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Einleitung
Eine Logopädin in der Schule oder in anderen öffentlichen Institutionen findet sich oft in
der Situation, dass sie von Lehrenden oder Eltern zu ihrer Arbeit angesprochen wird.
Was macht sie eigentlich alles und wann kann man sich an sie wenden?
Mit dem Inhalt des Info-Koffers haben wir versucht, der Logopädin Materialien in die
Hand zu geben, mit denen sie eine kurze Information über ihre Tätigkeit präsentieren
kann. Unsere Idee war es, dass man schnell Auskünfte geben kann über einen breiten
Teil seiner Arbeit – oder auch über einzelne Teilbereiche. Deshalb haben wir die
Information in verschiedene Module gegliedert, die man abhängig vom gegebenen
Zeitrahmen einzeln oder gesamt vortragen kann.
Inhalt des Koffers:

Texte zu verschiedenen Themen – können direkt übernommen werden

Störungen:

Im Sprachverständnis

Im Lautspracherwerb

In der Grammatik

Im Lese/Schreiberwerb

Flussdiagramme zu den Texten – können als Stichpunkte zur eigenen
Textgestaltung übernommen werden

Folien zur visuellen Unterstützung der Vorträge

Beobachtungsbogen zum Entwicklungsstand des Sprechens, Lesens und
Schreibens

Tonbandaufnahmen zur auditiven Unterstützung der Vorträge (ausschliesslich
Deutsch sprechende Schweizer Kinder)
ZBL
Zürcher Berufsverband der Logopädinnen und Logopäden
2003
Sprachverständnis – Sprachverständnisschwierigkeiten
Waren Sie schon bei einem Gespräch dabei von dem Sie nur die Hälfte verstanden
haben? Konnten Sie sich schon dabei zusehen, wie Sie nickten, selbst wenn Sie etwas
nicht verstanden haben? Hat schon jemand in einer Fremdsprache auf Sie eingeredet
und Sie wussten nicht, wie Sie darauf reagieren sollten? Haben Sie sich schon über
eine Gebrauchsanweisung geärgert, die Sie mehrfach durchlesen mussten, um heraus
zu finden, wie der Ablauf funktioniert? - Vermutlich fühlten Sie sich in solchen
Situationen verunsichert, Sie haben sich gelangweilt oder waren verärgert.
Kinder, die Sprachverständnisschwierigkeiten haben, erleben in ihrem Alltag viele
solche Situationen.
Beispiel auf Tonband.
Sprachverständnis
Genau so wichtig wie das Sprechen ist, die Sprache zu verstehen.
Folie 1: „Indem wir Wörter und Sätze äussern, teilen wir etwas von unserer Welt mit.
Indem wir Wörter und Sätze verstehen, nehmen wir ein Stück Aussenwelt zu uns.“
(S. Mathieu)
Wörter und Sätze sind Symbole für Gegenstände, Handlungen, Situationen und
Gefühle. Durch die Sprache können wir beim Gegenüber innere Bilder und Filme
auslösen, ohne dass der genannte Gegenstand anwesend sein muss oder die
Handlung ausgeführt wird. Ein kleines Kind kann das noch nicht. Es muss die
Gegenstände sehen, wenn davon gesprochen wird und es führt aus, was es versteht.
Es muss diese Vorgänge immer wiederholen. Wenn es genügend Erfahrungen über
die Gegenstände und Handlungen gesammelt hat, kann es die entsprechenden
sprachlichen Symbole mit den inneren Bildern verknüpfen und sich von der konkreten
Situation entfernen. Eine intakte Vorstellungsentwicklung ist daher eine der wichtigsten
Voraussetzungen für das Verstehen von Sprache.
Sprache im Alltag und in der Schule verstehen heisst, weit mehr als nur Wörter zu
verstehen. Die Wörter innerhalb eines Satzes müssen anhand grammatikalischer und
syntaktischer Strukturen in Bezug zueinander gesetzt werden (z.B. „Ich hörte Radio,
nachdem ich gefrühstückt hatte.“– was tat ich zuerst?). Und die einzelnen Sätze
müssen wiederum im Kontext vorangehender und nachfolgender Sätze betrachtet
werden. (z.B. „Peter und Anna gehen nach Hause. Er ist müde.“ – Wer ist müde?)
Das Sprachverständnis kann nicht direkt beobachtet werden. Wir können es immer nur
anhand des Verhaltens (Handlungen und Äusserungen) interpretieren. Z.B., indem wir
das Kind auffordern, etwas zu tun und seine Reaktion beobachten oder indem wir
gezielte Fragen stellen. Dies erschwert die Einschätzung der Sprachverständniskompetenz und führt dazu, dass viele Kinder mit Sprachverständnisschwierigkeiten
oft lange unbemerkt bleiben.
ZBL
Zürcher Berufsverband der Logopädinnen und Logopäden
2003
Sprachverständnisschwierigkeiten
Folie 2: Sprache ungenügend, nicht sicher oder verzögert zu verstehen, bedeutet nicht
verstehen, was in der Aussenwelt passiert – und was die Aussenwelt von mir will.
Kinder mit Sprachverständnisschwierigkeiten können sich nicht auf ihre inneren Bilder,
ihre Vorstellung verlassen. Daher haben Sie v.a. dann Schwierigkeiten, wenn die
Sprache nicht an das Hier und Jetzt gebunden und visuell nachvollziehbar ist. Viele
dieser Kinder fallen im Alltag kaum auf. Da sich im gewohnten Umfeld die Abläufe
ständig wiederholen, muss man nicht wirklich verstehen, um sich darin bewegen zu
können. Diese Kinder orientieren sich an den gewohnten Situationen, an Schlüsselwörtern oder sie schauen bei anderen ab, was gerade zu tun ist. Die meisten Kinder
mit Sprachverständnisschwierigkeiten entwickeln Überdeckungsstrategien wie z.B.
das Ja-Sagen, als Antwort auf Fragen, die sie nicht verstehen.
Mit den Anforderungen neuer Kommunikationsgemeinschaften wie Kindergarten
und Schule werden die Schwierigkeiten immer deutlicher, da sich das Kind in neuen
Situationen und Abläufen zurecht finden muss. Ein differenziertes Verstehen wird nötig,
um darauf reagieren zu können. Können die Kinder nur unsicher verstehen, wirkt sich
dies oft in einem auffälligem Spiel- und Sozialverhalten, Unkonzentriertheit,
verzögerten Leseverständnisfähigkeiten und Lernstörungen aus.
In der ersten Klasse werden v.a. Buchstaben und Zahlen, erstes Lesen und Schreiben
gelernt. Diese Fertigkeiten sind grösstenteils auswendig erlernbar oder visuell-logisch
nachvollziehbar. Deshalb können auch während dieser Zeit Sprachverständnisschwierigkeiten oft noch geschickt kompensiert werden. Spätestens ab der dritten
Klasse werden sie aber offensichtlich, wenn das Lesesinnverständnis geprüft wird,
die Satzaufgaben behandelt oder kleine Textchen geschrieben werden. Meist werden
die scheinbar plötzlich auftretenden Schwierigkeiten aber nicht mit Schwierigkeiten im
Verstehen von Sprache in Verbindung gebracht.
Das Sprachverständnis und die Sprachproduktion sind ein sich gegenseitig
beeinflussender Prozess. Wenn das Kind unsicher versteht, wird es die Sprache
auch nur unsicher verwenden können. Die gesprochene Sprache kann also ein
Hinweis darauf sein, wie das Kind versteht (z.B. sehr undeutliche Aussprache,
häufiges Verwenden von Floskeln und Phrasen, dysgrammatische Sätze, Stottern).
Folie 3: „Fehlendes Sprachverständnis verunmöglicht dem Kind eine grosse Menge an
Erfahrungen und damit auch an Fortschritten.“ (S. Mathieu)
- Und es erschwert das Verständnis für die Aussenwelt und für sich selbst.
ZBL
Zürcher Berufsverband der Logopädinnen und Logopäden
2003
Folie 4:
Was kann ich als Lehrer tun, um das Sprachverständnis im Alltag zu stützen?

Sprache so weit als möglich mit Gegenständen, Handlungen und Situationen
in Beziehung bringen

Sprache kongruent zur Situation gebrauchen

Sprache mit Mimik, Gestik und Satzmelodie unterstützen

längere Aufträge in kürzerer Teilaufträge aufteilen

Verständnis durch Fragestellungen sichern (Nacherzählen ist eine
komplexere Leistung als die Beantwortung von gezielten Fragen)
Der Vortrag zum Sprachverständnis stützt sich auf die Veröffentlichungen von S. Mathieu in
„Kinder im Vorschulalter“, Haupt-Verlag 1998 und „Wenn Kinder die Sprache nicht entdecken“,
Haupt-Verlag 2000
ZBL
Zürcher Berufsverband der Logopädinnen und Logopäden
2003
Die Lautbildung und ihre Störungen
Lehrerinnen und Lehrer merken sehr schnell, wenn sie ein Kind in ihrer Klasse haben,
das Probleme mit der Lautbildung hat. Solche Kinder können Wörter oft nur schlecht
oder falsch aussprechen und ihre Sprache klingt verwaschen. Der Grund dafür ist,
dass diese Kinder beim Sprechen Laute falsch bilden, Laute auslassen oder sie
vertauschen.
Beispiel auf Tonband: Sigmatismus, r/l Ersetzung
Bei Kleinkindern ist man gewohnt, dass noch nicht alle Laute der zu lernenden
Zielsprache entsprechen - und man findet es eher noch herzig, wenn aus Banane Nane, aus Gückel - Düttel, und aus Tisch - Tiss wird.
Von Schulkindern erwartet man jedoch (zurecht) eine präzise Aussprache bzw.
Artikulation. Empirisch gesicherte Daten zeigen, dass 90 % aller sechsjährigen Kinder
alle Laute und deren Verbindungen artikulieren können.
Mögliche Ursachen einer Lautbildungsstörung
Wenn ein Kind Wörter nicht richtig ausspricht, so kann dies verschiedene organische
und umfeldbedingte Ursachen haben:
Folie 1: Ursachen

Hör- und Wahrnehmungsstörungen

feinmotorische Ungeschicklichkeit

Kiefer- und Zahnfehlstellungen

erbliche Vorbelastungen

frühkindliche Hirnschädigungen

Sprachentwicklungsverzögerungen

aber auch seelisch bedingte Entwicklungsstörungen oder

Erwerb einer Zweitsprache, die andere Laute hat als die Muttersprache.
Gelangt ein solches Kind in die fachliche Betreuung einer Logopädin oder eines
Logopäden, so hört man bei der Beschreibung dieser Aussprachefehler Begriffe wie
phonetische oder phonologische Störungen. Was bedeutet das eigentlich?
ZBL
Zürcher Berufsverband der Logopädinnen und Logopäden
2003
Phonetische und phonologische Störungen
Folie 2: Phonetik
Während sich die Phonetik mit der Lauterzeugung auf verschiedenen Ebenen
auseinandersetzt, befasst sich die Phonologie mit dem System der Laute und deren
Aufgabe als Träger von Bedeutungsunterschieden.
Im logopädischen Alltag bedeutet dies, dass sich die phonetische Therapie mit der
Bildung und Korrektur der einzelnen Sprachlaute befasst.
Laute wie [s], [∫], [r], oder [l] werden zuerst in Isolation angebahnt. Danach werden sie
in Silben und Lautgruppen und später in Wörtern erarbeitet und anhand von Spielen
und Aufgaben geübt. Das Kind muss dafür die alte Sprechweise verlernen, und den
alten Laut durch den Neuen ersetzen. Das führt für eine gewisse Zeit zu der Situation,
dass das Kind den neuen Laut zwar isoliert sprechen kann, ihn aber nicht in seiner
Spontansprache anwendet. Hier wäre es wünschenswert, wenn alle an der Erziehung
des Kindes Beteiligten, also auch die Lehrerin oder der Lehrer, das Kind in der
Übungsphase unterstützen würden. Dies gelingt nur, wenn die Lehrkraft auch weiss,
woran in der Logopädie gearbeitet wird. Ein fachlicher Austausch ist zwischen Schule
und Therapie deshalb sehr wichtig.
Eine phonologische Therapie hingegen hat zum Ziel, dem Kind zu vermitteln, wie
verschiedene Laute oder Lautpositionen im Wort zu unterschiedlichen Wortbedeutungen führen. (z.B. bei Sonne – Tonne, wenn dass Kind Zischlaute in Stopplaute
umwandelt oder bei Bogen – Boden, wenn das Kind Laute nicht an der korrekten Stelle
bildet).
Folie 3: Phonologie
In Übungs- oder Spielsituationen lernt das Kind, dass Laute die Bedeutung des
Gesagten verändern. Die kommunikative Intension des Kindes (ich möchte verstanden
werden!), bewirkt dann, dass sich das Kind bemüht, den Bedeutungsunterschied
auszudrücken. Es entwickelt das Bedürfnis verstanden zu werden und ändert seine
Aussprache – entweder spontan oder aufgrund expliziter phonetischer Anleitungen.
Phonetik und Phonologie stehen also häufig in einer wechselseitigen Abhängigkeit, sie
beziehen sich jedoch nicht nur auf die gesprochene Sprache.
ZBL
Zürcher Berufsverband der Logopädinnen und Logopäden
2003
Der Einfluss der Laut- auf die Schriftsprache
Auch für den Schriftspracherwerb ist das Wissen um phonetische und phonologische
Eigenschaften von Lauten, Silben und Wörtern wichtig.
Die Lautreihenfolge beim Sprechen spiegelt sich in der Reihenfolge der Buchstaben
wieder. Und schon im Vorschulalter gelten die Fähigkeiten beim Anlaute finden, beim
Reimen und beim Klatschen als Indikator für den Erfolg beim Lesen und Schreiben
lernen. In der Fachsprache werden diese Fähigkeiten unter dem Begriff phonologische
Bewusstheit zusammengefasst.
Folie 4: Phonologische Bewusstheit
Bemerkt eine Lehrkraft in der ersten Klasse, dass ein Schüler oder eine Schülerin
Schwierigkeiten im laut- oder schriftsprachlichen Bereich hat, so ist es ratsam, so bald
wie möglich mit einer Logopädin oder einem Logopäden zu sprechen. Gemeinsam
kann man dann nach Lösungen suchen.
ZBL
Zürcher Berufsverband der Logopädinnen und Logopäden
2003
Grammatikerwerb und Störungen des Grammatikerwerbs
Grammatikerwerb
Im Laufe des Spracherwerbs werden die grammatikalischen Strukturen der Sprache
durch Nachahmen, Üben und Verstehen lernen, normalerweise spontan entdeckt. Mit
fünf bis sechs Jahren ist die Grammatik grundsätzlich erworben, vereinzelte Fehler
können noch bei Partizipien, Pluralformen, Artikel und Präpositionen auftreten. Wenn
also ein Kind kurz vor Schuleintritt sagt: „Ich han vili herzige Hünder gseht“ ist das zwar
nicht ganz richtig, aber sowohl die Mehrzahl als auch die Zeitform sind den regulären
Formen entsprechend gebildet. Dies setzt bereits ein grammatisches Verständnis
voraus, das für dieses Alter ausreichend ist. Das Kind übergeneralisiert: Huus 
Hüüser, Buech  Büecher, demzufolge wird Hund zu Hünder, genauso spilä  gspilt,
suechä  gsuecht und gseh  gseht. Dies hört sich ganz falsch an, ist aber nur halb
so schlimm, denn in der normalen Sprachentwicklung durchläuft jedes Kind eine
Phase, in der es die grammatikalischen Regeln nicht korrekt anwendet. Wenn sich
aber die Ausdrucksweise nach dem zweiten oder dritten Lebensjahr nicht so weit
entwickelt haben, dass der Satzbau und die Wortbildung in etwa der richtigen Form
und Reihenfolge entsprechen, kann man eine Störung des Grammatikerwerbs
vermuten.
Folie 1: Hauptfunktionen der Grammatik

Festlegung von Regeln für die Verbindungen von Wörtern und Sätzen.
Diese Regeln sichern das Verständnis.

Durch Regeln können sich Sender und Empfänger einer Nachricht/Information
von der unmittelbaren Umgebung lösen.

Beispiele wichtiger Regelfunktionen:
- Übereinstimmung von Subjekt und Verb. (z.B.“Stefan und Anna winken. Sie
gehen nach Hause.“ – „Sie“ kann sowohl für Anna als auch für Anna und
Stefan stehen, wir wissen die korrekte Bedeutung nur dank des konjugierten
Verbes „gehen“).
- Kennzeichnung von Handlungsträgern (z.B. „Peter haut Stefan.“ „Peter wird
von Stefan gehauen“ Obwohl die Reihenfolge der Namen jeweils gleich
bleibt, ändert die Bedeutung).
- Zeitliche Abfolgen (z.B. „Bevor ich zu dir nach Hause komme, gehe ich
einkaufen.“)
Das grammatische Ordnungssystem erlaubt es uns, uns sprachlich vom Hier und Jetzt
zu entfernen, sowie über Vergangenes und Zukünftiges zu sprechen. Schwierigkeiten
im Erkennen und Verwenden dieser Strukturen verhindern ein sicheres
Sprachverständnis und eine sichere Sprachproduktion. Dies führt zu einer
Einschränkung der Kommunikations- und Entwicklungsmöglichkeiten des Kindes.
Folie 2: Störungen des Grammatikerwerbs
Wir LogopädInnen sprechen von Dysgrammatismus, wenn ein Kind grammatikalische
Strukturen wie Satzbau (z.B. Wortreihenfolge) und Wortbildung (z.B. Konjugation,
Deklination, Fälle, Numerus) im familiären Umfeld nicht korrekt erlernen und anwenden
kann.
ZBL
Zürcher Berufsverband der Logopädinnen und Logopäden
2003
Beispiel auf Tonband.
Der Dysgrammatismus tritt nur selten als isolierte Entwicklungsstörung, sondern meist
im Zusammenhang mit artikulatorischen Schwierigkeiten, eingeschränktem Wortschatz
und mangelndem Sprachverständnis auf. Denn, Kinder sprechen häufig so, wie sie
verstehen. Bei einem Kind, das dysgrammatisch spricht, kann ich also vermuten, dass
es Sätze mit grammatikalisch komplexeren Strukturen auch nicht verlässlich verstehen
kann. Hingegen besteht kein Zusammenhang zwischen einem Dysgrammatismus und
einer eingeschränkten Intelligenz. Die allgemeine intellektuelle Leistungsfähigkeit kann
dem Durchschnitt entsprechen.
Folgende Symptome treten bei dysgrammatisch sprechenden Kindern auf:

Wörter werden ausgelassen oder falsch verwendet. Im besonderen Subjekte,
Artikel, Präpositionen, Konjunktionen, Deklinationen etc. (z.B. „Hämmemer es
Hus gseh.).

Die Wortreihenfolge innerhalb des Satzes ist fehlerhaft. Häufig wird das Verb
an das Ende des Satzes gestellt (z.B. Ich Schokolade gerne habe.).

Oft begleitende Symptome:
- fehlerhafte Laut- und Wortbildung (viele dysgrammatisch sprechende
Kinder weisen auch Artikulationsstörungen auf)
- Störungen der Wortbedeutung (Semantik)
- fehlerhafter Gebrauch der Sprache (Pragmatik)
- kleiner Wortschatz (viele Wörter sind unbekannt oder werden nicht
adäquat benutzt)
Meist sind Auffälligkeiten in einem oder mehreren Wahrnehmungsbereichen zu
beobachten, z.B:

bei der auditiven Wahrnehmungsorganisation

in Gedächtnisleistungen und Speicherfähigkeit, z.B. Probleme in der auditiven
Speicherfähigkeit (Hörmerkspanne)

in der Handlungskompetenz, z.B. Schwierigkeiten bei der Analogiebildung

in der Zeit- und Rhythmusverarbeitung, z.B. Schwierigkeiten in der
melodischen und rhythmischen Differenzierung
Dysgrammatismus und Zweisprachigkeit (Mehrsprachigkeit)
Oft werden bei zwei- und mehrsprachigen Kindern zum Zeitpunkt der Einschulung
noch grammatikalische Fehler festgestellt. Dabei kann man noch nicht von einer
Störung des Grammatikerwerbs im logopädischen Sinne („Dysgrammatismus“)
sprechen. Es kann sich um ein unvollständiges Wissen aufgrund ungenügender
Erfahrungen handeln. Diese Fehler sollten sich durch die Praxis im Laufe der Schulzeit
ausgleichen.
ZBL
Zürcher Berufsverband der Logopädinnen und Logopäden
2003
Lesen und Schreiben
Ist Ihnen das auch schon begegnet? Sie haben sich ein neues Gerät gekauft, das aus
Japan importiert wurde und modernster Technologie entspricht – und die Bedienungsanleitung ist in japanisch gedruckt. Den Schriftzeichen können Sie keine Laute
zuordnen, demzufolge keine Worte erlesen und von einem Sinnverständnis ist ganz
abzusehen. In der spanischen Anweisung können sie den Schriftzeichen immerhin
Laute zuordnen, die Wörter jedoch immer noch nicht verstehen (ausser sie sprechen
Spanisch). Endlich finden Sie die deutsche Version. Die Schriftzeichen, Wörter und
Sätze können Sie nun verstehen. Die Sinnentnahme bleibt trotzdem schwierig, wie
nachfolgendes Beispiel zeigt: „Die Handkurbel an der Gestell-Frontseite überträgt die
Antriebskraft über den bombierten Kettenkasten und eine Welle auf ein im Fahrwerk
integriertes exzentrisches Zahnrad, welches in die Bodenkette der Schienenanlage
eingreift.“
Stellen sie sich nun ein dreijähriges Kind vor. Der Vater schreibt eine Einkaufsliste.
Das Kind „schreibt“ sich ebenfalls einige Dinge auf, welche es einkaufen möchte. Dies
könnte etwa so aussehen:
Folie 1: Gekritzel
Dem Kind ist klar, was diese Kritzel bedeuten. Für die Umwelt
sind diese Linien ohne Bedeutung. Nach einer gewissen Zeit
weiss auch das Kind die Bedeutung nicht mehr.
Mit diesen Kritzeln hat das Kind den ersten wichtigen Schritt
im Erwerb der Schriftsprache bereits begriffen: Es ist sich der Symbolik bewusst
geworden. Genauso wie in der gesprochenen Sprache werden auch in der
geschriebenen Sprache Symbole verwendet. Der Sinn des Lesens und Schreibens
ist die Möglichkeit, geographische und zeitliche Grenzen überwinden zu können.
Folie 2: Einige notwendige Grundvoraussetzungen für das Lesen und Schreiben
Der Erwerb des Lesens und Schreibens ist komplex: Ein Kind, welches sich dieser
Kulturtechniken bedienen will, muss bereits eine Vielzahl sprachlicher und motorischer
Erfahrungen gemacht haben. Es muss Einzellaute unterscheiden, bestimmen und
miteinander verbinden können. Es muss Lautpositionen innerhalb eines Wortes
bestimmen können. Es muss Silben erkennen können. Auch die räumlich-visuellen
Fähigkeiten müssen einen Reifegrad aufweisen, der es dem Kind erlaubt, willkürliche
Linienformen zu erstellen und wieder zu erkennen und die feinmotorische Entwicklung
muss fortgeschritten genug sein, um den Buchstaben die Formen zu geben. All diese
Fähigkeiten sollen es dem Kind ermöglichen, die Eigenschaften der flüchtigen
lautsprachlichen Form eines Wortes zu erfassen und in eine permanente schriftliche
Darstellungsweise umzusetzen. Der Unterscheidung von Lauten und Buchstaben
kommt grosse Bedeutung zu. Laute werden geäussert, wir können sie hören,
Buchstaben sind geschriebene Zeichen, sie stehen als Symbol für den geäusserten
Laut.
ZBL
Zürcher Berufsverband der Logopädinnen und Logopäden
2003
Die geschriebene Sprache kann nur im Zusammenhang mit der gesprochenen
Sprache verstanden werden. Die gesprochene Sprache ist Voraussetzung für den
Lese- und Schreiblernprozess.
Folie 3: Erwerb des Lesens und Schreibens
Der Schriftspracherwerb setzt schon im Vorschulalter ein. Schon früh weiss ein Kind,
dass geschriebene Wörter eine Bedeutung haben. Es kann Schrift von anderen
Symbolen und Bildern unterscheiden, (es sieht die Etikette und weiss, das heisst Coca
– Cola) ohne dass es das Wort in die einzelnen Buchstaben zerlegen und willkürlich
lesen kann (Lautverschmelzung).
Das Lesen und Schreiben stellt sich nicht spontan ein wie der Spracherwerb, sondern
es sind zu erlernende Kulturtechniken. Das Lesen basiert auf der Dekodierung und
Synthese von Buchstaben. Diese stellen ein Symbol für einen Laut dar (Spezialfälle:
mehrere Buchstaben werden benötigt um einen Laut darzustellen: Sch für  oder
umgekehrt x für ks). Buchstabenformen können nicht abgeleitet werden, sondern
müssen erlernt werden. Dem Schreiben liegt eine genaue (Laut)Analyse und
Kodierung zu Grunde. Das Wort muss in die einzelnen Laute zerlegt werden, diesen
müssen die entsprechenden Buchstaben zugeordnet werden.
Die Zuordnung Laut - Buchstabe ist nicht immer 1 : 1. 120 Laute müssen den 28
Buchstaben zugeordnet werden. Schreibvarianten des Lautes e können als e, ee, eh
realisiert werden.
Beim Lesen und Schreiben müssen komplexe neurologische Leistungen erbracht
werden:
Folie 4: Beim Lesen
1. Optische Unterscheidung Buchstabe – Piktogramm – Bild
2. Entsprechende Zuordnung von Lauten
3. Verschleifen der Laute zum Wort
4. Vertonung und Wiedererkennung des Wortes
5. Vergleich mit bekanntem gespeicherten Muster
6. Inhaltliches Verstehen
Folie 5: Beim Schreiben (Diktat)
1. Akustische Aufnahme
2. Unterscheidung Sprache – Musik – Geräusch
ZBL
Zürcher Berufsverband der Logopädinnen und Logopäden
2003
3. Wiedererkennung der Morpheme und Vergleich mit schon gespeicherten
Mustern
4. Inhaltliches Verstehen
5. Zerlegung des Wortes in Laute
6. Den einzelnen Lauten werden die entsprechenden Buchstaben zugeordnet
7. Abruf der motorischen Abläufe
8. Ausführung der Schreibabläufe
Am Ende der ersten Klasse sollten die Kinder alle Buchstaben, kürzere Wörter und
einfache Sätze korrekt erlesen können.
Was beinhaltet eine Lesestörung?
Beispiel auf Tonband.
Eine Auswahl von möglichen Symptomen einer Lesestörung können sein:

Buchstaben werden häufig verwechselt oder unsicher erkannt z.Bsp. (Lador
anstelle von Labor Mald anstelle von Wald).

Eingeschränkte Lautverschmelzung, Wörter werden dadurch auflautiert.
Wörter setzen sich aus Buchstaben zusammen, können aber nicht wie Zahlen
der Reihe nach erfasst werden. ZB. 2310 ist eine vierstellige Zahl, bewegt sich
in den Tausendern. Der Inhalt eines Wortes kann ständig ändern, mit jedem
Buchstaben, der dazu kommt.
E – I – N – S – T – E – I – N. Verschiedene Wörter mit ganz unterschiedlichen
Bedeutungen sind darin enthalten. Ei , ein, eins, einst, Einstein, einst ein oder
ein Stein. (W-a-l-d) oder aufbauend gelesen (W – Wa – Wal – Wald).

Auslassungen (Wad anstelle von Wald ), Umstellungen(Wadl anstelle von
Wald) und Hinzufügungen (Waldi anstelle von Wald) von Lauten.

Erratende Lesestrategie. Das Kind erkennt von Wald die ersten zwei
Buchstaben Wa und ergänzt z. Bsp. warm.

Mangelndes Lesesinnverständnis. Eine falsche Betonung oder falsches
erratendes Lesen der Wörter kann ein Hinweis auf ein mangelndes
Lesesinnverständnis sein (Spei – sef – isch).

Störungen der gesprochenen Sprache fallen beim Lautlesen auf, so kann ein
Kind mit einer Störung des Lautes  welcher als s realisiert wird, diesen in
der gelesenen Sprache auch nur als s artikulieren (Fisch wird zu Fis). Das
sind keine Lesestörungen sondern Artikulationsstörungen in der
gesprochenen Sprache. Das Kind wird aufgefordert das Wort zu schreiben als
Überprüfung, ob es den Begriff korrekt gespeichert und inhaltlich
entsprechend verstanden hat.
ZBL
Zürcher Berufsverband der Logopädinnen und Logopäden
2003
Das wichtigste beim Lesen ist das inhaltliche Verstehen des Textes. Gute
Lesetechniker täuschen den Zuhörer, indem sie den Text fehlerfrei und in
angemessenem Tempo erlesen, den Inhalt aber nicht wiedergeben können. Das
Sprachverständnis ist eine wichtige Grundvoraussetzung für ein inhaltliches Verstehen
des Gelesenen. Dies hat auch Auswirkungen auf sprachlich „verpackte“ Rechnungen,
wie z.B. die „Sätzli-Rechnungen“. Bei mangelndem Lesesinnverständnis können sie
nicht gelöst werden, auch wenn die grundlegenden Rechenoperationen beherrscht
werden.
Was beinhaltet eine Schreibstörung?
Folien 6 und 7 Bildergeschichten beschreiben

Die Störungen der gesprochenen Sprache (Wortschatz, Grammatik, Syntax)
zeigen sich immer und vor allem auch in der geschriebenen Sprache.

Das Kind schreibt Buchstaben fehlerhaft, es kann die Form nicht genau
übernehmen und der Schreibablauf entspricht nicht der Vorgabe.

Merkfehler z.Bsp. (Meer/mehr, fiele/viele, sih/sieh) oder
Wahrnehmungsfehler (Mähr/Meer, backen/packen) sind feststellbar.

Das Kind kennt die Regeln der Gross- und Kleinschreibung nicht.

Oft kommen Verwechslungen von form- und klangähnlichen Buchstaben vor
(b,d,q,p und b/p, d/t, g/k/ch und m/n).

Buchstaben, Silben oder ganze Wörter werden ausgelassen (häufiger wenn
buchstabiert anstatt lautiert wird; Es=S & El=L/Esel, haben wird als ha & be &
n = hbn und häufige Fehler bei Endungen gehn/gehen, en wird als n realisiert)
oder stehen an dadurch oft nur noch mühsam zu erlesen.

Inhalt kann nicht chronologisch wiedergegeben werden und ist für den Leser
nicht verständlich (Bsp. auf Folie)
Die Aufzählungen der Symptome sind eine Auswahl von häufigen und einfach zu
erkennenden Auffälligkeiten und erheben nicht den Anspruch auf Vollständigkeit.
ZBL
Zürcher Berufsverband der Logopädinnen und Logopäden
2003
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