Christa Guhl, Thomas Bischoff, Christiane Wittig

Werbung
Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Lukas  Ev.-Luth. Kirchengemeinde Ohlsdorf-Fuhlsbüttel  Hamburg
TURIANIKREIS
Editorial
Im Wechsel von zwei Jahren besuchen wir uns gegenseitig: Unsere
Partner aus dem Turianidistrikt in Tansania kommen nach Hamburg,
und wir, Vertreter und Vertreterinnen der beiden Gemeinden St. Lukas und Ohlsdorf-Fuhlsbüttel, fahren in den Turianidistrikt. Diese Begegnungen sind das Rückgrat unserer Partnerschaft – und das seit
1999!
Im März 2012 machten sich Christa Guhl und Thomas Bischoff aus
der Kirchengemeinde Ohlsdorf-Fuhlsbüttel und Petra RoedenbeckWachsmann, Krista Prante und Christiane Wittig aus St. Lukas auf
den Weg. Ungefähr 7.200 km liegen zwischen Hamburg und Dar es
Salaam, den beiden Flughäfen. Es ist eine weite und anstrengende
Thema
Seite
Reise nach Tansania
▪
▪
▪
▪
▪
Ankunft und Programm
Besuche in den Gemeinden
Baumaßnahmen
May we call it a day?
Gedanken zum Schluss
Gott / Jesus ist eine Masai
Kirchenglocke in LUNGO
Reise, und auch das Programm vor Ort erfordert Einsatz und Präsenz, Konzentration und Aufmerksamkeit.
Doch jedes Mal – das gilt für unsere Partner, die Hamburg wieder
verlassen, und uns, die wir uns von unseren Freunden im Turianidistrikt verabschieden – sind alle zutiefst berührt, ja überwältigt von
der Gastfreundschaft der jeweiligen Gastgeber, von der Fülle der Erlebnisse und Erfahrungen in dem fremden Land.
Auch diese Reise hat neue Horizonte eröffnet. Darüber berichten wir
in diesem Heft.
Wir laden Sie ein, unsere Eindrücke, unsere Gefühle und Gedanken
zu Themen der Partnerschaft, auch zur Zukunft derselben, mit uns zu
teilen und wünschen Ihnen Freude beim Lesen der folgenden Seiten
und beim Betrachten der Bilder.
Christa Guhl, Thomas Bischoff, Christiane Wittig,
Petra Roedenbeck-Wachsmann, Krista Prante
2
3
4
5
6
8
Ein Kälbchen mit Namen
Erbarmen
12
Begegnungen mit Kindern und
jungen Erwachsenen
15
Musikalische Erlebnisse
17
Predigt zu 1. Petrus 1,13-17
18
Drei Episoden
20
Land & Leute
21
Tansania
22
Turianidistrikt
23
Das neue
Partnerschaftskomitee
24
Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Lukas  Hummelsbütteler Kirchenweg 3  22335 Hamburg  www.st-lukas-online.de
Ev.-Luth. Kirchengemeinde Ohlsdorf-Fuhlsbüttel  Fuhlsbüttler Straße 656a  22337 Hamburg  www.kg-ohlsdorf-fuhlsbuettel.de
Reise nach Tansania
Ankunft und Programm
Wir bestiegen das Flugzeug am
Hamburger Flughafen wie geplant
am 1. März um 20:30 Uhr und landeten – nach einem mehrstündigen
Zwischenstopp in Dubai – am
nächsten Tag um 15:20 Uhr Ortszeit auf dem International Julius
Nyerere Airport in DAR ES SALAAM. Wir wurden von Mr Sifuni
Mnzava, dem Vorsitzenden des
Krista Prante
Turiani Committee, Miss Joyce
Kombe, der Sekretärin des Turiani Committee, und
Pastor Christopher Samuel, Superintendent des Turianidistrikts, in Empfang genommen. Später kam noch
Joel Kailembo, der Sekretär des Distrikts, dazu. Diese
Vier begleiteten uns während des gesamten Aufenthalts.
Vom Zeitpunkt unserer Ankunft an bis zum Tag unserer
Abreise am 18. März stand der Reisegruppe sowie den
Begleitpersonen ein Toyota Kleinbus zur Verfügung.
Das war insofern sehr angenehm, als die Gemeinden
im Turianidistrikt weit voneinander entfernt liegen und
unsere Partner es sich vorgenommen hatten, uns mit
möglichst vielen von ihnen bekannt zu machen. Der
Fahrer Julian gehörte fortan mit zu unserer Gruppe von
insgesamt 10 Personen.
Nach einer ersten Nacht in DAR ES SALAAM ging es
am 3. März über MOROGORO nach KIDUDWE. Es
war Abend, als wir in dem Dorf ankamen. Nicht ohne
vorher Gott für die Bewahrung auf den ge-fährlichen
Straßen und Wegen gedankt zu haben, verließen wir –
nach insgesamt fünf Stunden Fahrt - den Bus, um die
Menschen zu begrüßen, die sich vor der Kirche versammelt hatten. Wir erlebten ein großartiges Willkommensfest – mit zahllosen uns entgegengestreckten
Händen, trillernden Frauen, mit Blasmusik, Gebeten,
verschiedenen Vorstellungsrunden, Dankesreden und
schließlich einem umfangreichen, liebevoll zubereiteten
Essen. Waren wir müde? Im Gegenteil, tanzend und
singend verließen wir die Kirche, überwältigt von dem
herzlichen Empfang. Julian fuhr uns jetzt in die
‚Honolulu Lodge’, ein kleines Hotel in MADIZINI. Hier
sollten wir bis zu unserer Abreise nach Dar es Salaam
am 17. März bleiben. Die Gäste erhielten je ein Zimmer
mit angrenzendem Wasch/Duschraum. Wir waren zufrieden, obwohl wir uns Privatquartiere gewünscht hatten, um enger mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Offensichtlich war dies nicht möglich gewesen.
Als Grund wurde die mehrfach geäußerte Sorge angegeben, den deutschen Erwartungen nicht entsprechen
2
zu können. ’They (the families) are afraid that their conditions are not up to your standards.’ Das war schade.
In DAKAWA soll es drei Angebote gegeben haben,
aber dieses Dorf liegt zweieinhalb Stunden von MTIBWA, dem Verwaltungszentrum des Turianidistrikts, entfernt.
Das Programm für 17 volle Tage in Tansania war von
unseren Partnern sorgfältig - unter Berücksichtigung
unserer Wünsche - ausgearbeitet und uns bereits in
Hamburg zugeschickt worden. Abgesehen davon, dass
es vor Ort zu manchen Änderungen und zeitlichen Verschiebungen kam – was uns v.a. in MTIBWA lange
Wartezeiten bescherte -, waren unsere Partner darauf
bedacht, inhaltlich an ihrem Plan festzuhalten.
Am wichtigsten für sie war, dass wir in die Dörfer fahren
und die Gemeinden besuchen, dass wir ihre Kirchen
und im Bau befindlichen Projekte anschauen, mit verschiedenen Frauengruppen in Kontakt kommen, Zeit
haben für Gespräche und - natürlich - Gottesdienste.
Wir hatten uns mehr Bibelarbeit gewünscht. In Hamburg waren wir uns vor zwei Jahren über der gemeinsamen Lektüre von Gleichnissen erstaunlich nahe gekommen.
Im Turianidistrikt ist es üblich, sich einmal, in der Mitte
der Woche, mit den Pastoren aller Gemeinden zu treffen, um die Predigt des kommenden Sonntags vorzubereiten. Zu einer dieser Bibelarbeiten waren wir eingeladen. Was uns sehr freute: Petra, Laienpredigerin in
St. Lukas, wurde vom Propst gebeten, diese Bibelarbeit
zu leiten.
Da Petra in diesem Heft über theologische Aspekte
unserer Reise berichtet - „Gott / Jesus ist eine Masai“ und Christiane über Frauen und Frauenprojekte - „Ein
Kälbchen mit Namen Erbarmen“ -, beschränke ich mich
im Folgenden auf Besuche in den Gemeinden, auf die
Reise nach Tansania
Beschreibung von Baumaßnahmen und einen Ausblick
in die Zukunft.
Besuche in den Gemeinden
Der Turianidistrikt - ein Gebiet mit ungefähr 50 km OstWest-Ausdehnung und 10 km Nord-Süd-Ausdehnung ist in den vergangenen zwei Jahren auf elf Hauptgemeinden mit insgesamt ca. 4000 Gemeindegliedern
angewachsen. Hauptgemeinden sind: KAMPALA, KIDUDWE, KUNKE, LUNGO, MAKUTURE, MANYINGA,
MTIBWA, MVOMERO, TURIANI, WAMI DAKAWA,
WAMI VIJANA. Alle Gemeinden haben Bezirke, ‚sub
parishes’ genannt, insgesamt mindestens 20. Auf unserer Reise haben wir acht von den elf Hauptgemeinden
besucht, dazu sieben Subgemeinden.
Die Fahrten dahin boten Gelegenheit, je nach Bedarf
und Lust Eindrücke mit dem Sitznachbarn auszutauschen. Aber das hatte Grenzen. Saßen wir anfangs
noch bequem nebeneinander, so füllte sich der Bus bei
jedem Halt. Unsere Begleiter stiegen zu und weitere
bekannte und unbekannte Menschen – mit Gepäck. Am
Ende waren meistens alle Notsitze ausgeklappt und
besetzt. Wir hatten uns leise unterhalten - manch eine/r
war vielleicht auch noch müde. Jetzt ging plötzlich „die
Sonne auf“, es wurde palavert, laut gelacht – worüber
können sich unsere Freunde bloß immer amüsieren? –
und gesungen.
Am Ziel angekommen - beispielsweise in LUNGO -,
wurden wir vom Posaunenchor begrüßt, Kinder drängten sich nach vorn, um „die Weißen“, die ‚wazungu’, zu
sehen und, wenn sie den Mut dazu hatten, anzufassen.
Frauen kamen auf uns zu, um uns dezent unsere Taschen abzunehmen. In der Sakristei mussten wir uns in
das Gästebuch eintragen. Dann ging es feierlich in die
Kirche, wo für die Gäste und ihre Begleiter besonders
schöne und bequeme Stühle aufgestellt waren und eine
lange Tafel für die anstehende Mahlzeit.
Wie wir es schon bei unserem Empfang in KIDUDWE
erlebt hatten, lief nun ein Ritual ab, eröffnet durch ein
lautes ‚Bwana Yesu asifiwe!’ – „Gelobt sei der Herr Jesus!“ -, auf das die Gemeinde mit ‚Amen’ antwortete.
Auch wir begannen bald unsere kleinen Reden mit diesem Grußwort, worauf immer sehr fröhlich und zustimmend reagiert wurde. Am Ende des Begrüßungszeremoniells standen in der Regel freundliche Worte des
uns begleitenden Propstes, der gern die Stimme erhob.
Offensichtlich nutzte er die Gelegenheit, sich bei seinen
Gemeindegliedern in diesem großen Kirchenkreis vorzustellen; er war erst seit kurzem im Amt. Je nach Dauer der Anreise wurden wir sofort bewirtet oder machten
erst einen Rundgang über das Kirchengelände. Die
Gastfreundschaft der tansanischen Menschen wird viel
gelobt, und auch wir durften sie „schmecken“. Das Essen war jedes Mal köstlich, ob es sich um Reis, Ugali,
Huhn, Rindfleisch, Spinat, Bohnen, Banane - alles üppig aufgefüllt auf e i n e n Teller - handelte, um einen
erfrischenden Obstsalat oder - wie bei den Masai - um
Chapati, eine Art Pfannkuchen, und heißen Tee mit
Milch.
Die Gespräche im Anschluss an die Mahlzeiten gehören mit zu den interessantesten Erfahrungen dieser
Reise. Dank guter Übersetzer ergab sich hier die Gelegenheit, einander besser kennen zu lernen. Uns fiel
auf, dass unsere Partner in Tansania durchaus skeptisch gegenüber westlichen Einflüssen sind und nicht
alles gutheißen, was aus Amerika oder Europa kommt.
’We don’t want women who are too strong or gay people who lead an immoral life.’ Das war schon ziemlich
am Anfang ein “Schuss vor den Bug”. Vor allen Dingen
wollen sich die Tansanier, so scheint es, keine Bedingungen auferlegen lassen, wenn es um wirtschaftliche
Interessen geht. Die Forderung Großbritanniens zum
Beispiel, Homosexualität zu akzeptieren - denn nur
dann würde die Entwicklungshilfe weiter fließen -, hat
zu einem vorläufigen Abbruch der Beziehungen ge-
3
Reise nach Tansania
führt. Die neue Großmacht China stellt keinerlei Bedingungen, ist darum auf allen Ebenen gut im Geschäft mit
Tansania.
sogar mit Fliesen ausgelegt. 170 Gemeindeglieder gehören z.Zt. zu dieser Gemeinde, 80-100 besuchen regelmäßig den Gottesdienst.
In diesem Zusammenhang die Frage nach den Menschenrechten anzuschneiden, wurde fast als unfreundliche Geste, wenn nicht gar als unpassende Provokation angesehen und brachte das Gespräch „irgendwie“
ins Stocken.
So steht es in dem Brief, den uns Pastor Kussa am
Ende übergab. Die Opferbereitschaft der Gemeinde
muss groß sein und sicher auch das ehrenamtliche
Engagement der Dorfbewohner, die mithelfen, eine so
schöne Kirche zu errichten.
’Learning from one another also means to accept different views.’ Wir glauben, dass es im Verlauf des Besuchs gelungen ist, die je eigene Sicht auf Personen
und Standpunkte zu akzeptieren. Das gilt für beide Seiten. Die kulturellen Unterschiede sind enorm groß, wir
werden einander bei aller Freundschaft nie ganz verstehen. Vielleicht gelingt dies Menschen, die länger im
Land leben.
Die Gemeinden St. Lukas und Ohlsdorf-Fuhlsbüttel
wissen um die Bedeutung der kirchlichen Gebäude für
unsere Partner und überweisen dafür jährlich - unterstützt vom Kirchlichen Entwicklungsdienst - einen Betrag. Meistens wird er für Materialien wie Zement,
Sand, Nägel, Wellblech, aber auch für Stühle, eine Glocke, die Elektrifizierung eines Gebäudes, einen neuen
Anstrich erbeten. In KUNKE, CHAZI, DIHINDA und
LUNGO konnten wir uns von den mühsamen baulichen
Fortschritten überzeugen.
Im Rahmen einer Gemeindepartnerschaft sind Begegnungen dennoch wichtig, denn sie schaffen Gelegenheit, sich anzunähern und immer besser kennen zu
lernen, Vorurteile abzubauen und letztlich respektvoll
miteinander umzugehen.
Baumaßnahmen
Die Kirche in KUNKE ist seit Jahren im Bau. 2010 erhielt sie endlich ein Dach. Zuletzt wurden zwei Türen
eingebaut – in leuchtendem Blau! Sobald das Geld vorhanden ist, sollen 24 Fenster eingesetzt, die Wände
verputzt und der Fußboden in der Kirche mit einem Estrich versehen werden. Der Kirchenraum wirkt hell und
luftig und, obwohl noch immer nicht ganz fertig, versammelt sich die Gemeinde hier jeden Sonntag zum
Gottesdienst.
In CHAZI, einer Subgemeinde von TURIANI, trafen wir
uns mit dem Evangelisten und anderen Gemeindevertretern unter einem – blauen! – Zeltdach, das innerhalb
des „offenen“ Kirchenraums aufgespannt ist und als
willkommener Schutz vor der Mittagssonne dient. Hier
wurde im Jahr 2007 der Grundstein gelegt. Jetzt sind
Mauern hochgezogen, aber immer noch fehlt das feste
Dach. „Wenn wir € 1000 für das nötige Wellblech hät-
Im Turianidistrikt wird ständig gebaut. Bekanntlich haben für die Partner kirchliche Gebäude wie die Kirche
selbst oder ein Pastorat Vorrang vor anderen Projekten, und die Gemeinde opfert viel, um am Ende eine
„schöne“ Kirche zu haben und eine würdige Unterkunft
für den Herrn Pastor.
Aber oft ist es ein weiter Weg bis dahin.
In DAKAWA allerdings, einer neuen Hauptgemeinde,
entstand in kurzer Zeit eine neue Kirche. Nicht ohne
Stolz wurden wir eingeladen, hier einen Gottesdienst
mitzufeiern. Wir waren erstaunt von den Ausmaßen
und der Ausschmückung der Kirche, der Fußboden war
4
Reise nach Tansania
ten, würden wir sofort anfangen. Noch in diesem Jahr
könnte die Kirche fertig sein!“
die Angler an, wie Mr Mnzava erläutert. Linkerhand
fahren wir an großen Reisfeldern vorbei...
In DIHINDA, einer Subgemeinde von KUNKE, ist man
ebenfalls seit Jahren dabei, die Lehmkirche durch eine
Steinkirche zu ersetzen. Der Fortschritt im Vergleich zu
2007 ist kaum festzustellen. Die Mauern sind etwas
höher als damals, doch immer noch nicht hoch genug,
um ein Dach darauf zu setzen.
In MVOMERO gibt es ein herzliches Wiedersehen:
Grace, Mitglied im Turiani Committee, ist da, und auch
Sarah, eine Brieffreundin. Mr Wadelanga – wir trafen
uns ebenfalls 2007 - kommt auf mich zu: „Kennen Sie
mich wieder?“ „Ja, natürlich.“
Wir besichtigten das Pastorat in LUNGO, das kurz vor
der Vollendung steht. Dazu werden schätzungsweise
noch € 2.500 benötigt - eine große Summe für die Gemeinde, die zu 99% aus Kleinbauern, d.h. aus Ackerbauern und Viehzüchtern besteht.
Uns wurde wieder klar, wie anstrengend und schwer es
für unsere Partner ist, Pläne zu verwirklichen. Es kostet
eine Menge Geld, ein Grundstück zu erwerben, ein
Konzept zu entwerfen, Fachkräfte zu bezahlen. Um
„Gottes Lohn“ sind viele im Dorf bereit mitzuhelfen, z.B.
zu mauern, Ziegel zu backen und zu brennen, in groß
angelegten Fundraisingaktionen - ‚harambees’ - Spenden einzuwerben. Doch bei allem guten Willen geht
manchmal der Schwung verloren. Äußere Umstände
wie steigende Preise für Lebensmittel oder umgekehrt
fallende Ankaufspreise für das Zuckerrohr – die klassische Nutzpflanze im Turianidistrikt - sind mitverantwortlich dafür, dass es zeitweise gar nicht oder nur langsam
vorangeht (wegen des derzeitigen Preisverfalls verlegen sich gerade viele Zuckerrohrbauern auf den Anbau
von Reis und Mais).
Es sind diese kleinen Begegnungen am Rande, die auf
beiden Seiten große Freude auslösen.
Hosea Mbaga, hier Pastor, gleichzeitig stellvertretender
Propst im Turianidistrikt, führt uns über das Gelände.
May we call it a day?
Die im Jahr 2000 begonnene Kirche ist immer noch im
Bau, und der Gottesdienst wird tatsächlich immer noch
in der kleinen, blauen Kirche gefeiert. 68 Gemeindeglieder schaffen es nicht, das nötige Geld zusammen zu
bekommen. Dennoch sehen die Pläne eine Fertigstellung vor. Es darf doch nicht umsonst gewesen sein,
dass man schon so viel Geld aufgebracht und investiert
hat! Zunächst soll der große Innenraum durch eine
Mauer in zwei Bereiche getrennt werden, diese könnten
dann nacheinander ein Dach erhalten. Hilft die Kommunalgemeinde? Wohlhabendere Leute sind weggezogen...
Wir sind in die Hauptgemeinde MVOMERO eingeladen
an Reisfeldern vorbei... Die Fahrt dorthin auf der lehmigen Straße dauert ungefähr zwei Stunden. Es hat in
der Nacht geregnet und Julian muss so manche Wasserpfütze umfahren. Der Weg ist uns anfangs vertraut,
denn wir sind ihn schon ein paar Mal gefahren. Zur
Rechten die alte Brücke, von Deutschen erbaut; sie
wird gerade ersetzt durch eine parallel verlaufende moderne Konstruktion – die Chinesen haben den Zuschlag
erhalten. Aus der Arusha Region kommt der ‚sounding’
Mbulumi River, ziemlich braun und schlammig zur Zeit.
Fischen ist hier unmöglich, aber der Divue River zieht
Im Büro des Pastors – dieses ist fast fertig! - tragen wir
uns ein ins „Goldene Buch“, nehmen auf
„Hochzeitsstühlen“ Platz, feierlich hohen, mit pinkem
Tüll überzogenen Sitzen – das ‚office’ ist gleichzeitig
Standesamt. Der ‚master of ceremony’ (M.C.), ein
Gymnasiallehrer, führt in fließendem Englisch durch
das wohl strukturierte Programm. Dieses Mal gehört
eine musikalische Einlage dazu. Mrs Joyce Matemba,
Leiterin sowohl der Frauengruppe in MVOMERO als
auch in der Gemeinde TURIANI, ist die Vorsängerin.
Von den Frauen hier erfahren wir später eine Menge zu
ihren Projekten.
Gleichzeitig beobachten wir eine erstaunliche Gelassenheit. Die tansanischen Menschen können warten –
warten auf eine gute Ernte und niedrige Preise für die
Grundnahrungsmittel, auf das richtige Wetter, um weiter zu bauen, auf einen Sponsor, der überraschend am
Horizont auftaucht. Alles hängt von Gottes Willen ab.
Wenn ER es will, dann werden wir dies und jenes tun
können. ‚Mungu akipenda.’
5
Reise nach Tansania
Den Höhepunkt des Tages bildet die Fahrt zum
MKONG’ENI Livestock Cattle Market. Von MVOMERO
aus sind wir ca. eine Stunde dorthin unterwegs. Dann endlich - sind wir da. Es ist drückend heiß.
Pastoren im weitläufigen Turianidistrikt. Seine Antwort
ist klar: Wir wollen und sollen uns gegenseitig besuchen. ‚Writing is good, but sometimes difficult. And: We
cannot show our country!’
Überall grasbedeckte Hütten, kleine Feuer und Rauchfahnen. Fleisch wird an aufrecht stehenden Spießen
gegrillt und zum Verkauf angeboten. Wir sehen hoch
gewachsene Masai in ihren bunten Gewändern. Auch
der Masaibischof, Jacob Mameo aus der Diözese MOROGORO, ist anwesend. Sein Halbbruder, Pastor Daniel Moreto, hat sofort sein Auto entdeckt, und wir gehen zu seiner Hütte, wo er uns freundlich begrüßt.
„Mögt ihr Fleisch?“, werden wir gefragt. „Ja, gern.“ Wir
nehmen in einer Hütte Platz. Daniel, ganz „zu Hause“,
besorgt ‚softi drinki’. Auf einer Getränkekiste werden
Gedanken zum Schluss
‘May we call it a day?’ Aus diesen Worten des Distriktpastors sprachen Stolz und Zufriedenheit über einen
gelungenen Tag.
Blätter ausgebreitet, dann, nach 20 Minuten, bringt Daniel zwei große Fleischspieße, legt sie auf den Blätterteller. Wir beten – unsere tansanischen Freunde vergessen nie zu beten – und dann beginnt die Mahlzeit.
Mit einer Art Buschmesser trennt Daniel das Fleisch
der Ziege (!) vom Knochen - der Saft tropft nur so heraus - und reicht jedem in der Runde, aber auch dem
Jungen am Hüttenrand, ein mundgerecht abgeschnittenes Stück. Und noch eins - und noch eins. Es schmeckt
wunderbar. ‚Kitam sana sana!’
’May we call it a day?’, fragt Propst Christopher später.
Seine Augen leuchten.
In MVOMERO hat Sarah für alle gekocht...
Ich glaube, es war an diesem Abend, dass wir zu William, dem Chef in der ‚Honolulu Lodge’ sagten, wir
möchten kein Dinner mehr...
Aber wir sitzen noch zusammen, denn Daniel Moreto
ist zu uns gestoßen. Er hat den Bericht seiner Frauengruppe in Englisch dabei. Jetzt wirkt er müde. Wir fragen ihn nach diesem denkwürdigen Tag: „Sollen wir zu
euch kommen oder das Geld lieber in Projekte investieren?“ Daniel braucht dringend ein Motorrad – wie viele
6
Am Ende unseres Aufenthalts, auf der Farewell Party in
LUNGO, gab es noch einmal ein überwältigendes Beisammensein. Frauen und Männer aus verschiedenen
Bezirken, Pastoren, Gemeindehelferinnen, Kirchenälteste, Kinder waren gekommen, um uns, die ‚wazungu’,
zu verabschieden. Die Posaunen unter Mr Shekadodo
hatten sich ebenfalls eingefunden. Und viele hatten
etwas für uns mitgebracht – Kangastoffe mit aufgedruckten „Botschaften“, Kleiderstoffe, sog. Kitenges,
eine ‚shuka’ - das rote Masaituch für den ‚chief’ unserer
Gemeinde, dem die Bläser so viel verdanken -, Bilder
aus Bananenblättern, Schmuck, Briefe. Und natürlich
Grüße für die Gemeinden in Hamburg-Fuhlsbüttel.
Unsere Worte sind zu schwach und unbeholfen, um die
Gefühle in solchen Momenten zum Ausdruck zu bringen. Mit einem großen Opfer an Zeit haben Mr Mnzava,
Joel Kailembo, Joyce Kombe, Propst Christopher uns
begleitet - Julian nicht zu vergessen, den Busfahrer.
Wohin wir auch kamen, wurden wir erwartet, freudig
begrüßt, bewirtet, beschenkt, beschenkt nicht nur mit
‚tangible things’ (Chris), Dingen, die man anfassen
wusst ein Projektziel ins Auge fassen, die Kosten errechnen, die Dauer abschätzen - und ans Werk gehen.
Der Kirchenkreis TURIANI ist in den vergangenen zwei
Jahren von sechs auf jetzt elf Hauptgemeinden angewachsen. Auch die Zahl der Subgemeinden ist gestiegen. ’To extend mission’ - die Mission vorantreiben –
ist den Christen aufgetragen. Der Partnerschaftskoordinator der Diözese, Yordan Matandika, freut sich über
jede neue Gemeinde im ’Turiani District’, und auch unsere Partner sind glücklich über jeden und jede, die
sich taufen lassen.
Für die Pastoren und Evangelisten ist das Anwachsen
des Kirchenkreises ebenfalls eine große Herausforderung, denn es fehlt ihnen das Fahrrad oder das Motorrad, um die weit entfernt lebenden Menschen zu
betreuen.
Die Vergrößerung des Kirchenkreises wirft die Frage
auf, inwieweit unsere beiden Gemeinden St. Lukas und
Ohlsdorf-Fuhlsbüttel in Zukunft in der Lage sein werden, zum einen das Mehr an Arbeit zu bewältigen, zum
anderen weiterhin einen bestimmten Geldbetrag im
Jahr für Projekte in Tansania aufzubringen.
kann. Wie oft haben wir ‚Mahali ni pazuri’ gesungen,
alle vier Strophen dieses Liedes, das die Worte des
133. Psalms aufnimmt: „Siehe, wie fein und lieblich
ist’s, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen“ - die
Schwestern denken wir uns -, zuletzt im Bus in DAR ES
SALAAM, wo wir uns am 18. März endgültig trennten.
Aber vorher betete Chris noch alle Schutzengel herbei,
damit sie hinter unseren Flugzeugen herfliegen und uns
- und alle anderen Fluggäste - vor Unfall und Gefahr
bewahren...
Die Begegnung mit unseren Freunden klingt auch acht
Wochen später noch nach...
Lässt sich unsere Gemeindepartnerschaft möglicherweise in eine regionale Partnerschaft umwandeln?
Könnte es uns gelingen, die Nachbargemeinden mit ins
Boot zu nehmen? Neue Menschen für die Partnerschaftsarbeit zu begeistern, enthielte auch die Aussicht
auf einen „Generationenwechsel“ im Tansania Arbeitskreis.
Als Geschwister in der Einen Familie Gottes nehmen
wir uns gegenseitig wahr und als solche sind wir – über
räumliche Grenzen und kulturelle Unterschiede hinweg
– miteinander verbunden. Als solche tragen wir auch in
zukünftig Verantwortung füreinander.
Die Tansanier sagen es so: ‚We are together.’
Krista Prante
Wir haben Vorträge gehalten, Fotos sortiert, Thomas
hat einen Film zusammen geschnitten. Aber die Erinnerungen sind es nicht allein. Wir fragen uns auch, wie es
weiter geht.
In einer guten Partnerschaft nehmen und geben beide
Seiten. Wir waren dieses Mal die Empfangenden. Uns
beschäftigt die Frage, wie wir auch in Zukunft Spenden
sammeln können, um einen jeweils kleinen Beitrag für
die vielen Projekte zu leisten, die den Menschen in
Tansania am Herzen liegen: Kindergärten, Schulbildung, Kirchbauten, Pastorate, der Bläserchor, Frauenarbeit. Wir haben in manchen Gemeinden Frauengruppen kennen gelernt, die erstaunlich mutig und selbstbe-
7
Gott / Jesus ist eine Masai
Gott / Jesus ist eine Masai
Sie hat es mir angetan, diese sehnige, doch zarte Frau mit ihren
wunderbar klar gezeichneten Gesichtszügen, den tiefen wachen
Augen, ihrer gelassen zurückhaltenden Körperhaltung. Sie sitzt
aufmerksam auf einer der Holzbänke, die für unser Gespräch
nach dem Essen in den Kirchraum
von DAKAWA gestellt worden waPetra Roedenbeck-Wachsmann
ren. Die Teilnehmenden der Runde
stellen sich kurz vor und die ersten Fragen kommen.
Sie wünscht sich für ihre Gemeinde eine Kirche. „Wir
treffen uns immer noch unter dem Baum.“
So beginnt Gemeindebildung in Tansania: Erst treffen
sich Christinnen und Christen vor oder in den Häusern
– kleine, meist einräumige Lehm- oder Backsteinhäuser
–, dann unter einem der schönen großen Bäume, die
mich gleich in den Bann gezogen haben auf meiner
Reise zu unseren Partnergemeinden im Turianidistrikt,
und schließlich beginnen die Menschen mit dem Kirchenbau. Kirchen sind hier wesentlich neben Gottesdienst- auch Sozial- und Kommunikationsräume. In
und mit ihnen wächst Identität.
Die Frage nach bzw. der Punkt „Homosexualität“ war
schon einmal Thema gewesen bei unserer Diskussionsrunde nach dem ersten Sonntagsgottesdienst in
Tansania in der Kirche von TURIANI. An diesem Sonntag feierten die Frauen den Weltgebetstagsgottesdienst
mit viel Gesang, einem Sketch über die Ausbeutung
der Frauen und das Nebeneinander der Religionen und
einer zündenden Predigt (Apostelgeschichte: Paulus
und Silas), in der es um Gerechtigkeit geht (Christen
treten ein für Gerechtigkeit, wer stark ist in Christus, der
kommt auch zu Gott). Die Predigt hält die Frau eines
Pastors, für die Liturgie ist die Frau des Propstes zuständig. Für uns übersetzt der uns während der Reise
begleitende Propst Christopher Samuel im perfekten
English – aber irgendwann im Laufe der langen Predigt
bricht er ab: Ich hatte verstanden, dass die Predigerin
über einen Fall von Abschiebung zu erzählen begann.
War es Propst Christopher zu brisant, uns Gästen und
Partnern aus Deutschland Anwürfe zuzumuten?
Als der Jugendevangelist der Gemeinde uns fragt: „Wie
haltet ihr es mit der Homosexualität in euren Gemeinden, in eurer Kirche?“, steht die Frau auf und verlässt
den Diskussionsraum und mit ihr zwei weitere Masaifrauen.
Anschließend sind wir zu Gast bei einem wohlhabenden Mitglied der Gemeinde und sitzen nach einem
reichlichen Essen, das die Frauen bereitet haben, bei
Pepsi und Wasser im Innenhof eines beeindruckenden
Anwesens. Das Grundstück ist durch einen hohen
Zaun von den Nachbarhäusern und dem angrenzenden
Markt getrennt. Als sich ein paar Ziegen durch das versehentlich offen gelassene Tor verirren, werden sie
schnell wieder hinausgetrieben und das Tor wird verschlossen.
Gern wäre ich ihnen gefolgt und hätte gefragt: „Warum
geht ihr?“ Ich bleibe sitzen – aus Höflichkeit, aus Zurückhaltung, weil ich Angst habe, Tabus zu verletzen?
8
Hohe Mauern werden auch hier und da um Kirchengrundstücke gezogen, so in TURIANI und geplant auch
in MTIBWA. „Seit 9/11 nehmen Konflikte mit einigen
Muslimen zu“, sagt der Propst. In Gesprächen mit anderen Christen klingt das nicht so dramatisch. „Wir besuchen uns gegenseitig bei unseren Festen, und es
gibt Christen, die Muslime werden und Muslime, die
Gott / Jesus ist eine Masai
Christen werden. Aber mancherorts gibt es einen ‚gap’einen Graben zwischen Christen und Muslimen.“ Es
gibt in einer Gemeinde Unklarheiten mit den Bodenrechten. Um einem Streit aus dem Wege zu gehen,
beginnt die Gemeinde mit einem Kirchbau an einer anderen Stelle. „Wie bei Abraham und Lot, wir weichen
lieber, als dass wir uns gegenseitig provozieren“, sagt
uns der charismatische Evangelist.
Da scheint es schon auf, hier ironisch zwar und bewusst provozierend, aber doch immer wieder unsere
Diskussionen und Glaubensgespräche durchziehend,
Luthers: „Ihr seid gerechtfertigte Sünder in Christus.
Allein aus Gnade seid ihr erlöst.“ Oder auch als Mantra
in lateinischer Diktion: „simul justus et peccator“ - mit
einer Klarheit und Echtheit, die mich sprachlos macht
und manchmal beschämt.
Bei unserer ersten Begrüßung in DAR
ES SALAAM hatte er mich bei einem
Gespräch an unserem Bus gefragt:
‚What do you think of Tansania, what do
you think of Africa?’ und weiter lachend,
aber durchaus ernst gemeint: ‚Do you
think, this is a dark continent?’
Das Thema „Homosexualität“ kommt wie eine Retourkutsche und ist wohl auch so gemeint - bei dieser ersten Diskussion in TURIANI, dem Frage-Antwort-Spiel,
das wir nun miteinander unter der klaren Leitung des
Propstes auf Deutsch und Englisch und Kisuaheli beginnen. Erstklassig informiert über Deutschland und
Europa, werden wir befragt über unsere politischen und
wirtschaftlichen Einschätzungen der aktuellen globalen
Probleme und auf ihre Auswirkungen auf Tansania. Wir
fragen unsererseits nach dem aufwendigen Straßenbauprojekt, das uns auf unserem Weg von DAR ES
SALAAM nach TURIANI aufgefallen ist und danach,
wer es finanziert. „Die Chinesen“, hören wir, „sie haben
den Zuschlag bekommen.“ Unsere Frage nach den
‚human rights’ und ob sie dabei nicht auf der Strecke
bleiben, löst den Reflex aus: ‚You guys from Europe,
you guys from Germany...’ - schreibt uns doch bitte
nicht vor, was moralisch richtig oder falsch ist. Und
schon gar nicht in der Frage der Homosexualität!“ (Homosexuelle Handlungen sowie Prostitution werden in Tansania mit hohen Gefängnisstrafen belegt.)
Und bewusst zugespitzt mit einem provozierenden Lächeln ergänzt Propst Christopher: „Manchmal will es
mir so scheinen, als brächtet ihr uns ‚the old testament’
mit seiner Gesetzlichkeit, die Chinesen aber ‚the new
testament’. Sie helfen uns bedingungslos.“
Zehn Tage später sitze ich in der Kirche
der Hauptgemeinde MTIBWA ca. 30
Evangelisten und Pastoren gegenüber
und bin eingeladen, eine Bibelarbeit zu
halten über 1. Korinther 10, 14-22: „Ihr
könnt nicht zugleich am Tisch des Herrn
teilhaben und am Tisch der bösen Geister“ - und Markus 8, 1-10: „das Speisungswunder Jesu“ – die Texte des folgenden Sonntags. Rechterhand im
rechten Winkel zu mir sitzt Propst Christopher und aus
der ersten Reihe muntern mich meine Mitreisenden auf.
Wir haben uns gut vorbereitet, und ich bin dankbar für
ihre Unterstützung. Nach kurzer Klärung der Leitungskompetenz und hin und wieder eingeworfenen, freundlich ironischen Störfeuern des Propstes entwickelt sich
nach dem gesungenen Psalm im Wechsel und in Kisuaheli (Psalm 136, wir haben
ihn geübt ) und einem einleitenden, geführten einminütigem Schweigen (‚How long
will it take? We are not used to
it, so we must know!’) - sichtlich ungewohnt für die Gastgeber - ein “Bibel teilen”. Und wir
kommen tatsächlich ins Gespräch miteinander, lernen
unsere so unterschiedliche
Sicht auf die Verse kennen,
gelegentlich auch aushalten
und ahnen unsere verschiedenen Lebenswelten. Wo wir
Gäste etwas abgehoben von
den Götzen „Mammon“ und „Konsum“ reden, schallt
uns vehement entgegen: ’But daemons are real!’ Auf
meine Frage, was nach ihrer Ansicht die größte Versuchung für die Menschen in den Gemeinden sei, erfah-
9
Gott / Jesus ist eine Masai
ren wir überzeugend: ‚poverty’ – Armut/Mangel. „Wie
äußert sich das genau?“, frage ich nach, und mir antwortet die einzige Frau in der Runde der Gastgemeinden, die Gemeindepädagogin aus MTIBWA, Agnes
Chuma: „Armut führt in Prostitution und Kriminalität“.
vertraut. Feierlich ziehen die Liturgen und der Pastor
ein und ich mit ihnen. Deutlich getrennt von der Gemeinde ist die Apsis, Altar und Kanzel sind erhöht (das
ist selbst in der kleinsten der Kirchen so, zumindest
trennt eine Art Gatter die Gemeinde vom Altar).
An unserem letzten Abend in unserem Hotel ‚Honolulu
Lodge’ kann ich mich davon überzeugen: Spät, gegen
23 Uhr, erscheint eine sichtbar aufgetakelte junge Frau
in westlicher Kleidung durch das bewachte Hoftor, setzt
sich zu einem sie offensichtlich erwartenden einsamen
Mann. Am kommenden Morgen nehme ich wahr, wie
sie gegen 7 Uhr mit ihrem Handtäschchen über dem
Arm wieder durch das Tor verschwindet.
Ohne die Sprache wirklich zu verstehen, kann ich mitsingen und mitbeten, gut begleitet und geleitet von Pastor Rayson Kussa, der mich freundlich unterstützt und
hinein nimmt in die Feier. Mit Singen und Tanzen (‚Let’s
sing and shake! Let’s sing and shake!’ feuert Propst
Christopher uns kühle Norddeutsche oftmals an - heimlich ist er ein Fan von Tom Jones, wie wir auf unseren
kommunikativen Busfahrten erfahren und drei Kollekten
(ich schaue etwas verstört auf die drei Hühner, die, an
den Füßen zusammengebunden, zunächst auf den
Altarstufen liegen und dann flatternd sich schließlich
vor den Stufen wiederfinden) dauert der Gottesdienst
allerdings zweieinhalb Stunden...
„Was ist Euch heilig hier in Tansania, was ist uns heilig
in Deutschland?“ Das ist das Thema meiner Predigt,
die ich als Prädikantin am zweiten Sonntag unserer
Reise in DAKAWA halten darf. Ich habe mir dazu in
Nach dem feierlichen Auszug wird die Kollekte, die wesentlich aus Naturalien besteht, vor der Kirche versteigert. Auf der Rückfahrt im Bus beschreibt mir Joyce,
die das ersteigerte Huhn in einer Plastiktüte auf dem
Schoß trägt, sehr plastisch, wie sie das Huhn zubereiten wird, einschließlich Schlachtung und Entfernung
des Federkleides.
Abendmahl feiern wir kein einziges Mal in Tansania. Ich
vermisse das Teilen von Brot und Kelch schmerzlich.
Aber die herzliche, fröhliche, selbstverständliche, singende und tanzende Aufnahme in den Gemeinden und
Gottesdiensten entschädigt mich vielfach.
Wir besuchen DIHINDA. Die „bespielte“ Kirche ist klein
Hamburg extra eine Albe ausgeliehen- sozusagen als
nonverbale Kommunikationshilfe. Als Predigttext habe
ich die in unserer Kirche vorgeschlagene Perikope des
Sonntags vorbereitet. Im Vorgespräch mit Propst Christopher über meine Predigt kommen wir in den Diskurs.
„Die Predigt ist ganz okay“, sagt er. „Aber die Hörer im
Gottesdienst sind einfache Farmer, die wollen keine
philosophischen Ausführungen. Die Quintessenz des
Textes ist doch ganz einfach: Ihr seid gerechtfertigt in
Christus. Das verstehen die Menschen ganz unmittelbar.“ Philosophisch finde ich meine Predigt eigentlich
eher nicht. Und ich bleibe im Wesentlichen bei dem,
was ich vorbereitet habe. „Nehmt den heiligen Gott
selbst als Maßstab“, sagt der Briefeschreiber. „Seid
heilig, denn ich (Gott) bin heilig.“ (1. Petrus 1, 13-17)
Und genau diese Frage stelle ich: „Was ist ‚Heiligsein’
bei euch in Tansania?“ und versuche zu beschreiben,
was uns „heilig“ ist in Deutschland.
Die Liturgie des Gottesdienstes ist mir im Wesentlichen
10
und aus Lehmwänden errichtet, trägt allerdings schon
ein Wellblechdach. Ich genieße das kühle Klima in dieser Kirche, denn die Lehmwände scheinen zu atmen.
Mir fällt auf, dass die neue im Bau befindliche Backsteinkirche im rechten Winkel zu der kleinen Kirche
steht. „Sind die Kirchen in Tansania in einer bestimmten Richtung ausgerichtet?“, frage ich Propst Christopher. „Viele Kirchen in Deutschland sind mit der Apsis
nach Osten hin ausgerichtet zum Sonnenaufgang. Das
soll den Auferstandenen erinnern und die Erwartung
ausdrücken, dass Christus am Ende der Zeit im Sonnenaufgang erscheinen wird.“ „Nicht alle Kirchen in
Tansania sind in bestimmter Weise ausgerichtet“, antwortet der Propst. „Aber wenn, dann weisen unsere
Kirchentüren auf den Sonnenaufgang hin, nicht die Apsis. Denn wir glauben den Auferstandenen mitten in der
Gemeinde und von dort wird er wiederkommen.“ Ich
erinnere mich, dass das „Goldene Tor“ in Jerusalem,
das seit Zeiten verschlossen ist, auch zum Sonnenaufgang hinweist. Von dort erwarten Juden und Christen
den (wiederkehrenden) Messias.
An einer Fensteröffnung der Kirchenbaustelle steht unser Busfahrer. Ich stelle mich zu ihm und sehe, dass
sich hinter der neuen Kirche ein Friedhof befindet. Mitten zwischen hohem Grün sind verschiedene Steinkreuze aufgerichtet, unterschiedlich in Größe und
Form. Eine klare Struktur der Gräber kann ich nicht
erkennen. „Wer wird da denn bestattet?“, frage ich. Ich
merke, dass dem Mann das Gespräch nicht angenehm
ist. Er senkt die Stimme und antwortet verhalten und
leise. Thomas, „unser“ Kameramann, geht unbefangen
zwischen den Gräbern herum und filmt. An der Reaktion des Mannes neben mir merke ich, dass ihm das
unangenehm ist, er beginnt verhalten und irritiert zu
lachen. Am Abend sprechen wir mit Joel, dem Distriktsekretär, über den Friedhof und über Beerdigungen.
Auch aufgrund seiner Reaktion scheint es uns, als hätten wir ein Tabu berührt. Der „alte“ Glaube in Tansania
hat viel mit Ahnenkult zu tun. Vielleicht ist diese verhaltene Reaktion noch Traditionen aus dem überlieferten
Glauben geschuldet.
Ahnen, Dämonen, der Fluch, auch Hexerei - in Tansania ist vieles davon lebendig. Das wird mir deutlich, als
ich mit Pastor Daniel Moreto spreche. Er ist Masai und
ein Halbbruder des Bischofs der Morogoro Diözese.
Er sitzt hinten im Bus und lernt in einem Buch. Als ich
genauer hinschaue, sehe ich, dass es ein Lehrbuch
über Krankheiten bei Ziegen und Rindern ist. Ich frage
ihn: „Was lernst du denn?“ „Ich möchte alles über diese
Krankheiten wissen“, antwortet er, „denn ich möchte
Vieh züchten. Schau: Hier steht auch alles in der Sprache Maa, das ist die Sprache der Masai.“ „Daniel, was
um alles in der Welt reizt die Masai, Christen zu werden?“, frage ich. „Zum einen“, erwidert Daniel, „ist es
wichtig, dass die Masai in ihrer eigenen Stammessprache angesprochen werden, nicht nur in Kisuaheli. Aber
das Wichtigste und überzeugend ist: Sie erleben Befreiung von den Dämonen durch Christus - umsonst. Sie
erleben Heilung ohne Gegenleistung. Zu den Hexendoktors in Tansania müssen sie weit reisen und viel
bezahlen, z.B. ein bis zwei Kühe. Und das immer wieder. Bei Christus bekommen sie das umsonst, ein für
alle Mal.“ „Aber“, insistiere ich, „sie müssen dafür doch
einen hohen Preis zahlen. Wie ist das für die Männer,
die stolzen Krieger mit ihren vielen Frauen, die müssen
sie doch wegschicken.“ Daniel antwortet: „Manche Pastoren sagen: ‚Ihr müsst euch von euren zehn Frauen
trennen und dürft nur eine behalten.’ Aber das ist unsozial. Ich sage: ‚Jesus nimmt dich an, so wie du bist, mit
deinem ganzen Haus. Die Frauen, für die du verantwortlich bist, kannst du mitbringen. Aber du darfst dir
keine weitere nehmen.’ Mein Vater hat neun Frauen. Er
hat sich letztes Jahr im September taufen lassen. Junge Männer, so wie ich – ich habe studiert –, nehmen
nur eine Frau, wenn sie Christen werden.“
Die Masai sind Halbnomaden. Soweit sie noch ihren
traditionellen Bezügen verhaftet sind, leben sie überwiegend in der Savanne mit ihren Rinderherden und
Ziegen. Die Geschichten der Bibel, die des Alten Testaments und die des Neuen Testaments, sprechen direkt
in ihre Lebenswirklichkeit.
Das ist Befreiungstheologie pur - denke ich - du und
dein ganzes Haus (ApG 11,14). Christus nimmt dich
an, so wie du bist, führt dich über dich selbst hinaus
und befreit dich aus deinen Zwängen. Gott / Jesus ist
ein Masai.
Fast am Ende unserer Reise besuchen wir zwei Masaigemeinden: SONGAMBELE B und KIGOBE. Mitten in
der Savanne stehen einige Kilometer voneinander entfernt zwei kleine Lehmkirchen mit Dächern aus Bana-
11
Frauen und ihre Projekte im Turianidistrikt
nenblättern. Auf dem Weg dorthin sehen wir die großen
Rinderherden und die vielen Ziegen. Wir werden begrüßt mit dem Gesang und dem Tanz der Frauen - in
ihren blauweißen, gewickelten Kleidern und mit Ketten
und Ohrringen behängt, die Fesseln geschmückt. Der
Tanz der jungen unterscheidet sich vom Tanz der alten
Frauen. Eine alte Frau fordert mich auf, es ihr nachzutun. Manche Babys auf den Rücken der Frauen tragen
Ein Kälbchen mit Namen Erbarmen
Frauen waren für uns ein Kernthema unserer Reise. Ein einfaches
Fazit können wir nicht ziehen – wie
wohl immer wenn man bei einem
Thema auch nur ansatzweise anfängt in die Tiefe zu gehen merkt
man, wie sich eigentlich nur noch
mehr Fragen und Widersprüche
auftürmen.
Die Situation der Frauen in Tansania und in unseren Partnergemeinden stellt sich sehr vielfältig und oft widersprüchlich dar.
Tansania und auch die ELCT (die lutherische Kirche
Tansanias) - soweit wir es beurteilen können - sind
nach wie vor zutiefst patriarchalisch geprägte Systeme.
Christiane Wittig
kleine gestrickte, geringelte Baumwollmützen. Die stolzen Krieger mit ihren Hirtenstäben, ihren Waffen um die
Hüften und ihren roten Tuchgewändern stehen abwartend abseits. Wir werden bewirtet mit gezuckerter heißer Milch und einer Art Hefegebäck. Reich beschenkt auch mit Ketten und Armbändern -, nehmen wir Abschied. In der Abenddämmerung sitzen wir auf einem
Baumstamm und singen „Herr bleibe bei uns“ und war-
Wir haben viele starke, selbstbewusste und kompetente Frauen kennen lernen dürfen, einige davon gut ausgebildet und verhältnismäßig wohlhabend, andere aber
auch ganz einfache Bäuerinnen, die uns tief beeindruckt haben.
Ebenso oft sind wir Frauen begegnet, die stark in dienenden Rollen verhaftet waren, sich, während wir mit
den Männern die „wichtigen“ Gespräche geführt haben,
um das Essen und etliches andere gekümmert haben,
was eben getan werden musste, Frauen, die oft nicht
einmal mehr einen eigenen Namen führen, sondern nur
noch den des Mannes oder – öfter noch - den des erstgeborenen Kindes.
Manche Frauen haben wir auch einfach nicht getroffen.
Wir hatten versucht, in jeder der Gemeinden, die wir
besucht haben, ein Gespräch mit der Frauengruppe
(die es wirklich überall gibt) zu vereinbaren.
ten darauf, dass die Krieger unseren festgefahrenen
Bus aus dem Schlamm befreien. Einige der Masaifrauen sitzen etwas abseits und halten Wacht. Ich traue
mich nicht zu fragen, ob die Beschneidungsrituale der
Masai in den christlichen Gemeinden noch tradiert werden. Offiziell sind Beschneidungen von Mädchen und
Frauen in Tansania verboten.
Petra Roedenbeck-Wachsmann
12
Einige dieser Begegnungen waren wunderbar und zutiefst bereichernd, wie zum Beispiel in MANYINGA,
andere ein wenig schwierig, wo eigentlich nur eine
sorgfältig vorbereitete und zum Teil eher unrealistische
Wunschliste vorgelesen wurde. Und einige Begegnungen fanden dann eben auch nicht statt, weil die Frauen
letztlich nicht den Mut fanden, vor dem Propst, dem
jeweiligen Gemeindepastor und etlichen anderen, den
‚Wazungu’, diesen sehr fremden weißhäutigen Menschen (die in der Region tatsächlich eher selten zu sehen sind) Rede und Antwort stehen zu müssen. Das
war für uns enttäuschend, zumal unsere Partner es
schwierig fanden, das Thema offen anzusprechen, aber
verdenken kann man es den Frauen eigentlich nicht.
In MANYINGA hatte Pastor Moreto es geschickt eingerichtet, dass wir Frauen aus der Reisegruppe uns nach
Frauen und ihre Projekte im Turianidistrikt
dem Mittagessen ohne die männlichen Würdenträger
nach guter afrikanischer Tradition unter einem großen
Baum trafen, wo es dann tatsächlich zu einem sehr
offenen Gespräch kam.
In TURIANI wiederum erlebten wir die Frauen (und
auch die Gemeinde insgesamt) als sehr selbstbewusst,
und auch im großen Kreis konnten sich die Frauen
durchaus Gehör verschaffen und stellten sehr konkrete
Fragen zu der Situation der Frauen in Deutschland.
Petra Roedenbeck-Wachsmanns Schilderung ihres
Weges in der Gemeinde hinein in eine Leitungsfunktion
beeindruckte die Frauen aus der Gemeinde zutiefst und
löste einen geradezu frenetischen Jubel aus. Rose,
eine junge Frau, bat ganz konkret um Fürbitte, um auch
einen solchen Weg einschlagen zu können.
Sprachlose, gesichtslose Opfer eines patriarchalischen
Unterdrückungssystems sehen anders aus. Wer das
offene Lachen einer Mama Machibula gehört hat, eine
tansanische Evangelistin feurig hat predigen hören,
gesehen hat, wie Frauen auf dem Land eigenverantwortlich landwirtschaftliche Projekte vorantreiben, kann
tansanische Frauen nicht ausschließlich in einer Opferrolle sehen.
mit den Frauen in MANYINGA
Dennoch bleibt das Leben der meisten tansanischen
Frauen ein sehr hartes, von Arbeit, Entbehrung und
Unterordnung geprägtes. Das können und wollen wir
nicht schönreden.
Paradoxerweise können die relativ rigiden Moralvorstellungen unserer Partner, die für uns zumindest teilweise
doch sehr fremd sind, für die Frauen relativ zu traditionellen Gegebenheiten eine befreiende Wirkung haben.
Dass der Mann eben nicht so mal nebenbei ein Zweitoder Drittfrau nehmen oder das Familieneinkommen
ohne erheblichen Schaden an seinem Ansehen in der
Dorfkneipe auf den Kopf hauen kann, stärkt tendenziell
schon die Stabilität der Familie und verschafft den
Frauen eine gewisse Sicherheit.
Rose Moreto und Maria Konde mit der Mutterkuh Upendo - Liebe
Das Kalb der Frauen von MANYINGA heißt Furaja - Erbarmen
So ist auch HIV/Aids in der tansanischen Gesellschaft
im Ganzen zwar durchaus ein gravierendes Problem, in
den Gemeinden aber - soweit wir es sehen können nicht so massiv. Malaria und andere Tropenkrankheiten
bleiben ein großes Problem und die Kindersterblichkeit
ist nach wie vor erschreckend hoch. Das sind keine
abstrakten Statistiken. In einem normalen tansanischen
Smalltalk gehört die Frage nach Kindern absolut dazu,
und für mich war es schon sehr erschütternd, als uns
eine Frau relativ nüchtern erzählt, dass von den drei
Kindern, die sie geboren hatte, leider keins überlebt
hat. Dass so etwas als schmerzhaftes, aber keineswegs ungewöhnliches Schicksal wahrgenommen wird,
sprengt schon die Grenzen der eigenen Vorstellungskraft.
Trotzdem hatten wir den Eindruck, dass Familien sich durchaus mit dem Segen der Kirche - schon dazu ent-
13
Frauen und ihre Projekte im Turianidistrikt
scheiden, irgendeine Form von Familienplanung zu
betreiben. Gerade die Pastorenfamilien scheinen sich
heute oft auf zwei bis drei Kinder zu beschränken. Bildung wird sehr hoch geschätzt, in entsprechend geprägten Familien werden, wenn es irgendwie finanziell
möglich ist, auch noch sehr kleine Kinder auf zum Teil
weit entfernte Internate geschickt, da die staatlichen
Schulen mit großen Qualitätsproblemen kämpfen.
Ermutigend hierbei ist, dass soweit wir beobachtet haben hier kein Unterschied zwischen Mädchen und Jungen gemacht wird und Eltern auch für die Ausbildung
ihrer Töchter bereit sind, erhebliche Opfer zu bringen.
zen mit Hilfe Ihrer Spenden Fortbildungen für Kindergärtnerinnen im Lutheran Junior Seminary in MOROGORO und konnten dort auch unsere Stipendiatin Margareth aus LUNGO kurz besuchen. Das dortige Lehrprogramm orientiert sich an der Montessori-Pädagogik,
weil man meint, dass sich diese am besten mit den
sehr begrenzten, lokal verfügbaren Mitteln umsetzen
lässt. Wir sind zuversichtlich, dass dieser Schwerpunkt
auf Qualifizierung der Erzieherinnen gute Früchte bringen wird, zumal wir gesehen haben, wie sehr die Vorschulbildung für unsere Partner eine Herzensangelegenheit ist.
Aber auch die gemeinsame wirtschaftliche Tätigkeit von
Frauen und anderen Gruppen innerhalb - zum Beispiel
- der Gemeinde ist in Afrika der Normalfall. In allen Gemeinden unseres Kirchenkreises gibt es Frauengruppen, die sich treffen, um gemeinsam in der Bibel zu
lesen, für einander zu beten, sich über Themen des
alltäglichen Lebens auszutauschen, aber eben auch
um beispielweise gemeinsam ein Feld auf dem Grundstück der Gemeinde zu bestellen, eine kleine Schweinezucht zu betreiben oder andere landwirtschaftliche
Aktivitäten zu entfalten.
Wirtschaftlich eigenständig tätig zu werden, ob in der
Landwirtschaft oder mit einem kleinen Gewerbe ist für
die Frauen in Tansania absolut der Normalfall. Das Baby, in einer Kanga auf den Rücken gebunden, oder die
Kleinkinder in Rufweite sind selbstverständlich dabei.
Die Chekecheas – Kindergärten bzw. Vorschulen - haben auch dort nicht primär die Betreuung der Kinder
zum Ziel, sondern sind schon sehr stark darauf ausgerichtet, die Kinder auf die Schule vorzubereiten. Das
wirkt auf uns manchmal doch arg rigide. Wir unterstüt-
14
Diese Projekte sind recht zahlreich und finden meistens
in einem sehr bescheidenen Rahmen statt. In der Vergangenheit hatten die Frauen oft Schwierigkeiten, ihre
Anliegen überhaupt schriftlich darzulegen. Genau das
aber brauchen wir, um Spenden und Fördermittel einzuwerben.
Hier gibt es deutliche Fortschritte,
wir bekamen gut ausgearbeitete
Pläne, beispielsweise für den Ausbau einer bereits recht erfolgreich
gestarteten
Milchvieh-Wirtschaft
der Frauen in MANYINGA und für
die Anschaffung einer Sonnenblumen-Presse in MVOMERO. Generell möchten wir vor allem da Projekte unterstützen, wo die Frauen
schon selbst mit den ihnen zur
Verfügung stehenden Mitteln die
ersten Schritte gemacht haben.
Sonnenblumen als Ölsaat werden
vielerorts in unseren Gemeinden in kleinem Rahmen
angebaut und nach der Ernte gegen Gebühr in kommerziellen Pressen (‚Mashine‘, eines der wenigen Worte, die aus der deutschen Kolonialzeit im heutigen Kisuaheli weiterleben) weiter verarbeitet. Der zurückbleibende Ölkuchen wird als Hühnerfutter eingesetzt.
Im letzten Jahr haben wir mit einem relativ geringen
Betrag eine Anschub Finanzierung für das sogenannte
Begegnung mit Kindern und jungen Erwachsenen
Reisprojekt beisteuern können. Der zur Verfügung gestellte Betrag wurde auf die Frauengruppen in den Gemeinden verteilt, die jeweils kurz nach der Ernte einige
Säcke unverarbeiteten Reis kauften. Der Reis wurde
eingelagert und mit einem guten Gewinn vor Beginn
der neuen Ernte wieder verkauft.
Das erzielte Geld wurde von den Frauen eigenverantwortlich neu investiert. So haben zum Beispiel die Frauen in MVOMERO von dem Gewinn drei Jungschweine
gekauft und auf dem Gelände der Gemeinde einen
Stall gebaut. Wie uns berichtet wurde, gibt es einen
guten Markt für Schweinefleisch, und Händler kommen
aus dem fast eine Tagesreise entfernten Daressalam,
um in der Region Schweine aufzukaufen.
Nicht alle angefangenen und angedachten Projekte, die
uns vorgestellt wurden, sind so erfolgreich und so
durchdacht. Sehr sinnvoll finden wir zum Beispiel eine
noch in diesem Sommer angesetzte Schulung für die
beteiligten Frauen zum Thema Existenzgründung bzw.
Kleinunternehmertum.
Ein paar Schweine hier und eine Hühnerzucht da wer-
Meine Begegnungen mit Kindern und
jungen Erwachsenen
Als ich überlegte, was mir neben
unseren Besuchen in verschiedenen Kirchengemeinden noch reizvoll wäre zu erleben, war mir
schnell klar, dass es die jungen
Leute dort sind, die mich interessieren und zu denen ich schnell
Kontakt aufnehmen könnte. Gedacht – getan!
Als ich das erste Mal an einem
Nachmittag Zeit hatte, machte ich
Thomas Bischoff mich auf und traf nur gut 100 Meter von unserer Unterkunft entfernt
auf Kinder. Einige schauten mich etwas schüchtern an,
andere grüßten mich freundlich (‚Hujambo?’) oder gar
mit Respekt (‚Shikamoo’). Da ich darauf antworteten
konnte (‚Sijambo’ bzw. ‚Marahaba’), kamen wir ein bisschen ins Gespräch. Ein 13-jähriger Junge namens Matthias erwies sich als besonders offen und fröhlich und
konnte auch etwas Englisch verstehen. Ich versprach
beim Tschüß-sagen (‚Kwa heri’) ein Wiedersehen.
Als ich an einem der folgenden Tage noch recht weit
entfernt war, erspähten die Kinder mich und riefen recht
laut ‚Mzungu, Mzungu’ (Weißer) und tanzten vergnügt.
Ich hatte zudem die tolle Filmkamera von St. Lukas
dabei, mit der ich unsere nächste Aktion filmte, nämlich
das gemeinsame Zählen auf Swahili und das Sprechen
verschiedener „leichter“ Wörter in Swahili und in
Deutsch. Nach den Aufnahmen konnte ich den Kindern
diese auch gleich auf dem Display zeigen, was ihnen
dann noch größere Freude bereitete.
den die Probleme Tansanias, geschweige denn Afrikas
nicht lösen. Und selbst in unserem (inzwischen doch
recht großen) Kirchenkreis Turiani scheint manchmal
das, was wir realistisch tun können, doch sehr gering.
Das wissen wir.
Trotzdem wollen wir Frauenprojekte in Turiani, wenn es
möglich ist, in Zukunft verstärkt unterstützen. Einfach
weil wir gesehen haben, was da geschieht, wie viel die
Frauen selber bewegen, und auch weil wir Vertrauen in
die Kompetenz und Integrität unserer Partner gewonnen haben, diese Projekte zu begleiten.
Christiane Wittig
15
Begegnung mit Kindern und jungen Erwachsenen
Ein anderes Mal brachte ich einen von Christa Guhl
gespendeten Fußball inklusive Ballpumpe und einige
Luftballons mit, wodurch ich spätestens dann einen
gewissen „Heldenstatus“ erreichte.
Das wirklich Schöne
war dann aber am folgenden Tag, dass ich
eine Runde Fußball mit
den Kindern spielen
durfte. Das war auf dem
unebenen Sandweg und
bei ca. 30 Grad recht
schweißtreibend, aber
zugleich wundervoll verbindend.
In der Nähe lag auch
eine Schule, und bei
einem ihr gegenüber
liegenden Haus saßen an einem späten Nachmittag
mehrere junge Leute, die mich grüßten. Ich reagierte,
sie riefen mich herbei (‚Karibu’) und wir kamen ins Gespräch, da einige ganz gut Englisch sprechen konnten.
Es waren Lehrerstudenten, zehn an der Zahl, die dort
ein einmonatiges Praktikum absolvierten. Sie waren
sehr offen, fröhlich, interessiert und sehr sympathisch.
Wir sprachen über die in Deutschland und Tansania
unterschiedlichen Lehrbedingungen (z.B. müssen sie
nach wie vor in sehr großen Klassen bis zu 38 Schüler
und Schülerinnen unterrichten), aber ebenso über Armut und Reichtum und die verschiedenen Wege, die
aus der Armut führen könnten, z.B. kleinere, durch persönliche Kontakte gestützte Projekte.
Spielfeldrand sehr fröhlich und emotional war. Zudem
traf ich hier auf sehr bodenturnbegabte Kinder, die mir
sogleich etwas vorturnten (Flikflak) und die auch hier
angesichts der kleinen, auf dem Display vorgespielten
Filmaufnahmen völlig aus dem Häuschen waren. Ein
Junge namens Moses lud mich in recht gutem Englisch
sogleich ein, mit ihm nach Hause zu gehen, um mich
seinem Vater vorzustellen. Ca. 30 Kinder kamen mit.
Leider sprach der Vater kein Englisch, so dass die
Kommunikation nur recht einsilbig und kurz verlief.
Auch auf dem Rückweg (zur Honolulu Lodge) zusammen mit Hunderten von Kindern und Jugendlichen war
nach diesem Spiel (Endstand 1:1) die Stimmung sehr
ausgelassen.
Sehr überraschend war für mich die Einladung eines an
mir vorbei kommenden Radfahrers. Sein Name ist
John, er war auf dem Rückweg von der Zuckerfabrik
nach Hause, einem recht modernen Haus (also rot
geklinkert und mit Wellblechdach) ganz in der Nähe. Er
zeigte mir stolz zwei Fotoalben von seiner Hochzeit und
im Haus seinen Flur, sein Schlaf- und Wohnzimmer. Im
Überrascht war ich von der Tatsache, dass noch keiner
von ihnen jemals ein anderes Land gesehen hatte.
Diese Gruppe besuchte ich noch insgesamt dreimal,
einmal mit Kamera, um ein bisschen Quatsch damit zu
machen, ein anderes Mal wieder zu einem etwas ernsthafteren Swahili-Deutsch-Sprachaustausch (mit Hilfe
meines Buches), und ein drittes Mal ging ich mit ihnen
Gespräch erfuhr ich, dass er auch in der Kirche aktiv
ist, erstens mit seiner Trompete, zweitens mit seinem
Fotoapparat. Tatsächlich machte er schon drei Tage
später Fotos von uns beim Distriktbüro in MTIBWA.
Schließlich kam ich auch mit einem jungen Mann namens Abli ins Gespräch, der gerade seinen Feldboden
lockerte und kleine Kuhlen grub, um dort Mais zu pflanzen.
Auch an anderen Orten waren Kinder mir gegenüber
sehr offen. Wenn ich dann noch ein Frisbee dabei hatte, war das ausgiebige Spielen damit ein schönes
Muss.
zu einem Fußballspiel zweier Jugendmannschaften,
was eine tolle Erfahrung war, da die Stimmung am
16
Viele Kinder hatten großen Spaß am Singen, was mich
zum nächsten Thema führt.
Musikalische Erlebnisse
Musikalische Erlebnisse
Den phänomenalen ‚trumpet choir’, angeleitet von Umbeni Shekadodo, erlebten wir zum ersten Mal bei unserem Empfang in KIDUDWE. Unglaublich schwungvoll,
ausdauernd, abwechslungsreich und recht laut spielte
er auf, als wir aus dem Bus stiegen; er geleitete uns bis
in die Kirche.
der Gemeinde wurde uns etwas vorgesungen, immer
mindestens zweistimmig, manchmal auch drei- bis vierstimmig, sehr oft verbunden mit einer kleinen Tanzchoreographie. Hier stachen die Masai besonders hervor,
da ihre Stimmen “kehliger“ klangen und auch ihr Tanz
sehr viel oberkörper- und kopfbetonter angelegt war.
Die jeweiligen Gruppen wünschten sich von uns allerdings auch immer mindestens ein Lied, das wir mit zunehmender Sicherheit und z.T. sogar Inbrunst, manchmal auch noch mit ‚shake’ darboten.
Im Kindergarten wurde den Kindern nach unserem
„Gottes Liebe ist so wunderbar“ dieses Lied gleich in
Swahili beigebracht.
In LUNGO konnte ich ihn erneut erleben, diesmal aber
endlich auch mit meinem Alt-Saxophon mitspielen, was
uns allen viel Spaß bereitet hat. Zudem konnte ich Mr
Shekadodo dabei beobachten, wie gewissenhaft und
geduldig er mit den Jugendlichen unterschiedlichen
Alters verschiedene Arrangements übte. Ich erfuhr,
dass die ‚brass band’ mittlerweile auch schon zu anderen Anlässen „gebucht“ wird, was ihre Klasse beweist
und für sie auch finanziell interessant sein dürfte.
Schließlich wurde auch
auf so mancher langen
Busfahrt fröhlich gesungen, da Pastor Christopher sehr viele europäische und amerikanische
Oldie-Hits kannte (aus
seiner Studienzeit in Norwegen) und entsprechend
einforderte, um mitsingen
zu können. Die Gitarre erwies sich wieder einmal als
ein sehr praktisches Reisemusikinstrument, das bei
den Kindern im Kindergarten, am Wegesrand (wo wir
zusammen ‚Kumbaya my Lord’ sangen), bei den Studenten (die ich mit diesem Instrument unbedingt nochmals besuchen sollte, damit ich ihnen damit begleitet
was vorsingen konnte) und schließlich bei einer MasaiGemeinde auf großes Interesse stieß. Mit einer MasaiFrau habe ich auch eine kleine „Rocknummer“ probiert
- sie an der Trommel, ich an der Gitarre, was uns beiden sehr viel Freude bereitet hat.
In den Kirchen fiel uns auf, dass das Keyboard in vier
von 15 Gemeinden, die wir besucht haben, Hauptbegleitinstrument ist und der Gesang oft recht laut, verstärkt aus riesigen Lautsprechern, in die Kirche schallt.
Die Schönheit der tansanischen Musik wurde aber eher
im Gesang ohne Begleitung oder nur mit Trommel
transportiert.
Auch beim Farewell am letzten Tag war das Auftreten
der ‚band’ beeindruckend kräftig und stimmungsfördernd. Mein Fazit: ein äußerst gelungenes Projekt!
Der Gesang spielt eine andere große Rolle. In fast je-
Als ich am letzten Abend im Hotel-Fernsehen zappte,
landete ich auf einem Musikvideokanal, der mir in einigen Clips zeigte, dass im Vergleich der europäischen/
amerikanischen Musikkultur mit der in Tansania gängigen wenige Unterschiede zu erkennen sind. Es fiel mir
aber auf, dass die meistens Songs in Swahili gesungen
wurden, was auf den Stolz der Tansanier und ihr
„Bedachtsein“ auf Wahrung ihrer Sprachkultur hindeutet.
Thomas Bischoff
17
Predigt in DAKAWA am 11. März
Offenbarung Jesu Christi voll Gnade beschenken wird.
Ich wünsche mir, dass ihr jetzt gehorsame Kinder seid
und nicht in die Haltlosigkeit von damals, als ihr noch
Heiden wart, zurückfallt. Passt euch nicht dem Alten
an, sondern nehmt den heiligen Gott selbst zum Maßstab. Er hat euch berufen, und ihr sollt in eurem Leben
so werden wie er. Wie er nach der Schrift sagt: »Seid
heilig, denn ich bin heilig.«
„Nehmt den heiligen Gott selbst zum Maßstab....“
und „Seid heilig, denn ich bin heilig.“
„Heilig“ – was ist das?
Franz Schubert vertont im 18 Jhd. in Deutschland das
Sanctus:
Predigt zu 1. Petrus 1, 13-17 – DAKAWA, 11.03.12
In diesen Tagen wird in Deutschland voraussichtlich ein
neuer Präsident gewählt: Joachim Gauck. Bis vor zehn
Jahren war er Pastor der lutherischen Kirche, predigterprobt und Bürgerrechtler in dem bis 1989 unfreien Teil
Deutschlands.
Die Mehrheit der Deutschen erwartet von ihm, dass er
politische und gesellschaftliche Orientierung gibt - in
einer Zeit, in der viele überfordert sind mit dem, was
ihren Alltag bestimmt.
Seine persönliche Biographie ist alles andere als
„moralisch heilig“: Er lebt von seiner Ehefrau getrennt
und in einer neuen Beziehung, hat zeitweilig seine Kinder missverstanden, erscheint eitel, selbstverliebt und
ein Stück rechthaberisch.
Aber die Ehrlichkeit, mit der er mit den Brüchen seines
Lebens umgeht, und eine Klarheit im Kopf, die es ihm
zu ermöglichen scheint, mit eigenen verwirrten Gefühlen und mit verwirrenden politischen Verhältnissen in
Deutschland und in der Welt umzugehen, machen ihn
zum Hoffnungsträger nicht nur für Christen und Christinnen in Deutschland.
Er ist einer, dem man glaubt, dass er „lernen“ will, und
dem Menschen es zutrauen, aufrichtig mit anstehenden
Lebensfragen und gesellschaftlichen Prozessen umzugehen.
Die Presse kritisiert ihn als „Heiligen“.
Vor ca. 2000 Jahren schreibt Petrus an die ersten
Christen und Christinnen - vermutlich aus Rom:
1.Petrus 1,13-17
Darum haltet euch bereit und seid nicht schläfrig, sondern hellwach. Erwartet alles von Gott, der euch bei der
18
Heilig, heilig, heilig, heilig ist der Herr! Heilig, heilig,
heilig, heilig ist nur er! Er, der nie begonnen, er, der
immer war, ewig ist und waltet, sein wird immer dar.
Ist heilig „nur Er“? Ist heilig also nur Gott selbst - unnahbar, verborgen, ewig? Ich hab gefragt unter lutherischen Christinnen und Christen in Hamburg. „Was
heißt das für dich, ‚heilig’?“ „Ja“, antworten viele, „wir
wissen, heilig sind wir alle – irgendwie. Das steht ja
schon im Glaubensbekenntnis: ‚Gemeinschaft der Heiligen’, damit sind wir gemeint. Aber.... das hat auch was
mit ‚anders leben’ zu tun.“ Andere, die weniger oder
nichts mit dem Glauben an Gott oder Jesus zu tun haben, antworten: „Heilig? Meine Familie zum Beispiel“
oder lachend: „Fußball gucken am Sonntag“ oder auch:
„Mein Schlaf ist mir heilig.“ Heilig? Was ist das für dich,
für mich? Gibt es für uns Christen einen Unterschied in
Deutschland oder hier in Tansania? Darüber könnten
wir z.B. ins Gespräch kommen in diesen Tagen.
Das „Heilige“ meint in der christlich-jüdischen Tradition
das „Geschiedene“, das, was zu Gott gehört und mit
Gott in Verbindung steht; „heilig“ als Attribut von Menschen soll diesen Menschen von der übrigen Welt unterscheiden.
In der christlichen Tradition geht es zuallererst auch
nicht darum, etwas zu leisten, damit ich heilig werde.
Sondern allein dadurch, dass ich glaube, dass ich diesem Gott in Jesus vertraue, allein darum bin ich heilig.
Und dieser Glaube, dieses Vertrauen ist nach Luther
ein Gottesgeschenk.
Predigt in DAKAWA am 11. März
Für Petrus, der in einer Welt lebt, in der der Begriff
„Christ“ bzw. „Christin“ noch nicht geläufig ist, sind die
„Heiligen“ zunächst einmal all diejenigen, die dem neuen Glauben angehören, die Jesus als ihren Herrn bekennen. Und als solche ermahnt Petrus sie in seiner
Rede: „Seid ‚heilig’, lebt anders, unterscheidet euch
von den anderen Menschen, damit sie erkennen, dass
ihr zu Christus gehört. Seid Vorbilder mit eurem ganzen Sein, so wie Jesus, der Christus, euch zum Vorbild
geworden ist.“
Die dem neuen Glauben angehören, die ersten Christen, denen das gesagt wird, die haben es noch unmittelbar erlebt, was es heißt: das Leben vor dem
Christsein und das Leben danach. Es war eine deutliche Zäsur in ihrem Leben. Es gab ein Leben als
„Heide“ und nun ein Leben als „Christ“. In Hamburg
wachsen die meisten Christinnen und Christen - jedenfalls der evangelischen und auch der katholischen Kirche - irgendwie in den Glauben hinein. Sie werden
überwiegend als Kinder getauft und dann – in der evangelischen Kirche - konfirmiert. Aber ein echtes Vorher/
Nachher gibt es nur bei wenigen – jedenfalls wird das
nicht unbedingt sichtbar. Petrus sagt nun: Als Christ
musst du deinen Lebensstil ändern. Der heilige Gott
selbst ist der Maßstab.
Auch hier hab ich nachgefragt unter aktiven Christinnen
und Christen in Hamburg: „Wenn du auf dein Leben
schaust: Was macht dein Christsein aus? Wie lebst du
und - lebst du anders?“ Hier einige Antworten: „Wichtig
für mich ist“, sagt einer, „dass ich so lebe, dass die
Schöpfung bewahrt bleibt und ich mich dafür auch politisch einsetze.“ „Ja!“, ergänzt ein anderer, „bei mir, bei
uns hat sich das ganz praktisch ausgewirkt. ‚Jute statt
Plastik’ - das war so eine Aktion in den 1970er Jahren,
die uns Christen mit anderen geeint hat. Da ging es um
Umwelt, aber auch darum, nur noch fair gehandelte
Waren zu kaufen, und vieles aus der Zeit hat meine
Leben nachhaltig geprägt.“ „Mir ist es seit einigen Jahren nicht mehr wichtig, immer die neuesten Sachen zu
haben. Konsumverzicht, das ist für mich ein ‚Produkt’
meines Christseins und das ohne Reue und in Freiheit“,
bekennt eine Frau. Eine andere erzählt: „Als ich nach
Jahren das erste Mal wieder am Abendmahl teilgenommen habe, da hab ich das wie ein Freiwerden erlebt.
Das Gefühl, Teil dieser großen Gemeinschaft zu sein,
die zu Christus gehört, das hat mich befreit davon,
zwanghaft die Welt retten zu müssen. Seitdem bin ich
getragen in meinem Tun und meinem Lassen.“ „Teilen“,
ruft einer dazwischen, „miteinander teilen, das fordert
Gott von uns.“ „Ich hab begriffen“, erkennt eine nachdenklich, „im Menschen Jesus zeigt sich Gottes Leiden-
schaft für uns. Dieser tiefen Liebe nachzuspüren, das
ist meine Aufgabe. Anderen Menschen begegne ich
seither offen und schauend und kann so auch andere
Glaubens- und Lebensformen achten.“ Eine Studentin
erklärt: „Ich bin auf der Suche nach Gottes Spuren in
der Welt. Ich höre Nachrichten, lese Zeitungen, lass mir
Lebensgeschichten erzählen, und mir fällt dazu so vieles ein, was in diesem alten Buch, in der Bibel, aufgeschrieben steht, was mir vieles zu deuten hilft. Und darüber kann ich ins Gespräch kommen mit anderen, die
ganz Anderes sehen und auch Position beziehen.“
„Aber ein ‚Wir-Gefühl’ gehört für mich auch zum
Christsein, Leben und Gemeinschaft, einen Teil meines
Lebens oder vielleicht sogar mein ganzes Leben in der
Gemeinschaft mit anderen zu leben und darin Verantwortung zu übernehmen“, erwidert eine Frau. „Ich versuche Konflikte anders auszutragen. Da versuche ich in
die Nachfolge zu gehen: nicht gleich verteufeln, den
anderen achten, mit dem Gegenüber ehrlich um den
richtigen Weg ringen, mit fairen Mitteln, das versuche
ich“, äußert einer. Und ganz zum Schluss sagt eine und
schaut dabei aus dem Fenster: „Aber genießen, ums
Genießen geht’s auch: einfach sein wie die ‚Lilien auf
dem Felde’.“
Was bedeutet Christsein für Euch hier in Tansania?
Würdet ihr ähnlich antworten oder ganz anders? Das
interessiert mich.
Petrus sagt: Passt euch nicht dem Alten an, sondern
nehmt den heiligen Gott selbst zum Maßstab. Er hat
euch berufen, und ihr sollt in eurem Leben so werden
wie er. Wie er nach der Schrift sagt: »Seid heilig, denn
ich bin heilig.«
Eine ganz schön hohe Meßlatte, finde ich: Gott selbst
als Maßstab.
Für mich zeigt sich die Heiligkeit Gottes in dem Jesus
von Nazareth. In ihm wird das Wort „heilig“ konkret und
sichtbar. Er ist ganz Mensch. Er lebt erfahrbar und
sichtbar in Raum und Zeit. Ihm ist nichts Menschliches
fremd und er kommt auf mich zu mit seiner Liebe.
Dem, der auf mich zukommt, möchte ich nachfolgen.
Und indem ER mich annimmt, wird ER mir zum Vorbild,
den anderen anzunehmen und darin IHN zu sehen. Es
ist wie ein Tanz... ein Lebenstanz... nicht ums Goldene
Kalb, sondern um IHN und mit IHM als dem Heiligen
Gottes.
Petra Roedenbeck-Wachsmann
19
Drei Episoden
Ein Glücksfall
Autopanne im Schlamm. Vorausgegangen war eine
herzliche Begegnung in der Masai-Gemeinde. Große
Gastgeber! Sehr interessiert einander zugewandt, anrührend, guter Austausch! Wir wurden zum Bus begleitet. Aufbruch! Nach ca. 50 Metern saß der Bus im
Schlamm fest. Gerade wieder flott, aber 150 Meter weiter, das gleiche Pech noch einmal, aber viel schlimmer.
Regengüsse hatten das Ihrige getan. Diesmal setzte
ich mich ab, den Rückweg vorausnehmend. Endlich
kehrte Abendruhe bei mir ein. Der Weg durch die Savanne. Davon träume ich noch jetzt: diese völlig andere
Natur, der andere Duft - ein ganz neues Erleben. Dazu:
riesige Rinderherden der Masai, begleitet von einer
oder zwei Personen. Die Herden kannten ihren Weg,
unbeirrt. Alles wirkte geordnet. Herrlich war ein einzel-
strahlte! Ich zeigte ihm auch die anderen Bilder, die ich
in der letzten halben Stunde mit meiner Kamera festgehalten hatte: Gehege, Hütten, Bäume, Pflanzen, Tiere. Er erkannte sofort alle Stellen, wo ich sie aufgenommen hatte. Voller Stolz zeigte er mir sein Zuhause. Ich
blieb lange, ein bisschen abseits des Weges, aber so,
dass man mich nicht hätte suchen müssen, sobald der
Bus kam. Ich stand allein in der Savanne und ließ das
Treiben an mir vorüberziehen wie einen Film. Ich nahm
alles wahr, alles war einzigartig. Und ich: verwoben mit
der Natur, z.B. ein ganz besonderer Strauch in Blüte,
wunderhübsch, einmalig schön. Der Tag hatte sich geneigt. Die helle Sonne, ein gleißendes Licht, verschwindet in der Senke. Die Rinder lagerten sich zur Nacht in
ihr Schutzgehege. Dunkelheit kehrte ein, hüllte die Savanne, uns und den nun wieder fahrbereiten Bus ein.
Ein Gegensatz: Meine Ruhe von eben und nun der
Bus, überfüllt mit Gastgebern, die zurück in ihre abgele-
genen Hütten wollten. Ein Dank der Schlammpause;
ein Dank an die Masai-Krieger, die engagiert geholfen
hatten, den Bus wieder flott zu machen. Einfach nur
„Danke“ für diesen Tag.
Mein tansanischer Morgen
ner Hahn zwischen den Kühen, ein Solitär, treuer Begleiter der Herde, die ganze Zeit über. Ein kleiner Junge hütete seine Herde, wie er es in seiner Kindheit kennen gelernt hatte. Er war etwas scheu, aber er ließ sich
von mir fotografieren. Ich zeigte ihm das Bild, und er
20
Ich werde geweckt von zahlreichen Hahnenschreien.
Ein Weckruf, der für mich ein Geschenk ist und mich
dankbar macht. Der Tag konnte beginnen. Vögel
schwärmten aus auf Nahrungssuche. Die Nebel stiegen
auf, die Menschen gingen ihren Tätigkeiten entgegen.
Ruhe für mich, die ich die Vögel beobachtete und auch
die vielen Hühnerfamilien, die von einem Platz zum
anderen wechselten: hier ein Scharren, dort ein Scharren, irgendwo musste es doch etwas aufzupicken geben! Inzwischen - leider - zieht man Mauern um die
Grundstücke, g a n z westlich! Wie schön, wenn es
noch so wie früher bliebe, aber der „Fortschritt“...
Drei Episoden
Land & Leute
Christopher (andere auch) betont immer wieder: „Wir
wollen unseren tansanischen Weg gehen!“ Und ich
denke: „Wie schön wäre es, Freizügigkeit beizubehalten und Eigenständigkeit zuzulassen!“
Besondere Menschen
Apropos Hühner: Aus den vielen guten nahrhaften Körnern möchte ich, wie ein Huhn, ein paar aufpicken, die
mich „gefüttert“ haben. Zum Beispiel:
Julian, unser Fahrer. Ruhig, geduldig, einfühlsam, sehr
präsent, mit Übersicht und Weitblick und doch zurückhaltend – so erlebte ich ihn, dem kein Weg zu viel war.
Hilfsbereit, z.B. als ich zweimal meinen Rucksack mit
den Fotoakkus vergessen hatte. Er ging gelassen zurück und brachte ihn mir. Gutes Dokumentarmaterial
heimzubringen, war mir wichtig - ein Touristenanteil
auch in mir.
Und dann: Mr Mnzava, der die große und keinesfalls
immer dankbare Mittlerrolle übernommen hatte und sie
vorzüglich ausfüllte.
Und dann: das so herzhafte, liebe und laute Lachen
von Mama Machibula, die trotz aller privaten Lasten
noch eine Ausbildung anfängt, alles zuverlässig organisiert, eine Powerfrau, wie sie im Buche steht.
Und dann: der talentierte Mr Shekadodo, der so segensreich und strahlend die
Bläserarbeit voranbringt.
Alles Menschen, die für jeden
anderen ein Segen sind! Mit
ihnen wird Tansania noch ein
Stück mehr aufblühen. Und
für mich sind sie Menschen,
die mich berührt und beeindruckt haben.
Christa Guhl
21
Land und Leute
Tansania
Tansania in Ostafrika liegt am Indischen Ozean und grenzt
an Kenia und Uganda im Norden, Ruanda, Burundi und den
Kongo im Westen und Sambia, Malawi und Mosambik im
Süden. Tanganjika wurde 1961 von Großbritannien unabhängig und verband sich 1963 mit Sansibar zu Tansania, dessen
Landesname aus Tanganjika, Sansibar sowie der Bezeichnung Azania (historische Bezeichnung für die Küste Ostafrikas) zusammengesetzt ist. Die rund 37 Mio. Einwohner Tansanias sprechen über 100 verschiedene Sprachen.
Hauptstadt des Staates ist Dodoma, Regierungssitz ist Dar es
Salaam.
Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Tansania (ELCT)
ist heute mit 5,6 Millionen Mitgliedern die größte lutherische
Kirche Ostafrikas, sie ist in 20 Diözesen unterteilt.
Die Kirche in Tansania steht vor großen Herausforderungen:
Sie macht Gesundheitsarbeit, hat HIV/AIDS-Projekte. Sie
betreut Bildungseinrichtungen von der Grundschule bis zur
Lutherischen Universität. Die Kirche fördert und betreibt Wasserbauprojekte und Landwirtschaft.
Damit ist die tansanische Kirche ein wichtiger Träger der Entwicklungsarbeit in einem der ärmsten Länder.
Die ELCT äußert sich auch zu aktuellen politischen Entwicklungen wie zur Frage der Korruptionsbekämpfung, der Globalisierung und der Sicherung des Friedens im Lande und in der
Region.
Solche Stellungnahmen werden neuerdings möglichst in Zusammenarbeit mit den Muslimen (40% Bevölkerungsanteil)
und den Christen aller Konfessionen (ebenfalls 40%) entwickelt.
Quelle: nordkirche weltweit ZENTRUM FÜR MISSION UND ÖKUMENE
Karte: www.weltkarte.com
22
GNU Free Documentation License
Turiani Distrikt
23
Das neue Partnerschaftskomitee
Einladung zur Mitarbeit
Der Tansania Arbeitskreis freut sich über
Menschen, die bereit sind mitzuarbeiten.
Wir treffen uns in der Regel einmal im
Monat.
Kontakt:
Kirchengemeinde St. Lukas
Krista Prante, Tel. (040) 59 65 74
Christiane Wittig, Tel. (0172) 4 53 96 00
E-Mail [email protected]
Kirchengemeinde Ohlsdorf-Fuhlsbüttel
Christa Guhl, Tel. (040) 500 72 72
von links nach rechts:
Mr Sifuni Mnzava, Mrs Grace Kihara, Mr Wellington Makiao, Mr Peter Chengula, Mr Abbysai Wihala, Miss Joyce Kombe
Im Mai 2011 wurde das Turiani Committee in Tansania neu
zusammengesetzt. Als Vertreter und Vertreterinnen der damaligen sechs Hauptgemeinden wurden gewählt:
Mr Sifuni G. Mnzava aus LUNGO
Mr Peter D. Chengula aus MTIBWA
Mr Abbysai W. Wihala aus KIDUDWE
Mr Wellington Makiao aus TURIANI
Mr Jossia Ng’ambi aus KUNKE
Mrs Grace Kihara aus MVOMERO
In beratender Funktion gehören zum Turiani Committee:
Rev. Christopher Samuel, Propst im Turianidistrikt
Rev. Hosea Mbaga, stellvertretender Propst
Miss Joyce Kombe, Sekretärin
Mr Joel Kailembo, Distriktsekretär
Dankbar sind wir auch für Spenden
Spendenkonto:
Kirchengemeinde Ohlsdorf-Fuhlsbüttel
Hamburger Sparkasse
BLZ 200 505 50
Konto 1215 120732
Stichwort: TURIANI
Herausgeber: Tansania Arbeitskreis (Turianikreis)
der Kirchengemeinden St. Lukas Fuhlsbüttel und
Ohlsdorf-Fuhlsbüttel, vertreten durch Krista Prante
Redaktion: Christa Guhl, Andrea Kaiser, Krista Prante
Pfingsten 2012
Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Lukas  Hummelsbütteler Kirchenweg 3  22335 Hamburg  www.st-lukas-online.de
Ev.-Luth. Kirchengemeinde Ohlsdorf-Fuhlsbüttel  Fuhlsbüttler Straße 656a  22337 Hamburg  www.kg-ohlsdorf-fuhlsbuettel.de
Herunterladen