
10-20 Jahre.
• Herz: Der Hypertonus bedeutet eine
Mehrbelastung des Herzens und führt zur
konzentrischen Herzmuskelhypertrophie.
Ab einem kritischen Herzgewicht von 500 g
kommt es zu Perfusionsstörungen und se
kundär zur Dilatation des linken Ventrikels
(exzentrische Hypertrophie). Spätfolge ist
eine zunehmende Linksherzinsuffizienz.
• Gefäße: Die Hypertonie ist ein Risiko
faktor erster Ordnung für die Entstehung
der Atherosklerose. Sie betrifft insbesondere die Koronar-, Renal- und Zerebralgefäße.
Man unterscheidet verschiedene Formen der
Hypertonie:
• Primäre, essenzielle Hypertonie
(95 %): Die Ursache der primären Hypertonie ist nicht bekannt. Man geht jedoch
davon aus, dass neben genetischen auch
Umweltfaktoren einen gewissen Einfluss
haben. Diese Diagnose „primäre Hypertonie" kann mit letzter Sicherheit nur nach
Ausschluss aller sekundären Ursachen gestellt werden.
• Sekundäre Hypertonie (5%):
- Renal: Eine Minderdurchblutung der
Nieren ist Stimulus für eine Reninausschüttung, die über Erhöhung des pe
ripheren Gefäßwiderstands und des
Blutvolumens den Blutdruck modu
liert. So kann eine Nierenarterienstenose Ursache einer Hypertonie sein.
- Endokrin: Eine Überproduktion der
Sympathikus-Hormone Adrenalin und
Noradrenalin (z. B. durch ein Phäochromozytom) kann den Blutdruck
über Vasokonstriktion und gesteigerte
Herzarbeit erhöhen.
- Kardiovaskulär: Die Aortenisthmusstenose führt zu einer Hypertonie
im Stromgebiet vor der Stenose.
Nimmt im Alter die Windkesselfunk
tion der Aorta ab, steigt der systolische
Blutdruck.
- Neurogen: Veränderungen der Barorezeptoren können den sog. Entzügelungshochdruck auslösen.
Leseprobe von V. Lange, „BASICS Kardiologie“, Herausgeber: Elsevier Urban & Fischer
Leseprobe erstellt vom Narayana Verlag, 79400 Kandern, Tel: 0049 (0) 7626 974 970-0
Durch die Hypertonie treten in der Netzhaut Gefäßschäden auf (Fundus hypertonicus).
Diagnostik
Einschätzung des Hypertonus
Wird bei einer routinemäßigen Blutdruckkontrolle ein erhöhter Blutdruck festgestellt,
werden wiederholte Blutdruckmessungen
durchgeführt, am besten durch regelmäßige
Selbstmessungen und Dokumentation des
Patienten zu Hause, um unter anderem einen Weißkittelhypertonus (ausgelöst durch
den Stress des Arztbesuchs) auszuschließen
und das Hochdruck-Profil (* Tab. 19.1) zu
erfassen.
Jeder Patient mit Hypertonus sollte eine 24h-Blutdruckmessung erhalten (• Tab.
19.2). Ein besonderes Augenmerk sollte auf
die Nachtabsenkung des Blutdrucks (dipp)
gelegt werden: Sinkt der Blutdruck in der
Nacht nicht um mindestens 10 %, so kann
dies ein Hinweis auf sekundäre Genese des
Hypertonus sein.
Abb. 19.1: Diagnostik bei
Verdachtauf
Hypertonie.
[L157]
Hypertonie 51
Tab. 19.1: Einteilung der Hypertonie bei der Praxisbzw.
Gelegenheitsblutdruckmessung
(Deutsche
Hochdruckliga e.V., 2008).
Tab. 19.2: Grenzwerte bei der 24-h-Blutdruckmes-sung.
Diagnostik bei Verdacht auf sekundären
Hypertonus
• EKG (Linksherzhypertrophie? Hinweise auf
KHK?) und Echokardiografie (Hypertrophie? Wandbewegungsstörungen?)
• Eiweiß im Urin (Arteriolosklerose der
Nieren?)
• Evtl. Sonografie des Abdomens (Nieren
veränderungen? Aortale Atherosklerose?)
• Abklärung des weiteren kardiovaskulären
Risikoprofils inkl. Kontrolle der Blutfette
und Ausschluss einer pathologischen Glukosetoleranz
• Vorstellung des Patienten beim Augen
arzt zur Funduskopie (Fundus hypertonicus?)
Suche nach bereits entstandenen Folgeschäden
Da nur in den seltensten Fällen eine sekundäre Genese des Hypertonus vorliegt, wird
eine weitergehende Diagnostik (• Abb. 19.1)
nur bei begründetem Verdacht durchgeführt.
• Auftreten des Hypertonus im jungen Alter
• Rascher Anstieg der Blutdruckwerte oder
in kurzen Zeitabständen stark schwankende
RR-Werte
• Keine Nachtsenke (dipp) in der 24-h-RRMessung
• Kein Ansprechen auf Therapie
Therapie
Ziel der Hypertonie-Therapie ist die Senkung des Blutdrucks auf < 140/85 mmHg.
Sind kardiovaskuläre Risikofaktoren vorhanden, liegt der Zielblutdruck niedriger:
Bei Diabetes mellitus sollten Werte unter
130/80 mmHg erreicht werden, bei Proteinurie ist ein Blutdruck unter 125/75 mmHg
anzustreben.
Allgemeinmaßnahmen
In frühen Stadien der Hypertonie ist häufig
bereits mit Allgemeinmaßnahmen eine ausreichende Reduktion der Blutdruckwerte zu
erreichen. Doch auch in späteren Stadien
sollten die Patienten dazu motiviert werden.
Wichtig dabei ist, die häufig beschwerdefreien Patienten ausführlich über Risiken
und mögliche Komplikationen der Hypertonie aufzuklären!
• Gewichtsreduktion (1kg Gewichtsabnah
me = 2,5 mmHg Blutdrucksenkung)
• Gesunde Ernährung, evtl. salzarme Kost
• Einschränken von Rauchen und Alkoholkonsum
• Stressabbau
• Mildes Ausdauertraining
Medikamentöse Therapie
Bei Versagen der Allgemeinmaßnahmen
oder initial hohen Stadien ist eine medikamentöse Therapie erforderlich. Die Patienten benötigen meist eine lebenslange Versorgung, um hypertoniebedingte Komplikationen zu vermeiden. Es ist wichtig, die
Patienten darüber aufzuklären, dass sie sich
zu Therapiebeginn schlechter fühlen werden als normal. Das liegt daran, dass der
Organismus an die hohen Blutdruckwerte
gewöhnt ist und die normalisierten Werte
subjektiv als hypoton empfunden werden.
Grundsätze der antihypertensiven Therapie: Man beginnt zunächst mit einer Substanz und fügt erst nach etwa 4 Wochen erfolgloser Monotherapie weitere Stoffgruppen hinzu. Die Therapie wird stufenweise
aufgebaut.
Die Kombinationstherapie ist der Hochdosierung eines einzelnen Medikaments überlegen und birgt dabei weniger Risiken.
Leseprobe von V. Lange, „BASICS Kardiologie“, Herausgeber: Elsevier Urban & Fischer
Leseprobe erstellt vom Narayana Verlag, 79400 Kandern, Tel: 0049 (0) 7626 974 970-0
Die Entscheidung, welche Medikamente
verschrieben werden, hängt zum Großteil
von Begleiterkrankungen ab.
• ß-Blocker (> Kap. 13): bei KHK, Herz
insuffizienz und Vorhofflimmern
• Diuretika (*• Kap. 15): bei Herzinsuffizi
enz
• RAAS-Hemmer (*• Kap. 14): bei Herzin
suffizienz, nach Myokardinfarkt, bei diabetischer Nephropathie und chron. Nieren
insuffizienz
• Ca2+-Antagonisten (»• Kap. 16): bei Älte
ren, als Akuttherapie bei hypertensiver Ent
gleisung
Hypertensiver Notfall
Beim hypertensiven Notfall handelt es sich
um eine akute Blutdruckentgleisung
>210/120 mmHg mit lebensbedrohlichen
Konsequenzen. Es kommt zu fortschreitenden Funktionseinschränkungen und
schließlich Organschäden. Auslösend
können Stress, Schwangerschaft,
Drogenkonsum und die Einnahme bestimmter Medikamente wirken. Auch ein
rasches Absetzen der gewohnten antihypertensiven Therapie kann einen hypertensiven
Notfall verursachen. Die Patienten klagen
über Kopfschmerzen, Erbrechen und
Sehstörungen oder weisen Symptome einer
instabilen AP auf. Im schlimmsten Fall
kommt es durch Versagen der
Autoregulation des Gehirns zu einer
Dilatation der zerebralen Arterien mit
nachfolgend Hirnödem. Es führt zu
Krampfanfällen, Sehstörungen, Erbrechen
und Bewusstlosigkeit. Anzustreben ist eine
vorsichtige Normalisierung des
Blutdrucks, um Schädigungen durch den
plötzlichen Blutdruckabfall zu vermeiden.
Nach der Akutbehandlung muss der
Blutdruck dauerhaft behandelt und
kontrolliert werden.
Bei der pulmonalen Hypertonie handelt es
sich definitionsgemäß um eine Erhöhung
des pulmonalarteriellen Mitteldrucks in
Ruhe auf > 25 mmHg bzw. unter Belastung
auf > 30 mmHg.
Einteilung
Ätiologie
Seit 2003 wird die pulmonale Hypertonie in
der Venedig-Klassifikation anhand der
Ätiologie unterteilt. Anhand dieser Klassifikation wird ersichtlich, wie vielfältig die Ursachen der pulmonalen Hypertonie sein
können.
1. Pulmonal arterielle Hypertonie (PAH)
• Idiopathisch
• Familiär
• Assoziiert
- Kollagenosen, z. B. Lupus erythematodes, Sklerodermie
- Kongenitalen Shuntvitien
- Portale Hypertension
- HlV-Infektion
- Drogen/Medikamenten, z. B. Appetit
zügler
2. Pulmonale Hypertonie bei Linksherz
erkrankungen
• Linksatriale und linksventrikuläre Erkrankungen >• Linksseitige
Klappenerkrankungen
3. Pulmonale Hypertonie assoziiert mit
Hypoxie: Durch die hypoxische pulmo
nale Vasokonstriktion (Euler-Liljestrand-Mechanismus) steigt der pulmo
nale Druck bei chronischer Hypoxämie
• COPD
• Interstitielle Lungenerkrankungen
• Schlafapnoesyndrom
• Pulmonale Hypertonie aufgrund chro
nischer thrombotischer/embolischer Er
krankungen: Durch Obstruktion eines
Pulmonalgefäßes kommt es zu einer Erhö
hung des Drucks im kleinen Kreislauf.
• Thrombembolie der proximalen Lungenarterien
• Ostruktion der distalen Lungenarterien
• Lungenembolie
4. Sonstige
• Sarkoidose
Klassifikation der Linksherzinsuffizienz (•
Kap. 45) - funktionell bestimmt (• Tab. 20.2).
Bei einem pulmonalen Mitteldruck > 35
mmHg bzw. einem systolischen pulmonalarteriellen Druck > 50 mmHg kann von
einer zumindest mittelschwerden pulmonalen Hypertonie ausgegangen werden. Besteht
zusätzlich eine Rechtsherzinsuffizienz,
handelt es sich um eine schwere Form.
Cor pulmonale
Das Cor pulmonale beschreibt die typischen
Veränderungen, die auftreten, wenn das
rechte Herz gegen einen erhöhten Widerstand im kleinen Kreislauf arbeitet: Der
rechte Ventrikel ist dilatiert und hypertrophiert.
Definitionsgemäß beschreibt dieser Begriff
allerdings nur Veränderungen, die durch
Lungenerkrankungen (Strukturell, Störungen der Ventilation und Perfusion) oder
Thoraxerkrankungen entstanden sind.
Ist die Hypertrophie die Folge einer extrapulmonalen Erkrankung (Gruppe 2 der Venedig Klassifikation), so spricht man von
konsekutiver Rechtsherzhypertrophie. Sie
geht einher mit einer Rechtsherzinsuffizienz, welche nach Leitlinien Diagnostik
und Therapie der chronischen pulmonalen
Hypertonie (2006) durch einen erhöhten
rechtsventrikulären Füllungsdruck oder einem erniedrigten HZV durch eingeschränkte RV-Funktion bestimmt wird.
Diagnostik
Häufig ist ein erhöhter pulmonalarterieller
Druck ein Zufallsbefund in der Echokardiografie. Der Verdacht kann jedoch auch bei
klinischen Zeichen der Rechtsherzinsuffizienz gestellt werden (• Kap. 45). Bestehen
prädisponierende Erkrankungen, z. B. eine
HIV-Infektion oder hat der Patient bereits
mehrfach Lungenembolien erlitten, wird
gezieltes Screening betrieben.
EKG
Bei schwerer pulmonaler Hypertonie zeigen
sich Zeichen der Rechtsherzbelastung: Es
findet sich ein Rechtstyp, manchmal ein
Rechtsschenkelblock und deszendierende
ST-Veränderungen in V2-V4 sowie in II. III,
aVE
Echokardiografie
Über Dopplermessung einer bestehenden
Trikuspidalklappeninsuffizienz kann eine
Abschätzung des systolischen pulmonalarteriellen Drucks erfolgen. Der RV zeigt sich
hypertrophiert und dilatiert, die RV-Funktion eingeschränkt. Bei fortgeschrittenen Stadien zeigt sich eine paradoxe Bewegung des
Septums - es arbeitet nun in der Systole für
den RV, was mit einer Funktionseinschränkung des linken Ventrikels einhergeht.
Es sind viele Faktoren in Verdacht, Risikofaktoren für die Entstehung einer pulmonalen Hypertonie zu sein (• Tab. 20.1).
Spiroergometrie, 6-Minuten-Gehtest
Schweregrad
Der Schweregrad der pulmonalen Hypertonie wird - modifiziert nach der NYHA-
Abb. 20.1: Kardio-MRT bei pulmonaler Hypertonie. Die
Wand des RV ist muskelstark, der RV ist größer als der
LV. [T591]
Leseprobe von V. Lange, „BASICS Kardiologie“, Herausgeber: Elsevier Urban & Fischer
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Die pneumologische Diagnostik hilft bei
der ätiologischen Zuordnung der Hyperto-
Hypertonie 53
nie und gibt Aufschlüsse über Schweregrad
und Prognose.
rapie mit Ca2+-Antagonisten profitieren, ohne
eine gefährliche Hypotension zu entwickeln,
gefiltert werden.
kamentengruppen, je nach Ätiologie und
Wirkung, zum Einsatz:
• Ca2+-Antagonisten (hoch dosiert; Nifedipin, Diltiazem, Amlodipin)
• Prostazyklin-Analoga (Iloprost), intravenös oder inhalativ appliziert
• Endothelinrezeptor-Antagonisten (Bosentan)
• Phosphodiesterasehemmer (Sildenafil)
Therapie
Grundsätzlich muss vor der Einleitung einer
spezifischen Therapie die optimale Therapie
einer möglicherweise prädisponierenden
Grunderkrankung erfolgen. Anschließend
kann in spezialisierten Zentren eine
medikamentöse Therapie eingeleitet werden.
Hierzu kommen folgende Medi-
In vielen Fällen ist eine Kombinationstherapie nötig.
Je nach Ätiologie der pulmonalen Hypertonie ist als Ultima Ratio (z. B. Nichtansprechen auf Medikamente) eine Lungentransplantation zu erwägen.
Bildgebung
Neben einer Röntgen-Thoraxaufnahme
werden CT-Thorax und ggf. eine Ventilations-Perfusionsszintigrafie durchgeführt.
Rechtsherzkatheter
Im Rechtsherzkatheter (• Kap. 11) können
die hämodynamischen Parameter bestimmt
werden und so eine Differenzialdiagnostik
und Einteilung des Schweregrads erfolgen.
In spezialisierten Zentren wird im Rahmen
der Untersuchung eine medikamentöse Testung unter hämodynamischer Erfolgskontrolle vorgenommen. So können Patienten,
die von der - sehr kostenintensiven - The-
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Veronika Lange
BASICS Kardiologie
160 Seiten, kart.
erschienen 2013
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