Statement des Vorsitzenden der Deutschen

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10.07.2007
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PRESSEMITTEILUNGEN
DER DEUTSCHEN
BISCHOFSKONFERENZ
Statement des Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz,
Karl Kardinal Lehmann, zur Veröffentlichung des
Dokumentes „Antworten auf Fragen zu einigen Aspekten
bezüglich der Lehre über die Kirche“ der
Kongregation für die Glaubenslehre am 10.07.2007
1. Die römische Kongregation für die Glaubenslehre veröffentlicht am 10.
Juli 2007 ein Dokument unter dem Titel „Antworten auf Fragen zu einigen
Aspekten bezüglich der Lehre über die Kirche“, das in fünf Fragen und
Antworten, die in einem ausführlicheren „Kommentar“ erläutert werden,
aufgebaut ist. Sie beziehen sich auf die Aussage des Zweiten
Vatikanischen Konzils, dass nämlich die Kirche Jesu Christi „in der
katholischen Kirche verwirklicht ist („subsistit“), die vom Nachfolger Petri
und von den Bischöfen in Gemeinschaft mit ihm geleitet wird“
(Konstitution über die Kirche „Lumen gentium“, Art. 8, künftig: LG).
Diese Aussage gehörte immer schon zur Lehre über das Geheimnis der
Kirche, hat aber durch das Zweite Vatikanische Konzil eine Präzisierung
erfahren.
2. Die Aussage, dass die Kirche Jesu Christi in der katholischen Kirche
„subsistiert“, wird gewöhnlich übersetzt: „... ist verwirklicht in der
katholischen Kirche“. Der Begriff Subsistenz kommt vor in der Lehre der
Kirche über die Dreifaltigkeit Gottes (ein Gott in drei Personen) und über
Jesus Christus (eine Hypostase/Person in zwei Naturen). Im Verständnis
von LG 8,2 erschließt sich der genaue Sinn des Ausdrucks „Subsistenz“
aus dem Kontext. Es geht jedenfalls um die eine und einzige Kirche Jesu
Christi, die ihre konkrete Existenzform in der katholischen Kirche hat.
Die Glaubenskongregation macht deutlich, dass die Verwendung des
Ausdrucks die Kirche Jesu Christi „subsistiert“ in der katholischen
Kirche keine Veränderung in der Überzeugung von der substantiellen
Identität der Kirche Jesu Christi mit der katholischen Kirche mit sich
bringt: Die Kirche Jesu Christi ist in der katholischen Kirche als konkretes
Subjekt und geschichtliche Wirklichkeit anzutreffen.
3. Früher ist diese substantielle Identität dadurch zum Ausdruck gekommen,
dass man sagte: Die Kirche Jesu Christi ist („est“) die katholische Kirche.
Nun hat aber das Zweite Vatikanische Konzil – und darin besteht bis heute
ein wichtiger neuer Schritt für die Lehre von der Kirche und für das
ökumenische Gespräch – zugleich erklärt, „dass (auch) außerhalb ihres
Gefüges (nämlich der katholischen Kirche) vielfältige Elemente der
Heiligung und der Wahrheit zu finden sind, die als der Kirche Christi
eigene Gaben auf die katholische Einheit hindrängen“ (LG 8,2; vgl. auch
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Herausgeber
P. Dr. Hans Langendörfer SJ
Sekretär der Deutschen
Bischofskonferenz
Redaktion
Dr. Martina Höhns
verantwortlich
Stefanie Uphues
10.07.2007
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DER DEUTSCHEN
BISCHOFSKONFERENZ
das Dekret über den Ökumenismus, Art. 3). Um beides, nämlich die substantielle Identität
mit der katholischen Kirche und die Existenz ekklesialer Elemente in anderen
Glaubensgemeinschaften, widerspruchslos denken und sagen zu können, hat das Konzil
nach langer Diskussion die etwas schwierigere Formulierung „subsistit“ statt des
vieldeutigeren „ist“ („est“) gewählt: Die konkrete Existenzform der von Jesus Christus
gestifteten Kirche findet man in der katholischen Kirche, ohne den anderen christlichen
Gemeinschaften außerhalb von ihr die Existenz kirchlicher Elemente abzusprechen.
4. Man muss also beides festhalten: den Anspruch der katholischen Kirche auf substantielle
Identität zwischen der Kirche Jesu Christi und ihr und der Anerkennung kirchlicher
Elemente außerhalb von ihr selbst. Das kirchliche Lehramt hat nach dem Zweiten
Vatikanischen Konzil immer wieder Interpretationen zurückgewiesen, dass die Kirche
Jesu Christi auch in anderen Gemeinschaften „subsistiere“, wie etwa der eine Gott in drei
Personen lebt oder wie ein Baum einen Stamm hat mit vielen Zweigen. Darum sagt das
Konzil: „Dies ist die einzige Kirche Christi, die wir im Glaubensbekenntnis als die eine,
heilige, katholische und apostolische bekennen.“ (Art. 8,2)
5. Diese differenziertere Sicht wurde nach dem Abschluss des Zweiten Vatikanischen
Konzils öfter klargestellt: z. B. in den Erklärungen der Glaubenskongregation „Mysterium
ecclesiae“ (1973), „Communionis notio“ (1992), „Dominus Jesus“ (2000) sowie in der
Notifikation zu dem Buch „Kirche: Charisma und Macht. Versuch einer militanten
Ekklesiologie“ von Leonardo Boff (1985), aber auch in den Enzykliken, z. B. „Ecclesiam
1
suam“ von Paul VI. (1964) und in „Ut unum sint“ von Johannes Paul II. (1995).
Jetzt wird derselbe Sachverhalt im Abstand einiger Jahre wiederholt. Offenbar haben nach
der festen Überzeugung der Glaubenskongregation trotz so vieler lehramtlicher
Äußerungen die genannten Fehldeutungen nicht aufgehört.
6. Die Glaubenskongregation ist sich im Blick auf dieses Dokument der ökumenischen
Tragweite bewusst. Dies kommt besonders auf den letzten Seiten des Kommentars zum
Ausdruck. Die katholische Kirche erblickt in den anderen christlichen
Glaubensgemeinschaften eine wirkliche Anteilnahme am Kirchesein. Sie konnte ihren
Anspruch auf eine substantielle Identität nicht preisgeben, hat aber ihren
Absolutheitsanspruch im Sinne einer puren Identifikation reduziert. Wenn sie an dieser
substantiellen Identität mit der Kirche Jesu Christi festhält, vertritt sie dennoch kein
exklusives, absolutes Identitätsmodell.
Dadurch wird die bleibende Identifikation weiträumiger und erhält auch eine innere
Offenheit und Unabgeschlossenheit. Die Gleichsetzung Kirche = katholische Kirche wird
eingeschränkt. Dies ermöglicht eine echte Ergänzung und einen aufrichtigen Dialog. Es
wird auch deutlich, dass es nach beiden Seiten hin ein – gewiss verschiedenes – Defizit in
1
Die Übersetzungen dieser Erklärungen erschienen z. T. in der Reihe Verlautbarungen des Apostolischen
Stuhls, hrsg. vom Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz, Nr. 107, 148, 67. Die Erklärung
„Mysterium ecclesiae“ aus dem Jahr 1973 findet sich in: Nachkonziliare Dokumentation, Band 43 (Trier
1975).
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der „Vollständigkeit“ der eigenen kirchlichen Existenz und ein Sollen zu einer tieferen
Einheit gibt.
Die erneute katholische Stellungnahme der Glaubenskongregation mag besonders in ihrer
Knappheit und Dichte hart erscheinen, aber sie lässt grundlegend Raum, die anderen
Kirchen nicht nur moralisch, sondern theologisch als Kirchen zu achten. Der eigene
Anspruch darf nicht zu irgendeiner Überheblichkeit führen, denn durch die Spaltungen ist
auch die Fülle der katholischen Kirche eingeschränkt. Mit Recht sagt das Zweite
Vatikanische Konzil: „Aber gerade die Spaltungen der Christen sind für die Kirche ein
Hindernis, dass sie die ihr eigene Fülle der Katholizität in jenen Söhnen (und Töchtern)
wirksam werden lässt, die ihr zwar durch die Taufe zugehören, aber von ihrer völligen
Gemeinschaft getrennt sind. Ja, es wird dadurch auch für die Kirche selber schwieriger,
die Fülle der Katholizität unter jedem Aspekt in der Wirklichkeit des Lebens
auszuprägen.“ (Dekret über den Ökumenismus, Art. 4)
Diese Einsichten gehören insgesamt zu den wichtigsten Früchten des Zweiten
Vatikanischen Konzils. Daran ändert selbstverständlich auch dieses neue Dokument
nichts.
Das Dokument der Glaubenskongregation vom 10. Juli 2007 spornt vielmehr die Theologie
an, ehrlich und mutig auf diesem Weg weiterzugehen. Die Formulierung des Zweiten
Vatikanischen Konzils in LG 8,2 ist eine bleibende Norm, aber keine abschließende
Endstation, sondern eher verheißungsvoller Anfang. Die Aufgabe, die vor uns liegt, ist groß.
Dabei geht es besonders um das tiefere Verständnis des Kircheseins, einschließlich des
Verständnisses des Amtes und besonders der apostolischen Sukzession. Darüber gibt es zur
Zeit weltweit Gespräche, die hoffen lassen.
In diesem Sinne will der Text gelesen und verstanden werden: Es ist ein Dokument der
Klarheit des eigenen Bekenntnisses und zugleich der Würdigung, ja auch einer – zwar
begrenzten, aber wesentlichen – Anerkennung des ekklesialen Charakters der anderen
christlichen Glaubensgemeinschaften. Das ökumenische Gespräch lebt von beidem.
Mainz/Bonn, 10.07.2007
Hinweis:
Den Wortlaut der Texte der Kongregation für die Glaubenslehre finden Sie im Internet unter
www.dbk.de.
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