Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Lukas Ev.-Luth. Kirchengemeinde Ohlsdorf-Fuhlsbüttel Hamburg TURIANIKREIS Editorial Im Wechsel von zwei Jahren besuchen wir uns gegenseitig: Unsere Partner aus dem Turianidistrikt in Tansania kommen nach Hamburg, und wir, Vertreter und Vertreterinnen der beiden Gemeinden St. Lukas und Ohlsdorf-Fuhlsbüttel, fahren in den Turianidistrikt. Diese Begegnungen sind das Rückgrat unserer Partnerschaft – und das seit 1999! Im März 2012 machten sich Christa Guhl und Thomas Bischoff aus der Kirchengemeinde Ohlsdorf-Fuhlsbüttel und Petra RoedenbeckWachsmann, Krista Prante und Christiane Wittig aus St. Lukas auf den Weg. Ungefähr 7.200 km liegen zwischen Hamburg und Dar es Salaam, den beiden Flughäfen. Es ist eine weite und anstrengende Thema Seite Reise nach Tansania ▪ ▪ ▪ ▪ ▪ Ankunft und Programm Besuche in den Gemeinden Baumaßnahmen May we call it a day? Gedanken zum Schluss Gott / Jesus ist eine Masai Kirchenglocke in LUNGO Reise, und auch das Programm vor Ort erfordert Einsatz und Präsenz, Konzentration und Aufmerksamkeit. Doch jedes Mal – das gilt für unsere Partner, die Hamburg wieder verlassen, und uns, die wir uns von unseren Freunden im Turianidistrikt verabschieden – sind alle zutiefst berührt, ja überwältigt von der Gastfreundschaft der jeweiligen Gastgeber, von der Fülle der Erlebnisse und Erfahrungen in dem fremden Land. Auch diese Reise hat neue Horizonte eröffnet. Darüber berichten wir in diesem Heft. Wir laden Sie ein, unsere Eindrücke, unsere Gefühle und Gedanken zu Themen der Partnerschaft, auch zur Zukunft derselben, mit uns zu teilen und wünschen Ihnen Freude beim Lesen der folgenden Seiten und beim Betrachten der Bilder. Christa Guhl, Thomas Bischoff, Christiane Wittig, Petra Roedenbeck-Wachsmann, Krista Prante 2 3 4 5 6 8 Ein Kälbchen mit Namen Erbarmen 12 Begegnungen mit Kindern und jungen Erwachsenen 15 Musikalische Erlebnisse 17 Predigt zu 1. Petrus 1,13-17 18 Drei Episoden 20 Land & Leute 21 Tansania 22 Turianidistrikt 23 Das neue Partnerschaftskomitee 24 Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Lukas Hummelsbütteler Kirchenweg 3 22335 Hamburg www.st-lukas-online.de Ev.-Luth. Kirchengemeinde Ohlsdorf-Fuhlsbüttel Fuhlsbüttler Straße 656a 22337 Hamburg www.kg-ohlsdorf-fuhlsbuettel.de Reise nach Tansania Ankunft und Programm Wir bestiegen das Flugzeug am Hamburger Flughafen wie geplant am 1. März um 20:30 Uhr und landeten – nach einem mehrstündigen Zwischenstopp in Dubai – am nächsten Tag um 15:20 Uhr Ortszeit auf dem International Julius Nyerere Airport in DAR ES SALAAM. Wir wurden von Mr Sifuni Mnzava, dem Vorsitzenden des Krista Prante Turiani Committee, Miss Joyce Kombe, der Sekretärin des Turiani Committee, und Pastor Christopher Samuel, Superintendent des Turianidistrikts, in Empfang genommen. Später kam noch Joel Kailembo, der Sekretär des Distrikts, dazu. Diese Vier begleiteten uns während des gesamten Aufenthalts. Vom Zeitpunkt unserer Ankunft an bis zum Tag unserer Abreise am 18. März stand der Reisegruppe sowie den Begleitpersonen ein Toyota Kleinbus zur Verfügung. Das war insofern sehr angenehm, als die Gemeinden im Turianidistrikt weit voneinander entfernt liegen und unsere Partner es sich vorgenommen hatten, uns mit möglichst vielen von ihnen bekannt zu machen. Der Fahrer Julian gehörte fortan mit zu unserer Gruppe von insgesamt 10 Personen. Nach einer ersten Nacht in DAR ES SALAAM ging es am 3. März über MOROGORO nach KIDUDWE. Es war Abend, als wir in dem Dorf ankamen. Nicht ohne vorher Gott für die Bewahrung auf den ge-fährlichen Straßen und Wegen gedankt zu haben, verließen wir – nach insgesamt fünf Stunden Fahrt - den Bus, um die Menschen zu begrüßen, die sich vor der Kirche versammelt hatten. Wir erlebten ein großartiges Willkommensfest – mit zahllosen uns entgegengestreckten Händen, trillernden Frauen, mit Blasmusik, Gebeten, verschiedenen Vorstellungsrunden, Dankesreden und schließlich einem umfangreichen, liebevoll zubereiteten Essen. Waren wir müde? Im Gegenteil, tanzend und singend verließen wir die Kirche, überwältigt von dem herzlichen Empfang. Julian fuhr uns jetzt in die ‚Honolulu Lodge’, ein kleines Hotel in MADIZINI. Hier sollten wir bis zu unserer Abreise nach Dar es Salaam am 17. März bleiben. Die Gäste erhielten je ein Zimmer mit angrenzendem Wasch/Duschraum. Wir waren zufrieden, obwohl wir uns Privatquartiere gewünscht hatten, um enger mit den Menschen in Kontakt zu kommen. Offensichtlich war dies nicht möglich gewesen. Als Grund wurde die mehrfach geäußerte Sorge angegeben, den deutschen Erwartungen nicht entsprechen 2 zu können. ’They (the families) are afraid that their conditions are not up to your standards.’ Das war schade. In DAKAWA soll es drei Angebote gegeben haben, aber dieses Dorf liegt zweieinhalb Stunden von MTIBWA, dem Verwaltungszentrum des Turianidistrikts, entfernt. Das Programm für 17 volle Tage in Tansania war von unseren Partnern sorgfältig - unter Berücksichtigung unserer Wünsche - ausgearbeitet und uns bereits in Hamburg zugeschickt worden. Abgesehen davon, dass es vor Ort zu manchen Änderungen und zeitlichen Verschiebungen kam – was uns v.a. in MTIBWA lange Wartezeiten bescherte -, waren unsere Partner darauf bedacht, inhaltlich an ihrem Plan festzuhalten. Am wichtigsten für sie war, dass wir in die Dörfer fahren und die Gemeinden besuchen, dass wir ihre Kirchen und im Bau befindlichen Projekte anschauen, mit verschiedenen Frauengruppen in Kontakt kommen, Zeit haben für Gespräche und - natürlich - Gottesdienste. Wir hatten uns mehr Bibelarbeit gewünscht. In Hamburg waren wir uns vor zwei Jahren über der gemeinsamen Lektüre von Gleichnissen erstaunlich nahe gekommen. Im Turianidistrikt ist es üblich, sich einmal, in der Mitte der Woche, mit den Pastoren aller Gemeinden zu treffen, um die Predigt des kommenden Sonntags vorzubereiten. Zu einer dieser Bibelarbeiten waren wir eingeladen. Was uns sehr freute: Petra, Laienpredigerin in St. Lukas, wurde vom Propst gebeten, diese Bibelarbeit zu leiten. Da Petra in diesem Heft über theologische Aspekte unserer Reise berichtet - „Gott / Jesus ist eine Masai“ und Christiane über Frauen und Frauenprojekte - „Ein Kälbchen mit Namen Erbarmen“ -, beschränke ich mich im Folgenden auf Besuche in den Gemeinden, auf die Reise nach Tansania Beschreibung von Baumaßnahmen und einen Ausblick in die Zukunft. Besuche in den Gemeinden Der Turianidistrikt - ein Gebiet mit ungefähr 50 km OstWest-Ausdehnung und 10 km Nord-Süd-Ausdehnung ist in den vergangenen zwei Jahren auf elf Hauptgemeinden mit insgesamt ca. 4000 Gemeindegliedern angewachsen. Hauptgemeinden sind: KAMPALA, KIDUDWE, KUNKE, LUNGO, MAKUTURE, MANYINGA, MTIBWA, MVOMERO, TURIANI, WAMI DAKAWA, WAMI VIJANA. Alle Gemeinden haben Bezirke, ‚sub parishes’ genannt, insgesamt mindestens 20. Auf unserer Reise haben wir acht von den elf Hauptgemeinden besucht, dazu sieben Subgemeinden. Die Fahrten dahin boten Gelegenheit, je nach Bedarf und Lust Eindrücke mit dem Sitznachbarn auszutauschen. Aber das hatte Grenzen. Saßen wir anfangs noch bequem nebeneinander, so füllte sich der Bus bei jedem Halt. Unsere Begleiter stiegen zu und weitere bekannte und unbekannte Menschen – mit Gepäck. Am Ende waren meistens alle Notsitze ausgeklappt und besetzt. Wir hatten uns leise unterhalten - manch eine/r war vielleicht auch noch müde. Jetzt ging plötzlich „die Sonne auf“, es wurde palavert, laut gelacht – worüber können sich unsere Freunde bloß immer amüsieren? – und gesungen. Am Ziel angekommen - beispielsweise in LUNGO -, wurden wir vom Posaunenchor begrüßt, Kinder drängten sich nach vorn, um „die Weißen“, die ‚wazungu’, zu sehen und, wenn sie den Mut dazu hatten, anzufassen. Frauen kamen auf uns zu, um uns dezent unsere Taschen abzunehmen. In der Sakristei mussten wir uns in das Gästebuch eintragen. Dann ging es feierlich in die Kirche, wo für die Gäste und ihre Begleiter besonders schöne und bequeme Stühle aufgestellt waren und eine lange Tafel für die anstehende Mahlzeit. Wie wir es schon bei unserem Empfang in KIDUDWE erlebt hatten, lief nun ein Ritual ab, eröffnet durch ein lautes ‚Bwana Yesu asifiwe!’ – „Gelobt sei der Herr Jesus!“ -, auf das die Gemeinde mit ‚Amen’ antwortete. Auch wir begannen bald unsere kleinen Reden mit diesem Grußwort, worauf immer sehr fröhlich und zustimmend reagiert wurde. Am Ende des Begrüßungszeremoniells standen in der Regel freundliche Worte des uns begleitenden Propstes, der gern die Stimme erhob. Offensichtlich nutzte er die Gelegenheit, sich bei seinen Gemeindegliedern in diesem großen Kirchenkreis vorzustellen; er war erst seit kurzem im Amt. Je nach Dauer der Anreise wurden wir sofort bewirtet oder machten erst einen Rundgang über das Kirchengelände. Die Gastfreundschaft der tansanischen Menschen wird viel gelobt, und auch wir durften sie „schmecken“. Das Essen war jedes Mal köstlich, ob es sich um Reis, Ugali, Huhn, Rindfleisch, Spinat, Bohnen, Banane - alles üppig aufgefüllt auf e i n e n Teller - handelte, um einen erfrischenden Obstsalat oder - wie bei den Masai - um Chapati, eine Art Pfannkuchen, und heißen Tee mit Milch. Die Gespräche im Anschluss an die Mahlzeiten gehören mit zu den interessantesten Erfahrungen dieser Reise. Dank guter Übersetzer ergab sich hier die Gelegenheit, einander besser kennen zu lernen. Uns fiel auf, dass unsere Partner in Tansania durchaus skeptisch gegenüber westlichen Einflüssen sind und nicht alles gutheißen, was aus Amerika oder Europa kommt. ’We don’t want women who are too strong or gay people who lead an immoral life.’ Das war schon ziemlich am Anfang ein “Schuss vor den Bug”. Vor allen Dingen wollen sich die Tansanier, so scheint es, keine Bedingungen auferlegen lassen, wenn es um wirtschaftliche Interessen geht. Die Forderung Großbritanniens zum Beispiel, Homosexualität zu akzeptieren - denn nur dann würde die Entwicklungshilfe weiter fließen -, hat zu einem vorläufigen Abbruch der Beziehungen ge- 3 Reise nach Tansania führt. Die neue Großmacht China stellt keinerlei Bedingungen, ist darum auf allen Ebenen gut im Geschäft mit Tansania. sogar mit Fliesen ausgelegt. 170 Gemeindeglieder gehören z.Zt. zu dieser Gemeinde, 80-100 besuchen regelmäßig den Gottesdienst. In diesem Zusammenhang die Frage nach den Menschenrechten anzuschneiden, wurde fast als unfreundliche Geste, wenn nicht gar als unpassende Provokation angesehen und brachte das Gespräch „irgendwie“ ins Stocken. So steht es in dem Brief, den uns Pastor Kussa am Ende übergab. Die Opferbereitschaft der Gemeinde muss groß sein und sicher auch das ehrenamtliche Engagement der Dorfbewohner, die mithelfen, eine so schöne Kirche zu errichten. ’Learning from one another also means to accept different views.’ Wir glauben, dass es im Verlauf des Besuchs gelungen ist, die je eigene Sicht auf Personen und Standpunkte zu akzeptieren. Das gilt für beide Seiten. Die kulturellen Unterschiede sind enorm groß, wir werden einander bei aller Freundschaft nie ganz verstehen. Vielleicht gelingt dies Menschen, die länger im Land leben. Die Gemeinden St. Lukas und Ohlsdorf-Fuhlsbüttel wissen um die Bedeutung der kirchlichen Gebäude für unsere Partner und überweisen dafür jährlich - unterstützt vom Kirchlichen Entwicklungsdienst - einen Betrag. Meistens wird er für Materialien wie Zement, Sand, Nägel, Wellblech, aber auch für Stühle, eine Glocke, die Elektrifizierung eines Gebäudes, einen neuen Anstrich erbeten. In KUNKE, CHAZI, DIHINDA und LUNGO konnten wir uns von den mühsamen baulichen Fortschritten überzeugen. Im Rahmen einer Gemeindepartnerschaft sind Begegnungen dennoch wichtig, denn sie schaffen Gelegenheit, sich anzunähern und immer besser kennen zu lernen, Vorurteile abzubauen und letztlich respektvoll miteinander umzugehen. Baumaßnahmen Die Kirche in KUNKE ist seit Jahren im Bau. 2010 erhielt sie endlich ein Dach. Zuletzt wurden zwei Türen eingebaut – in leuchtendem Blau! Sobald das Geld vorhanden ist, sollen 24 Fenster eingesetzt, die Wände verputzt und der Fußboden in der Kirche mit einem Estrich versehen werden. Der Kirchenraum wirkt hell und luftig und, obwohl noch immer nicht ganz fertig, versammelt sich die Gemeinde hier jeden Sonntag zum Gottesdienst. In CHAZI, einer Subgemeinde von TURIANI, trafen wir uns mit dem Evangelisten und anderen Gemeindevertretern unter einem – blauen! – Zeltdach, das innerhalb des „offenen“ Kirchenraums aufgespannt ist und als willkommener Schutz vor der Mittagssonne dient. Hier wurde im Jahr 2007 der Grundstein gelegt. Jetzt sind Mauern hochgezogen, aber immer noch fehlt das feste Dach. „Wenn wir € 1000 für das nötige Wellblech hät- Im Turianidistrikt wird ständig gebaut. Bekanntlich haben für die Partner kirchliche Gebäude wie die Kirche selbst oder ein Pastorat Vorrang vor anderen Projekten, und die Gemeinde opfert viel, um am Ende eine „schöne“ Kirche zu haben und eine würdige Unterkunft für den Herrn Pastor. Aber oft ist es ein weiter Weg bis dahin. In DAKAWA allerdings, einer neuen Hauptgemeinde, entstand in kurzer Zeit eine neue Kirche. Nicht ohne Stolz wurden wir eingeladen, hier einen Gottesdienst mitzufeiern. Wir waren erstaunt von den Ausmaßen und der Ausschmückung der Kirche, der Fußboden war 4 Reise nach Tansania ten, würden wir sofort anfangen. Noch in diesem Jahr könnte die Kirche fertig sein!“ die Angler an, wie Mr Mnzava erläutert. Linkerhand fahren wir an großen Reisfeldern vorbei... In DIHINDA, einer Subgemeinde von KUNKE, ist man ebenfalls seit Jahren dabei, die Lehmkirche durch eine Steinkirche zu ersetzen. Der Fortschritt im Vergleich zu 2007 ist kaum festzustellen. Die Mauern sind etwas höher als damals, doch immer noch nicht hoch genug, um ein Dach darauf zu setzen. In MVOMERO gibt es ein herzliches Wiedersehen: Grace, Mitglied im Turiani Committee, ist da, und auch Sarah, eine Brieffreundin. Mr Wadelanga – wir trafen uns ebenfalls 2007 - kommt auf mich zu: „Kennen Sie mich wieder?“ „Ja, natürlich.“ Wir besichtigten das Pastorat in LUNGO, das kurz vor der Vollendung steht. Dazu werden schätzungsweise noch € 2.500 benötigt - eine große Summe für die Gemeinde, die zu 99% aus Kleinbauern, d.h. aus Ackerbauern und Viehzüchtern besteht. Uns wurde wieder klar, wie anstrengend und schwer es für unsere Partner ist, Pläne zu verwirklichen. Es kostet eine Menge Geld, ein Grundstück zu erwerben, ein Konzept zu entwerfen, Fachkräfte zu bezahlen. Um „Gottes Lohn“ sind viele im Dorf bereit mitzuhelfen, z.B. zu mauern, Ziegel zu backen und zu brennen, in groß angelegten Fundraisingaktionen - ‚harambees’ - Spenden einzuwerben. Doch bei allem guten Willen geht manchmal der Schwung verloren. Äußere Umstände wie steigende Preise für Lebensmittel oder umgekehrt fallende Ankaufspreise für das Zuckerrohr – die klassische Nutzpflanze im Turianidistrikt - sind mitverantwortlich dafür, dass es zeitweise gar nicht oder nur langsam vorangeht (wegen des derzeitigen Preisverfalls verlegen sich gerade viele Zuckerrohrbauern auf den Anbau von Reis und Mais). Es sind diese kleinen Begegnungen am Rande, die auf beiden Seiten große Freude auslösen. Hosea Mbaga, hier Pastor, gleichzeitig stellvertretender Propst im Turianidistrikt, führt uns über das Gelände. May we call it a day? Die im Jahr 2000 begonnene Kirche ist immer noch im Bau, und der Gottesdienst wird tatsächlich immer noch in der kleinen, blauen Kirche gefeiert. 68 Gemeindeglieder schaffen es nicht, das nötige Geld zusammen zu bekommen. Dennoch sehen die Pläne eine Fertigstellung vor. Es darf doch nicht umsonst gewesen sein, dass man schon so viel Geld aufgebracht und investiert hat! Zunächst soll der große Innenraum durch eine Mauer in zwei Bereiche getrennt werden, diese könnten dann nacheinander ein Dach erhalten. Hilft die Kommunalgemeinde? Wohlhabendere Leute sind weggezogen... Wir sind in die Hauptgemeinde MVOMERO eingeladen an Reisfeldern vorbei... Die Fahrt dorthin auf der lehmigen Straße dauert ungefähr zwei Stunden. Es hat in der Nacht geregnet und Julian muss so manche Wasserpfütze umfahren. Der Weg ist uns anfangs vertraut, denn wir sind ihn schon ein paar Mal gefahren. Zur Rechten die alte Brücke, von Deutschen erbaut; sie wird gerade ersetzt durch eine parallel verlaufende moderne Konstruktion – die Chinesen haben den Zuschlag erhalten. Aus der Arusha Region kommt der ‚sounding’ Mbulumi River, ziemlich braun und schlammig zur Zeit. Fischen ist hier unmöglich, aber der Divue River zieht Im Büro des Pastors – dieses ist fast fertig! - tragen wir uns ein ins „Goldene Buch“, nehmen auf „Hochzeitsstühlen“ Platz, feierlich hohen, mit pinkem Tüll überzogenen Sitzen – das ‚office’ ist gleichzeitig Standesamt. Der ‚master of ceremony’ (M.C.), ein Gymnasiallehrer, führt in fließendem Englisch durch das wohl strukturierte Programm. Dieses Mal gehört eine musikalische Einlage dazu. Mrs Joyce Matemba, Leiterin sowohl der Frauengruppe in MVOMERO als auch in der Gemeinde TURIANI, ist die Vorsängerin. Von den Frauen hier erfahren wir später eine Menge zu ihren Projekten. Gleichzeitig beobachten wir eine erstaunliche Gelassenheit. Die tansanischen Menschen können warten – warten auf eine gute Ernte und niedrige Preise für die Grundnahrungsmittel, auf das richtige Wetter, um weiter zu bauen, auf einen Sponsor, der überraschend am Horizont auftaucht. Alles hängt von Gottes Willen ab. Wenn ER es will, dann werden wir dies und jenes tun können. ‚Mungu akipenda.’ 5 Reise nach Tansania Den Höhepunkt des Tages bildet die Fahrt zum MKONG’ENI Livestock Cattle Market. Von MVOMERO aus sind wir ca. eine Stunde dorthin unterwegs. Dann endlich - sind wir da. Es ist drückend heiß. Pastoren im weitläufigen Turianidistrikt. Seine Antwort ist klar: Wir wollen und sollen uns gegenseitig besuchen. ‚Writing is good, but sometimes difficult. And: We cannot show our country!’ Überall grasbedeckte Hütten, kleine Feuer und Rauchfahnen. Fleisch wird an aufrecht stehenden Spießen gegrillt und zum Verkauf angeboten. Wir sehen hoch gewachsene Masai in ihren bunten Gewändern. Auch der Masaibischof, Jacob Mameo aus der Diözese MOROGORO, ist anwesend. Sein Halbbruder, Pastor Daniel Moreto, hat sofort sein Auto entdeckt, und wir gehen zu seiner Hütte, wo er uns freundlich begrüßt. „Mögt ihr Fleisch?“, werden wir gefragt. „Ja, gern.“ Wir nehmen in einer Hütte Platz. Daniel, ganz „zu Hause“, besorgt ‚softi drinki’. Auf einer Getränkekiste werden Gedanken zum Schluss ‘May we call it a day?’ Aus diesen Worten des Distriktpastors sprachen Stolz und Zufriedenheit über einen gelungenen Tag. Blätter ausgebreitet, dann, nach 20 Minuten, bringt Daniel zwei große Fleischspieße, legt sie auf den Blätterteller. Wir beten – unsere tansanischen Freunde vergessen nie zu beten – und dann beginnt die Mahlzeit. Mit einer Art Buschmesser trennt Daniel das Fleisch der Ziege (!) vom Knochen - der Saft tropft nur so heraus - und reicht jedem in der Runde, aber auch dem Jungen am Hüttenrand, ein mundgerecht abgeschnittenes Stück. Und noch eins - und noch eins. Es schmeckt wunderbar. ‚Kitam sana sana!’ ’May we call it a day?’, fragt Propst Christopher später. Seine Augen leuchten. In MVOMERO hat Sarah für alle gekocht... Ich glaube, es war an diesem Abend, dass wir zu William, dem Chef in der ‚Honolulu Lodge’ sagten, wir möchten kein Dinner mehr... Aber wir sitzen noch zusammen, denn Daniel Moreto ist zu uns gestoßen. Er hat den Bericht seiner Frauengruppe in Englisch dabei. Jetzt wirkt er müde. Wir fragen ihn nach diesem denkwürdigen Tag: „Sollen wir zu euch kommen oder das Geld lieber in Projekte investieren?“ Daniel braucht dringend ein Motorrad – wie viele 6 Am Ende unseres Aufenthalts, auf der Farewell Party in LUNGO, gab es noch einmal ein überwältigendes Beisammensein. Frauen und Männer aus verschiedenen Bezirken, Pastoren, Gemeindehelferinnen, Kirchenälteste, Kinder waren gekommen, um uns, die ‚wazungu’, zu verabschieden. Die Posaunen unter Mr Shekadodo hatten sich ebenfalls eingefunden. Und viele hatten etwas für uns mitgebracht – Kangastoffe mit aufgedruckten „Botschaften“, Kleiderstoffe, sog. Kitenges, eine ‚shuka’ - das rote Masaituch für den ‚chief’ unserer Gemeinde, dem die Bläser so viel verdanken -, Bilder aus Bananenblättern, Schmuck, Briefe. Und natürlich Grüße für die Gemeinden in Hamburg-Fuhlsbüttel. Unsere Worte sind zu schwach und unbeholfen, um die Gefühle in solchen Momenten zum Ausdruck zu bringen. Mit einem großen Opfer an Zeit haben Mr Mnzava, Joel Kailembo, Joyce Kombe, Propst Christopher uns begleitet - Julian nicht zu vergessen, den Busfahrer. Wohin wir auch kamen, wurden wir erwartet, freudig begrüßt, bewirtet, beschenkt, beschenkt nicht nur mit ‚tangible things’ (Chris), Dingen, die man anfassen wusst ein Projektziel ins Auge fassen, die Kosten errechnen, die Dauer abschätzen - und ans Werk gehen. Der Kirchenkreis TURIANI ist in den vergangenen zwei Jahren von sechs auf jetzt elf Hauptgemeinden angewachsen. Auch die Zahl der Subgemeinden ist gestiegen. ’To extend mission’ - die Mission vorantreiben – ist den Christen aufgetragen. Der Partnerschaftskoordinator der Diözese, Yordan Matandika, freut sich über jede neue Gemeinde im ’Turiani District’, und auch unsere Partner sind glücklich über jeden und jede, die sich taufen lassen. Für die Pastoren und Evangelisten ist das Anwachsen des Kirchenkreises ebenfalls eine große Herausforderung, denn es fehlt ihnen das Fahrrad oder das Motorrad, um die weit entfernt lebenden Menschen zu betreuen. Die Vergrößerung des Kirchenkreises wirft die Frage auf, inwieweit unsere beiden Gemeinden St. Lukas und Ohlsdorf-Fuhlsbüttel in Zukunft in der Lage sein werden, zum einen das Mehr an Arbeit zu bewältigen, zum anderen weiterhin einen bestimmten Geldbetrag im Jahr für Projekte in Tansania aufzubringen. kann. Wie oft haben wir ‚Mahali ni pazuri’ gesungen, alle vier Strophen dieses Liedes, das die Worte des 133. Psalms aufnimmt: „Siehe, wie fein und lieblich ist’s, wenn Brüder einträchtig beieinander wohnen“ - die Schwestern denken wir uns -, zuletzt im Bus in DAR ES SALAAM, wo wir uns am 18. März endgültig trennten. Aber vorher betete Chris noch alle Schutzengel herbei, damit sie hinter unseren Flugzeugen herfliegen und uns - und alle anderen Fluggäste - vor Unfall und Gefahr bewahren... Die Begegnung mit unseren Freunden klingt auch acht Wochen später noch nach... Lässt sich unsere Gemeindepartnerschaft möglicherweise in eine regionale Partnerschaft umwandeln? Könnte es uns gelingen, die Nachbargemeinden mit ins Boot zu nehmen? Neue Menschen für die Partnerschaftsarbeit zu begeistern, enthielte auch die Aussicht auf einen „Generationenwechsel“ im Tansania Arbeitskreis. Als Geschwister in der Einen Familie Gottes nehmen wir uns gegenseitig wahr und als solche sind wir – über räumliche Grenzen und kulturelle Unterschiede hinweg – miteinander verbunden. Als solche tragen wir auch in zukünftig Verantwortung füreinander. Die Tansanier sagen es so: ‚We are together.’ Krista Prante Wir haben Vorträge gehalten, Fotos sortiert, Thomas hat einen Film zusammen geschnitten. Aber die Erinnerungen sind es nicht allein. Wir fragen uns auch, wie es weiter geht. In einer guten Partnerschaft nehmen und geben beide Seiten. Wir waren dieses Mal die Empfangenden. Uns beschäftigt die Frage, wie wir auch in Zukunft Spenden sammeln können, um einen jeweils kleinen Beitrag für die vielen Projekte zu leisten, die den Menschen in Tansania am Herzen liegen: Kindergärten, Schulbildung, Kirchbauten, Pastorate, der Bläserchor, Frauenarbeit. Wir haben in manchen Gemeinden Frauengruppen kennen gelernt, die erstaunlich mutig und selbstbe- 7 Gott / Jesus ist eine Masai Gott / Jesus ist eine Masai Sie hat es mir angetan, diese sehnige, doch zarte Frau mit ihren wunderbar klar gezeichneten Gesichtszügen, den tiefen wachen Augen, ihrer gelassen zurückhaltenden Körperhaltung. Sie sitzt aufmerksam auf einer der Holzbänke, die für unser Gespräch nach dem Essen in den Kirchraum von DAKAWA gestellt worden waPetra Roedenbeck-Wachsmann ren. Die Teilnehmenden der Runde stellen sich kurz vor und die ersten Fragen kommen. Sie wünscht sich für ihre Gemeinde eine Kirche. „Wir treffen uns immer noch unter dem Baum.“ So beginnt Gemeindebildung in Tansania: Erst treffen sich Christinnen und Christen vor oder in den Häusern – kleine, meist einräumige Lehm- oder Backsteinhäuser –, dann unter einem der schönen großen Bäume, die mich gleich in den Bann gezogen haben auf meiner Reise zu unseren Partnergemeinden im Turianidistrikt, und schließlich beginnen die Menschen mit dem Kirchenbau. Kirchen sind hier wesentlich neben Gottesdienst- auch Sozial- und Kommunikationsräume. In und mit ihnen wächst Identität. Die Frage nach bzw. der Punkt „Homosexualität“ war schon einmal Thema gewesen bei unserer Diskussionsrunde nach dem ersten Sonntagsgottesdienst in Tansania in der Kirche von TURIANI. An diesem Sonntag feierten die Frauen den Weltgebetstagsgottesdienst mit viel Gesang, einem Sketch über die Ausbeutung der Frauen und das Nebeneinander der Religionen und einer zündenden Predigt (Apostelgeschichte: Paulus und Silas), in der es um Gerechtigkeit geht (Christen treten ein für Gerechtigkeit, wer stark ist in Christus, der kommt auch zu Gott). Die Predigt hält die Frau eines Pastors, für die Liturgie ist die Frau des Propstes zuständig. Für uns übersetzt der uns während der Reise begleitende Propst Christopher Samuel im perfekten English – aber irgendwann im Laufe der langen Predigt bricht er ab: Ich hatte verstanden, dass die Predigerin über einen Fall von Abschiebung zu erzählen begann. War es Propst Christopher zu brisant, uns Gästen und Partnern aus Deutschland Anwürfe zuzumuten? Als der Jugendevangelist der Gemeinde uns fragt: „Wie haltet ihr es mit der Homosexualität in euren Gemeinden, in eurer Kirche?“, steht die Frau auf und verlässt den Diskussionsraum und mit ihr zwei weitere Masaifrauen. Anschließend sind wir zu Gast bei einem wohlhabenden Mitglied der Gemeinde und sitzen nach einem reichlichen Essen, das die Frauen bereitet haben, bei Pepsi und Wasser im Innenhof eines beeindruckenden Anwesens. Das Grundstück ist durch einen hohen Zaun von den Nachbarhäusern und dem angrenzenden Markt getrennt. Als sich ein paar Ziegen durch das versehentlich offen gelassene Tor verirren, werden sie schnell wieder hinausgetrieben und das Tor wird verschlossen. Gern wäre ich ihnen gefolgt und hätte gefragt: „Warum geht ihr?“ Ich bleibe sitzen – aus Höflichkeit, aus Zurückhaltung, weil ich Angst habe, Tabus zu verletzen? 8 Hohe Mauern werden auch hier und da um Kirchengrundstücke gezogen, so in TURIANI und geplant auch in MTIBWA. „Seit 9/11 nehmen Konflikte mit einigen Muslimen zu“, sagt der Propst. In Gesprächen mit anderen Christen klingt das nicht so dramatisch. „Wir besuchen uns gegenseitig bei unseren Festen, und es gibt Christen, die Muslime werden und Muslime, die Gott / Jesus ist eine Masai Christen werden. Aber mancherorts gibt es einen ‚gap’einen Graben zwischen Christen und Muslimen.“ Es gibt in einer Gemeinde Unklarheiten mit den Bodenrechten. Um einem Streit aus dem Wege zu gehen, beginnt die Gemeinde mit einem Kirchbau an einer anderen Stelle. „Wie bei Abraham und Lot, wir weichen lieber, als dass wir uns gegenseitig provozieren“, sagt uns der charismatische Evangelist. Da scheint es schon auf, hier ironisch zwar und bewusst provozierend, aber doch immer wieder unsere Diskussionen und Glaubensgespräche durchziehend, Luthers: „Ihr seid gerechtfertigte Sünder in Christus. Allein aus Gnade seid ihr erlöst.“ Oder auch als Mantra in lateinischer Diktion: „simul justus et peccator“ - mit einer Klarheit und Echtheit, die mich sprachlos macht und manchmal beschämt. Bei unserer ersten Begrüßung in DAR ES SALAAM hatte er mich bei einem Gespräch an unserem Bus gefragt: ‚What do you think of Tansania, what do you think of Africa?’ und weiter lachend, aber durchaus ernst gemeint: ‚Do you think, this is a dark continent?’ Das Thema „Homosexualität“ kommt wie eine Retourkutsche und ist wohl auch so gemeint - bei dieser ersten Diskussion in TURIANI, dem Frage-Antwort-Spiel, das wir nun miteinander unter der klaren Leitung des Propstes auf Deutsch und Englisch und Kisuaheli beginnen. Erstklassig informiert über Deutschland und Europa, werden wir befragt über unsere politischen und wirtschaftlichen Einschätzungen der aktuellen globalen Probleme und auf ihre Auswirkungen auf Tansania. Wir fragen unsererseits nach dem aufwendigen Straßenbauprojekt, das uns auf unserem Weg von DAR ES SALAAM nach TURIANI aufgefallen ist und danach, wer es finanziert. „Die Chinesen“, hören wir, „sie haben den Zuschlag bekommen.“ Unsere Frage nach den ‚human rights’ und ob sie dabei nicht auf der Strecke bleiben, löst den Reflex aus: ‚You guys from Europe, you guys from Germany...’ - schreibt uns doch bitte nicht vor, was moralisch richtig oder falsch ist. Und schon gar nicht in der Frage der Homosexualität!“ (Homosexuelle Handlungen sowie Prostitution werden in Tansania mit hohen Gefängnisstrafen belegt.) Und bewusst zugespitzt mit einem provozierenden Lächeln ergänzt Propst Christopher: „Manchmal will es mir so scheinen, als brächtet ihr uns ‚the old testament’ mit seiner Gesetzlichkeit, die Chinesen aber ‚the new testament’. Sie helfen uns bedingungslos.“ Zehn Tage später sitze ich in der Kirche der Hauptgemeinde MTIBWA ca. 30 Evangelisten und Pastoren gegenüber und bin eingeladen, eine Bibelarbeit zu halten über 1. Korinther 10, 14-22: „Ihr könnt nicht zugleich am Tisch des Herrn teilhaben und am Tisch der bösen Geister“ - und Markus 8, 1-10: „das Speisungswunder Jesu“ – die Texte des folgenden Sonntags. Rechterhand im rechten Winkel zu mir sitzt Propst Christopher und aus der ersten Reihe muntern mich meine Mitreisenden auf. Wir haben uns gut vorbereitet, und ich bin dankbar für ihre Unterstützung. Nach kurzer Klärung der Leitungskompetenz und hin und wieder eingeworfenen, freundlich ironischen Störfeuern des Propstes entwickelt sich nach dem gesungenen Psalm im Wechsel und in Kisuaheli (Psalm 136, wir haben ihn geübt ) und einem einleitenden, geführten einminütigem Schweigen (‚How long will it take? We are not used to it, so we must know!’) - sichtlich ungewohnt für die Gastgeber - ein “Bibel teilen”. Und wir kommen tatsächlich ins Gespräch miteinander, lernen unsere so unterschiedliche Sicht auf die Verse kennen, gelegentlich auch aushalten und ahnen unsere verschiedenen Lebenswelten. Wo wir Gäste etwas abgehoben von den Götzen „Mammon“ und „Konsum“ reden, schallt uns vehement entgegen: ’But daemons are real!’ Auf meine Frage, was nach ihrer Ansicht die größte Versuchung für die Menschen in den Gemeinden sei, erfah- 9 Gott / Jesus ist eine Masai ren wir überzeugend: ‚poverty’ – Armut/Mangel. „Wie äußert sich das genau?“, frage ich nach, und mir antwortet die einzige Frau in der Runde der Gastgemeinden, die Gemeindepädagogin aus MTIBWA, Agnes Chuma: „Armut führt in Prostitution und Kriminalität“. vertraut. Feierlich ziehen die Liturgen und der Pastor ein und ich mit ihnen. Deutlich getrennt von der Gemeinde ist die Apsis, Altar und Kanzel sind erhöht (das ist selbst in der kleinsten der Kirchen so, zumindest trennt eine Art Gatter die Gemeinde vom Altar). An unserem letzten Abend in unserem Hotel ‚Honolulu Lodge’ kann ich mich davon überzeugen: Spät, gegen 23 Uhr, erscheint eine sichtbar aufgetakelte junge Frau in westlicher Kleidung durch das bewachte Hoftor, setzt sich zu einem sie offensichtlich erwartenden einsamen Mann. Am kommenden Morgen nehme ich wahr, wie sie gegen 7 Uhr mit ihrem Handtäschchen über dem Arm wieder durch das Tor verschwindet. Ohne die Sprache wirklich zu verstehen, kann ich mitsingen und mitbeten, gut begleitet und geleitet von Pastor Rayson Kussa, der mich freundlich unterstützt und hinein nimmt in die Feier. Mit Singen und Tanzen (‚Let’s sing and shake! Let’s sing and shake!’ feuert Propst Christopher uns kühle Norddeutsche oftmals an - heimlich ist er ein Fan von Tom Jones, wie wir auf unseren kommunikativen Busfahrten erfahren und drei Kollekten (ich schaue etwas verstört auf die drei Hühner, die, an den Füßen zusammengebunden, zunächst auf den Altarstufen liegen und dann flatternd sich schließlich vor den Stufen wiederfinden) dauert der Gottesdienst allerdings zweieinhalb Stunden... „Was ist Euch heilig hier in Tansania, was ist uns heilig in Deutschland?“ Das ist das Thema meiner Predigt, die ich als Prädikantin am zweiten Sonntag unserer Reise in DAKAWA halten darf. Ich habe mir dazu in Nach dem feierlichen Auszug wird die Kollekte, die wesentlich aus Naturalien besteht, vor der Kirche versteigert. Auf der Rückfahrt im Bus beschreibt mir Joyce, die das ersteigerte Huhn in einer Plastiktüte auf dem Schoß trägt, sehr plastisch, wie sie das Huhn zubereiten wird, einschließlich Schlachtung und Entfernung des Federkleides. Abendmahl feiern wir kein einziges Mal in Tansania. Ich vermisse das Teilen von Brot und Kelch schmerzlich. Aber die herzliche, fröhliche, selbstverständliche, singende und tanzende Aufnahme in den Gemeinden und Gottesdiensten entschädigt mich vielfach. Wir besuchen DIHINDA. Die „bespielte“ Kirche ist klein Hamburg extra eine Albe ausgeliehen- sozusagen als nonverbale Kommunikationshilfe. Als Predigttext habe ich die in unserer Kirche vorgeschlagene Perikope des Sonntags vorbereitet. Im Vorgespräch mit Propst Christopher über meine Predigt kommen wir in den Diskurs. „Die Predigt ist ganz okay“, sagt er. „Aber die Hörer im Gottesdienst sind einfache Farmer, die wollen keine philosophischen Ausführungen. Die Quintessenz des Textes ist doch ganz einfach: Ihr seid gerechtfertigt in Christus. Das verstehen die Menschen ganz unmittelbar.“ Philosophisch finde ich meine Predigt eigentlich eher nicht. Und ich bleibe im Wesentlichen bei dem, was ich vorbereitet habe. „Nehmt den heiligen Gott selbst als Maßstab“, sagt der Briefeschreiber. „Seid heilig, denn ich (Gott) bin heilig.“ (1. Petrus 1, 13-17) Und genau diese Frage stelle ich: „Was ist ‚Heiligsein’ bei euch in Tansania?“ und versuche zu beschreiben, was uns „heilig“ ist in Deutschland. Die Liturgie des Gottesdienstes ist mir im Wesentlichen 10 und aus Lehmwänden errichtet, trägt allerdings schon ein Wellblechdach. Ich genieße das kühle Klima in dieser Kirche, denn die Lehmwände scheinen zu atmen. Mir fällt auf, dass die neue im Bau befindliche Backsteinkirche im rechten Winkel zu der kleinen Kirche steht. „Sind die Kirchen in Tansania in einer bestimmten Richtung ausgerichtet?“, frage ich Propst Christopher. „Viele Kirchen in Deutschland sind mit der Apsis nach Osten hin ausgerichtet zum Sonnenaufgang. Das soll den Auferstandenen erinnern und die Erwartung ausdrücken, dass Christus am Ende der Zeit im Sonnenaufgang erscheinen wird.“ „Nicht alle Kirchen in Tansania sind in bestimmter Weise ausgerichtet“, antwortet der Propst. „Aber wenn, dann weisen unsere Kirchentüren auf den Sonnenaufgang hin, nicht die Apsis. Denn wir glauben den Auferstandenen mitten in der Gemeinde und von dort wird er wiederkommen.“ Ich erinnere mich, dass das „Goldene Tor“ in Jerusalem, das seit Zeiten verschlossen ist, auch zum Sonnenaufgang hinweist. Von dort erwarten Juden und Christen den (wiederkehrenden) Messias. An einer Fensteröffnung der Kirchenbaustelle steht unser Busfahrer. Ich stelle mich zu ihm und sehe, dass sich hinter der neuen Kirche ein Friedhof befindet. Mitten zwischen hohem Grün sind verschiedene Steinkreuze aufgerichtet, unterschiedlich in Größe und Form. Eine klare Struktur der Gräber kann ich nicht erkennen. „Wer wird da denn bestattet?“, frage ich. Ich merke, dass dem Mann das Gespräch nicht angenehm ist. Er senkt die Stimme und antwortet verhalten und leise. Thomas, „unser“ Kameramann, geht unbefangen zwischen den Gräbern herum und filmt. An der Reaktion des Mannes neben mir merke ich, dass ihm das unangenehm ist, er beginnt verhalten und irritiert zu lachen. Am Abend sprechen wir mit Joel, dem Distriktsekretär, über den Friedhof und über Beerdigungen. Auch aufgrund seiner Reaktion scheint es uns, als hätten wir ein Tabu berührt. Der „alte“ Glaube in Tansania hat viel mit Ahnenkult zu tun. Vielleicht ist diese verhaltene Reaktion noch Traditionen aus dem überlieferten Glauben geschuldet. Ahnen, Dämonen, der Fluch, auch Hexerei - in Tansania ist vieles davon lebendig. Das wird mir deutlich, als ich mit Pastor Daniel Moreto spreche. Er ist Masai und ein Halbbruder des Bischofs der Morogoro Diözese. Er sitzt hinten im Bus und lernt in einem Buch. Als ich genauer hinschaue, sehe ich, dass es ein Lehrbuch über Krankheiten bei Ziegen und Rindern ist. Ich frage ihn: „Was lernst du denn?“ „Ich möchte alles über diese Krankheiten wissen“, antwortet er, „denn ich möchte Vieh züchten. Schau: Hier steht auch alles in der Sprache Maa, das ist die Sprache der Masai.“ „Daniel, was um alles in der Welt reizt die Masai, Christen zu werden?“, frage ich. „Zum einen“, erwidert Daniel, „ist es wichtig, dass die Masai in ihrer eigenen Stammessprache angesprochen werden, nicht nur in Kisuaheli. Aber das Wichtigste und überzeugend ist: Sie erleben Befreiung von den Dämonen durch Christus - umsonst. Sie erleben Heilung ohne Gegenleistung. Zu den Hexendoktors in Tansania müssen sie weit reisen und viel bezahlen, z.B. ein bis zwei Kühe. Und das immer wieder. Bei Christus bekommen sie das umsonst, ein für alle Mal.“ „Aber“, insistiere ich, „sie müssen dafür doch einen hohen Preis zahlen. Wie ist das für die Männer, die stolzen Krieger mit ihren vielen Frauen, die müssen sie doch wegschicken.“ Daniel antwortet: „Manche Pastoren sagen: ‚Ihr müsst euch von euren zehn Frauen trennen und dürft nur eine behalten.’ Aber das ist unsozial. Ich sage: ‚Jesus nimmt dich an, so wie du bist, mit deinem ganzen Haus. Die Frauen, für die du verantwortlich bist, kannst du mitbringen. Aber du darfst dir keine weitere nehmen.’ Mein Vater hat neun Frauen. Er hat sich letztes Jahr im September taufen lassen. Junge Männer, so wie ich – ich habe studiert –, nehmen nur eine Frau, wenn sie Christen werden.“ Die Masai sind Halbnomaden. Soweit sie noch ihren traditionellen Bezügen verhaftet sind, leben sie überwiegend in der Savanne mit ihren Rinderherden und Ziegen. Die Geschichten der Bibel, die des Alten Testaments und die des Neuen Testaments, sprechen direkt in ihre Lebenswirklichkeit. Das ist Befreiungstheologie pur - denke ich - du und dein ganzes Haus (ApG 11,14). Christus nimmt dich an, so wie du bist, führt dich über dich selbst hinaus und befreit dich aus deinen Zwängen. Gott / Jesus ist ein Masai. Fast am Ende unserer Reise besuchen wir zwei Masaigemeinden: SONGAMBELE B und KIGOBE. Mitten in der Savanne stehen einige Kilometer voneinander entfernt zwei kleine Lehmkirchen mit Dächern aus Bana- 11 Frauen und ihre Projekte im Turianidistrikt nenblättern. Auf dem Weg dorthin sehen wir die großen Rinderherden und die vielen Ziegen. Wir werden begrüßt mit dem Gesang und dem Tanz der Frauen - in ihren blauweißen, gewickelten Kleidern und mit Ketten und Ohrringen behängt, die Fesseln geschmückt. Der Tanz der jungen unterscheidet sich vom Tanz der alten Frauen. Eine alte Frau fordert mich auf, es ihr nachzutun. Manche Babys auf den Rücken der Frauen tragen Ein Kälbchen mit Namen Erbarmen Frauen waren für uns ein Kernthema unserer Reise. Ein einfaches Fazit können wir nicht ziehen – wie wohl immer wenn man bei einem Thema auch nur ansatzweise anfängt in die Tiefe zu gehen merkt man, wie sich eigentlich nur noch mehr Fragen und Widersprüche auftürmen. Die Situation der Frauen in Tansania und in unseren Partnergemeinden stellt sich sehr vielfältig und oft widersprüchlich dar. Tansania und auch die ELCT (die lutherische Kirche Tansanias) - soweit wir es beurteilen können - sind nach wie vor zutiefst patriarchalisch geprägte Systeme. Christiane Wittig kleine gestrickte, geringelte Baumwollmützen. Die stolzen Krieger mit ihren Hirtenstäben, ihren Waffen um die Hüften und ihren roten Tuchgewändern stehen abwartend abseits. Wir werden bewirtet mit gezuckerter heißer Milch und einer Art Hefegebäck. Reich beschenkt auch mit Ketten und Armbändern -, nehmen wir Abschied. In der Abenddämmerung sitzen wir auf einem Baumstamm und singen „Herr bleibe bei uns“ und war- Wir haben viele starke, selbstbewusste und kompetente Frauen kennen lernen dürfen, einige davon gut ausgebildet und verhältnismäßig wohlhabend, andere aber auch ganz einfache Bäuerinnen, die uns tief beeindruckt haben. Ebenso oft sind wir Frauen begegnet, die stark in dienenden Rollen verhaftet waren, sich, während wir mit den Männern die „wichtigen“ Gespräche geführt haben, um das Essen und etliches andere gekümmert haben, was eben getan werden musste, Frauen, die oft nicht einmal mehr einen eigenen Namen führen, sondern nur noch den des Mannes oder – öfter noch - den des erstgeborenen Kindes. Manche Frauen haben wir auch einfach nicht getroffen. Wir hatten versucht, in jeder der Gemeinden, die wir besucht haben, ein Gespräch mit der Frauengruppe (die es wirklich überall gibt) zu vereinbaren. ten darauf, dass die Krieger unseren festgefahrenen Bus aus dem Schlamm befreien. Einige der Masaifrauen sitzen etwas abseits und halten Wacht. Ich traue mich nicht zu fragen, ob die Beschneidungsrituale der Masai in den christlichen Gemeinden noch tradiert werden. Offiziell sind Beschneidungen von Mädchen und Frauen in Tansania verboten. Petra Roedenbeck-Wachsmann 12 Einige dieser Begegnungen waren wunderbar und zutiefst bereichernd, wie zum Beispiel in MANYINGA, andere ein wenig schwierig, wo eigentlich nur eine sorgfältig vorbereitete und zum Teil eher unrealistische Wunschliste vorgelesen wurde. Und einige Begegnungen fanden dann eben auch nicht statt, weil die Frauen letztlich nicht den Mut fanden, vor dem Propst, dem jeweiligen Gemeindepastor und etlichen anderen, den ‚Wazungu’, diesen sehr fremden weißhäutigen Menschen (die in der Region tatsächlich eher selten zu sehen sind) Rede und Antwort stehen zu müssen. Das war für uns enttäuschend, zumal unsere Partner es schwierig fanden, das Thema offen anzusprechen, aber verdenken kann man es den Frauen eigentlich nicht. In MANYINGA hatte Pastor Moreto es geschickt eingerichtet, dass wir Frauen aus der Reisegruppe uns nach Frauen und ihre Projekte im Turianidistrikt dem Mittagessen ohne die männlichen Würdenträger nach guter afrikanischer Tradition unter einem großen Baum trafen, wo es dann tatsächlich zu einem sehr offenen Gespräch kam. In TURIANI wiederum erlebten wir die Frauen (und auch die Gemeinde insgesamt) als sehr selbstbewusst, und auch im großen Kreis konnten sich die Frauen durchaus Gehör verschaffen und stellten sehr konkrete Fragen zu der Situation der Frauen in Deutschland. Petra Roedenbeck-Wachsmanns Schilderung ihres Weges in der Gemeinde hinein in eine Leitungsfunktion beeindruckte die Frauen aus der Gemeinde zutiefst und löste einen geradezu frenetischen Jubel aus. Rose, eine junge Frau, bat ganz konkret um Fürbitte, um auch einen solchen Weg einschlagen zu können. Sprachlose, gesichtslose Opfer eines patriarchalischen Unterdrückungssystems sehen anders aus. Wer das offene Lachen einer Mama Machibula gehört hat, eine tansanische Evangelistin feurig hat predigen hören, gesehen hat, wie Frauen auf dem Land eigenverantwortlich landwirtschaftliche Projekte vorantreiben, kann tansanische Frauen nicht ausschließlich in einer Opferrolle sehen. mit den Frauen in MANYINGA Dennoch bleibt das Leben der meisten tansanischen Frauen ein sehr hartes, von Arbeit, Entbehrung und Unterordnung geprägtes. Das können und wollen wir nicht schönreden. Paradoxerweise können die relativ rigiden Moralvorstellungen unserer Partner, die für uns zumindest teilweise doch sehr fremd sind, für die Frauen relativ zu traditionellen Gegebenheiten eine befreiende Wirkung haben. Dass der Mann eben nicht so mal nebenbei ein Zweitoder Drittfrau nehmen oder das Familieneinkommen ohne erheblichen Schaden an seinem Ansehen in der Dorfkneipe auf den Kopf hauen kann, stärkt tendenziell schon die Stabilität der Familie und verschafft den Frauen eine gewisse Sicherheit. Rose Moreto und Maria Konde mit der Mutterkuh Upendo - Liebe Das Kalb der Frauen von MANYINGA heißt Furaja - Erbarmen So ist auch HIV/Aids in der tansanischen Gesellschaft im Ganzen zwar durchaus ein gravierendes Problem, in den Gemeinden aber - soweit wir es sehen können nicht so massiv. Malaria und andere Tropenkrankheiten bleiben ein großes Problem und die Kindersterblichkeit ist nach wie vor erschreckend hoch. Das sind keine abstrakten Statistiken. In einem normalen tansanischen Smalltalk gehört die Frage nach Kindern absolut dazu, und für mich war es schon sehr erschütternd, als uns eine Frau relativ nüchtern erzählt, dass von den drei Kindern, die sie geboren hatte, leider keins überlebt hat. Dass so etwas als schmerzhaftes, aber keineswegs ungewöhnliches Schicksal wahrgenommen wird, sprengt schon die Grenzen der eigenen Vorstellungskraft. Trotzdem hatten wir den Eindruck, dass Familien sich durchaus mit dem Segen der Kirche - schon dazu ent- 13 Frauen und ihre Projekte im Turianidistrikt scheiden, irgendeine Form von Familienplanung zu betreiben. Gerade die Pastorenfamilien scheinen sich heute oft auf zwei bis drei Kinder zu beschränken. Bildung wird sehr hoch geschätzt, in entsprechend geprägten Familien werden, wenn es irgendwie finanziell möglich ist, auch noch sehr kleine Kinder auf zum Teil weit entfernte Internate geschickt, da die staatlichen Schulen mit großen Qualitätsproblemen kämpfen. Ermutigend hierbei ist, dass soweit wir beobachtet haben hier kein Unterschied zwischen Mädchen und Jungen gemacht wird und Eltern auch für die Ausbildung ihrer Töchter bereit sind, erhebliche Opfer zu bringen. zen mit Hilfe Ihrer Spenden Fortbildungen für Kindergärtnerinnen im Lutheran Junior Seminary in MOROGORO und konnten dort auch unsere Stipendiatin Margareth aus LUNGO kurz besuchen. Das dortige Lehrprogramm orientiert sich an der Montessori-Pädagogik, weil man meint, dass sich diese am besten mit den sehr begrenzten, lokal verfügbaren Mitteln umsetzen lässt. Wir sind zuversichtlich, dass dieser Schwerpunkt auf Qualifizierung der Erzieherinnen gute Früchte bringen wird, zumal wir gesehen haben, wie sehr die Vorschulbildung für unsere Partner eine Herzensangelegenheit ist. Aber auch die gemeinsame wirtschaftliche Tätigkeit von Frauen und anderen Gruppen innerhalb - zum Beispiel - der Gemeinde ist in Afrika der Normalfall. In allen Gemeinden unseres Kirchenkreises gibt es Frauengruppen, die sich treffen, um gemeinsam in der Bibel zu lesen, für einander zu beten, sich über Themen des alltäglichen Lebens auszutauschen, aber eben auch um beispielweise gemeinsam ein Feld auf dem Grundstück der Gemeinde zu bestellen, eine kleine Schweinezucht zu betreiben oder andere landwirtschaftliche Aktivitäten zu entfalten. Wirtschaftlich eigenständig tätig zu werden, ob in der Landwirtschaft oder mit einem kleinen Gewerbe ist für die Frauen in Tansania absolut der Normalfall. Das Baby, in einer Kanga auf den Rücken gebunden, oder die Kleinkinder in Rufweite sind selbstverständlich dabei. Die Chekecheas – Kindergärten bzw. Vorschulen - haben auch dort nicht primär die Betreuung der Kinder zum Ziel, sondern sind schon sehr stark darauf ausgerichtet, die Kinder auf die Schule vorzubereiten. Das wirkt auf uns manchmal doch arg rigide. Wir unterstüt- 14 Diese Projekte sind recht zahlreich und finden meistens in einem sehr bescheidenen Rahmen statt. In der Vergangenheit hatten die Frauen oft Schwierigkeiten, ihre Anliegen überhaupt schriftlich darzulegen. Genau das aber brauchen wir, um Spenden und Fördermittel einzuwerben. Hier gibt es deutliche Fortschritte, wir bekamen gut ausgearbeitete Pläne, beispielsweise für den Ausbau einer bereits recht erfolgreich gestarteten Milchvieh-Wirtschaft der Frauen in MANYINGA und für die Anschaffung einer Sonnenblumen-Presse in MVOMERO. Generell möchten wir vor allem da Projekte unterstützen, wo die Frauen schon selbst mit den ihnen zur Verfügung stehenden Mitteln die ersten Schritte gemacht haben. Sonnenblumen als Ölsaat werden vielerorts in unseren Gemeinden in kleinem Rahmen angebaut und nach der Ernte gegen Gebühr in kommerziellen Pressen (‚Mashine‘, eines der wenigen Worte, die aus der deutschen Kolonialzeit im heutigen Kisuaheli weiterleben) weiter verarbeitet. Der zurückbleibende Ölkuchen wird als Hühnerfutter eingesetzt. Im letzten Jahr haben wir mit einem relativ geringen Betrag eine Anschub Finanzierung für das sogenannte Begegnung mit Kindern und jungen Erwachsenen Reisprojekt beisteuern können. Der zur Verfügung gestellte Betrag wurde auf die Frauengruppen in den Gemeinden verteilt, die jeweils kurz nach der Ernte einige Säcke unverarbeiteten Reis kauften. Der Reis wurde eingelagert und mit einem guten Gewinn vor Beginn der neuen Ernte wieder verkauft. Das erzielte Geld wurde von den Frauen eigenverantwortlich neu investiert. So haben zum Beispiel die Frauen in MVOMERO von dem Gewinn drei Jungschweine gekauft und auf dem Gelände der Gemeinde einen Stall gebaut. Wie uns berichtet wurde, gibt es einen guten Markt für Schweinefleisch, und Händler kommen aus dem fast eine Tagesreise entfernten Daressalam, um in der Region Schweine aufzukaufen. Nicht alle angefangenen und angedachten Projekte, die uns vorgestellt wurden, sind so erfolgreich und so durchdacht. Sehr sinnvoll finden wir zum Beispiel eine noch in diesem Sommer angesetzte Schulung für die beteiligten Frauen zum Thema Existenzgründung bzw. Kleinunternehmertum. Ein paar Schweine hier und eine Hühnerzucht da wer- Meine Begegnungen mit Kindern und jungen Erwachsenen Als ich überlegte, was mir neben unseren Besuchen in verschiedenen Kirchengemeinden noch reizvoll wäre zu erleben, war mir schnell klar, dass es die jungen Leute dort sind, die mich interessieren und zu denen ich schnell Kontakt aufnehmen könnte. Gedacht – getan! Als ich das erste Mal an einem Nachmittag Zeit hatte, machte ich Thomas Bischoff mich auf und traf nur gut 100 Meter von unserer Unterkunft entfernt auf Kinder. Einige schauten mich etwas schüchtern an, andere grüßten mich freundlich (‚Hujambo?’) oder gar mit Respekt (‚Shikamoo’). Da ich darauf antworteten konnte (‚Sijambo’ bzw. ‚Marahaba’), kamen wir ein bisschen ins Gespräch. Ein 13-jähriger Junge namens Matthias erwies sich als besonders offen und fröhlich und konnte auch etwas Englisch verstehen. Ich versprach beim Tschüß-sagen (‚Kwa heri’) ein Wiedersehen. Als ich an einem der folgenden Tage noch recht weit entfernt war, erspähten die Kinder mich und riefen recht laut ‚Mzungu, Mzungu’ (Weißer) und tanzten vergnügt. Ich hatte zudem die tolle Filmkamera von St. Lukas dabei, mit der ich unsere nächste Aktion filmte, nämlich das gemeinsame Zählen auf Swahili und das Sprechen verschiedener „leichter“ Wörter in Swahili und in Deutsch. Nach den Aufnahmen konnte ich den Kindern diese auch gleich auf dem Display zeigen, was ihnen dann noch größere Freude bereitete. den die Probleme Tansanias, geschweige denn Afrikas nicht lösen. Und selbst in unserem (inzwischen doch recht großen) Kirchenkreis Turiani scheint manchmal das, was wir realistisch tun können, doch sehr gering. Das wissen wir. Trotzdem wollen wir Frauenprojekte in Turiani, wenn es möglich ist, in Zukunft verstärkt unterstützen. Einfach weil wir gesehen haben, was da geschieht, wie viel die Frauen selber bewegen, und auch weil wir Vertrauen in die Kompetenz und Integrität unserer Partner gewonnen haben, diese Projekte zu begleiten. Christiane Wittig 15 Begegnung mit Kindern und jungen Erwachsenen Ein anderes Mal brachte ich einen von Christa Guhl gespendeten Fußball inklusive Ballpumpe und einige Luftballons mit, wodurch ich spätestens dann einen gewissen „Heldenstatus“ erreichte. Das wirklich Schöne war dann aber am folgenden Tag, dass ich eine Runde Fußball mit den Kindern spielen durfte. Das war auf dem unebenen Sandweg und bei ca. 30 Grad recht schweißtreibend, aber zugleich wundervoll verbindend. In der Nähe lag auch eine Schule, und bei einem ihr gegenüber liegenden Haus saßen an einem späten Nachmittag mehrere junge Leute, die mich grüßten. Ich reagierte, sie riefen mich herbei (‚Karibu’) und wir kamen ins Gespräch, da einige ganz gut Englisch sprechen konnten. Es waren Lehrerstudenten, zehn an der Zahl, die dort ein einmonatiges Praktikum absolvierten. Sie waren sehr offen, fröhlich, interessiert und sehr sympathisch. Wir sprachen über die in Deutschland und Tansania unterschiedlichen Lehrbedingungen (z.B. müssen sie nach wie vor in sehr großen Klassen bis zu 38 Schüler und Schülerinnen unterrichten), aber ebenso über Armut und Reichtum und die verschiedenen Wege, die aus der Armut führen könnten, z.B. kleinere, durch persönliche Kontakte gestützte Projekte. Spielfeldrand sehr fröhlich und emotional war. Zudem traf ich hier auf sehr bodenturnbegabte Kinder, die mir sogleich etwas vorturnten (Flikflak) und die auch hier angesichts der kleinen, auf dem Display vorgespielten Filmaufnahmen völlig aus dem Häuschen waren. Ein Junge namens Moses lud mich in recht gutem Englisch sogleich ein, mit ihm nach Hause zu gehen, um mich seinem Vater vorzustellen. Ca. 30 Kinder kamen mit. Leider sprach der Vater kein Englisch, so dass die Kommunikation nur recht einsilbig und kurz verlief. Auch auf dem Rückweg (zur Honolulu Lodge) zusammen mit Hunderten von Kindern und Jugendlichen war nach diesem Spiel (Endstand 1:1) die Stimmung sehr ausgelassen. Sehr überraschend war für mich die Einladung eines an mir vorbei kommenden Radfahrers. Sein Name ist John, er war auf dem Rückweg von der Zuckerfabrik nach Hause, einem recht modernen Haus (also rot geklinkert und mit Wellblechdach) ganz in der Nähe. Er zeigte mir stolz zwei Fotoalben von seiner Hochzeit und im Haus seinen Flur, sein Schlaf- und Wohnzimmer. Im Überrascht war ich von der Tatsache, dass noch keiner von ihnen jemals ein anderes Land gesehen hatte. Diese Gruppe besuchte ich noch insgesamt dreimal, einmal mit Kamera, um ein bisschen Quatsch damit zu machen, ein anderes Mal wieder zu einem etwas ernsthafteren Swahili-Deutsch-Sprachaustausch (mit Hilfe meines Buches), und ein drittes Mal ging ich mit ihnen Gespräch erfuhr ich, dass er auch in der Kirche aktiv ist, erstens mit seiner Trompete, zweitens mit seinem Fotoapparat. Tatsächlich machte er schon drei Tage später Fotos von uns beim Distriktbüro in MTIBWA. Schließlich kam ich auch mit einem jungen Mann namens Abli ins Gespräch, der gerade seinen Feldboden lockerte und kleine Kuhlen grub, um dort Mais zu pflanzen. Auch an anderen Orten waren Kinder mir gegenüber sehr offen. Wenn ich dann noch ein Frisbee dabei hatte, war das ausgiebige Spielen damit ein schönes Muss. zu einem Fußballspiel zweier Jugendmannschaften, was eine tolle Erfahrung war, da die Stimmung am 16 Viele Kinder hatten großen Spaß am Singen, was mich zum nächsten Thema führt. Musikalische Erlebnisse Musikalische Erlebnisse Den phänomenalen ‚trumpet choir’, angeleitet von Umbeni Shekadodo, erlebten wir zum ersten Mal bei unserem Empfang in KIDUDWE. Unglaublich schwungvoll, ausdauernd, abwechslungsreich und recht laut spielte er auf, als wir aus dem Bus stiegen; er geleitete uns bis in die Kirche. der Gemeinde wurde uns etwas vorgesungen, immer mindestens zweistimmig, manchmal auch drei- bis vierstimmig, sehr oft verbunden mit einer kleinen Tanzchoreographie. Hier stachen die Masai besonders hervor, da ihre Stimmen “kehliger“ klangen und auch ihr Tanz sehr viel oberkörper- und kopfbetonter angelegt war. Die jeweiligen Gruppen wünschten sich von uns allerdings auch immer mindestens ein Lied, das wir mit zunehmender Sicherheit und z.T. sogar Inbrunst, manchmal auch noch mit ‚shake’ darboten. Im Kindergarten wurde den Kindern nach unserem „Gottes Liebe ist so wunderbar“ dieses Lied gleich in Swahili beigebracht. In LUNGO konnte ich ihn erneut erleben, diesmal aber endlich auch mit meinem Alt-Saxophon mitspielen, was uns allen viel Spaß bereitet hat. Zudem konnte ich Mr Shekadodo dabei beobachten, wie gewissenhaft und geduldig er mit den Jugendlichen unterschiedlichen Alters verschiedene Arrangements übte. Ich erfuhr, dass die ‚brass band’ mittlerweile auch schon zu anderen Anlässen „gebucht“ wird, was ihre Klasse beweist und für sie auch finanziell interessant sein dürfte. Schließlich wurde auch auf so mancher langen Busfahrt fröhlich gesungen, da Pastor Christopher sehr viele europäische und amerikanische Oldie-Hits kannte (aus seiner Studienzeit in Norwegen) und entsprechend einforderte, um mitsingen zu können. Die Gitarre erwies sich wieder einmal als ein sehr praktisches Reisemusikinstrument, das bei den Kindern im Kindergarten, am Wegesrand (wo wir zusammen ‚Kumbaya my Lord’ sangen), bei den Studenten (die ich mit diesem Instrument unbedingt nochmals besuchen sollte, damit ich ihnen damit begleitet was vorsingen konnte) und schließlich bei einer MasaiGemeinde auf großes Interesse stieß. Mit einer MasaiFrau habe ich auch eine kleine „Rocknummer“ probiert - sie an der Trommel, ich an der Gitarre, was uns beiden sehr viel Freude bereitet hat. In den Kirchen fiel uns auf, dass das Keyboard in vier von 15 Gemeinden, die wir besucht haben, Hauptbegleitinstrument ist und der Gesang oft recht laut, verstärkt aus riesigen Lautsprechern, in die Kirche schallt. Die Schönheit der tansanischen Musik wurde aber eher im Gesang ohne Begleitung oder nur mit Trommel transportiert. Auch beim Farewell am letzten Tag war das Auftreten der ‚band’ beeindruckend kräftig und stimmungsfördernd. Mein Fazit: ein äußerst gelungenes Projekt! Der Gesang spielt eine andere große Rolle. In fast je- Als ich am letzten Abend im Hotel-Fernsehen zappte, landete ich auf einem Musikvideokanal, der mir in einigen Clips zeigte, dass im Vergleich der europäischen/ amerikanischen Musikkultur mit der in Tansania gängigen wenige Unterschiede zu erkennen sind. Es fiel mir aber auf, dass die meistens Songs in Swahili gesungen wurden, was auf den Stolz der Tansanier und ihr „Bedachtsein“ auf Wahrung ihrer Sprachkultur hindeutet. Thomas Bischoff 17 Predigt in DAKAWA am 11. März Offenbarung Jesu Christi voll Gnade beschenken wird. Ich wünsche mir, dass ihr jetzt gehorsame Kinder seid und nicht in die Haltlosigkeit von damals, als ihr noch Heiden wart, zurückfallt. Passt euch nicht dem Alten an, sondern nehmt den heiligen Gott selbst zum Maßstab. Er hat euch berufen, und ihr sollt in eurem Leben so werden wie er. Wie er nach der Schrift sagt: »Seid heilig, denn ich bin heilig.« „Nehmt den heiligen Gott selbst zum Maßstab....“ und „Seid heilig, denn ich bin heilig.“ „Heilig“ – was ist das? Franz Schubert vertont im 18 Jhd. in Deutschland das Sanctus: Predigt zu 1. Petrus 1, 13-17 – DAKAWA, 11.03.12 In diesen Tagen wird in Deutschland voraussichtlich ein neuer Präsident gewählt: Joachim Gauck. Bis vor zehn Jahren war er Pastor der lutherischen Kirche, predigterprobt und Bürgerrechtler in dem bis 1989 unfreien Teil Deutschlands. Die Mehrheit der Deutschen erwartet von ihm, dass er politische und gesellschaftliche Orientierung gibt - in einer Zeit, in der viele überfordert sind mit dem, was ihren Alltag bestimmt. Seine persönliche Biographie ist alles andere als „moralisch heilig“: Er lebt von seiner Ehefrau getrennt und in einer neuen Beziehung, hat zeitweilig seine Kinder missverstanden, erscheint eitel, selbstverliebt und ein Stück rechthaberisch. Aber die Ehrlichkeit, mit der er mit den Brüchen seines Lebens umgeht, und eine Klarheit im Kopf, die es ihm zu ermöglichen scheint, mit eigenen verwirrten Gefühlen und mit verwirrenden politischen Verhältnissen in Deutschland und in der Welt umzugehen, machen ihn zum Hoffnungsträger nicht nur für Christen und Christinnen in Deutschland. Er ist einer, dem man glaubt, dass er „lernen“ will, und dem Menschen es zutrauen, aufrichtig mit anstehenden Lebensfragen und gesellschaftlichen Prozessen umzugehen. Die Presse kritisiert ihn als „Heiligen“. Vor ca. 2000 Jahren schreibt Petrus an die ersten Christen und Christinnen - vermutlich aus Rom: 1.Petrus 1,13-17 Darum haltet euch bereit und seid nicht schläfrig, sondern hellwach. Erwartet alles von Gott, der euch bei der 18 Heilig, heilig, heilig, heilig ist der Herr! Heilig, heilig, heilig, heilig ist nur er! Er, der nie begonnen, er, der immer war, ewig ist und waltet, sein wird immer dar. Ist heilig „nur Er“? Ist heilig also nur Gott selbst - unnahbar, verborgen, ewig? Ich hab gefragt unter lutherischen Christinnen und Christen in Hamburg. „Was heißt das für dich, ‚heilig’?“ „Ja“, antworten viele, „wir wissen, heilig sind wir alle – irgendwie. Das steht ja schon im Glaubensbekenntnis: ‚Gemeinschaft der Heiligen’, damit sind wir gemeint. Aber.... das hat auch was mit ‚anders leben’ zu tun.“ Andere, die weniger oder nichts mit dem Glauben an Gott oder Jesus zu tun haben, antworten: „Heilig? Meine Familie zum Beispiel“ oder lachend: „Fußball gucken am Sonntag“ oder auch: „Mein Schlaf ist mir heilig.“ Heilig? Was ist das für dich, für mich? Gibt es für uns Christen einen Unterschied in Deutschland oder hier in Tansania? Darüber könnten wir z.B. ins Gespräch kommen in diesen Tagen. Das „Heilige“ meint in der christlich-jüdischen Tradition das „Geschiedene“, das, was zu Gott gehört und mit Gott in Verbindung steht; „heilig“ als Attribut von Menschen soll diesen Menschen von der übrigen Welt unterscheiden. In der christlichen Tradition geht es zuallererst auch nicht darum, etwas zu leisten, damit ich heilig werde. Sondern allein dadurch, dass ich glaube, dass ich diesem Gott in Jesus vertraue, allein darum bin ich heilig. Und dieser Glaube, dieses Vertrauen ist nach Luther ein Gottesgeschenk. Predigt in DAKAWA am 11. März Für Petrus, der in einer Welt lebt, in der der Begriff „Christ“ bzw. „Christin“ noch nicht geläufig ist, sind die „Heiligen“ zunächst einmal all diejenigen, die dem neuen Glauben angehören, die Jesus als ihren Herrn bekennen. Und als solche ermahnt Petrus sie in seiner Rede: „Seid ‚heilig’, lebt anders, unterscheidet euch von den anderen Menschen, damit sie erkennen, dass ihr zu Christus gehört. Seid Vorbilder mit eurem ganzen Sein, so wie Jesus, der Christus, euch zum Vorbild geworden ist.“ Die dem neuen Glauben angehören, die ersten Christen, denen das gesagt wird, die haben es noch unmittelbar erlebt, was es heißt: das Leben vor dem Christsein und das Leben danach. Es war eine deutliche Zäsur in ihrem Leben. Es gab ein Leben als „Heide“ und nun ein Leben als „Christ“. In Hamburg wachsen die meisten Christinnen und Christen - jedenfalls der evangelischen und auch der katholischen Kirche - irgendwie in den Glauben hinein. Sie werden überwiegend als Kinder getauft und dann – in der evangelischen Kirche - konfirmiert. Aber ein echtes Vorher/ Nachher gibt es nur bei wenigen – jedenfalls wird das nicht unbedingt sichtbar. Petrus sagt nun: Als Christ musst du deinen Lebensstil ändern. Der heilige Gott selbst ist der Maßstab. Auch hier hab ich nachgefragt unter aktiven Christinnen und Christen in Hamburg: „Wenn du auf dein Leben schaust: Was macht dein Christsein aus? Wie lebst du und - lebst du anders?“ Hier einige Antworten: „Wichtig für mich ist“, sagt einer, „dass ich so lebe, dass die Schöpfung bewahrt bleibt und ich mich dafür auch politisch einsetze.“ „Ja!“, ergänzt ein anderer, „bei mir, bei uns hat sich das ganz praktisch ausgewirkt. ‚Jute statt Plastik’ - das war so eine Aktion in den 1970er Jahren, die uns Christen mit anderen geeint hat. Da ging es um Umwelt, aber auch darum, nur noch fair gehandelte Waren zu kaufen, und vieles aus der Zeit hat meine Leben nachhaltig geprägt.“ „Mir ist es seit einigen Jahren nicht mehr wichtig, immer die neuesten Sachen zu haben. Konsumverzicht, das ist für mich ein ‚Produkt’ meines Christseins und das ohne Reue und in Freiheit“, bekennt eine Frau. Eine andere erzählt: „Als ich nach Jahren das erste Mal wieder am Abendmahl teilgenommen habe, da hab ich das wie ein Freiwerden erlebt. Das Gefühl, Teil dieser großen Gemeinschaft zu sein, die zu Christus gehört, das hat mich befreit davon, zwanghaft die Welt retten zu müssen. Seitdem bin ich getragen in meinem Tun und meinem Lassen.“ „Teilen“, ruft einer dazwischen, „miteinander teilen, das fordert Gott von uns.“ „Ich hab begriffen“, erkennt eine nachdenklich, „im Menschen Jesus zeigt sich Gottes Leiden- schaft für uns. Dieser tiefen Liebe nachzuspüren, das ist meine Aufgabe. Anderen Menschen begegne ich seither offen und schauend und kann so auch andere Glaubens- und Lebensformen achten.“ Eine Studentin erklärt: „Ich bin auf der Suche nach Gottes Spuren in der Welt. Ich höre Nachrichten, lese Zeitungen, lass mir Lebensgeschichten erzählen, und mir fällt dazu so vieles ein, was in diesem alten Buch, in der Bibel, aufgeschrieben steht, was mir vieles zu deuten hilft. Und darüber kann ich ins Gespräch kommen mit anderen, die ganz Anderes sehen und auch Position beziehen.“ „Aber ein ‚Wir-Gefühl’ gehört für mich auch zum Christsein, Leben und Gemeinschaft, einen Teil meines Lebens oder vielleicht sogar mein ganzes Leben in der Gemeinschaft mit anderen zu leben und darin Verantwortung zu übernehmen“, erwidert eine Frau. „Ich versuche Konflikte anders auszutragen. Da versuche ich in die Nachfolge zu gehen: nicht gleich verteufeln, den anderen achten, mit dem Gegenüber ehrlich um den richtigen Weg ringen, mit fairen Mitteln, das versuche ich“, äußert einer. Und ganz zum Schluss sagt eine und schaut dabei aus dem Fenster: „Aber genießen, ums Genießen geht’s auch: einfach sein wie die ‚Lilien auf dem Felde’.“ Was bedeutet Christsein für Euch hier in Tansania? Würdet ihr ähnlich antworten oder ganz anders? Das interessiert mich. Petrus sagt: Passt euch nicht dem Alten an, sondern nehmt den heiligen Gott selbst zum Maßstab. Er hat euch berufen, und ihr sollt in eurem Leben so werden wie er. Wie er nach der Schrift sagt: »Seid heilig, denn ich bin heilig.« Eine ganz schön hohe Meßlatte, finde ich: Gott selbst als Maßstab. Für mich zeigt sich die Heiligkeit Gottes in dem Jesus von Nazareth. In ihm wird das Wort „heilig“ konkret und sichtbar. Er ist ganz Mensch. Er lebt erfahrbar und sichtbar in Raum und Zeit. Ihm ist nichts Menschliches fremd und er kommt auf mich zu mit seiner Liebe. Dem, der auf mich zukommt, möchte ich nachfolgen. Und indem ER mich annimmt, wird ER mir zum Vorbild, den anderen anzunehmen und darin IHN zu sehen. Es ist wie ein Tanz... ein Lebenstanz... nicht ums Goldene Kalb, sondern um IHN und mit IHM als dem Heiligen Gottes. Petra Roedenbeck-Wachsmann 19 Drei Episoden Ein Glücksfall Autopanne im Schlamm. Vorausgegangen war eine herzliche Begegnung in der Masai-Gemeinde. Große Gastgeber! Sehr interessiert einander zugewandt, anrührend, guter Austausch! Wir wurden zum Bus begleitet. Aufbruch! Nach ca. 50 Metern saß der Bus im Schlamm fest. Gerade wieder flott, aber 150 Meter weiter, das gleiche Pech noch einmal, aber viel schlimmer. Regengüsse hatten das Ihrige getan. Diesmal setzte ich mich ab, den Rückweg vorausnehmend. Endlich kehrte Abendruhe bei mir ein. Der Weg durch die Savanne. Davon träume ich noch jetzt: diese völlig andere Natur, der andere Duft - ein ganz neues Erleben. Dazu: riesige Rinderherden der Masai, begleitet von einer oder zwei Personen. Die Herden kannten ihren Weg, unbeirrt. Alles wirkte geordnet. Herrlich war ein einzel- strahlte! Ich zeigte ihm auch die anderen Bilder, die ich in der letzten halben Stunde mit meiner Kamera festgehalten hatte: Gehege, Hütten, Bäume, Pflanzen, Tiere. Er erkannte sofort alle Stellen, wo ich sie aufgenommen hatte. Voller Stolz zeigte er mir sein Zuhause. Ich blieb lange, ein bisschen abseits des Weges, aber so, dass man mich nicht hätte suchen müssen, sobald der Bus kam. Ich stand allein in der Savanne und ließ das Treiben an mir vorüberziehen wie einen Film. Ich nahm alles wahr, alles war einzigartig. Und ich: verwoben mit der Natur, z.B. ein ganz besonderer Strauch in Blüte, wunderhübsch, einmalig schön. Der Tag hatte sich geneigt. Die helle Sonne, ein gleißendes Licht, verschwindet in der Senke. Die Rinder lagerten sich zur Nacht in ihr Schutzgehege. Dunkelheit kehrte ein, hüllte die Savanne, uns und den nun wieder fahrbereiten Bus ein. Ein Gegensatz: Meine Ruhe von eben und nun der Bus, überfüllt mit Gastgebern, die zurück in ihre abgele- genen Hütten wollten. Ein Dank der Schlammpause; ein Dank an die Masai-Krieger, die engagiert geholfen hatten, den Bus wieder flott zu machen. Einfach nur „Danke“ für diesen Tag. Mein tansanischer Morgen ner Hahn zwischen den Kühen, ein Solitär, treuer Begleiter der Herde, die ganze Zeit über. Ein kleiner Junge hütete seine Herde, wie er es in seiner Kindheit kennen gelernt hatte. Er war etwas scheu, aber er ließ sich von mir fotografieren. Ich zeigte ihm das Bild, und er 20 Ich werde geweckt von zahlreichen Hahnenschreien. Ein Weckruf, der für mich ein Geschenk ist und mich dankbar macht. Der Tag konnte beginnen. Vögel schwärmten aus auf Nahrungssuche. Die Nebel stiegen auf, die Menschen gingen ihren Tätigkeiten entgegen. Ruhe für mich, die ich die Vögel beobachtete und auch die vielen Hühnerfamilien, die von einem Platz zum anderen wechselten: hier ein Scharren, dort ein Scharren, irgendwo musste es doch etwas aufzupicken geben! Inzwischen - leider - zieht man Mauern um die Grundstücke, g a n z westlich! Wie schön, wenn es noch so wie früher bliebe, aber der „Fortschritt“... Drei Episoden Land & Leute Christopher (andere auch) betont immer wieder: „Wir wollen unseren tansanischen Weg gehen!“ Und ich denke: „Wie schön wäre es, Freizügigkeit beizubehalten und Eigenständigkeit zuzulassen!“ Besondere Menschen Apropos Hühner: Aus den vielen guten nahrhaften Körnern möchte ich, wie ein Huhn, ein paar aufpicken, die mich „gefüttert“ haben. Zum Beispiel: Julian, unser Fahrer. Ruhig, geduldig, einfühlsam, sehr präsent, mit Übersicht und Weitblick und doch zurückhaltend – so erlebte ich ihn, dem kein Weg zu viel war. Hilfsbereit, z.B. als ich zweimal meinen Rucksack mit den Fotoakkus vergessen hatte. Er ging gelassen zurück und brachte ihn mir. Gutes Dokumentarmaterial heimzubringen, war mir wichtig - ein Touristenanteil auch in mir. Und dann: Mr Mnzava, der die große und keinesfalls immer dankbare Mittlerrolle übernommen hatte und sie vorzüglich ausfüllte. Und dann: das so herzhafte, liebe und laute Lachen von Mama Machibula, die trotz aller privaten Lasten noch eine Ausbildung anfängt, alles zuverlässig organisiert, eine Powerfrau, wie sie im Buche steht. Und dann: der talentierte Mr Shekadodo, der so segensreich und strahlend die Bläserarbeit voranbringt. Alles Menschen, die für jeden anderen ein Segen sind! Mit ihnen wird Tansania noch ein Stück mehr aufblühen. Und für mich sind sie Menschen, die mich berührt und beeindruckt haben. Christa Guhl 21 Land und Leute Tansania Tansania in Ostafrika liegt am Indischen Ozean und grenzt an Kenia und Uganda im Norden, Ruanda, Burundi und den Kongo im Westen und Sambia, Malawi und Mosambik im Süden. Tanganjika wurde 1961 von Großbritannien unabhängig und verband sich 1963 mit Sansibar zu Tansania, dessen Landesname aus Tanganjika, Sansibar sowie der Bezeichnung Azania (historische Bezeichnung für die Küste Ostafrikas) zusammengesetzt ist. Die rund 37 Mio. Einwohner Tansanias sprechen über 100 verschiedene Sprachen. Hauptstadt des Staates ist Dodoma, Regierungssitz ist Dar es Salaam. Die Evangelisch-Lutherische Kirche in Tansania (ELCT) ist heute mit 5,6 Millionen Mitgliedern die größte lutherische Kirche Ostafrikas, sie ist in 20 Diözesen unterteilt. Die Kirche in Tansania steht vor großen Herausforderungen: Sie macht Gesundheitsarbeit, hat HIV/AIDS-Projekte. Sie betreut Bildungseinrichtungen von der Grundschule bis zur Lutherischen Universität. Die Kirche fördert und betreibt Wasserbauprojekte und Landwirtschaft. Damit ist die tansanische Kirche ein wichtiger Träger der Entwicklungsarbeit in einem der ärmsten Länder. Die ELCT äußert sich auch zu aktuellen politischen Entwicklungen wie zur Frage der Korruptionsbekämpfung, der Globalisierung und der Sicherung des Friedens im Lande und in der Region. Solche Stellungnahmen werden neuerdings möglichst in Zusammenarbeit mit den Muslimen (40% Bevölkerungsanteil) und den Christen aller Konfessionen (ebenfalls 40%) entwickelt. Quelle: nordkirche weltweit ZENTRUM FÜR MISSION UND ÖKUMENE Karte: www.weltkarte.com 22 GNU Free Documentation License Turiani Distrikt 23 Das neue Partnerschaftskomitee Einladung zur Mitarbeit Der Tansania Arbeitskreis freut sich über Menschen, die bereit sind mitzuarbeiten. Wir treffen uns in der Regel einmal im Monat. Kontakt: Kirchengemeinde St. Lukas Krista Prante, Tel. (040) 59 65 74 Christiane Wittig, Tel. (0172) 4 53 96 00 E-Mail [email protected] Kirchengemeinde Ohlsdorf-Fuhlsbüttel Christa Guhl, Tel. (040) 500 72 72 von links nach rechts: Mr Sifuni Mnzava, Mrs Grace Kihara, Mr Wellington Makiao, Mr Peter Chengula, Mr Abbysai Wihala, Miss Joyce Kombe Im Mai 2011 wurde das Turiani Committee in Tansania neu zusammengesetzt. Als Vertreter und Vertreterinnen der damaligen sechs Hauptgemeinden wurden gewählt: Mr Sifuni G. Mnzava aus LUNGO Mr Peter D. Chengula aus MTIBWA Mr Abbysai W. Wihala aus KIDUDWE Mr Wellington Makiao aus TURIANI Mr Jossia Ng’ambi aus KUNKE Mrs Grace Kihara aus MVOMERO In beratender Funktion gehören zum Turiani Committee: Rev. Christopher Samuel, Propst im Turianidistrikt Rev. Hosea Mbaga, stellvertretender Propst Miss Joyce Kombe, Sekretärin Mr Joel Kailembo, Distriktsekretär Dankbar sind wir auch für Spenden Spendenkonto: Kirchengemeinde Ohlsdorf-Fuhlsbüttel Hamburger Sparkasse BLZ 200 505 50 Konto 1215 120732 Stichwort: TURIANI Herausgeber: Tansania Arbeitskreis (Turianikreis) der Kirchengemeinden St. Lukas Fuhlsbüttel und Ohlsdorf-Fuhlsbüttel, vertreten durch Krista Prante Redaktion: Christa Guhl, Andrea Kaiser, Krista Prante Pfingsten 2012 Ev.-Luth. Kirchengemeinde St. Lukas Hummelsbütteler Kirchenweg 3 22335 Hamburg www.st-lukas-online.de Ev.-Luth. Kirchengemeinde Ohlsdorf-Fuhlsbüttel Fuhlsbüttler Straße 656a 22337 Hamburg www.kg-ohlsdorf-fuhlsbuettel.de